Wahlkampf ohne Epizentrum: Konstellationen der bayerischen Landtagswahl 2023

Am 8. Oktober 2023 finden in Bayern Landtagswahlen statt. Dr. Michael Weigl von der Universität Passau wirft einen Blick auf den Wahlkampf in Bayern, die politische Stimmung und das schwarz-orange Bündnis – rund um die Folgen der “Causa Aiwanger”, die Wirkung der Mobilisierungsstrategien, die Rolle von Ministerpräsident Markus Söder und weitere zentrale Aspekte des bayerischen Wahlkampfs. Auch die Einflüsse auf die Regierungsparteien in Berlin werden mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Bayern vielfältig diskutiert – Geschlossenheit und mehr Responsivität könnten eine kommunikative Devise sein, wenn die drohenden Stimmenverluste genauer analysiert werden, so Weigl.

Lange Zeit plätscherte der Wahlkampf zur bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023 vor sich hin. Bei den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten stellt sich ein Déjà-vu-Erlebnis ein, Sieger und Verlierer scheinen längst festzustehen und das eine Wahlkampfthema, das das Wahlvolk bewegt,  will sich nicht finden lassen. Dann wirbelte die „Causa Aiwanger“ Staub auf, beschäftigte die Stammtische und schien der Bayernwahl neues Leben einzuhauchen. Doch inzwischen ist wieder Alltag in den bayerischen Landtagswahlkampf eingekehrt, dem es unvermindert an Esprit mangelt.

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Postmoderne Regierungsbildung: Unkonventionelle Lernprozesse für modernes Politikmanagement?

Unter dem Titel “Neue Wege gehen. Wie in Thüringen gemeinsam progressiv regiert wird”, erschienen beim VSA Verlag, zeigt Benjamin-Immanuel Hoff (Hrsg.) die Dynamik und Potenziale von Minderheitsregierungen auf – mit neuen Modellen der parlamentarischen Zusammenarbeit, die zeigen, wie sich das Regieren mit Mehrheit ohne Mehrheit grundlegend verändert hat, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Die Suche nach neuen Kooperationslinien für Zukunftssicherheit prägen die Diskussion um die von Hoff umfassend beschriebenen Mechanismen des Regierens und die Bedeutung öffentlicher Diskurse, so Korte.

Minderheiten kämpfen gegen Ressentiments. Das gilt auch für Minderheitsregierungen. Mit ihnen verbinden die Wähler Chaos und wechselnde Mehrheiten. Instabilität und Politikstau kennzeichnen vorurteilsgeladene Minderheitsregierungen in den Bundesländern. Aktuell erleben wir das in Thüringen, wo sich 2024 eine Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) den Wählern stellen wird. Wenn Wählermärkte und Koalitionsmärkte nicht mehr zusammenpassen und eine Groko rechnerisch nicht ausreicht, kann eine Minderheitsregierung konstruktiv weiterhelfen. Postmoderne Regierungsbildung als Ausweg?

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Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Zeiten des Krieges

© FIIA

Tyyne Karjalainen vom Finnish Institute of International Affairs (FIIA) und der Universität Turku befasst sich mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU, die nicht nur von politischen Veränderungen geprägt ist, sondern auch vor großen Herausforderungen im Bereich des Krisenmanagements steht. Während der Erfolg der GSVP sowohl auf institutionellen Entwicklungen als auch auf externen Faktoren zu beruhen scheint, bleibt abzuwarten, ob die EU auch weiterhin einen umfassenden Ansatz zur Konflikt- und Krisenbewältigung verfolgen wird, so Karjalainen.

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union hat in den letzten Jahren mehrere konkrete Meilensteine erreicht. Mit der Europäischen Friedensfazilität (EFF) hat die EU den Aufbau von Kapazitäten für ihre Nachbarn und andere Partner eingeleitet. Neuartige Operationen und Missionen wurden erfolgreich auf den Weg gebracht, und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO) beginnt nach einem langsamen Start nun echte Ergebnisse zu liefern, auch in Zusammenarbeit mit Großbritannien und der NATO.

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Diskussionslagen des Lobbyings: Zwischen Einflussnahme, Mitgestaltung und Transparenz

Auf fast 1000 Seiten beleuchtet das Handbuch Lobbyismus der Herausgeber Andreas Polk und Karsten Mause, erschienen bei Springer VS, den Einfluss von Interessengruppen – von aktuellen Beispielen bis hin zu Einblicken in die Logiken der Politikgestaltung werden aufschlussreiche Einblicke geboten, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. In dem Handbuch werden die Epistemisierung des Gesetzgebungsprozesses aus vielfältigen Perspektiven und die Grenzen zwischen Beratung und Einflussnahme umfassend diskutiert, womit die Autoren Pionierarbeit geleistet haben, so Korte.

