Ein Schlichter für die AfD?

korte3Da war es wieder, das Interesse der Medien an der AfD. Natürlich galt das mediale Interesse weder primär der programmatischen Ausrichtung noch den Problemlösungen, die von den Europa-Abgeordneten der Partei ausgingen.

Auch die von der Partei in den Landesparlamenten losgetretenen Initiativen spielten keine Rolle. Es schien der letzte Kampf zwischen Frauke Petry und Bernd Lucke angebrochen zu sein. Extreme, kämpferische Personalisierung –,dass dokumentierten auch unschöne Filmausschnitte, die weniger eine Ausschussbegegnung zwischen beiden abbildeten als eher eine tiefe persönliche Abneigung. Das ist der Stoff, den die Medien lieben. Karl-Rudolf Korte analysiert die aktuelle Lage der AfD

Ein Schlichter für die AfD?

Programmatische und personelle Häutungen gehören zum Parteialltag.

Autor

Karl‐Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg‐Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg‐Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs‐, Parteien‐ und Wahlforschung.

Da war es wieder, das Interesse der Medien an der AfD. Natürlich galt das mediale Interesse weder primär der programmatischen Ausrichtung noch den Problemlösungen, die von den Europa-Abgeordneten der Partei ausgingen. Auch die von der Partei in den Landesparlamenten losgetretenen Initiativen spielten keine Rolle. Es schien der letzte Kampf zwischen Frauke Petry und Bernd Lucke angebrochen zu sein. Extreme, kämpferische Personalisierung –,dass dokumentierten auch unschöne Filmausschnitte, die weniger eine Ausschussbegegnung zwischen beiden abbildeten als eher eine tiefe persönliche Abneigung. Das ist der Stoff, den die Medien lieben.

Dabei zeigt ein historischer Blick auf andere Parteien im Werden – die AfD existiert gerade mal zwei Jahre –, dass programmatische und personelle Häutungen zum Alltag von neu gegründeten Parteien dazugehören. So zerlegten sich die Grünen in den achtziger Jahren und die Piraten erst in jüngster Vergangenheit. Immer ziehen solche Parteien, systematisch auch gebrochene Biographien an: Parteimitglieder, die in anderen Parteien gescheitert sind und die nun ihr Glück in einer neuen Organisation testen. Der vermeintliche Kern einer neuen Partei braucht Jahre, um auch Mitglieder, Funktionäre, Delegierte um sich zu scharen, die als Abbild der Gesellschaft sehr heterogene Interessen in Sitzungen und Gremien offen problematisieren. Dies gehört zum Alltag einer Partei. Es setzt aber voraus, dass Mitglieder Mehrheits-Regeln akzeptieren und der Vorstand die eigene Rolle als Integrationsamt angeht. Tagesintegrationsweltmeisterschaft – das ist die Sportart von Parteivorsitzenden, die sie täglich ausüben. Mitglieder sollen durch was auch immer – ebenso wie Wähler – an eine Partei gebunden werden. Man wirbt mit Ideen, Lösungen, Personen und vor allem mit dem Nutzen einer Mitgliedschaft bzw. bei den Wählern. Widersacher werden eingebunden oder beschäftigt. Nur ganz im Notfall reicht die Macht, um Mitbewerber auch einsam zu machen. Das kann sich ein Vorsitzender nicht oft erlauben, denn es gilt als letztes Mittel. Besser keine Entscheidung fällen, als eine, die dazu führen könnte, Anhänger zu verlieren. In dieses Bild passt so gar nicht, was Lucke mit seinen Anhängern diese Woche versuchte. Da wurde dezidiert eine neue Organisation (“Weckruf”) gegründet, um letztlich die alte Partei zur Hülle werden zu lassen, die man nicht mehr braucht. Politisch ruft man die Kontinuität und den Bestand von Organisationen aus und gründet gleichzeitig Parallel-Organisationen. Das ist durchaus üblich, um Polarisierungen zu verhindern, denn vordergründig wird die alte Organisation nicht gekündigt oder aufgelöst. Was bei politischen Institutionen zum Erfolgsfall gehört, führt allerdings bei Parteien zum Ende, zumal wenn der Vorsitzende nicht integriert, sondern polarisiert durch so eine Neugründung. Das von Lucke vorgegebene Ziel, eine wirtschaftsliberale Partei im Kern zu erhalten, kann durch den Weckruf nicht gelingen.

Denn der Parteien- und Wählermarkt ist immer in Bewegung. Längst sind wirtschaftsliberale Wähler zur FDP in Hamburg und Bremen zurückgekehrt. Eine AfD, die nur noch ihrem Gründungsmythos anhängt und sowohl wirtschaftsliberales Klientel in Zeiten der Großen Koalition anzieht als auch Euro-Kurs-Kritiker, hat keine Chancen zur weiteren Parlamentarisierung. Längst gehört auch die Groko zum Konzert der Laut-Kritiker am bisherigen Rettungskurs der Griechen – wenn die angeblichen Reformanstrengungen Athens nicht sichtbar sind. Insofern besteht für die AfD in diesen beiden Bereichen keine wirkliche Angebotslücke mehr. In der Angstmitte der bürgerlichen Wähler und am rechten Rand sind weiterhin Potentiale, um gerade mit Angst-Themen der Benachteiligung Unmutpotentiale zu bündeln.

Auch als Protestpartei, die sich als Frustventil eignet, bleiben der AfD Wähler. Dabei wirkt immer das gleiche populistische Grundprinzip gegen “die da oben”, die “Etablierten”. Doch auch dieses eher rechte Potential hat nur begrenzte Chancen sich auf Dauer zu entfalten, solange man es schafft, sich vom dumpfen rechtsextremen Rand zu distanzieren. Dass dies nur begrenzt in den ostdeutschen Landtagen gelungen ist, gehört mit zur aktuellen Wählerenttäuschung. Die Konsequenz aus der veränderten Repräsentationslücke wäre ein AfD Angebot, das weiterhin als Protestpartei sichtbar wird, mit einer diffusen Programmatik, die sowohl Euro-Kritiker als auch Kritiker der Asyl- und Flüchtlingspraktiken in Deutschland einbezieht. Je diffuser das Programm, umso eher könnte die AfD eine Sammlungspartei bleiben, die national-konservativ, rechts-populistisch und wirtschaftsliberale Themen und Flügel zu vereinen versucht. Ob die Partei dies noch bis zum Bundesparteitag in Kassel beherzigt, bleibt extrem fraglich, nach einer Woche, welche die inhaltliche Entscheidungsschlacht zwischen West und Ost suchte und vertagte. Vielleicht wäre auch hier ein Schlichter hilfreich?

Zitationshinweis

Korte, Karl-Rudolf (2015): Ein Schlichter für die AfD? Programmatische und personelle Häutungen gehören zum Parteialltag. Erschienen in: regierungsforschung.de, Analyse & Meinung. Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/ein-schlichter-fuer-die-afd/

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