Politik im Spot-Format – Rekonstruktion und Analyse von Wahlwerbespots ausgewählter Parteien zur Bundestagswahl 2017

Einige Wochen vor Bundestagswahlen geht der Wahlkampf der Parteien in die heiße Phase: Wahlplakate säumen die Straßen, der Haustürwahlkampf wird ausgeweitet und Werbeanzeigen, Podcasts und TV- oder Internet-Beiträge bestimmen die Medienkanäle. Bereits eine Vielzahl von Effekten ist von der Forschung in diesem Zusammenhang analysiert worden.Eine klassische und aufgrund ihrer gesetzlichen Rahmenbedingungen funktionell besondere Form politischer Wahlkampfkommunikation hat bislang jedoch nur bedingt Betrachtung gefunden: TV-Wahlwerbespots.

Prof. Dr. Christian Schicha und Miriam Skroblies gehen der Frage nach, wie sich die Parteien in ausgewählten TV-Spots zur Bundestagswahl 2017 präsentieren? Wie stark ist die Personalisierung ausgeprägt? Welche ästhethischen Elemente stechen hervor? Und welche Themen bestimmten die Spots?

Politik im Spot-Format

Rekonstruktion und Analyse von Wahlwerbespots ausgewählter Parteien zur Bundestagswahl 2017

Autoren

Dr. Christian Schicha ist Professor für Medienethik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Medienethik und der Politischen Kommunikation. Er hat u.a. den Sammelband „Politik im Spot-Format – Zur Semantik, Pragmatik und Ästhetik politischer Werbung in Deutschland“ zusammen mit Andreas Dörner herausgegeben.

 

Miriam Skroblies ist wissenschaftliche Hilfskraft an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen und Redaktionsassistentin bei „regierungsforschung.de. Sie hat Ihre Masterarbeit  „Inhaltslose Wahlpropaganda oder konkrete Wahlkampfstrategie? Inhaltsanalytische Befunde zu den Strategien der TV-Wahlwerbespots der Parteien zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017“ im Masterstudiengang Philosophie und Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dortmund vorgelegt.

Einige Wochen vor Bundestagswahlen geht der Wahlkampf der Parteien in die heiße Phase: Wahlplakate säumen die Straßen, der Haustürwahlkampf wird ausgeweitet und Werbeanzeigen, Podcasts und TV- oder Internet-Beiträge bestimmen die Medienkanäle. Bereits eine Vielzahl von Effekten ist von der Forschung in diesem Zusammenhang analysiert worden. Eine klassische und aufgrund ihrer gesetzlichen Rahmenbedingungen funktionell besondere Form politischer Wahlkampfkommunikation hat bislang jedoch nur bedingt Betrachtung gefunden: TV-Wahlwerbespots.

Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Beitrag mit der Frage: Wie unterscheiden sich die TV-Wahlwerbespots der Parteien zur Bundestagswahl 2017? So wird zunächst ein Abriss zum Stellenwert, Forschungsstand und den Rahmenbedingungen politischer TV-Spots gegeben. Im weiteren Verlauf werden ausgewählte Wahlwerbespots der Parteien zur Bundestagswahl 2017 genauer betrachtet. Der Fokus liegt dabei auf den Spots der CDU, CSU, SPD, Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der AfD sowie vier unterschiedlichen Betrachtungsebenen. Neben dem gesprochenen Wort und den gezeigten Bildern liegt der Fokus auch auf ästhetischen Elementen und der Interpretation im Gesamtkontext der Spots. Eine besondere Berücksichtigung finden neben strategischen Aspekten auch symbolische Elemente sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Spots. In einem abschließenden Fazit erfolgt eine vergleichende Zusammenfassung der Ergebnisse.

1. Einleitung: Wahlwerbespots im Fernsehen

Am 24. September 2017 findet die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag statt. Mehr als 60 Millionen Menschen wählen dann die Abgeordneten ins Parlament, davon drei Millionen Erstwähler (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Insgesamt treten 42 Parteien an. 2013 waren es nur 34 Parteien (vgl. Eva 2017). Alle zur Wahl zugelassenen Parteien haben die Möglichkeit, eigene Wahlwerbespots bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF zu schalten, auch wenn sie womöglich nur geringe Chancen haben, in den nächsten Deutschen Bundestag einzuziehen.

Wahlwerbespots im Fernsehen gehören zum Standardrepertoire der Wahlkampfmittel bei den Parteien. Wie mit den Wahlplakaten auf den Straßen wollen die Parteien ihre Botschaft über das Medium Fernsehen vermitteln, um für die (potentiellen) Wähler1 präsent zu sein (vgl. Holtz-Bacha & Lessinger 2006). Durch die enorme Reichweite des Fernsehens hoffen die Parteien zudem, auf höchst wirksame Weise vor allem die politisch weniger interessierten Bürger erreichen zu können. Wahlwerbespots haben durch ihre bildliche Gestaltung und die technischen Bildbearbeitungsmöglichkeiten eine hohe emotionale Wirkung auf die Zuschauer. Die Darstellung einer Botschaft wird durch eine sinnvolle Komposition verschiedener technischer und visueller Hauptmotiv-, Kamera-, Licht-, Musik-, Hintergrund- und Texteinstellungen gestützt, sodass die Bürger gezielt beeinflusst und zur Wahl motiviert werden.

Wahlwerbespots dienen neben Wahlprogrammen, Anzeigen oder Wahlplakaten als wichtige Informationsquelle, um die ungefilterten Perspektiven, Programme, Personen und Positionen der Parteien kennenzulernen, die sich um den Einzug in den deutschen Bundestag bewerben. Die inhaltliche Ausgestaltung von Werbespots als Kernbestandteil der Wahlkampfkommunikation unterliegt keiner journalistischen Bearbeitung, sondern wird von den Parteien gestaltet, verantwortet und bezahlt. Für den Inhalt der Spots sind demzufolge ausschließlich die Parteien verantwortlich.

Die Rundfunkanstalten dienen lediglich als Transportmittel und Trägermedium für die Botschaften der Parteien. Die durch die Wahlwerbespots transportierten deutungskulturellen Kommunikationsangebote werden so ungefiltert durch die Parteien an die Rezipienten weitergeleitet (vgl. Holtz-Bacha 2000, Dörner/Schicha 2008).

In der Bundesrepublik werden Wahlkampfspots lediglich während der heißen Wahlkampfphase in den letzten Wochen vor einer Landtags-, Bundestags- oder Europawahl an eigens eingerichteten Programmplätzen ausgestrahlt (vgl. Holtz-Bacha & Kaid 1993). Sie sind durch eine Reihe von Inszenierungsstrategien darauf angelegt, die Emotionen (vgl. Korte 2015) vor allem der zunehmend politisch entfremdeten Wählersegmente zu mobilisieren, bei denen die Parteibindungen nachgelassen haben. In diesem Punkt ähnelt die politische Werbung der kommerziellen Produktwerbung. Sie orientiert sich an den gängigen Mustern der Werbung im Allgemeinen und nutzt durch die Kampagnenkonzeption und deren Umsetzung von professionellen Spezialisten das ausdifferenzierte Forschungs- und Darstellungsinstrumentarium der kommerziellen Werbung zur Verfeinerung der eigenen Ansprachebemühungen.

Medienpräsente Parteien können durch den Einsatz von Wahlwerbespots eine Polarisierungsfunktion erlangen, während eher medienabstinente Parteien durch die Ausstrahlung ihrer Kurzfilme eine Bekanntheit erlangen können, aus denen sich wiederum Kontakte aufbauen können. Zunächst lassen sich mindestens drei verschiedene Spottypen voneinander unterscheiden (vgl. Szyszka 1996):

  • Biographische Spots stellen den Kandidaten und seine Problemlösungskompetenz in den Vordergrund,
  • Testimonial-Spots arbeiten mit (scheinbar) zufällig ausgewählten Bürgern, die einen Kandidaten im Wahlkampf unterstützen,
  • komplexere Spots legen die Haltung von Partei und Kandidat zu gesell­schaftlich relevanten Themen und Problemen dar.

Müller (1997) differenziert weiterhin zwischen drei fundamentalen Strategien der visuellen Wahlkampfkommunikation:

  • Bei der konfrontativen Vorgehensweise werden die politischen Gegner direkt oder indirekt attackiert,
  • bei der narrativen Strategie wird die Werbebotschaft als personalisierte Geschichte erzählt und bisweilen dramatisiert, während die
  • ironische Strategie die Themen des politischen Gegners humorvoll und ggf. verfremdet darstellt.

Im amerikanischen Wahlkampf wurden von Johnson-Cartee und Copeland (1997) verschiedene Typen von Wahlwerbespots herausgearbeitet. Die Autoren differenzieren zwischen dem

  • positiven Identification-Spots, bei denen es darauf ankommt, den politischen Kandidaten bekannter zu machen und
  • Mythical-Spots, wo bestimmte Eigenschaften hervorgehoben werden.
  • Theme-Spots dienen dazu, den Kandidaten mit bestimmten Themen in Verbindung zu bringen.
  • Sogenannte Negative-Spots zielen darauf ab, den politischen Gegner zu diskreditieren.

Unter formalen Gesichtspunkten können politische Wahlspots als per­uasives Kommunikationsforum mit der Produktwerbung verglichen werden. Ebenso wie bei der Wirtschaftswerbung stehen in der Wahlwerbung weniger sachliche und rationale Argumente im Vordergrund, um die Kauf- bzw. Wahlentscheidung zu beeinflussen, sondern emotionale Elemente, die eine positive Identifikation mit dem Produkt bzw. dem Politiker und seiner Partei anstreben (vgl. Zurstiege 2007).

Es geht in beiden Bereichen um die Nutzenmaximierung, bei der nicht der Diskurs, sondern die strategische Kommunikation im Vordergrund steht. Käufer sowie  Wähler müssen sich zwischen konkurrierenden Angeboten unterschiedlicher Dienst­leister entscheiden. Insofern ist es zentral, die Kognitionen, Affekte und Motive der Zielgruppen zu kennen, um die entsprechenden Strategien darauf aus­richten zu können. Gleichwohl wird die Glaubwürdigkeit von Wahlkampfaussa­gen einer strengeren Bewertung unterzogen als die Versprechungen in der Wirtschaftswerbung. Neben der Problemlösungskompetenz werden von der Politik Managementfähigkeiten sowie Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Gemeinwohlorientierung erwar­tet.

Da sich die Qualität von „politischen Produkten“ oft nur marginal unterscheidet und insbesondere bei den großen Volksparteien in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch inhaltliche Unterschiede bei den zentralen Zielen und Positionen deutlich werden, sind für die Produkt- und Parteienwerbung glei­chermaßen innovative Strategien erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Kunden und Wähler zu erreichen. Zugleich sind beide Bereiche davon abhängig, das gesellschaftliche Wertgefüge angemessen zu berücksichtigen. Die gesellschaftli­chen Individualisierungsprozesse durch die Pluralisierung der Lebensformen und –stile werden in der Wirtschaftswerbung ebenso berücksichtigt wie in der Parteienwerbung. Wahlwerbung kann demzufolge als ein wichtiger Indikator für den Wandel der politischen Kultur interpretiert werden.

Um die Ergebnisse von gesellschaftlichen Wertewandlungsprozessen in einer komplexen und fragmentierten Gesellschaft angemessen für die politische Werbung nutzen zu können, sind neben demoskopischer Marktforschung der Meinungsbildung auch Profis aus dem Verkaufsgeschäft, Experten aus den Werbe-, PR- und Meinungsagenturen als Berater und Dienstleister in Konzep­tion und Umsetzung erforderlich, um eine aufmerksamkeitsstimulierende Inszenierung politischer Werbung zu ermöglichen.

Ebenso wie die Produktwerbung zeigen deutsche Parteienspots in erster Linie das Bild einer schönen und harmonischen Welt. Optimismus, politische Erfolge und Symbolwörter mit positiver politischer Wertigkeit werden eingesetzt, um die Wähler zu erreichen. Werbung produziert primär positive Botschaften. Emotionale Erlebnis­welten in Form einer idealen Normwelt durch „blühende Landschaften“ oder eine „florierende Industrie“, wo Umweltschutz und Wohlstand Hand in Hand gehen, prägen die Rezeptionsgewohnheiten der potenziellen Wähler (vgl. Holtz-Bacha & Lessinger 2006 und 2015).

Es existieren aber auch Spots vor, die provozieren und polarisieren. Hier geht es nicht um die konstruktive Darlegung von Informationen, Argumenten und Begründungen eigener Konzepte, sondern darum, Ängste zu schüren, Vorurteile zu erzeugen und Stereotype einzusetzen. Nicht die eigene Problemlösungskompetenz oder der substanzielle Vergleich alternativer Konzepte stehen im Mittelpunkt des Interesses der Auftraggeber derartiger Spots, sondern die destruktive Diskreditierung und Verunglimpfung des politischen Gegners, um seine Reputation zu beschädigen. Hierbei gibt es allerdings Grenzen des Zulässigen. Verfassungsfeindliche Aussagen, strafbare Inhalte und die Agitation gegenüber Minderheiten sind gesetzlich verboten.

