Aus zwei mach drei

Im Nachgang zum 31. Bundesparteitag der CDU in Hamburg analysieren Anne Goldmann, Sandra Plümer und Arno von Schuckmann, welche Konsequenzen sich durch die erstmalige Verteilung von drei Ämtern auf drei Personen ergeben. Dabei gehen die wissenschaftlichen Mitarbeiter der NRW School of Governance sowohl auf das Verhalten der einzelnen Akteure als auch ihre Beziehungen untereinander ein. In Anlehnung an die Agenturtheorie identifizieren die Autoren zwei mögliche Prinzipal-Agent-Verhältnisse an der Führungsspitze und zeigen Differenzen zwischen den Zielvorstellungen der Akteure sowie Informationsasymmetrien innerhalb des Dreigestirns auf. Schließlich zeigt das Essay mögliche Lösungsansätze auf.

Auf die anstehenden Feiertage freuen sich vermutlich viele im Land. Ganz besonders herbeisehnen dürfte das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin eine Atempause. Das Jahr 2018 begann mit einem Wechsel an der Spitze – Peter Tauber legte nach gut vier Jahren sein Amt als Generalsekretär der Partei nieder. Es folgte auf Vorschlag von Angela Merkel mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine ihr Vertraute. Kramp-Karrenbauer, zum damaligen Zeitpunkt Ministerpräsidentin im Saarland, stellte bei ihrer Bewerbungsrede heraus, dass es keine einfache Entscheidung sei, das von ihr bisher sehr erfolgreich geführte Amt aufzugeben, sie aber die Notwendigkeit erkenne, sich stärker in den Dienst der Partei zu stellen (Kramp-Karrenbauer 2018). Mit knapp 99% wurde sie schließlich von den Delegierten des 30. Bundesparteitags zur Generalsekretärin gewählt.

Aus zwei mach drei

Das neue Spitzenpersonal in Folge des 31. Bundesparteitags der CDU

Autoren

Anne Goldmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der NRW School of Governance. Dort verantwortet sie derzeit den Bereich der Anwendungsorientierung des Masterstudiengangs „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“.

 

 

Sandra Plümer hat ihr Masterstudium in Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung an der NRW School of Goverance abgeschlossen und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte. Zu ihren Forschungsinteressen zählt unter anderem die Landespolitik Nordrhein-Westfalens.

 

Arno von Schuckmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte sowie Chefredakteur der Zeitschrift für Politikwissenschaft (ZPol).

 

 

Auf die anstehenden Feiertage freuen sich vermutlich viele im Land. Ganz besonders herbeisehnen dürfte das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin eine Atempause. Das Jahr 2018 begann mit einem Wechsel an der Spitze – Peter Tauber legte nach gut vier Jahren sein Amt als Generalsekretär der Partei nieder. Es folgte auf Vorschlag von Angela Merkel mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine ihr Vertraute. Kramp-Karrenbauer, zum damaligen Zeitpunkt Ministerpräsidentin im Saarland, stellte bei ihrer Bewerbungsrede heraus, dass es keine einfache Entscheidung sei, das von ihr bisher sehr erfolgreich geführte Amt aufzugeben, sie aber die Notwendigkeit erkenne, sich stärker in den Dienst der Partei zu stellen (Kramp-Karrenbauer 2018). Mit knapp 99% wurde sie schließlich von den Delegierten des 30. Bundesparteitags zur Generalsekretärin gewählt. Nur zwei Monate später startete sie ihre deutschlandweite sogenannte Zuhörtour, auf der sie bei gut 40 Terminen mit der Parteibasis zusammenkam. Im Spätherbst schließlich dann der enorme organisatorische Aufwand für die acht Regionalkonferenzen, welche anberaumt wurden, nachdem Friedrich Merz, Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Kandidatur für den Parteivorsitz bekannt gaben. Noch einmal wurden innerhalb von fünfzehn Tagen in acht deutschen Städten Veranstaltungen organisiert, an denen mehr als 14.000 CDU-Mitglieder teilnahmen (Gathmann 2018). Es folgte schließlich der 31. Bundesparteitag in Hamburg vom 6. bis 8. Dezember. Auch hier stand am Ende die Feststellung, dass es sich um einen historischen Parteitag handelte. Das Medieninteresse war enorm: auf die vorgesehenen 600 Plätze für Journalisten1 kamen 2000 Akkreditierungen (CDU 2018). Auch wenn sich die Themen der erwähnten Zuhörtour auf dem Parteitag wiederfanden und der Prozess der Neugestaltung des Grundsatzprogramms zur inhaltlichen Debatte der Delegierten führte, so lag der Fokus doch eindeutig auf den zwei zentralen Personalentscheidungen. Erstmals in der Parteigeschichte werden die drei Ämter Bundeskanzlerschaft, Bundesvorsitz und Generalsekretariat von drei Personen bekleidet und erstmals sind zwei der drei Ämter an Frauen vergeben.