Der Einstieg fällt für den Leser pejorativ aus. Der Einfluss von Interessengruppen wird mit negativen Beispielen – von Maskendeals bis zur FDP-Mövenpick-Affäre – resonanzstark aufgeladen. Dabei ist die Epistemisierung des Gesetzgebungsprozesses neutral betrachtet nichts Negatives. Beratung zur Problemlösung kann jeder gebrauchen. Wann aus Beratung Einflussnahme wird, noch dazu ob sie transparent, legitimiert oder selbstermächtig ist, eröffnet andere Diskussionslagen. Das alles findet sich in der fast 1000 Seiten starken Printausgabe des Lobby-Handbuchs.

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Ist die europäische Demokratie fit für den Klimawandel? Der Fall der “grünen Taxonomie”

© UDE

EU-Demokratie für den Klimaschutz? Demokratische Legitimität und zivilgesellschaftliche Partizipation sind Gegenstand aktueller Diskussionen rund um die EU-Taxonomie und könnten weiterentwickelt werden, um Klimaziele und demokratische Prinzipien effektiver in Einklang zu bringen, so Bohyun Kim vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen, die sich in ihrem Essay mit dem Fall der “grünen Taxonomie” auseinandersetzt und umfassend analysiert, wie die EU angesichts einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen und politischer Interessen einen Weg zur Verabschiedung von Rechtsvorschriften in der höchst umstrittenen Frage der Kernenergie gefunden hat.

Die EU setzt sich aktiv dafür ein, „grüner“ zu werden. Im Rahmen des derzeitigen internationalen Klimaregimes sind die 195 Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens rechtlich verpflichtet, dringende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, um die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die globale Erwärmung unter 1,5 °C zu halten. Als einzige regionale Organisation mit UNFCCC-Vertragsstatus ist die EU eine der am schnellsten voranschreitenden Demokratien auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft.

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Politische Kommunikation im Krisenmodus

© Peter Gwiazda

Linus Pingel, Bachelor-Absolvent der Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, analysiert Robert Habeck in seiner Rolle als Vizekanzler und Wirtschafts- und Klimaschutzminister im Hinblick auf die kommunikative Bewältigung des Spagats zwischen Klimapolitik, Zeitenwende und Realität. Habeck stelle politische Maßnahmen in einen größeren Zusammenhang und betone positive Zukunftsnarrative, so Pingel. Mit seiner Kommunikationsstrategie schaffe er trotz Unsicherheit Vertrauen und eine positive Atmosphäre für politische Entscheidungen. Der Beitrag zeigt, wie Habeck die Zeitenwende kommunikativ aufgreift, interpretiert und gestaltet.

Ende Februar 2022, fast genau zwei Jahre nachdem Covid-19 die Welt schon einmal schlagartig veränderte, begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Die sogenannte „Zeitenwende“ (Scholz 2022), ein erneuter Gewissheitsschwund, stellte die noch junge Ampelregierung vor große Herausforderungen. Erst drei Monate zuvor hatten die Spitzen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP den Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen” (Bundesregierung 2021) unterzeichnet. Dieser Vertrag enthielt nach Ansicht einiger Beobachterinnen und Beobachter bereits ambitionierte Ziele (siehe u. a. Bergmann 2021: 11-17) und damit auch gestiegene Erwartungen der Wählerinnen und Wähler an die Regierung.

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Über politische Landschaften und epochale Herausforderungen: Deutsche Geschichte im Wandel der Zeit

Horst Möller führt die Leser:innen seines Werks “Deutsche Geschichte – die letzten hundert Jahre. Von Krieg und Diktatur zu Frieden und Demokratie”, erschienen im Piper Verlag, eindrucksvoll durch 100 Jahre Geschichte – mit fundierten Analysen, präzisen Portraits und wichtigen Erarbeitungsfundstücken, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Möller beleuchtet politische Herausforderungen und epochale Entwicklungslinien in den europäischen Ländern, während die Lektüre je nach individuellem Profil der Rezipient:innen in Zuversicht oder Pessimismus münden könne, so Korte.