Insgesamt ist zentral, dass die Spotinhalte den Rezipienten möglichst eingängig vermittelt werden, damit die Botschaft innerhalb einer kurzen Zeitspanne verstanden werden kann (vgl. Berger 2008, Janich 2013).

Diese wahlstrategisch motivierte Verkürzung der in den Spots vermittelten Botschaften berührt die zentrale Frage nach der Angemessenheit der Darstellung in Hinblick auf die Anforderung an die Wahlkampfkommunikation, nach Möglichkeit sachlich begründete Alternativen für den Wahltag zu präsen­tieren. Diese Tendenz korrespondiert mit weitaus umfassenderen Veränderun­gen in der politischen Kommunikationslandschaft, die besonders deutlich wäh­rend Wahlkämpfen zutage treten und für eine Einordnung der Werbebemühungen der Parteien mit in den Blick zu nehmen sind.

TV-Wahlwerbespots als „periodisch wiederkehrende Legitimierungskampagnen“ (Jakubowski 1988, S. 12) sind in ein Parteikonzept integrierter Kommunikationskampagnen (u.a. Anzeigen, Plakaten, Interviews, Talkshow Auftritte, Mailings) eingebettet. Sie bieten den politischen Parteien in Wahlkampfzeiten „an besten Sendeplätzen ein Forum zur Selbstdarstellung und damit die Möglichkeit zur Mitgestaltung von Medienwirklichkeit, ungefiltert und un­beeinflusst von journalistischer Selektionsarbeit“ (Szyska 1996, S. 185). Neben den Fernsehspots haben die Parteien zusätzlich die Möglichkeit, Spots auf diversen Online-Kanälen, z.B. über soziale Netzwerke, Online-Werbeanzeigen oder die eigene Homepage zu verbreiten.

Seit dem 28. August 2017 zeigen die öffentlich-rechtlichen Fernsehanbieter ARD und ZDF bis einen Tag vor der kommenden Bundestagswahl täglich jeweils bis zu vier Wahlwerbespots der für die Wahl zugelassenen Parteien.

Nachfolgend werden die Spots der im Bundestag vertretenden Parteien CDU, CSU, SPD, Linke und Bündnis90/Die Grünen analysiert. Da die FDP und AFD gute Chancen haben, in den kommenden Bundestag einzuziehen, werden ihre Werbefilme ebenfalls untersucht.

2. Ausgewählte Wahlwerbespots

2.1. CDU: In welchem Land wirst Du einmal leben?

Der Wahlwerbespot der CDU zur Bundestagswahl 2017 mit einer Länge von 90 Sekunden wurde von der Hamburger Agentur Jung von Matt mit der Regisseurin Viviane Blumenschein konzipiert. Im Hintergrund ist eine ruhige Klaviermusik mit Streichern ohne Text zu hören.

2.1.1. Text

Folgender Text wird von der Bundeskanzlerin Angela Merkel überwiegend aus dem Off gesprochen. Sie beginnt mit einigen Fragen, die an ein ungeborenes Kind gerichtet sind, das in den ersten Einstellungen des Spots als Embryo im Mutterleib zu sehen ist:

„In welchem Deutschland wirst Du einmal leben? Wird es das Deutschland sein, das uns am Herzen liegt? Ein Land der Bildung, in dem jeder etwas aus seinem Leben machen kann? Ein Deutschland der Chancen, in dem mehr Menschen Arbeit haben als je zuvor? Ein Land, das sich nicht auf seinen Erfolgen ausruht, sondern immer neue Lösungen für die Zukunft findet? Es liegt in unserer Hand. Wir können uns für dieses Deutschland entscheiden. Für ein Land, das schon heute dafür sorgt, dass es auch morgen gute Arbeit gibt. Das Menschen im Alter und bei Krankheit nicht alleine lässt. Für ein Land, in dem wir gemeinsam gegen Hass und Neid eintreten.  Ein Land des Zusammenhalts, das seine europäischen Werte entschlossen verteidigt. Wir können uns für eine Politik entscheiden, die Familien respektiert und unterstützt. Für eine Wirtschaft, die für alle Wohlstand schafft. Für eine Heimat, in der sich jeder einzelne frei und sicher fühlen kann. Dein Deutschland soll ein Land sein, in dem wir alle gut und gerne eben.“

Dann tritt die Kanzlerin ins Bild und sagt:

„Für dieses Deutschland möchte ich mich auch in Zukunft mit ganzer Kraft einsetzen. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung.“

Parallel zum Gesagten sind folgende Bildsequenzen zu sehen.

2.1.2. Bilder

Der Film zeigt zunächst einen Embryo im Mutterleib an einer Nabelschnur. Es folgt eine Naturlandschaft aus der Vogelperspektive, bevor eine Stadtidylle mit Kirchturm, Häusern und einem Fluss gezeigt wird, die ebenfalls von oben aufgenommen wurde. Es schließt sich eine von der Seite aufgenommene Kopfaufnahme von Angela Merkel mit verschwommenem Hintergrund an. Dann wird eine sich umarmende Familie mit zwei Kindern und Teddy vor einem erleuchteten Einfamilienhaus gezeigt, bevor spielende Kinder im Sandkasten und Kopfaufnahmen eines Kleinkindes in Bewegung skizziert werden. Danach ist ein Schiff im Hamburger Hafen zu sehen, das dem Sonnenuntergang entgegen fährt. Es folgt die Darstellung von Arbeitsprozessen im Hafen. Dabei wird ein Schweißprozess mit Funkenflug dargestellt, der offensichtlich von einer Arbeiterin durchgeführt wird, die dann ihre Schutzbrille abnimmt und die Halle mit Werkzeugkoffer und Bohrmaschine in beiden Händen verlässt. Im Anschluss daran werden verschiedene Personen und Personengruppen gezeigt. Das Spektrum reicht von der Kopfaufnahme von zwei Jugendlichen über zwei Monteure vor einer Werkbank bis hin zu einer Frau auf einer Brücke vor dem Berliner Hauptbahnhof. Die filmische Darstellung eines stehenden jungen Mannes in einem Großraumbüro rundet diesen Personenblock ab. Alle abgebildeten Testimonials verfügen über einen fröhlichen Gesichtsausdruck.

Nun konzentrieren sich weitere Filmeinstellungen auf Angela Merkel. Sie schreitet im grünen Blazer durch die Menschenmenge zu einem Wahlkampfauftritt. Ein weiterer Ausschnitt  zeigt Ihren Hinterkopf und ihre Schulter, während sie auf der Bühne vor der Menge steht. Dann wird die Kanzlerin auf ihrem Rückweg durch die Menschenmenge gezeigt, die von Bodyguards mit dunklen Brillen abgeschirmt wird. Dennoch ergreift Merkel beim Laufen die Hand eines Jugendlichen.

Eine Landschaftsaufnahme auf ein Feld mit Blick in die Sonne, blauem Himmel und einigen Bäumen am Rand schafft den Übergang zu weiteren Personen und Personengruppen. Hier sind ein Landwirt im Stall, ein junger Mann mit Umhängetasche vor einem Gebäude mit Säulen, das eine Universität sein könnte, sowie eine junge Familie mit zwei Töchtern zu sehen. Der Vater ist hellhäutig. Die Mutter hat eine dunkle Hautfarbe. Weiter werden ein Schreiner bei der Arbeit, ein freundlicher junger Mann vor der S-Bahn-Station des Potsdamer Platzes in Berlin, zwei ältere Männer mit einem Motorrad und eine Frau im Rollstuhl auf einer Brücke in Szene gesetzt. Schließlich wird eine Mutter mit Kleinkind auf dem Arm vor einem Aquarium mit Schildkröte abgelichtet.  Zwei Mädchen umarmen sich im Anschluss daran. Eine von ihnen hält in der nächsten Einstellung einen Basketball im Arm.

Anschließend wird eine Luftaufnahme des Kölner Doms mit dem Rhein im Hintergrund dargestellt. Blaue Luftballons fliegen in den Himmel. Ein Mann läuft mit Europafahne auf der Domplatte umher. Dahinter ist eine Person mit Deutschlandfahne zu sehen. Hierbei handelt es sich um eine der wenigen Szenen, bei der es einen thematischen Zusammenhang zwischen mehreren Einstellungen gibt. Angela Merkel hält nun eine Rede, bei der sie energisch die Faust ballt.

Eine weitere Landschaftsaufnahme mit einer Kirche und einigen Häusern und Hügeln bietet den Übergang zu verschiedenen Situationen mit weiteren Personen und Personengruppen:  Ein Kleinkind auf einem Roller wird angeschoben. Eine Familie vor einem Haus wird gezeigt, während Mutter und Vater zwei Mädchen auf dem Arm halten.

Ein kurzer Merkel-Block zeigt ein kleines Kind, das mit der Kanzlerin spricht, die an einer Kaffeetafel sitzt. Weitere Personen u.a. mit einem Kleinkind sitzen im Hintergrund. Ein Kinderarm umarmt im Anschluss daran den Rücken der Kanzlerin.

Es folgt die Aneinanderreihung weiterer Berufsgruppen. Ein Bäcker wirft Mehl auf einen Tisch, bevor er seine Frau  – beide mit Schürze – im Betrieb im Arm hält. Ein Handwerker steht im Arbeitsdress in einer Bootsbauhalle, bevor ein Schornsteinfeger mit seiner Ausrüstung auf dem Dach gezeigt wird. Dann steht erneut die Familie im Mittelpunkt des Spots. Eine Großmutter schaukelt im Garten mit ihrem fröhlichen Enkelkind, bevor eine Familie mit Baby auf dem Sand am Hamburger Hafen gezeigt wird. Es sind daran anknüpfend Bilder des Hamburger Hafens und der Elbphilharmonie zu sehen. Eine Frau spielt Geige, bevor eine weitere Frau einen kleinen Hund  auf dem Arm hält. Dann macht ein Mädchen eine Ballettübung in einem Studio, bevor ein kleines Mädchen mit einem Hund tollt. Ein Vater wirft sein lachendes Baby in die Luft, das er anschließend auf die Wange küsst. Ein grauhaariges Paar umarmt sich auf einer Brücke. Eine Frau spielt am Strand mit Ihrem Hund.

Abschließend wird erneut die Einstellung eines Embryos im Mutterleib gezeigt, danach der Oberkörper der Kanzlerin, die im blauen Blazer, silberner Halskette und mit offenen Handbewegungen das Statement artikuliert: „Für dieses Deutschland möchte ich mich auch in Zukunft mit ganzer Kraft einsetzen. Dafür bitte ich um ihre Unterstützung.“ Im Hintergrund sind vor einer grauen Wand künstlerisch ineinander übergehende gestaltete Eckelemente in den Farben Schwarz, Rot, Gold und Gelb zu sehen. Diese Farbkombination, die deutliche Assoziationen zur Deutschlandfahne erkennen lassen,  wird in der letzten Einstellung in leicht modifizierter Form erneut aufgegriffen. Mittig ist der weiße Schriftzug „Am 24. September mit beiden Stimmen CDU.“ zu lesen. Rechts oben im Bild ist ein weißes Rechteck mit rotem CDU-Logo abgebildet.

2.1.3. Ästhetik

In dem Film mit 69 Bildern in 90 Sekunden sind zahlreiche Kameraeinstellungsgrößen zu beobachten. Neben der Totalen und Halbtotalen werden auch Großaufnahmen und Naheinstellungen verwendet. Es wird z.T. mit Zeitlupe gearbeitet, die die Intensität der Szene zusätzlich betonen. Bei Industrieszenen wird das Bild hingegen beschleunigt. Personen werden von vorne, von hinten und von der Seite gezeigt. Im Spot herrscht kontinuierliche Bewegung. Zum Teil ist der Hintergrund verschwommen, wodurch die Gesichtszüge deutlicher herausgestellt werden.

Auffallend ist, dass die Kamera häufig auf Personen und Personengruppen zugeht, so dass sukzessiv eine größere Nähe entsteht. Bei den Landschaftsaufnahmen werden auch Panoramaeinstellungen eingesetzt. Als zusätzlicher Effekt wird eine Drehung beim  Bild des Ungeborenen zu Beginn des Spots eingebaut.

2.1.4. Interpretation: Deutschland ist schön und lebenswert

Der Film beginnt und endet mit einer für einen Wahlwerbespot ungewöhnlichen Einstellung. Ein im Mutterleib gefilmter Embryo, der dann auch noch von der Bundeskanzlerin direkt angesprochen und geduzt wird, thematisiert die Lebensperspektiven der noch ungeborenen Menschen, die in Deutschland aufwachsen werden.  Es soll der Eindruck erzeugt werden, dass die kinderlose „Mutti“ Merkel, sich sogar um die Zukunft der Ungeborenen sorgt und weiterhin Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft der Menschen in Deutschland übernehmen möchte.

Ansonsten greift der Spot konventionelle Muster auf, um eine positive Grund- und Aufbruchstimmung zu suggerieren. „Deutschland ist schön und lebenswert“ könnte das Motto des Spots mit Blick auf die Landschaft- und Stadtaufnahmen lauten. Bauwerke wie der Kölner Dom und die Hamburger Elbphilharmonie stehen symbolisch für den kulturellen Reichtum des Landes. Musizierende und tanzende Menschen bieten einen Bezug zu Kultur und Kreativität.