Bisheriges Zusammenspiel an der Parteispitze

Eine solche Aufteilung war in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der CDU schlicht nicht möglich, weil die Funktion des Generalsekretärs auf Bundesebene nicht existierte. Die Position widersprach dem föderalen Selbstverständnis der Landesverbände. Als Adenauer den späteren Bundesvorsitzenden und Kanzler Kiesinger für das Amt des Generalsekretärs vorschlug, erhielt er derart wenige Stimmen, dass Kiesinger das Amt ablehnte (Bösch 2002: 78). Erst Ende der 1960er Jahre wurde im Zuge der Parteimodernisierung das Amt auf Bundesebene geschaffen und zunächst mit Bruno Heck, dem vormaligen Bundesgeschäftsführer, besetzt (Bösch 2002: 97). Abbildung 1 zeigt die acht Bundesvorsitzenden und fünfzehn Generalsekretäre bis heute. Die mit Abstand längste Amtszeit absolvierte Helmut Kohls zweiter Generalsekretär Heiner Geißler von 1977 bis 1989 – die kürzeste hingegen dauerte nur gut sieben Monate und war die Amtszeit von Ruprecht Polenz als erster Generalsekretär unter Angela Merkel (KAS 2018).

Abbildung 1: Übersicht bisheriger Bundesvorsitzender sowie Generalsekretäre, eigene Darstellung, Daten entnommen aus KAS 2018.

Das aktuelle Statut der CDU räumt dem Generalsekretär insbesondere bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie dem Europäischen Parlament ein Weisungsrecht gegenüber nachgeordneten Gebietsverbänden, Vereinigungen und Sonderorganisationen ein (CDU 2016: §26). Der Paragraph über die Zuständigkeiten betont in Abschnitt 1 insbesondere das enge Abstimmungsverhältnis zwischen dem Bundesvorsitzenden und Generalsekretär – so zumindest die theoretische Vorstellung über das Verhältnis (CDU 2016: §37). Aufgrund des ungeschriebenen Gesetzes, dass Parteivorsitz und Bundeskanzlerschaft bei einer Person liegen, war es somit das Zweiergespann aus Bundesvorsitzendem und Generalsekretär, dass die Geschicke der Partei maßgeblich prägte. Dieses Zweiergespann ist nun erstmals in der Parteigeschichte aufgelöst worden, frei nach dem Motto: „Aus zwei mach drei”. Durch den Verzicht auf die erneute Kandidatur Angela Merkels für den Bundesvorsitz ergibt sich somit ein Dreigestirn an der Parteispitze. Welche Konsequenzen hat diese neue Konstellation sowohl auf das Verhalten der einzelnen Akteure als auch auf ihre Beziehungen untereinander?

Risiken durch Ämtertrennung und Arbeitsteilung

Um das Dreigestirn genauer analysieren zu können, wählt dieses Essay einen theoretischen Zugang, der die Beziehung der Akteure zueinander in den Mittelpunkt rückt: die Agenturtheorie. Aus der Neuen Institutionenökonomie stammend stellt sie die Interaktionen der relevanten Akteure beispielsweise innerhalb von Organisationen in den Fokus der Analyse (Saam 2002). Durch verschiedene konzise theoretische Annahmen handelt es sich um eine geeignete Theorie, welche sich besonders für die Konstruktion potenzieller Probleme innerhalb von Parteien als komplexe und arbeitsteilige Organisationen eignet.2

Zentrale Annahme der Agenturtheorie ist die Existenz eines Agenten und eines Prinzipals. Der Agent erweist sich als Auftragnehmer und der Prinzipal als Auftraggeber. Dabei soll die Frage beantwortet werden, wie sichergestellt werden kann, dass der Agent sowohl effektiv als auch effizient für den Prinzipal arbeitet (Saam 2002). Dieser Gedanke erscheint zunächst recht trivial, gewinnt aber dann an Brisanz, wenn man sie um eine grundlegende Komponente ergänzt: Die Prämisse, alle beteiligten Akteure würden rational ihre eigenen Interessen verfolgen, um sich – in unserem Fall in einer Partei – künftig in eine bessere Position zu bringen.3