Es kommt darauf an! Eine Floskel, die bei historischen Betrachtungen eine wichtige Rolle spielen kann. Es kommt darauf an, wann man den Blick zurück wagt. Vor Geschichtsdeterminismus kann man nur warnen. Und von dieser Falle ist Horst Möller weit entfernt. Nichts läuft historisch auf einen einzigen Punkt zu. Komplexe Gesellschaften leben das Unwahrscheinliche. Und doch scheint in langen historischen Linien eine Richtungstendenz vorzuherrschen. Bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wäre das Licht über die letzten zehn Jahre vermutlich heller ausgeleuchtet worden als es sich heute darstellt.

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Echte Europawahlen gibt es nicht – aber vielleicht in der Zukunft?

Wouter Wolfs vom Public Governance Institute der Universität Leuven und der flämischen Forschungsstiftung befasst sich umfassend mit den Europawahlen und ihrer Entwicklung und stellt fest, dass sie trotz zahlreicher Bemühungen um eine Verbesserung der Wahlen noch nicht zu einem Höhepunkt der europäischen Demokratie geworden sind. Der Beitrag diskutiert verschiedene Vorschläge zur Verbesserung des Wahlsystems, zeigt aber auch auf, dass die Mitgliedstaaten zögern, grundlegende Änderungen umzusetzen.

Wahlen sind der Eckpfeiler jeder Demokratie – das gilt für die nationale Ebene, aber auch für die Ebene der Europäischen Union. Die Wahlen zum Europäischen Parlament können auf einen langen Entwicklungsprozess zurückblicken. Trotz zahlreicher Versuche, sie zu verbessern, ist ihr Rechtsrahmen bis heute mit etlichen Hindernissen gespickt, die verhindern, dass diese Wahlen zu einem echten Höhepunkt der europäischen Demokratie werden.

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Europäische Integration der Zeitenwende: Zwischen Kontrollverlust und Solidarität

Das Jahrbuch der Europäischen Integration 2022 der Herausgeber Werner Weidenfeld und Wolfgang Wessels, veröffentlicht beim Nomos Verlag, bietet eine Meisterleistung an Sachinformationen und hilft dabei, die jeweilige Analyse in den Gesamtkontext der Integration einzuordnen, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Die neueste Ausgabe beleuchtet insbesondere den Einschnitt, der in deutscher Terminologie als “Zeitenwende” bezeichnet wird, nachdem der kriegerische Überfall Russlands auf die Ukraine stattgefunden hat. Die Rezension stellt die Frage, wie man unter diesen unvorhersehbaren Bedingungen neue Kategorien und Ströme der Solidarität findet und wie sich Politik in Zeiten der Unberechenbarkeit und des Gewissheitsschwunds verändert.

Es ist die 42. Ausgabe des Jahrbuchs der Europäischen Integration, in dem alle wichtigen Bereiche der Europapolitik zwischen September 2021 und Sommer 2022 analysiert und systematisch eingeordnet werden. Das Schema ist bewährt-bekannt: Die Bilanz, die Institutionen, die Infrastruktur, Innen-, Außenpolitik, die Nachbarn, die Erweiterung, andere Organisationen sowie die Europapolitik aller Mitgliedstaaten. Das ist eine Meisterleistung und das bereits seit 42 Jahren. Neben der Sachinformation über Geschehnisse, Ereignisse und Prozesse bleibt die jeweilige Einordnung der Analyse in den Gesamtkontext der Integration extrem hilfreich.

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Neuer Schwung für die Bürgerbeteiligung in Europa

Arno Mikkor (EU2017EE)

“Reformziel: Eine vollständig integrierte EU-Beteiligungsinfrastruktur” – Dominik Hierlemann und Stefan Roch von der Bertelsmann-Stiftung stellen umfassend heraus, dass sich die meisten Bürger:innen mehr Mitspracherecht in der EU wünschen, aber wenig Vertrauen in die derzeitigen Beteiligungsinstrumente haben. Die Autoren verdeutlichen die Chancen einer vollständig integrierte Beteiligungsinfrastruktur in der EU, die die verschiedenen bereits bestehenden Instrumente zusammenführt und die Bürgerbeteiligung sichtbar und zugänglich macht.

Die Demokratie in Europa ist unter Druck – und macht eher Rück- als Fortschritte. Unter diesem Eindruck, hat die von-der-Leyen-Kommission den Slogan „Neuer Schwung für die Demokratie in Europa“ 2019 zu einer ihrer sechs Prioritäten erklärt. Seitdem hat die EU die Konferenz über die Zukunft Europas durchgeführt und mit innovativen Beteiligungsformaten experimentiert. Ein Ergebnis: Die Kommission will künftig regelmäßig Bürger:innen an Europäischen Bürgerpanels beteiligen.

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