Die im Spot gezeigten Menschen machen alle einen glücklichen und unbeschwerten Eindruck. Es wird eine Kanzlerin zum Anfassen dargestellt, die sich von einem Kind berühren lässt und die Hand eines Jungen nach einem Wahlkampfauftritt beim Gehen ergreift.

Sich umarmende Familienmitglieder und Freunde drücken Gemeinschaftsgefühl und Zuwendung  aus. Mehrfach werden Hunde im Film gezeigt, die die Idylle zusätzlich verstärken. Kinder, die unbeschwert im Garten und auf der Terrasse spielen und Familien, die vor dem eigenen Haus posieren, stehen für materiellen Wohlstand und Freude am Leben.

Die Darstellung der Windkrafträder symbolisiert eine Politik, die für eine nachhaltige Zukunft durch erneuerbare Energien einsteht.

Es werden Bilder von allen Altersgruppen vom Ungeborenen bis zum Rentner eingefangen, wobei ein Schwerpunkt auf Familien mit Kindern liegt. Darüber hinaus werden auch Minderheiten, wie eine Behinderte im Rollstuhl, und eine „Multi-Kulturelle-Familie“ gezeigt. Diese Eindrücke können dazu dienen, die Toleranz gegen unterschiedliche Lebensformen darzulegen und die Unterstützung für Hilfebedürftige aufzuzeigen. Als einzige konkrete politische Aussage wird visuell die Europafahne gezeigt. Im Hintergrund ist dezent eine Deutschlandfahre zu sehen. Die vor dem Dom aufsteigenden blauen Luftballons symbolisieren die Zugehörigkeit Deutschlands zur europäischen Gemeinschaft.

Insgesamt bietet der Spot eine Reihe von assoziativen Bildern, die eine positive Grundstimmung erzeugen können. Nur wenige Szenen, wie z.B. die drei Einstellungen, die die Kanzlerin vor, während und nach ihrer Rede zeigen, verfügen über einen direkten inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang. Die meisten Darstellungen im Spot stellen ein kurzes Einzelbild ohne unmittelbaren Bezug zu weiteren Bildfolgen dar.

Im Werbefilm existiert eine bunte Mischung von Bildern eines Embryos im Mutterleib,  Landschafts- und Städteaufnahmen, Einstellungen von bedeutenden Kulturbauten, gestellten Familien- und Personenaufnahmen sowie der Darstellung verschiedenere Berufsgruppen. Es wird deutlich, dass die CDU als Volkspartei möglichst viele gesellschaftliche Gruppen ansprechen möchte.

Der Text ist insgesamt sehr allgemein gehalten. Konkrete Versprechen und Konzepte werden nicht vorgestellt. Die Botschaft lautet: Dank einer erfolgreichen Politik  unter der Führung der Kanzlerin geht es Deutschland  gut und damit dies so bleibt, sollten die Bürger die CDU wählen, um den Menschen im Land gute Zukunftsperspektiven  zu sichern.

Durch die Frage „Wird es das Deutschland sein, das uns am Herzen liegt?“ wird einerseits die Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft aller Deutschen angesprochen. Der Verweis auf das Herz liefert eine zusätzliche gefühlsmäßige Komponente, sich mit dem eigenen Land zu identifizieren. Die Ansprache Merkels setzt auf positive Begriffe wie „Chancen“, „Bildung“, „Zusammenhalt“, „Lösungen“, „gute Arbeit“ und  „Wohlstand“. Die Kanzlerin verweist auf die geringe Arbeitslosigkeit in Deutschland und plädiert für Solidarität mit Alten sowie Kranken. Sie fordert ein gemeinsames Eintreten gegen „Hass und Neid“  und die Verteidigung europäischer Werte. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der positiven Zukunft der Familie. Freiheit, Sicherheit und Respekt werden als zentrale normative Leitlinien benannt. Die Kanzlerin verspricht Tatendrang („in Zukunft mit ganzer Kraft“). Schließlich solle man sich – so ihre mahnenden Worte – nicht „auf seinen Erfolgen“ ausruhen. „Wirtschaft“ und „Wohlstand“ gehören für sie zusammen. Sie verwendet in ihrer Ansprache viermal den Begriff „Deutschland“ und einmal die Bezeichnung „Heimat“. Insofern sind hier durchaus dezente patriotische Merkmale vorhanden.

Konkrete politische Konzepte werden im dem Spot nicht vorgestellt. Die Wahlwerbung konzentriert sich vielmehr auf die positive Darstellung des Erreichten in Deutschland unter der Führung der Bundeskanzlerin. Es ist zwar verständlich, dass die größere Regierungspartei vor allem die eigenen Erfolge in den Vordergrund rückt, um Zuversicht und Optimismus zu erzeugen. Schließlich sollen durch dieses „Weiter so“ die Wähler motiviert werden, die CDU zu wählen und davon abweichende Wahlentscheidungen zu vermeiden. Dennoch hat auch eine Regierungspartei die Aufgabe, die konkreten Inhalte, Positionen und Standpunkte darzustellen, um eine Orientierung hinsichtlich der eigenen Pläne und damit zusammenhängenden Arbeitsschritte in den kommenden vier Jahren zu ermöglichen. Schließlich kommt es im Wahlkampf zentral darauf, dass den Bürgern die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit sie eine sachlich fundierte Wahlentscheidung treffen können. Somit  ist es für die Bürger zentral, politische Alternativen mit originären Inhalten, Konzepten und Ideen angeboten  zu bekommen.

2.1.5. Anschlussdiskurs: Der SPD-Kommentar zum CDU-Spot

Bereits zwei Tage bevor der CDU-Spot überhaupt veröffentlich wurde, sendete die SPD ihre Reaktion darauf in Form eines eigenen, an den CDU-Spot angelehnten, Spots. Die SPD hat damit die Möglichkeit wahrgenommen, den CDU-Spot zur Bundestagswahl 2017 kritisch zu kommentieren. Martin Schulz kommentiert eine Bildsequenz eines Embryos im Mutterleib, das der ersten Einstellung des CDU-Spots ähnelt und durch Geigenmusik untermalt wird, mit folgenden Worten:

„In welchem Land möchtest Du einmal leben? Hoffentlich in einem Land, das mehr Geld in Schulen und Bildung investiert als in Panzer und Drohnen. Hoffentlich in einem Land, in dem du von Deiner Rente gut leben kannst. Und nicht bis 70 arbeiten musst. In einem Land, in dem alle gerechte Löhne bekommen und Frauen so viel verdienen wir Männer. Hoffentlich in einem Land, in dem Dinge angepackt statt ausgesessen werden. In einem Land, in dem es gerecht zugeht. Zum Glück lebst Du in einem Land, in dem deine Eltern das Kreuz an der richtigen Stelle machen können.“

In einem roten Kasten ist dann der weiße Schriftzug „SPD“ mit der schwarzen  Unterschrift: „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ zu lesen. Bereits 2005 hat die SPD den sogenannten „Kugel-Spot“ der CDU mit alternativen Texten und Bildern neu in Szene gesetzt.

2.2. CSU: #Klartext

Die CSU hat die Münchener Agentur Saint Elmo’s für den Bundestagswahlkampf 2017 (vgl. Hammer 2017) engagiert.

Der Wahlwerbespot zur Bundestagswahl wird auf der You-Tube-Seite von „CSUtv“ wie folgt angekündigt:

„Mit unserem Spot zur Bundestagswahl gehen wir ganz neue Wege. Der Parteivorsitzende Horst Seehofer pur, im Dialog mit den Bürgern, Kameras filmen einfach mit: 0% inszeniert, 100% authentisch. Für die CSU ist die Koalition mit den Bürgern der bestimmende Politikstil, und das wird auch in unserem TV-Spot deutlich: Horst Seehofer hat das Ohr nah dran an der Bevölkerung und spricht Klartext.“

Zusätzlich wird ein 47-sekündiger Making-of-Spot zur Bundestagswahl vorgestellt. Hier wird gezeigt, wie Seehofer den Saal betritt. Zu Beginn des Films werden die weißen Schriftzüge „Bürgerdialog mit Horst Seehofer“ sowie kurz darauf „Öffentlich und authentisch“ auf blauem Untergrund dargestellt. Weiterhin werden vorfahrende Limousinen gezeigt. Seehofer steigt aus einem Wagen aus. Zwei Bodyguards stehen vor und hinter ihm. Es wird eine Kamera gezeigt, die ihn filmt, während er eine Treppe hinaufsteigt. Er läuft neben dem CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer einige Stufen hinaus und begrüßt eine Person. Dann richtet er sich an das Publikum im Saal mit den höflichen Worten: „Ich kann nur Grüß Gott sagen und mich bedanken, dass Sie gekommen sind.“ Dann werden fünf verschiedene Kameraeinstellungen mit Seehofer parallel dargestellt. Direkt danach wird die weiße Schrift „5 Kameras“ auf blauem Grund eingeblendet. Ein lächelnder Ministerpräsident sagt, „Habe ich Mikrofon, ja?“ Es folgt der Schriftzug „120 Minuten Bürgerdialog“. Seehofer äußert sich: „Ich sage den Damen und Herren, redet so wie ihr glaubt, dass es richtig ist.“ Es folgt eine Einblendung des Wortes „Kritisch“ auf blauem Untergrund. Im Anschluss daran wird eine Aufnahme dargestellt, in der das Gesicht von Seehofer gefilmt wir, bevor der Schriftzug „Direkt“ im gewohnten Design erscheint. Dann spricht Seehofer zu einem Techniker den Satz: „Korrigieren Sie, was Sie wollen“ und dann „Sie sind jetzt klar.“ Der Schriftzug „Bürgernah“ schließt sich an. Dann wird eine Handykamera gezeigt, durch die sich Seehofer mit zwei Frauen ablichten lässt, bevor einige Szenen aus dem eigentlichen Wahlwerbespot mit Hintergrundmusik, aber ohne Worte eingebaut werden. Als letzte Einstellung ist auf dunkelblauem Grund in hellblauer Farbe der Slogan „Klar für unser Land“ abgebildet. Darunter ist der weiße Schriftzug „CSU“ neben einem hellblauen Löwen und einer weißen Raute dargestellt. Links oben findet sich ein hellblauer Kasten mit weißer Schrift und dem Wort  „Bundestagswahl“. Darunter steht „24. September“. Dieses Bild rundet auch den eigentlichen Wahlwerbespot ab, auf den nachfolgend eingegangen wird.

2.2.1. Text

Im CSU-Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2017 spricht ausschließlich der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, obwohl auch weitere Bürger gezeigt werden, die Fragen an ihn richten. Der Text, bei dem der z.T. vorherrschende bayrische Dialekt nachfolgend ins Hochdeutsche übersetzt worden ist, hat folgenden Inhalt:

„Ich glaube schon seit längerem, dass man gute Politik für ein Land nur machen kann, wenn man das Ohr ganz nah an der Bevölkerung hat. Die Grundfrage, wie eine Gesellschaft organisiert sein soll, was für ein Land wichtig ist, müssen schon mit der Bevölkerung besprochen werden. Die Bevölkerung ist heute mündiger und aufgeklärter als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die gehen nicht  jeden Tag mit einem Gesetzbuch ins Bett, aber sie wissen und haben ein Gefühl, ob es im Land richtig läuft oder nicht. Wir sind und bleiben weltoffen. Wir werben aber dafür, dass man die jährliche Zuwanderung begrenzt, damit die Integration gelingt. Wir wollen Maß und Mitte, damit die Bevölkerung die Akzeptanz hat für die Zuwanderung. Wir in Bayern haben ja das Lebensprinzip Leben und leben lassen. Wie jemand lebt, das soll jeder selber so gestalten, wie er es für richtig hält. Aber wenn es um die Sicherheit der Bürger geht, da brauchen wir einen starken Staat. Sicherheit ganz vorne. Die Sicherheit unserer Bürger. Und wenn Sie dann noch eine ordentliche Wirtschaft hinbringen, Arbeitsplätze wie wir jetzt, Vollbeschäftigung in Bayern. Ich hab jedenfalls noch in keiner Zeit leben dürfen, in dem es dem Land so gut ging wie im Moment. So einfach ist eigentlich Politik.“

Parallel zum Gesagten wird der Vortrag des bayrischen Ministerpräsidenten wie folgt visuell eingerahmt.

2.2.2. Bilder

Zunächst wird ein begrünter Ast eines Baumes eingefangen, der vor einer Tür steht, in die Seehofer hineingeht. Nun wird für mehrere Sekunden der Schriftzug „#KLARTEXT“ eingeblendet. Der Ministerpräsident betritt – von drei Bodyguards umringt – den Eingang zum Gebäude des Ortes, in dem er seine Ansprache hält. Er trägt einen blauen Anzug mit weißem Hemd und eine hellblaue Krawatte mit  dunkelblauen Punkten. Seehofer schreitet in den Saal und wird von einem klatschenden Publikum begrüßt. Während das Publikum sitzt, steht der bayrische Ministerpräsident zunächst mit verschränkten Armen in der Mitte und beginnt dann mit seiner Rede. Neben ihm sind ein Stuhl und ein Tisch mit einem Getränk positioniert. Das Publikum ist zunächst verschwommen im Hintergrund zu sehen. Während er spricht, gibt es zahlreiche Wechsel bei den Kameraeinstellungen. Erst sind seine Schultern mit Kopf, dann seine Hände und schließlich sein Gesicht zu sehen. Dann wird eine Fotokamera gezeigt, hinter der eine Teilnehmerin des Bürgerdialogs Seehofer ablichtet. Er spricht weiter und die Filmkamera fährt weiter heran, so dass eine Nahaufnahme entsteht. Im Anschluss daran ist ein Mikrofon sowie die Schulterpartie und ein Mund eines Mannes zu sehen, der eine Aussage tätigt, die aber nicht zu hören ist. Seehofers Oberkörper wird dann von der Seite gezeigt. Er gestikuliert mit den Händen. Es wird ein Kameraschwenk vollzogen.