So ist klar, dass eben aufgrund der Arbeitsteilung die diversen Akteure über voneinander abweichende Kompetenzen und divergierendes Wissen verfügen. Aufgrund der Rationalitätsprämisse der Theorie entsteht hier ein Konflikt. So ist der Prinzipal in einem hohen Maße von dem Agenten abhängig, was dieser wiederum weiß. Unter Umständen macht sich der Agent diese Position zunutze, indem er seinen Informationsvorsprung einsetzt, um die eigenen Interessen zu realisieren (Gilardi/Braun 2002; Saam 2002).4 Die aus der Interaktionsbeziehung resultierende Informationsasymmetrie führt durch die auf Eigennutz ausgerichtete Denkweise der beteiligten Akteure zu suboptimalen Ergebnissen – besonders aus der Sicht des Prinzipals und gegebenenfalls aus der der Partei.5

Im Falle des Dreigespanns aus Merkel, Kramp-Karrenbauer und Ziemiak ergeben sich folgende Prinzipal-Agent-Beziehungen:

Abbildung 2: Neu geschaffenes Dreigestirn an der Parteispitze mit doppeltem Prinzipal-Agent-Verhältnis, eigene Darstellung.

Das erste Prinzipal-Agent-Verhältnis besteht aus der Parteivorsitzenden Kramp-Karrenbauer als Agent und der Kanzlerin Merkel als Prinzipal. Die Personalie Angela Merkel ist wohl bekannt. Heute steht Angela Merkel laut Volker Bouffier vor allem für eines: Stetigkeit. 18 Jahre Parteivorsitz und 13 Jahre Kanzlerschaft. So betonte es der hessische Ministerpräsident auf dem Hamburger Parteitag. Inhaltlich steht Angela Merkel für eine pragmatische Politik, eine „Politik des Machbaren“ (Müller 2018). Oftmals wird ihr eine „Sozialdemokratisierung der CDU“ (Sigmund 2018; Walter/Werwath/D’Antonio 2014: 154) angehangen, die beispielsweise anhand der Einführung der bezahlten Elternzeit für Väter verdeutlicht wird. Ihr Politikstil gilt als nüchtern, unaufgeregt und in Teilen emotionslos (Korte 2010; Fried 2015).

Annegret Kramp-Karrenbauer kann ebenso eine lange parteipolitische Karriere vorweisen. Sie gehört der Mitte der CDU an und sieht in der Öffentlichkeit davon ab, sich einem konkreten Flügel – ob wirtschaftsliberal oder konservativ – zuzuordnen. Gesellschaftspolitisch gilt die neue Parteivorsitzende als sehr konservativ, insbesondere durch ihre stark ablehnende Haltung gegenüber der Ehe für alle. Sozialpolitisch hingegen ist sie eher dem linken Lager als dem neoliberalen zuzuordnen (Braun 2018). Als eines der unmittelbaren Ziele von Annegret Kramp-Karrenbauer kann angenommen werden, dass sie sich von Angela Merkel abgrenzen und ihr eigenes Profil schärfen möchte. Zudem dürfte sie nach dem knappen Wahlergebnis zwischen ihr und Friedrich Merz ein Interesse an der Integration der verschiedenen Flügel innerhalb der Partei haben. Mittelbar strebt sie nach eigenen Angaben auch das Kanzleramt an (ZDF 2018). Ihren Informationsvorsprung als Agent bezieht sie einerseits aus ihrer langjährigen Erfahrung auf Landesebene und andererseits aus ihren umfangreichen Gesprächen mit der Parteibasis im Rahmen der Zuhörtour 2018.

Da bereits zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist, dass Angela Merkel ihre politische Karriere nach dieser Legislaturperiode beenden will, verschiebt sich ihre Zielvorstellung dahingehend, dass sie keine bessere Position innerhalb der Partei anstrebt, sondern das bisher Erreichte sichern und ihr politisches Erbe bewahren möchte. Dies gilt sowohl für die Personen an der Parteispitze als auch die weitere inhaltliche Positionierung der Partei. Zusätzlich hat Merkel verlauten lassen, dass sie bis zum Ende der Legislatur im Amt als Kanzlerin verbleiben will (Burger/Lohse 2018). Erst durch ihren Verzicht auf den Bundesvorsitz der Partei hat Merkel erstmals eine Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Kanzlerschaft und Parteivorsitz angelegt. Grundsätzlich ergibt sich hieraus ein hohes Risiko für die Rolle der Kanzlerin, da sie nun auf eine Parteivorsitzende als ihre Agentin angewiesen ist. Aufgrund der Tatsache jedoch, dass mit Kramp-Karrenbauer eine ihr eng Vertraute den Parteivorsitz übernommen hat, verringert sich dieses Risiko.

