Der Erfurter Königsmacher – Die SPD und die Frage der Regierungsbildung nach der Thüringer Landtagswahl 2014


Am 3. November 2013 strahlte die ARD erstmals einen „Tatort“-Krimi aus der thüringischen Hauptstadt Erfurt aus. Das „Erfurter Trio“ untersuchte den Mord an einer Studentin, bei dem zu- nächst ein bekannter Triebtäter verdächtigt wird, sich jedoch die Tat als Eifersuchtsakt einer Kommilitonin herausstellte.

Spannend war nun die Frage, ob das politische Erfurt rund 10 Monate später ebenfalls personelle Opfer erleben würde: Zum ersten Mal überhaupt bestand – so das Er- gebnis repräsentativer Meinungsumfragen – die realistische Möglichkeit, dass mit Bodo Ramelow ein Politiker der Linkspartei an der Spitze einer Landesregierung stehen könnte.

Dies hieße gleichzeitig: Zum ersten Mal in der Geschichte dieses neuen Bundeslandes würde die Christdemo- kratische Partei Deutschlands (CDU) nicht den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin in Thüringen stellen. Erneut erlebte Erfurt einen spannenden Krimi: Die Aufgabe der Koalitions- bildung schien zunächst unlösbar.

Keine Wahl wie jede andere

Die sehr ausführliche, zum Teil aggressiv anmutende überregionale Berichterstattung im Vorfeld der Landtagswahl spiegelte den besonderen Charakter und die spürbare Brisanz dieser Wahl wi- der. Ob Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel oder Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im deutschen Bundestag, kaum ein Bun- despolitiker hielt sich im Vorfeld der am 14. September 2014 stattfindenden Landtagswahl in Thüringen bedeckt, wenn es um die Äußerung persönlicher Meinungen und Ratschläge ging. Be- sonders deutliche Worte wählte Merkel; nicht nur verrate die SPD ihre stolze Geschichte, wenn man sich hinter einem linken Ministerpräsidenten verzwerge – auch Bündnis 90/Die Grünen be- kamen eine Mahnung mit auf den Weg: „Die Grünen sind aus dem Neuen Forum, viele aus dem Demokratischen Forum, aus ‘Demokratie jetzt’ vor 25 Jahren aufgestanden und haben sich für Freiheit eingesetzt. […] Da soll jetzt der Karl Marx in die Staatskanzlei getragen werden. Das kann doch nicht sein.“

Ob die thüringische SPD eine rot-rot-grüne Koalition im Falle eines entsprechenden Wahlergeb- nisses aber tatsächlich unterstützen würde, war während des Wahlkampfes kaum vorherzusagen. Während das eine Lager der Sozialdemokraten aufgrund großer inhaltlicher Differenzen mit der CDU für ein linkes Bündnis und gegen die Fortsetzung einer Großen Koalition, die seit der Land- tagswahl 2009 bestand, plädierte, stellte eine linke Regierungskoalition für viele andere Sozial- demokraten aufgrund der DDR-Vergangenheit der Linkspartei weiterhin einen „Tabubruch“ dar. Diese innerparteiliche Zersplitterung führte unter anderem dazu, dass die SPD im Allgemeinen und Spitzenkandidatin Heike Taubert und SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie im Speziel- len eindeutige Koalitionsaussagen im Vorfeld der Wahl vermieden. Diese Klippe versuchte beson- ders Heike Taubert tunlichst zu umschiffen; abwehrend hieß es nur von ihr: „Frau Lieberknecht macht ja auch keine festen Koalitionsaussagen.“

Autoren

Lasse ThorwestenLasse Thorwesten ist Student des Masterstudiensgangs „Politikmanagement, Public Policy & öffentliche Verwaltung“ an der NRW School of Governance und wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten. Darüber hinaus ist er Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 
© Mirko RaatzLaura Mlynarek studiert den Master „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“ an der NRW School of Governance. Seit 2013 ist sie studentische Mitarbeiterin bei der SPD-Fraktion im Landtag NRW sowie bei einer Landtagsabgeordneten. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Politikfeldanalyse, Wahlforschung sowie der Landespolitik NRW.

 
 
Götz RichterGötz Richter durchläuft das Masterprogramm der NRW School of Governance. Vorher studierte er Staatswissenschaften in Erfurt. Auslandserfahrungen konnte er in Ankara sammeln. Neben dem Studium arbeitet er für zwei Landtagsabgeordnete im NRW-Landtag.

 
 
 
 
 
Martin SchröderMartin Schröder ist Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und Masterstudent an der NRW School of Governance. Berufserfahrung sammelte er bei einer Bundestagsabgeordneten, im NRW-Ministerium, in der politischen Bildung und im Wahlkampfmanagement. Derzeit arbeitet er für die SPD-Landtagsfraktion in NRW.

 
 
 

Lukas Löffler studiert seit 2013 den Master „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“ an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der politischen Kommunikation, der Regierungsforschung und dem Verhältnis von Politik und Wirtschaft.

Diese und weitere Fallstudien finden Sie hier auf regierungsforschung.de in der Rubrik “Fallstudien

Zitationshinweis

Lukas Löffler, Laura Mlynarek, Götz Richter, Martin Schröder und Lasse Thorwesten (2016): „Der Erfurter Königsmacher – Die SPD und die Frage der Regierungsbildung nach der Thüringer Landtagswahl 2014“, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Fälle. Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/der-erfurter-koenigsmacher-die-spd-und-die-frage-der-regierungsbildung-nach-der-thueringer-landtagswahl-2014/

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