In der folgenden Einstellung wird eine Detailaufnahme gezeigt, in der nur die Nase und Augenpartie zu sehen sind. Es gibt dann einen Wechsel von Nahaufnahmen, Seiteneinstellungen und Schwarzblenden. Im Anschluss ist eine Hand mit Uhr einer Zuschauerin zu sehen, die sich den Zeigefinder vor den Mund hält. Daraufhin wird das das Mikrofon bei einem Zuschauer gezeigt, der ein Statement abgibt.

Anschließend hält Seehofer seine Hand vor den verschlossenen Mund. Aus dem Off spricht er jedoch weiter. Er macht sich Notizen auf einem Zettel, wobei nur die Hände, Papier, Stift, zwei Gläser und der Tisch, auf dem er schreibt, zu sehen sind. Die Rede wird dann mit Bild und Wort fortgesetzt, die dann wieder parallel laufen. Eine Zuschauerin macht sich dann ebenfalls Notizen in ein Buch, wobei hier nur der Unterarm, die Hand mit Stift von hinten und ein Notizbuch gezeigt werden. Neben dem Buch ist ein CSU-Bändchen zu sehen. Dann seht eine Frau am Mikrofon, von der nur der Mund und die Hand zu sehen ist, die das Mikro umfasst. Parallel zu dieser Szene spricht Seehofer weiter, dessen Kopf von der linken Seite gezeigt wird. Nun wird sein Oberkörper von vorne eingefangen, bevor eine Kopfaufnahme in Zeitlupe zu sehen ist.

Nach einer erneuten Schwarzblende ist der Oberkörper links von der Seite zu sehen. Es folgt eine Rückenansicht des Körpers, in der Seehofer die sitzenden Zuhörer anspricht. Links im Bild ist eine Filmkamera zu sehen. Dann gibt es einen Schwenk, bei der die Kamera um Seehofer herumfährt. Die Nahaufnahme eines schweigenden Zuhörers, der den Zeigefinger vor seinen Mund hält, wird vor einer weiteren Einstellung des CSU-Vorsitzenden gezeigt, der seine Hände energisch nach unten schlägt. Eine Zuschauerin meldet sich, bevor Seehofers Kopf von vorne zu sehen ist. Mehrere Einstellungen zeigen dann eine Nahaufnahme des Ministerpräsidenten. Ein Kameraschwenk zeigt im Anschluss daran den Hinterkopf einer dunkelblonden Zuschauerin mit schulterlangen Haaren. Es folgt eine erneute Naheinstellung Seehofers. Eine Seitenaufnahme mit Oberkörper fängt seine gestikulierende rechte Hand ein.

Dann ist ein Schulterblick mit dem Ohr eines Zuschauers zu sehen. Die unscharfen Gesichtskonturen des Ministerpräsidenten sind dabei im Hintergrund zu erkennen. Es folgt eine Detailaufnahme seines Auges vor einer weiteren Naheinstellung des Kopfes. Nach einer weiteren Schwarzblende  geht die rechte Hand des Ministerpräsidenten nach oben, als der den Slogan „Sicherheit ganz vorne“ ausspricht. Eine Kopfseitennahaufnahme einer lächelnden Frau wird nun gezeigt, bevor die Mund- und Schulterpartie eines ebenfalls lächelnden Mannes im blauen Anzug, weißem Hemd und blauer Krawatte eingefangen wird. Während Seehofer weiter spricht, werden weitere Einstellungen von ihm in Zeitlupe gezeigt, auf denen ebenfalls ein Lächeln zu erkennen ist.

Eine Brustaufnahme mit geöffneten Händen vor einem verschwommen dargestellten Publikum wechselt zu einer Nahaufnahme seiner übereinander geschlagenen Hände. Während er den letzten Satz im Spot mit den Worten „So einfach ist eigentlich Politik“ ausspricht, fährt die Kamera näher an ihn heran.

Sein Lächeln zum Abschluss der Ausführungen wird in eine Überblende überführt, wo schließlich auf dunkelblauem Grund in hellblauer Farbe der Slogan „Klar für unser Land“ abgebildet ist. Darunter ist der weiße Schriftzug „CSU“ neben einem hellblauen Löwen und einer weißen Raute dargestellt. Links oben finden sich ein hellblauer Kasten mit weißer Schrift und dem Wort  „Bundestagswahl“. Darunter steht „24. September“. Links wird ein Bild von einem hellen Schein eingeblendet, der Assoziationen mit der Sonne vor dem blauen Himmel in den bayrischen Landesfarben nahe legt. Die beiden Staatsflaggen Bayern bestehen schließlich aus der bayrischen Rautenflagge und der bayrischen Streifenflagge in den Landesfarben Weiß und Blau.

2.2.3. Ästhetik

Der Spot verfügt insgesamt über 54 Einstellungen und hat eine Länge von 90 Sekunden. Es ist eine getragene Hintergrundmusik mit Streichern und Schlagzeug ohne Gesang zu hören. Im Spot werden mehrere Schwarzblenden eingesetzt. Es werden zahlreiche Kameraeinstellungen von der Detailaufnahme über die Großaufnahme, die Naheinstellung, die Halbnahaufnahme bis hin Halbtotale eingesetzt. Es finden Zooms und Drehungen statt. Seehofer wird von rechts, links, vorne und hinten in ganz unterschiedlichen Positionen gezeigt. Darüber hinaus wird z.T. mit einem verschwommenen Hintergrund gearbeitet.

2.2.4. Interpretation: Ein Bayern des Wohlstandes, der Arbeit und der Sicherheit

Auf der Bildebene steht der Ministerpräsident im Mittelpunkt und übernimmt von der ersten bis zur letzten Szene die Inszenierungsdominanz. Neben ihm sind keine weiteren Politiker der Partei zu sehen oder zu hören. Der zweistündige Bürgerdialog setzt zwar im Rahmen der Veranstaltung auf den Austausch zwischen dem Wahlvolk und der Politik. Es wird auch gezeigt, dass mehrere Personen während des Wahlspots mit Mikrofon ein Statement oder eine Frage artikulieren, sich zu Wort melden und Seehofer ihnen zuhört und sich Fragen notiert. Gleichwohl fließen diese Beiträge auf der verbalen Ebene in den Spot nicht mit ein. Hier sind die Zuschauer nur Zuhörer, die aufmerksam und positiv gestimmt den Ausführungen ihres Ministerpräsidenten lauschen. Durch die zahlreichen unterschiedlichen Bildeinstellungen Seehofers von der Detailaufnahme bis hin zur Halbtotalen entsteht auch eine Form der Annäherung, die dazu beitragen kann, die Distanz der Zuschauer gegenüber dem Politiker abzubauen.

Auf zusätzliche externe Einspieler, die von der verbalen Botschaft des bayrischen Ministerpräsidenten ablenken könnten,  wird in dem Spot konsequent verzichtet. Seehofer steht in Wort und Bild fast ununterbrochen im Vordergrund. Während die Zuschauer sitzen, steht er bei seinen Ausführungen aufrecht vor den Gästen und erhebt sich so auch körperlich über sein Publikum. Sein Einmarsch in der ersten Szene des Spots, wo er von Bodyguards umringt wird, dokumentiert seine politische Wichtigkeit und Prominenz. Schließlich wird von den Leibwächtern gegen mögliche Angriffe abgeschirmt. Derartige Szenen mit Personenschützern tauchen im Making-Off des Spots noch stärker auf, wenn er beispielsweise seine Limousine verlässt. Als Kontrast wird dort aber auch explizit Bürgernähe dokumentiert, als er sich mit zwei Frauen, die dicht neben ihm stehen, fotografieren lässt.

Dass Seehofer während der Debatte im eigentlichen Spot durch Zuschauer mit einem Fotoapparat abgelichtet wird und Zuschauer sich Notizen zu seinen Ausführungen machen, dokumentiert zusätzlich, dass es sich bei dem bayrischen Ministerpräsidenten um ein „politisches Schwergewicht“ handelt, er etwas zu sagen hat, was es sich aufzuschreiben lohnt. Seehofer macht sich ebenfalls Notizen. Dies soll zeigen, dass er die Fragen und Anregungen der Bürger ernst nimmt und deshalb auch schriftlich festhält.

Bereits im ersten Satz seiner Ansprache verweist Seehofer darauf, dass er auf die Bevölkerung hört und im Rahmen seines politischen Handelns dialogorientiert agiert. Damit suggeriert er Bürgernähe und Bodenständigkeit. Der Hinweis auf die  Mündigkeit und Aufgeklärtheit verweist zusätzlich darauf, dass er die Menschen ernst nimmt. Die Aussage, dass die Bevölkerung nicht „mit einem Gesetzbuch ins Bett geht“, zeigt, dass juristische Fachkenntnisse der Bürger über politische Zusammenhänge seiner Auffassung zufolge wohl nicht zwingend vorhanden sein müssen, da die Gefühle angeblich bereits für eine angemessene Einschätzung der Situation sorgen können.

Mit dem Hinweis auf die Weltoffenheit wird der Bogen zur Einwanderungspolitik geschlagen. Das Argument, dass die Zuwanderung begrenzt werden müsse, damit die Integration gelinge, deutet die Forderung nach einer Obergrenze an, die im Spot nicht ausgesprochen wird. Die Verwendung der Floskeln „Maß und Mitte“ sowie „Leben und leben lassen“ sind unspezifisch und  geben keine klare Richtung im Rahmen der Zuwanderungspolitik vor. Das im Spot verwendete Personalpronomen „Wir“ taucht in vier hintereinander folgenden Sätzen am Anfang auf und soll das Gemeinschaftsgefühl der Menschen in Bayern hervorheben. Das Substantiv „Bevölkerung“ wird dreimal ausgesprochen. Der Verweis darauf, dass jeder so leben soll, wie er es für richtig hält, enthält als Aussage die Leitbilder der Toleranz und Handlungssouveränität. Gleichwohl hat dieser Hinweis in Bezug auf die Freiheitsrechte nur dann Gültigkeit, wenn die „Sicherheit der Bürger“ nicht gefährdet ist. Sofern dies nicht gewährleistet ist, ist der starke Staat gefordert, einzugreifen. Das Substantiv „Sicherheit“ hat eine hohe Relevanz für die CSU-Politik und wird im Spot dreimal erwähnt. Am Ende werden mit den Begriffen „ordentliche Wirtschaft“, „Arbeitsplätze“ und „Vollbeschäftigung“ noch positive Schlagworte erwähnt.

Abschließend gibt Seehofer noch ein persönliches Statement ab, indem er betont, dass es Bayern aktuell so gut geht wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Zumindest hat er dies so erlebt. Um diesen Zustand so lange wie möglich zu erhalten – so die implizite Kernaussage – sollten die Wähler erneut die CSU wählen. Der letzte Satz „So einfach ist eigentlich Politik“ soll noch einmal unterstreichen, dass die Menschen sich keine Sorgen machen müssen, da Wohlstand und Sicherheit durch die solide Arbeit der CSU in Bayern – so der Tenor – auch in Zukunft erhalten bleiben werden. Abschließend lässt sich konstatieren, dass nicht alle Sätze bei der Ansprache des bayrischen Ministerpräsidenten vollständig sind.

2.3. SPD: Zeit für mehr Gerechtigkeit

Die Werbeagentur KNSK betreut den Bundestagswahlkampf der SPD zur Bundestagswahl (vgl. Amirkhizi 2016). Sie hat bereits 1998 und 2002 die Wahlkämpfe der Partei im Bund begleitet und war auch bei den Europawahlen 2014 für die Sozialdemokraten tätig. Die Stimme aus dem Off vom Kanzlerkandidaten Martin Schulz begleitet die Bilder. Im Hintergrund ist ein Musikstück zu hören. Es handelt sich der SPD zufolge um eine Eigenkomposition, die nicht frei verkäuflich ist. Es ist in einem Studio der German Wahnsinn GmbH aufgenommen worden. Dabei handelt es sich um einen fröhlichen Popsong mit englischen Textelementen  wie  „You and me“ und „ABC“ sowie „We go together“.