Das zweite Prinzipal-Agent-Verhältnis besteht zwischen Kramp-Karrenbauer und dem neuen und bisher jüngsten Generalsekretär Ziemiak. Der langjährige Vorsitzende der Jungen Union gehört dem konservativen Flügel der CDU an und ist durchaus traditioneller einzuordnen als der CDU-Mainstream. So betont er die Bedeutung nationaler Symbole, wie Hymnen und Flaggen und wünscht sich ein stärkeres Bekenntnis zum hohen „C“. In seiner Rede auf dem Hamburger Parteitag sprach er sich etwa für eine konsequente Abschiebung von Gefährdern aus und forderte ein „klares Bekenntnis zu diesem Land“, mit dem die CDU die zur AfD abgewanderte Wählerschaft zurückgewinnen könne (Zeit Online 2018). Gegenüber Kramp-Karrenbauer kommt ihm die Rolle des Agenten zu. Da er laut Statut der CDU für die „Koordination der gesamten Parteiarbeit aller Gebietsverbände, der Vereinigungen und Sonderorganisationen“ (CDU 2016: § 37) zuständig ist und damit künftig auch den Prozess zum neuen Grundsatzprogramm übersehen wird, bestehen ausreichend Möglichkeiten für Ziemiak, sich einen Informationsvorsprung zu erarbeiten. Kramp-Karrenbauer hingegen wechselt in diesem Verhältnis in die Rolle des Prinzipals.

Die bereits erläuterten Zielvorstellungen Kramp-Karrenbauers stehen in dieser Beziehung denen Ziemiaks gegenüber. Dieser wird seine Position als Generalsekretär maßgeblich dafür nutzen, um sich zunächst in der Partei zu etablieren und den innerparteilichen Rückhalt auszubauen. Weiterhin ist aufgrund seines jungen Alters anzunehmen, dass er sein derzeitiges Amt als Sprungbrett für weitere Karriereschritte nutzen wird.

Zwei mögliche Wege der Risikominimierung

Die beiden Prinzipal-Agent-Beziehungen bergen aufgrund der aufgezeigten Informationsasymmetrien und verschiedenen Zielsetzungen Konfliktpotential. Die Agenturtheorie bietet verschiedene Lösungsvorschläge, um die Eigennutzorientierung des Agenten zu Lasten des Prinzipals und letztlich der Organisation einzudämmen. So können Anreizsysteme geschaffen werden, die den Agenten an einem für den Prinzipal positiven Outcome beteiligen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Kontroll- und Informationssysteme einzuführen, sodass beispielsweise der Agent in regelmäßigen Abständen seine Handlungen rechtfertigen muss (Saam 2002).

Im ersten Prinzipal-Agent-Verhältnis schaffte Merkel ein Anreizsystem für Kramp-Karrenbauer, indem sie sie zur Generalsekretärin machte und ihr nun als Parteivorsitzende den Weg zur Kanzlerschaft ebnet. Das legt nahe, dass Kramp-Karrenbauer das bisher gute Verhältnis zu Merkel nicht gefährden wird. Zusätzlich wird Merkels Position durch bereits vorhandene Kontroll-und Informationssysteme gestärkt, wie zum Beispiel ihre Mitgliedschaft im Bundesvorstand der Partei und ihr Kabinett.

Im Verhältnis zwischen Kramp-Karrenbauer und Ziemiak kreierte die neue Parteivorsitzende bereits ein Anreizsystem, indem sie mit Ziemiak einen Vertreter sowohl des konservativen Flügels als auch der jüngeren Generation aktiv in die Parteispitze einband. Fraglich erscheint zum jetzigen Zeitpunkt, ob es Kramp-Karrenbauer als Prinzipal gelingt, ohne eigenes Mandat oder Ministerposten zusätzliche Informationssysteme für sich zu etablieren und so die Informationsasymmetrie zu reduzieren.