2.3.1 Text

Der Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht in dem 90-sekündigen Spot überwiegend aus dem Off folgenden Text ein:

„Manche behaupten, Gerechtigkeit sei ja heute kein Thema mehr. Wenn dem so wäre, warum ist dann eines der ersten Dinge, die wir unseren Kindern beibringen, gerecht zu teilen. Und das die Starken den Schwachen helfen sollen.  Warum lehren wir Sie: Keiner ist gleicher als der Andere?  Warum sagen wir ihnen, alles ist möglich, egal ob Mädchen oder Junge?  Egal wo du herkommst. Warum bestärken wir unsere Kinder in dem Glauben, dass sie diese Welt besser machen können? Gerechtigkeit wird immer ein Thema sein. Denn nur eine gerechte Gesellschaft hat eine Zukunft.“

Parallel zum Gesagten finden sich folgende Bilder im Werbefilm der SPD zur Bundestagswahl 2017.

2.3.2 Bilder

Der SPD-Spot beginnt mit einer Bildfolge, auf dem ein Kind mit roter Fingerfarbe auf eine Scheibe malt. Nach einigen Sekunden wird rechts ein roter Würfel eingeblendet, auf dem der Schriftzug „Am 24.09. SPD wählen.“ eingeblendet wird. Es folgt eine Einstellung, bei der eine Familie in Schlafanzügen auf einem Bett herumtobt, bevor ein Kind mit Helm auf einem Pferd reitet. Die Schrift im Würfel wechselt zu „Zeit für Martin Schulz.“ Dann sind spielende Kinder zu sehen, die gemeinsam eine Flaschenpost in einen Fluss legen. Im Anschluss daran sieht man ein schaukelndes Kind. Das Bild steht hier auf dem Kopf. Erneut wird ein Junge in einem Schlafanzug gezeigt, der übermütig auf das Bett seiner Eltern springt. Es wird ein Kind in Szene gesetzt, dass ein weiteres Kind auf die Schulter genommen hat, von dem nur die Beine und die Hände zu sehen sind. Dann wird eine Babyhand eingeblendet, bevor die linke Gesichtshälfte eines Mädchens gezeigt wird, das dann frontal abgebildet ist, wenn es nach oben schaut. Es blickt auf die eigene Hand und den Unterarm, der gegen den Himmel vor die Sonne gehalten wird. Nun spielt ein kleines Mädchen mit einer Brezel, bevor zwei Mädchen eine Eistüte in den Mund nehmen. Dann schreibt ein Mädchen mit einem Stift auf ein Papier. Ein Junge bedient dann die Tastatur von einem Laptop und ein Mädchen spielt Geige. Zwei kleine Jungen lesen daraufhin in einer Zeitschrift. Ein Schatten von einem Mann mit Kind ist zu sehen, bevor er von hinten im Gegenlicht des Fensters gezeigt wird. Ein kleines Mädchen tobt in einem Garten mit einem Jungen, bevor ein weiteres Mädchen einen Holzstab mit einem Hammer in ein Kinderbett schlägt. Zwei sich umarmende  Jungen lächeln in die Kamera. Zwei  Mädchen kommen dem nach.  Erneut sind tobende Kinder zu sehen. Dann hängen zwei Kinder an einer Schaukel, von der sich ein Junge fallen lässt.

Es folgt ein Sportblock. Einem Kind wird ein Sportschuh zugebunden. Liegestütze werden gezeigt. Die Schultern eines Jungen in einem Trikot werden massiert. Ein Mädchen boxt im Ring bevor sechs Jungen auf einer Brücke in Berlin mit dem Victory-Zeichen posieren und dann nachdenklich  auf das Wasser schauen. Ein Mädchen blickt nach oben. Dann werden drei weitere Kinder gezeigt, die ebenfalls an die Decke schauen, wobei dabei  eine Drehbewegung durch die Kameraführung erzeugt worden ist. Es ist ein Sternenhimmel an der Decke zu sehen. Dann blickt ein Mädchen mit freudigem Blick in eine Taschenlampe. Ein Kleinkind spielt mit einem Globus, den es zum Leuchten bringt.

Schließlich schreitet Martin Schulz hinter einer Glasscheibe heran. In einer weiteren Einstellung kommt er im blauen Anzug, weißem Hemd und blauer Krawatte auf den Zuschauer zu und sagt: „Gerechtigkeit wird immer ein Thema“. Dann ist ein Junge zu sehen, der gegen eine mit Graffiti bemalte Wand springt.  Schulz rückt erneut mit den Worten: „Denn nur eine gerechte Gesellschaft hat eine Zukunft“ ins Bild. Eine abschließende Nahaufnahme eines kleinen Mädchens, das mit großen Augen ernst in die Kamera blickt, schließt den visuellen Block ab. Rechts ist zeitgleich ein roter Würfel mit dem weißen Schriftzug „Es ist Zeit“ abgebildet. Es findet ein Wechsel des Schriftzuges statt. Nun ist in weiß „SPD“ zu sehen. Zusätzlich ist links daneben der Link „Zeit-für-mehr-Gerechtigkeit .de“ eingefügt worden.

2.3.3 Ästhetik

Der Beitrag zeigt 56 Einstellungen in 90 Sekunden. Zahlreiche Szenen sind mit einer Handkamera gedreht worden. Die gewählten Einstellungsgrößen bei den Aufnahmen sind vielfältig. So werden u.a. Detailaufnahmen, Naheinstellungen, und Großaufnahmen gezeigt. Es gibt zahlreiche Kameraschwenks. Nur selten werden ruhigere Bilderfolgen gezeigt. Dies tritt dann auf, wenn Blicke eingefangen werden. Unscharfe und verwackelte Bilder sowie Schattenbilder sind ebenso zu sehen. Insgesamt setzt der Beitrag auf eine starke Dynamik und nahezu kontinuierliche Bewegung. Als Schulz ins Bild kommt, ist auch er ständig in Bewegung, da er auf die Zuschauer zuläuft, während er spricht. Eine ruhige Einstellung ist am Ende des Spots bei der letzten Einstellung zu sehen, wenn der Blick eines Mädchens zu sehen ist, das unscharf eingestellt wird, sobald der SPD-Schriftzug im Würfel „Es ist Zeit“ eingeblendet wird.

2.3.4 Interpretation: Spiel und Spaß mit mehr Gerechtigkeit

Der Spot orientiert sich an typischen Mustern der Produkt-Werbung und stellt durch die Bildersprache eine „Feel-Good-Atmosphäre“ (Dörner/Vogt 2015, S. 12) her. Es wird in rascher Abfolge eine Vielzahl von Bildern gezeigt, die bei der einmaligen Rezeption kaum zu verarbeiten sind. Auf der visuellen Ebene entstehen kurze und prägnante Eindrücke von fröhlichen Menschen in schönen Situationen.

Der SPD-Spot setzt in der Bildgestaltung überwiegend auf die Fokussierung von Kindern und Familien und liefert dabei positive Bilder. Ein unbeschwertes Leben, Gemeinschaft und Zusammenhalt durch Sport und Spiel sowie das Teilen von schönen Dingen und Erlebnissen sind hier die zentralen Botschaften des Werbefilms. Dabei wird mehrfach das sogenannte Kindchenschema bedient, indem niedliche Babys gezeigt werden, die emotional ansprechend wirken und den Beschützerinstinkt der Rezipienten wecken können.

Durch die Darstellung von Menschen aller Altersgruppen vom Baby bis hin zu Testimonials im Rentenalter wird deutlich, dass alle Bevölkerungsgruppen angesprochen werden sollen. Ein Schwerpunkt der visuellen Darstellung könnte mit der Überschrift „Spiel und Spaß“ charakterisiert werden. Schließlich werden Kinder beim Malen, Toben, Plantschen und Essen gezeigt. Sport und Bewegung kommen durch das Boxen, Reiten, Schaukeln, Skateboard-Fahren und die Liegestütze zum Ausdruck. Derartige Aktivitäten suggerieren Dynamik und Lebensfreude. Glückliche Familien und Gruppen gleichgesinnter mit gemeinsamen Interessen und Aktivitäten haben Freude am Leben.

Zahleiche Szenen sind an der frischen Luft bei Sonnenschein auf Spielplätzen, im Wasser und Garten gedreht worden und vermitteln einen Naturbezug mit hohem Freizeitwert. Gegenstände wie Stift, Laptop, Geige, Globus und Hammer verdeutlichen das Motiv, die Welt zu entdecken und zu lernen. Nur die mehrfach eingefangenen nachdenklichen Blicke der Kinder könnten als Zeichen für eine ungewisse Zukunft interpretiert werden.

Der Text folgt einem pädagogischen Duktus. Er fordert Gerechtigkeit ein, verweist dabei auf die Aufgaben der Erziehung, den Kindern zu vermitteln, dass gerecht geteilt werden sollte.

Insgesamt passen Bild und Botschaft nur sehr bedingt zusammen. Das visuell dargestellte Teilen im Spot bezieht sich auf positive Erlebnisse, während  das normative Postulat des Teilens, um Gerechtigkeit zu bewerkstelligen, durchaus Einschränkungen des eigenen Lebensstands nach sich ziehen könnte. Die im Spot auftauchenden Protagonisten scheinen hiervon aber nicht betroffen zu sein. Sie strahlen positiven Lebensmut aus, scheinen sich alle wohl zu fühlen. Es werden keine armen und unglücklichen Menschen gezeigt. Die visuell dargestellte Harmonie überstrahlt die mahnenden Worte des Kanzlerkandidaten, der sich für eine gerechte Gesellschaft einsetzt. Es werden aber keinerlei Zahlen, Daten und Fakten präsentiert, die beispielsweise auf Kinderarmut hindeuten könnten. Eigene Konzepte, Ideen oder konkrete Maßnahmen  für die Herstellung  von mehr Gerechtigkeit werden ebenfalls nicht angeboten. Positionen oder Personen der politischen Konkurrenz werden nicht angegriffen.

Der Spot liefert auf der verbalen Ebene zwar ein klares Plädoyer für mehr Gerechtigkeit als zentrale Botschaft und Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition). Die Aussagen bleiben aber unkonkret. Wer angeblich konkret behauptet, dass „Gerechtigkeit […] ja heute kein Thema“ mehr sei und warum nicht, wird nicht erläutert. Der pädagogische Auftrag, die eigenen Kinder zum Teilen zu motivieren, ist in dem politischen Spot eines Kanzlerkandidaten recht ungewöhnlich. Nachvollziehbar sind hingegen die Aufrufe zur Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen. Wie dies konkret erreicht werden sollte, wird nicht gesagt. Überhaupt taucht im Spot kein einziges Wahlversprechen, ein konkretes politisches Thema  oder gar ein Konzept auf. Insofern sind die sehr allgemein gehaltenen Aussagen von Schulz sicherlich konsensfähig. Dennoch werden die mahnenden Worte des SPD-Kanzlerkandidaten von den bunten und fröhlichen Bildern überlagert, die auch in der Produktwerbung hätten eingesetzt werden können. Zahlreiche Szenen von spielenden, malenden, musizierenden, tobenden, im Wasser planschenden und sport-treibenden Kindern erinnern stark an einen ALDI-Werbespot aus dem Jahr 2016. Das verbale Plädoyer mit der Mahnung für mehr Gerechtigkeit ist insofern konträr zur positiven und dynamischen Bildbotschaft. Text und Bild passen nicht zusammen und es kann davon ausgegangen werden, dass die positiven visuellen Eindrücke die verbalen Aussagen überlagern.

2.4. Die Linke: Am 24. September DIE LINKE wählen!

Im Wahlwerbespot der Partei DIE LINKE werden lediglich sieben Einstellungen verwendet. Der 90-sekündige Wahlwerbespot sowie die gesamte Wahlkampagne der Linke wurde von der Berliner Agenturgemeinschaft DiG/Trialon konzipiert, die bereits seit 2005 die Partei bei ihren Wahlkämpfen begleitet (vgl. Saal 2017a und Thoms 2016). Produziert wurde der Spot von der Produktionsfirma Avanzado Film. Im Hintergrund ist Klaviermusik zu hören.

2.4.1. Text

Der folgende Text wird im abschließenden Statement der Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch in die Kamera gesprochen. Der restliche Spot kommt ohne einen Sprecher aus dem Off aus.

Wagenknecht: „Wir machen, was wir versprechen. Politik mit Rückgrat gegen die Macht der Konzerne und Banken. Nicht nur die Autoindustrie braucht einen Neustart, unser Land braucht einen politischen Neubeginn.“

Bartsch: „Kein weiter so. Ganz gleich, wo Sie wohnen. Ob im Süden, im Osten, im Norden oder im Westen, gehen Sie wählen. Am 24.9. die Linke.“

Folgende Bilder sind vor und währenddessen zu sehen.

2.4.2. Bilder

Die Straßenecke Linke [Straße] Ecke Wählenstraße aus der Normalansicht wird gezeigt. Es beginnt ein langsamer 360 Grad Kameraschwenk um die eigene Achse. Einige Bäume sind zu sehen, auf den Straßen ist nicht viel los und Altbauten prägen das Straßenbild. Es herrscht ein idyllischer sonniger Tag. Die Kamera unterbricht immer wieder kurzzeitig ihren Schwenk, um  unterschiedliche Geschehnisse in der Szenerie zu zeigen. Diese werden jeweils im Bild durch einen grafisch eingearbeiteten Rahmen fokussiert und erklärende Texteinblendungen erscheinen.