Ausblick

Zunächst scheinen die Probleme, die sich aus der doppelten Prinzipal-Agenten-Konstellation ergeben, aufgrund der vorausschauenden Arbeit der Prinzipale abgeschwächt. Als Lösungsansätze sind hier vor allem das Schaffen von Anreizsystemen, die Etablierung von Kontrolle sowie das reziproke Vertrauen zu nennen. Letzteres könnte jedoch durch externe Faktoren und bereits antizipierte Hürden erschüttert werden und zu einer Verschärfung der Dilemmata zwischen den Akteuren im Sinne der Agenturtheorie führen.

So steht Angela Merkel zunächst innerhalb ihrer eigenen Partei für verschiedene Regierungsentscheidungen in der Kritik. Des Weiteren ist sie einem stetigen Dissens innerhalb der Großen Koalition ausgesetzt, der in der von CDU, CSU und SPD vereinbarten Halbzeitbilanz, die im Oktober 2019 erfolgen müsste, kulminieren könnte. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu wage: „Zur Mitte der Legislaturperiode wird eine Bestandsaufnahme des Koalitionsvertrages erfolgen, inwieweit dessen Bestimmungen umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen“ (CDU/CSU/SPD 2017: 174). Diese Formulierung lässt zunächst keine erdrutschartigen Folgen der Evaluierung vermuten, verschiedenen Aussagen von SPD-Politikern zufolge sei diese jedoch ausschlaggebend für den Fortbestand der Großen Koalition (Steffen 2018).

Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen wird sich zukünftig einerseits parteipolitisch profilieren, ihre eigenen Positionen herausarbeiten und um innerparteiliche Unterstützung werben müssen. Des Weiteren besteht die Herausforderung darin, die verschiedenen Flügel und Politikstile, die der Kampf um den Parteivorsitz hervorbrachte, miteinander in einen diskursiven Austausch zu bringen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ihr knapp unterlegenen Konkurrenten Friedrich Merz. Kramp-Karrenbauer kommt demnach eine große Integrationsfunktion zu. Ziemiak in seiner Rolle als Generalsekretär wird – wie auch seine Vorgänger – an der Performanz der CDU bei den anstehenden Bürgerschaft- und Landtagswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie der Europawahl gemessen. Somit stehen die drei Akteure jeweils vor individuellen Herausforderungen in den nächsten Wochen und Monaten. Sie werden einen ersten Eindruck davon geben, wie erfolgreich das neue Dreigestirn an der Parteispitze agieren kann.

Literatur:

Bösch, Frank (2002): Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt.

Braun, Stefan (2018): Das hat es in der CDU lange nicht gegeben. Online verfügbar unterhttps://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-merkel-nachfolger-1.4189893, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Burger, Reiner/Lohse, Eckart (2018): Jedem Ende wohnt ein Zauber inne. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/angela-merkel-will-2021-schluss-machen-mit-der-politik-15863650.html, letzter Zugriff: 21.12.2018.

CDU (2016): Statutenbroschüre der CDU Deutschlands. Statut der CDU. Online verfügbar unterhttps://www.cdu.de/system/tdf/media/statutenbroschuere.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=353, letzter Zugriff: 20.12.2018.

CDU (2018): Gespräch mit Verantwortlichen am CDU Pressestand auf dem 31. Bundesparteitag am 07.12.2018 in Hamburg.

CDU/CSU/SPD (2018): Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 19. Legislaturperiode. Online verfügbar unterhttps://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Fiedler, Maria (2018): Annegret Kramp-Karrenbauer. Gehalt für den CDU-Vorsitz: Null Euro. Online verfügbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/annegret-kramp-karrenbauer-gehalt-fuer-den-cdu-vorsitz-null-euro/23743366.html, letzter Zugriff: 19.12.2018.

Fried, Niko (2015): Im Amt gefangen. Online verfügbar unterhttps://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-und-das-maedchen-im-amt-gefangen-1.2570457, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Gathmann, Florian (2018): Konkurrenz um CDU-Vorsitz. Die bewegte Partei. Online verfügbar unter http://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-bilanz-der-kandidatenschau-von-akk-jens-spahn-friedrich-merz-a-1241439.html, letzter Zugriff: 19.12.2018.

Gilardi, Fabrizio/Braun, Dietmar (2002): Delegation aus Sicht der Prinzipal-Agent-Theorie. In: Politische Vierteljahresschrift, 43 (1), S. 147-161.

KAS (2018): Geschichte der CDU. Bundespartei. Online verfügbar unter https://www.kas.de/web/geschichte-der-cdu/bundespartei, letzter Zugriff: 20.12.2019.