Zunächst wirft ein Junge ein Spielzeuggewehr in einen orangenen Mülleimer unterhalb des Straßenschildes und verlässt die Szene nach hinten raus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird daraufhin ein älterer Herr gezeigt. Neben ihm steht ein Einkaufswagen mit leeren Pfandflaschen, während er selbst in einer großen Mülltonne nach weiteren sucht und diese in den Wagen legt. Ein paar Meter neben ihm erscheint ein weißer Transporter. Dieser ist von hinten mit einer offenen Ladetür zu sehen. Ein Mann sitzt auf der Kante des Wagens und trinkt. Wieder ein paar Meter daneben liegt Baumaterial hinter einem Bauzaun. Im Vordergrund ist ein Sandhaufen zu sehen. Dort schaufelt ein Mädchen Sand vom Haufen in ihre daneben stehende pinke Schubkarre. Der nächste digitale Rahmen erscheint neben ihr auf dem Bauzaun. Dort hängt ein Schild mit der Aufschrift „Kita“, sodass verdeutlicht wird, dort werde eine Kinderbetreuungsstätte gebaut.

Die gegenüberliegende Straßenseite zeigt dann einen Mann an einer Säule eines Vordaches gelehnt. Er hält eine Wasserflasche in der Hand. Neben ihm stehen Umzugskartons und hinter ihm ein Sofa sowie weitere Kartons. Er unterhält sich mit einer Dame, die eine Topfpflanze in der Hand hält. Direkt daneben sind zwei Garagentore abgebildet. Auf einem steht ein Graffiti „Ausländer raus!“. Eine junge Frau versucht mit einem Lappen und Reinigungsmittel, dieses zu entfernen. Der Schwenk führt weiter an einem Supermarkt oder Cafe vorbei, vor der eine Person entspannt sitzend liest, zu einer Parkbank unter Bäumen. Darauf sitzt eine ältere Dame mit ihrem Rollator, die sich mit einer offensichtlichen Pflegekraft unterhält. Sie trägt die für diese Berufsgruppe typische Arbeitskleidung.

Die Kamera schwenkt zurück auf die Straße zwischen Cafe und Parkbank. Ein Schriftzug „Am 24. September“ wird heran gezoomt. Das Bild wird weiß und das Logo „Die Linke.“  erscheint im typischen rot. Schnitt. Die Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch stehen Schulter an Schulter in einer Normalansicht in der Straßenszenerie. Wagenknecht trägt einen auffälligen pinken Blazer. Dietmar Bartsch trägt ein graues Sakko und ein blaues Hemd. Die oberen Hemdknöpfe sind offen. Während des Statements werden die Spitzenkandidaten auch in der Großaufnahme als Talking-Heads gezeigt. Zum Abschluss wird der Bildschirm rot und die Internetadresse der Linken „www.die-linke.de“ wird in weiß eingeblendet.

2.4.3. Ästhetik

Der Hauptteil des Spots ist durch den 360 Grad Schwenk um die eigene Achse geprägt. Ein aufmerksamkeitserregender Effekt liegt vor, der die Bewegungen im Spot sehr weich und authentisch wirken lässt. Es findet weder ein Zoom noch ein Perspektivwechsel, wie ein Schwenk nach oben oder unten, während dieser Phase des Spots statt. Erst durch die Einblendung des Textes und das herein zoomen des Textes findet ein ästhetischer Bruch statt. Das Abschlussstatement der beiden Spitzenkandidaten wird mit einer starren Normalansicht auf die beiden Kandidaten gefilmt. Dieser Teil ist weniger dynamisch, denn es herrscht gar keine Bewegung.

2.4.4. Interpretation: Wir drehen uns im Kreis

Die Linke hat sich in den letzten Jahren mehr denn je durch linksgerichtete Politik inszeniert. Mit dem Erstarken der AfD positionierte sich die Partei als Gegenpol zu gesellschaftlichen rechtspopulistischen Tendenzen. Ähnlich konkret gibt sich die Linke in ihrem TV-Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2017. Da wird der Straßenzug Adolfstraße Ecke Gerichtsstraße in Berlin Wedding zur Wählenstraße Ecke Linke [Straße]. Die gesamte Handlung des Spots spielt sich an der genannten Straßenecke ab und zeigt in einer 360 Grad Drehung um die eigene Achse verschiedene Szenen, die jedem Bürger im Alltag begegnen könnten: Unter anderem wirft ein Kind eine Spielzeugwaffe in den Müll; in älterer Herr sucht nach Pfandflaschen; eine Rentnerin unterhält sich mit einer Pflegekraft auf einer Bank, und ein Handwerker macht Pause. Diese Szenerien werden jeweils grafisch eingerahmt, sodass auch der Blickfokus des Zuschauers sich auf diese Bildpunkte richtet. Die Beobachtung dieser Szenen soll verschiedene gesellschaftliche Missstände aufdecken, die aus Sicht der Linken einer politischen Lösung bedürfen.

Obwohl es sich bei Themen wie Forderungen nach höheren Renten, Millionärssteuer und bezahlbarem Wohnraum um typisch linkspolitische Forderungen handelt, werden im Spot immer wieder Verständnisprobleme deutlich. Das Kind, das symbolisch seine Spielzeugwaffe wegwirft, wirkt im Zusammenhang mit Abrüstung und weniger Waffenexporten künstlich. So suggeriert die Szenerie, dass wenn jeder seine Waffen vernichtet, Probleme gelöst seien. Es vereinfacht die Thematik sehr stark. Ähnlich verhält es sich mit der der Forderung „Vor Armut schützen“, wenn ein Kind Sand in eine Schubkarre schaufelt. So ist ein Zusammenhang zwischen dem Schutz vor Armut und einem arbeitenden Kind zunächst nur schwer zugänglich. Erst eine konkrete Auseinandersetzung lässt den Schluss zu, dass dieses Kind Sand von einer öffentlich zugänglichen Stelle für einen Sandkasten schaufelt, weil seine Familie sich diesen Sandkasten nicht leisten kann.

Andere Szenerien bieten einen konkreteren Zugang. Hoch emotionalisierend ist vor allem das Thema Altersarmut. Pfandflaschensammler sind kein ungewöhnliches Bild in den Städten. Beinahe jeder hat sie bereits wahrgenommen und womöglich Angst davor, im Alter von Altersarmut betroffen und ebenfalls auf diese Geldquelle angewiesen zu sein. Gerade diese Szenerie offenbart eine große Nähe zum Alltagsdenken  und -leben der Zuschauer. Ein vergleichbares Identifikationspotential bieten Themen wie bezahlbarer Wohnraum, Pflege und Gesundheit sowie Bildungsförderung. Durch die Integration von Rassismus positioniert sich die Linke abermals als Gegenpol zur AfD. Der Spot enthält de facto eine hohe Themendichte. Linke Themen finden also vor der Haustür der Menschen statt. Jeder sieht sie, jeder kennt sie und kann womöglich damit übereinstimmen, dass diese Zustände einer Verbesserung bedürfen.

Eine tiefere Interpretationsebene birgt die Integration der ästhetischen Elemente. Der Spot konturiert eine ruhige und idyllische Atmosphäre. Leise Klaviermusik im Hintergrund sorgt in dieser Straße für ein Gefühl von Frieden und Ruhe. Keine Stimme aus dem Off stört diese Atmosphäre. Die fließende Bewegung der Kamera entschleunigt den Spot zusätzlich durch die 360 Grad Drehung um die eigene Achse. Daher sind nur wenige scharfe Schnitte vorhanden, sondern fließende Übergänge prägen den Spot. Es offenbart sich jedoch: Der Schein trügt und der Teufel der gesellschaftlichen Probleme liegt im Detail. Eigentlich ist es gar nicht so gut wie es aussieht und gesellschaftliche Probleme werden im Alltagsleben eines jeden sichtbar. Sie gehören zum alltäglichen Leben dazu. So zeigt auch die 360 Grad Drehung kritisch: Wir drehen uns im Kreis!

Der ästhetische Bruch findet mit dem Fokus auf Personalisierung bei circa Zweidrittel des Spots statt. Abschließend tauchen in diesem Straßenzug die Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf. In einer gemeinsamen Ansprache fassen Sie die Themen zusammen und gleichen so das Weglassen eines Sprechers aus dem Off aus. Sie werben mit einem Neubeginn und damit womöglich auch mit einem Ausbruch aus der 360 Grad Drehung. Beide wirken künstlich in Szene gesetzt. Beinahe unnatürlich stehen beide aufgerichtet da. Es findet keine Bewegung statt, sondern es wird starr in die Kamera geblickt, während man potentielle Linkswähler zu mobilisieren versucht. Konkrete Angriffe gegen andere Parteien fehlen. Lediglich der Hinweis darauf, dass die Linke das mache, was sie verspreche, könnte eine beiläufige Anspielung auf andere Parteien sein. Wagenknecht thematisiert unter anderem den Diesel-Skandal und die Kritik daran, die Politik würde die Autokonzerne zu wenig in die Verantwortung nehmen. Auch in diesem Zusammenhang wird mit einem politischen Neubeginn geworben.

2.5. Bündnis 90/ Die Grünen: Grüner Wahlspot 2017

Der Wahlwerbespot von Bündnis 90/Die Grünen besteht aus 92 Einstellungen. Die Grünen setzten sowohl in ihrer Wahlkampagne als auch im Spot auf ein neues Konzept. Die Agentur „Ziemlich Beste Antworten“ (ZBA) wurde eigens für die Wahlkampagne gegründet (vgl. Thoms 2016). Es handelt sich um ein Kollektiv, dass sich aus einem Fachpersonal unterschiedlicher Disziplinen zusammensetzt. Im ersten Teil des Spots ist Klaviermusik zu hören, die in eine elektronische Melodie übergeht.

2.5.1. Text

Folgender Text wird von einem Sprecher aus dem Off gesprochen. Zum Teil wird dieser durch Texteinblendungen begleitet:

„Wirtschaft gut. Arbeit gut. Alles gut. Nö. Es gibt viel zu tun. Und jetzt? Keine Angst. Wer was ändern will, braucht Mut. Der muss anpacken. Ärmel hoch und ran. Energie muss sauber werden. Ne, ne, ne, richtig sauber. Gut. Gut. Sehr gut. Okay, was noch? Jep, Integration. Gleich Chancen für alle. Was noch? Gebt endlich Frieden. Ah, schön. Gemeinsam läufts rund. Und was noch? Genau, unsere Umwelt. Abgase runter. Temperatur runter. Mundwinkel rauf. Also, Ärmel hoch. Und ran. Du wirst sehen. Das wird gut. Darum grün.“

Folgende Bildsequenzen werden parallel dazu gezeigt.

2.5.2. Bilder

Der Wahlwerbespot beginnt mit einem in die Kamera brüllenden Gorilla, einem auf den Hinterreifen stehenden, fahrenden Pick Up mit aufgemalten Flammen und einem Bodybuilder von hinten, der stöhnend seine Rückenmuskulatur präsentiert. Der Schriftzug „Deutschland 2017“ wird eingeblendet. Nun ist ein betriebsamer Hafen zu sehen mit Hafenkränen und umherfahrenden Wagen. Daraufhin sieht man industrielle Laufbänder mit Gläsern, Pillen und einen vorbeirauschenden Autozug. Eine Fertigungsstraße mit industriellen Robotern sowie eine arbeitende Nähmaschine werden gezeigt. Ein Arbeiter setzt einen Mauerstein, ein anderer hackt Holz und es wird das zerberstende Holz in Großaufnahme gezeigt. Nun bedient jemand einen Presslufthammer und montiert Autoreifen, bis diese Bildsequenz durch ein Alarmsignal unterbrochen wird.

Es folgen weitere Bildsequenzen: Abbrechende Eiskappen, eine zugemüllte Meeresbrandung, ein schlafender Obdachloser in einem Hauseingang, stark qualmende Atomkraftwerke, ein Schwein vor einem vollen Schweinestall und zwei offensichtlich rechtsextremistisch orientierte Personen, die Drohgebärden in Richtung Kamera vollführen. Eine Person trägt eine Sonnenbrille, während die andere mit einem Balken vor den Augen anonymisiert wird. Es folgt eine Aufnahme von einem vollen Flüchtlingsboot, von dem Personen ins Meer springen. Diese Sequenz wird dann durch eine Schlange unterbrochen, die in Angriffsposition Richtung Kamera kriecht. Es folgt eine Großaufnahme von einem weißen Babyhasen, der Gras auf einer Wiese frisst.

Die nächste Aufnahme zeigt eine Person aus der Egoperspektive, die von einer Klippe in einen blauen Fluss springt. Verschiedene Aufnahmen zeigen daraufhin Kathrin Göring-Eckhart und Cem Özdemir bei verschiedenen parteipolitischen Veranstaltungen sowie in einem Büro mit aktiver Körpersprache. Beim Thema Energie zeigt eine Großaufnahme eine steigende Tankanzeige und jemanden, der sein Auto auftankt. Diese Aufnahmen wechseln nun zu Personen, die Stromstecker in ihre Autos einführen, idyllische Luftaufnahmen von Solarfeldern, Windrädern sowie einem Fahrradfahrer im Straßenverkehr. Beim Thema Integration wird Cem Özdemir in einer Menschenmasse gezeigt. Ein Mädchen, scheinbar mit Migrationshintergrund, zeigt stolz ihre Schultüte vor der Kamera und vollzieht eine kraftvolle Geste, indem Sie den Arm anwinkelt und eine Faust ballt. Dann werden Aufnahmen von US-Präsident Donald Trump gestikulierend vor der US-amerikanischen Flagge, der russische Präsident Wladimir Putin vor einer russischen Flagge und der türkische Präsident Recep Erdogan vor einer türkischen Flagge gezeigt. Im Anschluss folgt eine Nahaufnahme von einem Hunde- und einem Katzenbaby, die friedlich nebeneinander unter einer Decke liegen. Die Europahymne ertönt und in einem Schwimmbad spielen Personen mit einem Ball. Aus der Vogelperspektive bilden sie die Sternenformation der EU-Flagge. Das Thema Umwelt wird durch Erdmännchen eingeleitet und zuvor gezeigte Bilder von unter anderen abbrechenden Eiskappen werden nun im Zeitraffer dargestellt.

Die Abschlussszene bildet eine Gruppe von Menschen an einem freundlichen Sonnentag in einem Park. Sie sitzen auf einer Wiese und unterhalten sich. Als Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckhart erscheinen, stehen sie auf. Es wird gelacht und sich umarmt bis abschließend die beiden Spitzenkandidaten eine Gruppe von Menschen in Slow Motion anführen. Nach einer sehr schnellen Abfolge von Bildern mit für die Grünen typischen Motiven wird das Bild grün und unter einer gelben, abstrakten Sonnenblumen steht der Schriftzug „Am 24. September: Zweitstimme Grün!“

2.5.3. Ästhetik

Eine Vielzahl von Einstellungen prägt den 90-sekündigen Spot. Unter anderem sind viele Detailaufnahmen zu sehen, die zumeist eine bestimmte Handlung oder einen bestimmten Ablauf fokussieren. Nah- und Großaufnahmen prägen ebenfalls den Spot. Oft handelt es sich um keine von der Partei individuell gedrehten Sequenzen, sondern Archivaufnahmen. Harte Schnitte fügen die verschiedenen Aufnahmen zusammen. Zwischendurch werden diese durch kurze Kameraschwenks, vor allem in der Vogelperspektive, unterbrochen. Auch Froschperspektiven oder Untersichten sind vorhanden. Die Egoperspektive sorgt dabei für einen besonderen Effekt. In der Abschlussszene folgt eine Handkamera den Spitzenkandidaten und liefert ein leicht verwackeltes Bild.

2.5.4. Interpretation: Keine Angst mit Bündnis 90/ Die Grünen

Kraftvoll beginnt der Wahlwerbespot von Bündnis 90/ Die Grünen. Das Adjektiv bezieht sich jedoch nicht auf die Partei, sondern auf Deutschland im Wahljahr 2017. Deutschland heute ist stark und gut genährt wie ein Bodybuilder, ein Gorilla oder ein Pick Up – wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. Drei Teile umrahmen den Spot und seine Themensetzung, die jeweils durch Tiere als Leitmotive unterbrochen werden. Im ersten Teil erklärt die Partei mithilfe ihres Off-Sprechers zunächst, was in Deutschland alles gut läuft. Darunter fallen deutsche Erfolgsbilanzen wie Import, Export, Arbeit oder Handel.

Dann greift das Narrativ des Spots: Es ist nicht alles gut und die Grünen zeigen, dass es weiterhin viele Probleme zu bewältigen gilt, die sie an vorderster Front angehen. Hoch emotionalisierende Bilder von abbrechenden Eiskappen, verschmutzten Meeren, Armut, Umweltverschmutzung oder Flüchtlingsbooten verdeutlichen diese Krisensymptome und wirken beinahe dramatisierend auf den Zuschauer ein. Die extreme Themenverdichtung in diesem Abschnitt wirkt beinahe bedrohlich. Das soll sie auch, denn anschließend werden diese Herausforderungen durch eine Schlange symbolisiert, die einen kleinen Hasen anzugreifen droht, der friedlich frisst. Dieser wiederum symbolisiert Deutschland, das diese Bedrohungen nicht wahrzunehmen scheint. So scheint zumindest der Vorwurf zu sein, der aus diesem Teil resultiert.

Bündnis 90/ Die Grünen nimmt den Zuschauern im dritten Abschnitte diese Angst. Wer Mut und Veränderungswillen habe, brauche keine Angst haben. So kann die Aussage des Spots interpretiert werden, in dem sich die Partei als Anführer dieses Veränderungswillens darstellt. Ästhetisch wird dieser Ansatz durch das Abschlussmotiv der beiden Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göhring-Eckhart in Szene gesetzt. Sie leiten der „mutigen“ Masse den Weg. Neben typisch grünen Umweltthemen wie nachhaltiger Energie (E-Autos, Solar, Wind, Wasserkraft etc.) oder Integration verweist der dritte Abschnitt beim Thema „Frieden“ auf das Gewissen des Zuschauers. Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Erdogan werden eingeblendet. Darauf folgen wieder Tiere als Leitmotiv, diesmal Hund und Katze. Damit verweist der Wahlwerbespot darauf, dass selbst „Hund und Katz“ sich vertragen und dieser Friede auch in den bilateralen Krisenbeziehungen einkehren müsse. Des Weiteren verdeutlichen die niedlichen Tiere den Kontrast zu den schwierigen politischen Themen und sollen positive Assoziationen wecken. Insgesamt beinhaltet der Spot keine überraschende Themenauswahl, sondern orientiert sich an klassischen Themen der Grünen. Diese werden in sehr kurzer Zeit extrem verdichtet und nicht immer ist der konkrete Zusammenhang zwischen den Tieren und den Themen auf den ersten Blick erkennbar. Als Wahlwerbespot, der im Fernsehen nur kurzzeitig über den Bildschirm „flimmert“, wird an diesen Stellen eine hohe Aufmerksamkeitsspanne und Interpretationsfähigkeit vom Zuschauer eingefordert. Ob diese beim Großteil der Zuschauer eine entsprechende Wirkung erzielt, bleibt fraglich.

Allerdings handelt es sich bei diesem Spot um ein sehr dynamisches Video, das durch schnelle Schnitte geprägt ist. Gerade diese Dynamik zielt vor allem auf junge Wähler ab. Die dramatische Bildzusammensetzung ist hoch emotionalisierend und die Tiere wirken anhand des Kindchenschemas, das den Beschützerinstinkt weckt. Motive von der Eisschmelze oder Massentierhaltung erinnern sehr stark an Spots von Umwelt- oder Tierschutzorganisationen. Die Nähe zwischen den Grünen und diesen ökologischen Nichtregierungsorganisationen ist darin unverkennbar. Ästhetisch auffällig ist insbesondere der prägnante Tonzusammenschnitt. Dieser ist durch ein Wechselspiel aus Hintergrundmusik, Sprecher aus dem Off und überlagerten Toneffekten gekennzeichnet. Dies sorgt für immer wieder kehrende, besondere Aufmerksamkeitsmomente. Dem Sprecher kommt dabei eine erklärende Funktion zu.

Generell spielen Personen in diesem Spot keine zentrale Rolle. Die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckhart und Cem Özdemir werden zwar immer wieder dazwischen geschnitten; ihre eigentliche Funktion wird jedoch erst in der Abschlussszene deutlich. Sie personifizieren das Narrativ, Änderungswillen und Mut zu zeigen und verdeutlichen: Dafür muss jeder mit anpacken! Cem Özdemir kommt sehr leger rüber und trägt weder Anzug noch Krawatte. Beide wirken entspannt und bürgernah. Dennoch vermitteln sie, dass sie ihre Rolle als Leitfiguren des Wandels verantwortungsbewusst wahrnehmen und sich für eine ökologischere und gerechtere Welt einsetzen.

2.6. FDP: Manchmal muss Dich jemand zwingen, neu anzufangen

Der Wahlwerbespot der FDP enthält über 100 Einstellungen in 90 Sekunden und weist damit eine extrem hohe Schnittsequenz auf. Die Wahlkampagne und der Spot werden von der Werbeagentur Heimat begleitet (vgl. Thoms 2016). Diese hat seit 2015 alle Landtagswahlkämpfe der Partei begleitet. Der Spot wird durch eine schnelle elektronische Melodie begleitet.

2.6.1 Text

Spitzenkandidat Christian Lindner spricht im Wahlwerbespot der FDP den folgenden Text aus dem Off:

„Manchmal muss dich jemand zwingen, neu anzufangen. Weil du dann neu denken musst. Du stellst nicht mehr die Frage, wie haben wir das immer gemacht, sondern, was müssen wir machen? Also mal zu überlegen, du könntest ähm ein Land auf der grünen Wiese neu bauen. Was würdest du anders machen? Wie bringen wir Digitalisierung schneller voran? Was ist die richtige Wirtschaftspolitik? Gibts nicht Möglichkeiten, Sicherheit zu schaffen, ohne dass man den Menschen ihre Sicherheit einschränkt? Die neue Idee findet nicht jeder gut. Eigentlich sogar katastrophal. So musst du dich fragen, ist sie trotz des Widerstandes richtig? Dann musst du dafür kämpfen. Also neu denken heißt ja nicht, alles zertrümmern, was Bestand hatte. Thema Bildung. Man fragt Experten, recherchiert, es wird gestritten, es wird diskutiert. Irgendwann denkst du, jetzt sind wir soweit. Und dann geht die Diskussion aber erst richtig los. Die Abstimmung. Es gibt ne Mehrheit. Dann kommt der neue Punkt ins Wahlprogramm und dann hoffst du, dass die Menschen das umsetzen wollen. Wenn ja, dann fängt die Arbeit erst richtig an.“

Der Text wird durch folgende Bildsequenzen eingerahmt.

2.6.2 Bilder

Der Wahlwerbespot der FDP eröffnet mit einer Nahaufnahme des Spitzenkandidaten Christian Lindner. Er öffnet andächtig die Augen und blickt in die Kamera. Unterbrochen wird dieser Moment von einer gelben Einblendung mit einem pinken, senkrecht blinkenden Strich. Während des Spots wird immer wieder ein Text in pinken Lettern eingeblendet. Der gesamte Spot ist abgesehen von den plakativen Einblendungen in Schwarz und Weiß gehalten. Es folgt eine Detailaufnahme von prasselndem Regen auf einer Straße, Lindner geht über eine Brücke bei Nacht und Müllberge sowie eine Wandbemalung „Verpisst euch!“ werden eingeblendet. LKWs fahren bei Nacht über eine Brücke, Lindner sitzt alleine über seinem Handy gebeugt in einem Biergarten an einem See und ein Arbeiterschutzhelm, u.a. mit den Aufklebern „Tradition“, „ERLEBNISORIENTIERT“, „IMMER UND ÜBERALL“ und einem Erich Honecker Portrait, wird in Großaufnahme gezeigt. Die Sequenz wird durch eine gelb flackernde Einblendung mit einem blauen Fragezeichen und der Eröffnungsaufnahme von Lindner durchbrochen. Ein Bild von einem nachdenklichen Lindner oder ihn am Rastplatz vor seinem Laptop sitzend werden gezeigt. Durchbrochen werden sie durch eine kurze Einblendung von fließendem Verkehr.

Es folgt eine schnelle Sequenz unter anderem von Hochhäusern, Konfrontationen zwischen Polizei und Randalierern sowie einem Fußballplatz, bis wieder Lindner erscheint, der an einer Löwenstatue gelehnt an einem See in sein Handy vertieft ist. Wieder folgt die Aufnahme vom Anfang und sein starrer Blick in die Kamera. Ein flackerndes Fragezeichen leitet zu einer Aufnahme des FDP-Parteivorsitzenden von hinten ein. Daraufhin scheint er in einem Café zu bezahlen und greift in sein Sakko. „Digitalisierung“ wird mit pinken Lettern und gelben Hintergrund in einer sehr schnellen Abfolge buchstabiert.

Ein Bild von einem Arbeiter in einem hitzebeständigen Schutzanzug ist zu sehen und dann ein Bild von Lindner mit Kopfhörern im Ohr, der das Gesicht erschöpft in seine Hände vertieft. Immer wieder werden die Aufnahmen des Spitzenkandidaten unterbrochen. Diesmal handelt es sich um Menschen vor einem Wasserwerfer. Dann ist wieder ein gelber Hintergrund und die pinken Wörter „Sicherheit Schaffen“ zu sehen. Es folgt eine Straßenszene. Von hinten wird ein Randalierer gefilmt, der den Mittelfinger dem auf ihn gerichteten Wasserwerfer zeigt. Dann sitzt Lindner mit einer anderen Person gedankenversunken im Auto. Bilder von einem Tagebau, einer Taube oder einem Hubschrauber sind zu sehen. Ein gelber Bildschirm und pinke Wörter: „Die neue Idee“. Eine Kamerafahrt über eine Autobahn und Lindner, der sich im inneren eines Flugzeuges oder beim Friseur befindet. Wieder wirkt er gedankenverloren, wie in anderen Aufnahmen. Erneut erscheinen die Statue des Löwen und eine diesmal gelbe Texteinblendung. Mehrere Bilder von Lindner, der seine Krawatte in die Innentasche seines Sakkos steckt oder der in einem Hörsaal werden gezeigt. Eine sehr schnelle und schwer lesbare Abfolge von Wörtern auf unterschiedlich farbigen Hintergrund erscheint. Mehrere Bilder des Spitzenkandidaten vor einem Publikum sind zu sehen.