Klinkert, Manfred (1999): Rational Choice und Organisation: zur Reichweite des Agency-Ansatzes, Diss. Univ. München.

Korte, Karl-Rudolf (2010):Präsidentielles Zaudern Der Regierungsstil von Angela Merkel in der Großen Koalition 2005-2009. In: Bukow, Sebastian; Seemann, Wenke (Hrsg.): Die Große Koalition. Regierung – Politik – Parteien 2005-2009. Wiesbaden: Springer.

Kramp-Karrenbauer (2018): Bewerbungsrede von Annegret Kramp-Karrenbauer für das Amt der Generalsekretärin der CDU Deutschlands vom 26.02.2018. Online verfügbar unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/akk-rede-30-parteitag_0.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=13136, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Saam, Nicole J. (2002): Prinzipale, Agenten und Macht. Eine machttheoretische Erweiterung der Agenturtheorie und ihre Anwendung auf Interaktionsstrukturen in der Organisationsberatung. Tübingen: Mohr Siebeck.

Sigmund, Thomas (2018): Das späte Rückspiel des Friedrich Merz. Online verfügbar unter https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/cdu-parteivorsitz-das-spaete-rueckspiel-des-friedrich-merz/23242914.html?ticket=ST-433277-ZcoCXozOdH2mfQULGD3V-ap2, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Steffen, Tillmann (2018): Und trotzdem verloren. Online verfügbar unterhttps://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-10/spd-hessen-landtagswahl-ergebnis, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Walter, Franz/Werwath, Christian/D’Antonio, Oliver (2014): Die CDU. Entstehung und Vielfalt christdemokratischer Geschlossenheit. 2. überarbeitete Auflage. Baden-Baden: Nomos.

Waterman, Richard W./Meier, Kenneth J. (1998): Principal-Agent Models: An Expansion, in: Journal of Public Administration Research and Theory, 8 (2), pp. 173-202.

ZDF (2018): Kramp-Karrenbauer: Kein „Weiter so”. Online verfügbar unter https://www.zdf.de/nachrichten/heute/kramp-karrenbauer-in-sendung-was-nun-100.html, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Zeit Online (2018): Paul Ziemiak ist neuer Generalsekretär. Online verfügbar unterhttps://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-12/cdu-paul-ziemiak-ist-neuer-generalsekretaer, letzter Zugriff: 20.12.2018.

Zitationshinweis:

Goldmann, Anne/Plümer, Sandra/Schuckmann, Arno F. von (2018): Aus zwei mach drei, Das neue Spitzenpersonal in Folge des 31. Bundesparteitags der CDU, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/aus-zwei-mach-drei/

  1. Aus Gründen der Lesbarkeit und sprachlichen Einfachheit wird im Folgenden lediglich das generische Maskulinum genutzt. Dieses bezieht jedoch alle Geschlechter mit ein. []
  2. Eben aufgrund der recht klaren Annahmen, die der Theorie zugrunde liegen, erhielt sie neben den Wirtschaftswissenschaften auch Einzug in die Soziologie sowie in die Politikwissenschaft (Saam 2002). Für eine umfassende Übersicht über politikwissenschaftliche Arbeiten, die die Agenturtheorie heranziehen, siehe Gilardi/Braun 2002. []
  3. Zur Relation zwischen Rational-Choice-Theorie und Agenturtheorie siehe Klinkert 1999. []
  4. Für eine detailreiche Schilderung der Theorie sowie für eine kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung des Ansatzes siehe Waterman/Meier 1998. Zudem ist hier zu ergänzen, dass im vorliegenden Essay nur das Verhältnis zwischen den drei Akteuren betrachtet wird, sich aber in der Gesamtkonstellation noch weitere Prinzipal-Agenten-Beziehungen ausmachen lassen. Zu nennen wären hier u.a. das Verhältnis Partei-Generalsekretär sowie Partei-Parteivorsitzende. []
  5. Gilardi/Braun 2002 sehen in dieser doch sehr allgemeinen Theorie, die sich auf diverse soziale Interaktionen anwenden lässt, zugleich eine Stärke als auch eine Schwäche. Es sei hier zudem darauf verwiesen, dass die Agenturtheorie durchaus noch weitere Probleme zusätzlich zur Informationsasymmetrie aufzeigt, die jedoch aufgrund der Kürze des Aufsatzes, der letztlich nur einen Denkanstoß geben soll, nicht geschildert werden können. []

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