Abermals erscheint eine Bildfolge, in der er sein Gesicht erschöpft in die Hände legt und sich die Augen reibt. Unterbrochen durch Straßenverkehrsszenen sind unterschiedliche lesende Personen zu sehen. Unter anderem werden die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Hamburger Bundestagskandidatin Katja Suding abgebildet. Lindner sitzt daraufhin in seine Arbeit vertieft in einem Auto oder einem Flugzeug. Dann folgt wieder die Eröffnungsaufnahme vom starr in die Kamera blickenden Spitzenkandidaten. Auf einem weißen Hintergrund erscheinen zwei blinkende pinke Punkte. Dann wird eine schnelle Abfolge von Bildern dargestellt: Eine Metzgerei, ein Huhn, Lindner liest und trinkt Kaffee oder im Gespräch mit anderen Personen. Auch im Auto oder einer Kirche ist er zu sehen. Unterbrochen wird dies durch einen gelben Bildschirm und pinke Zahlen „1…./163“, während die erste Zahl immer größer wird. Im weiteren Verlauf fährt Lindner Auto oder ist von Kameras umgeben. Des Öfteren werden Bilder von Straßenverkehr oder Arbeitern in einer Fabrik gezeigt. Der Spot endet mit Lindners starren Blick in die Kamera und einem leichten Zoom In. Diesmal blinzelt er. Auf einem weißen Bildschirm ist abschließend wieder ein blinkender pinker Strich zu sehen und der Slogan „Denken wir neu.“ sowie zum Abschluss das Logo der Partei „Freie Demokraten“ und „FDP“.

2.6.3. Ästhetik

Der Wahlwerbespot der FDP ist durch eine extreme Verdichtung von harten Schnitten geprägt. Abgesehen von der zentralen Aufnahme von Lindner in Nahaufnahme kommt der Spot ganz ohne Videoaufnahmen aus, sondern setzt sich aus Bildern zusammen. Mit dieser Technik arbeitet auch die AfD in ihrem Spot, auf den nachfolgend eingegangen wird. Die Einstellungen variieren zwischen Nahaufnahmen, Halbtotalen und Totalen. Auffällig sind die Close Ups des Spitzenkandidaten Christian Lindner, die unweigerlich eine Nähe zum Zuschauer schaffen, obwohl er abgesehen von der Nahaufnahme zu Beginn nie direkt in die Kamera blickt. Während andere Aufnahmen extrem schnell hintereinander eingeblendet werden, ruht der Spot auf den Aufnahmen des Kandidaten einen Moment. Oft ist an diesen Stellen ein leichter Kameraschwenk wahrnehmbar.

Außer den Worteinblendungen ist der gesamte Spot in schwarz und weiß gehalten.

2.6.4. Interpretation: Die One-Man-Show geht weiter

Die Interpretation des Wahlwerbespots der FDP kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Sowohl das gesprochene Wort, die Bilder und die Textebene zeugen von ganz eigenständigen Zugängen. Dies macht es auch für den Zuschauer umso schwieriger, sich auf eine bestimmte Ebene zu konzentrieren. Erschwert wird dieser Effekt durch extrem schnelle Schnitte und eine hohe Themenverdichtung. Besonders auffällig sind die Übergänge, in denen keine harten Schnitte, sondern flackernde Übergänge erfolgen, was dem Spot neben der ausdrucksvollen und lauten Musik eine zusätzliche Dramatik verschafft. Die dramatische Musik, die schnelle Bildabfolge und flackernde Elemente machen den Spot mitreißend und lebendig, obwohl die Motive selbst keine großen Bewegung beinhalten.

Auffällig ist, dass ein ähnliches Narrativ wie bereits im Wahlwerbespot zur Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen gewählt wurde: Die Umsetzung der eigenen Ideale und Ideen mit vollem Körpereinsatz und dem Ankämpfen gegen den unvermeidlichen Widerstand. So definiert der Spot vier Themenbereiche, anhand derer die Werte und Ziele der Partei verdeutlicht werden sollen. Digitalisierung, Wirtschaftspolitik, Sicherheit und Freiheit sowie Bildung sind die zentralen Themen. Sie betten sich darüber hinaus in den Gesamtkontext der Wahlkampagne ein, denn auch dort sind diese Themen als typische Interessensgebiete der Liberalen zentral verankert. Die Bildebene offenbart dann jedoch ein wesentlich größeres Feld an Themen: Hass, Tradition, Verkehr, Spot oder Industrie und Extremismus sind nur einige der vielen Bereiche, die thematisiert werden. Gerade die Motive von fließendem Verkehr bei Nacht wurden auch im Wahlwerbespot in NRW genutzt, um Übergänge zwischen einzelnen Bildsequenzen zu schaffen. Die Themenbereiche werden zwar bildlich und auf Textebene benannt, konkrete Handlungsalternativen bietet der Spot jedoch nicht. Er wirkt über seine bildliche Inszenierung.

Wie schon die Gesamtkampagne ist auch der Spot in schwarz-weiß gehalten. Lediglich einige Übergänge werden durch flackernde Textbalken und Symbole in Parteifarben inszeniert. Fraglich ist allerdings, was beispielsweise ein senkrechter blickender Strich zu bedeuten hat oder warum in diesem Moment zwei Punkte aufleuchten. Dies kann der Zuschauer ohne tiefergehende Interpretation zunächst nur schwer in einen Verständniskontext setzen. Visuell eingefügte Worte wie „Wenn“, „Ja“ oder „Denken“ unterstützen zwar die verbalen Aussagen des FDP-Vorsitzenden, sind aber nur schwer verständlich. In der hektischen Bilderflut tauchen sie auch nur als Schlagworte auf, sodass sich ihr Bedeutungsgehalt zunächst nicht erschließt. Neben der extrem schnellen und dramatisierenden Musik sorgen gerade diese Effekte für ein Gefühl von Stress und Überforderung. Dies vermitteln vor allem die Bilder der Person Lindner.

Unweigerlich der Kritik, Christian Lindner würde seine Person und Attraktivität im Wahlkampf vermarkten, setzt der Wahlwerbespot auf den Spitzenkandidaten der FDP in nahezu alle wichtigen Funktionen. Die Stimme aus dem Off wird von Lindner gesprochen; er taucht auf der Bildebene in beinahe jedem zweiten Bild auf und auch das Narrativ orientiert sich an ihm und seiner Arbeit als Politiker. Aus diesem sehr hohen Personalisierungsgrad folgt gleich zu Beginn eine enge Nähe zu seiner Erscheinung. Mit intensivem Blick sucht er den Kontakt mit dem Zuschauer. Ein aufmerksamkeitserregendes Moment liegt vor, das sich durch den ganzen Spot zieht und immer wieder aufs Neue intensiven Blickkontakt herstellt. In den Bildsequenzen von Momentaufnahmen seines Alltags, die dazwischen liegen, schaut Lindner nie in die Kamera. Vielmehr lässt er den Zuschauer als unbeteiligten Beobachter direkt an seinem Leben und seiner Arbeit teilhaben. Er arbeitet den ganzen Tag, auch nachts. Er ist oft alleine und gedankenverloren zu sehen. Oft schaut er auch konzentriert auf sein Handy. Es wirkt beinahe so, als könne er ohne sein Smartphone nicht existieren. Er lebt de facto die Digitalisierung, die er sich im Wahlkampf „auf die Fahnen geschrieben hat“. Auch private Erschöpfungsmomente offenbart der Spitzenkandidat dem Zuschauer. So entsteht eine beinahe private Atmosphäre, in der sich der Zuschauer mit ihm identifiziert und fast Mitleid mit ihm hat. Lindner verdeutlicht einmal mehr: Er steht mit seiner ganzen Person und seinem ganzen Körper zu seiner Aufgabe als Politiker und zeigt ständig einen unermüdlichen Einsatz. Selbst an einem idyllischen See kann er nicht abschalten. Aufnahmen auf dem Friseurstuhl machen ihn sehr nahbar. Ergänzend eröffnet er ganz privat seine eigene Gedankenwelt. Er spricht zu dem Zuschauer als handelte es sich bei dem gesprochenen Wort um keinen vorgefertigten und womöglich intensiv erarbeiteten Text, sondern um seine spontanen Gedanken. Daher hört man immer mal wieder ein kurzes „Äh“ von dem Politiker, der normalerweise seine beeindruckenden rhetorischen Fähigkeiten fehlerlos präsentiert.

Mit dieser intensiven Beziehung macht Lindner den Zuschauer zum Teil seiner Aufgabe: Dem Kampf für die eigenen Ideal. Auch Kritiker kommt er entgegen, indem er offen zugibt, dass nicht jeder mit der Politik der FDP einverstanden ist. Damit eröffnet er sich insbesondere ein breites Publikum und bietet sich und seine Politik auch Kritikern an.

Es handelt sich daher definitiv um keinen konventionellen Wahlwerbespot, wie man beispielsweise den der CDU oder SPD bezeichnen könnte. Vielmehr ist dieser Spot nicht nur im Fernsehen, sondern in allen medialen Plattformen effektiv. Für das Fernsehen ist er vor allem beeindruckend und hinterlässt einen „Wow“-Effekt. Viele Details gehen allerdings durch die hohe Dichte und Geschwindigkeit der gezeigten Bilder auch verloren. Mit anderen digitalen Plattformen, insbesondere Social Media, ist der Spot weitaus besser kompatibel. Diese bieten dem Zuschauer vor allem Eines – eine intensive und vor allem beabsichtigte Betrachtung des Wahlwerbespots der FDP.

2.7. Alternative für Deutschland (AfD): AfD-Wahlspot zur Bundestagswahl 2017

Etwa 34 Einstellungen werden im Wahlwerbespot der AfD gezeigt. Er wurde von der Schweizer Agentur Kunkelbakker Creative Consultants entwickelt (vgl. Saal 2017b). Regie führte der Agenturchef Thor Kunkel. Eine elektronische Musik begleitet den Spot im Hintergrund.

2.7.1. Text

Der folgende Text wird im 90-sekündigen TV-Wahlwerbespot aus dem Off gesprochen. Es handelt sich um einen Dialog zwischen den AfD-Spitzenkandidaten  Alice Weidel und Alexander Gauland:

Weidel: „Ich habe mich einiges in meinem Leben getraut. Meinen Job an den Nagel gehängt, um Politik zu machen für die AfD. Ausgerechnet für die. Besorgte Bürger, Patrioten und junge Wilde. Wirklich nicht leicht, hier einen Nenner zu finden. Warum machst du dir überhaupt so viele Gedanken um Deutschland?“

Gauland: „Ich war vierzig Jahre in der CDU. Die illegale Öffnung der Grenzen da war mir klar, hier läuft etwas schief. Wenn wir uns jetzt nicht trauen, zu sagen, das ist unser Land. Wir bestimmen hier. Dann wird Deutschland von der Landkarte verschwinden. Nicht wahr, Frau Weidel?“

Weidel:  „Ich sage lieber, das rechnet sich nicht. Kein Land der Welt kann jährlich hundertausende Zuwanderer alimentieren. Entweder hat Frau Merkel einen Goldesel oder sie veruntreut Deutsches Steuergeld. Eins von beiden.“

Gauland:  „Frau Merkel hat keinen Goldeseln, doch einen Plan. Deshalb hält sie auch Ihre Europaagenda geheim. Ich wette mit Ihnen, dass es nach der Wahl einen Schuldenschnitt Griechenlands gibt zu Lasten der Deutschen Bürger.“

Weidel: „Nicht mit der AfD. Die Deutschen brauchen eine Partei, die endlich wieder Ihre Interessen vertritt. Deutsche Interessen. Nicht rechts, sondern rechtens. Und größer als 15 Prozent.“

Gauland: „Die Mutbürger sind jetzt gefragt. Holen Sie sich am 24. September ihr Land wieder zurück.“

Eine Stimme aus dem Off sagt: „Trau dich, Deutschland. AfD.“

Begleitend zum Text werden folgende Bilder gezeigt.

2.7.2. Bilder

Der Spot wird durch eine Panoramaansicht von Frankfurt am Main bei Sonnenaufgang eröffnet. Der Text „Wir rocken Deutschland“ wird in großen, prägnanten weißen Buchstaben eingeblendet.

Es folgt eine Aufnahme von Alice Weidel, die telefonierend aus einem Auto blickt. Dann wird in schwarz-weiß eine Baustelle gezeigt, in deren Vordergrund Autos im Zeitraffer fahren. Wieder erscheint Alice Weidel auf dem Rücksitz eines Autos und blickt, das Handy am Ohr, nach vorne durch die Frontscheibe. Eine in Schwarz und Weiß gehaltene Aufnahme einer AfD-Veranstaltung wird gezeigt. Im Hintergrund ist eine Bühne zu sehen und davor stehen Menschen, von denen man lediglich die Hinterköpfe sieht. Einer hält ein Schild mit der Aufschrift „Mut zu Deutschland“. Dann sieht man das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf der Hohenzollernbrücke in Köln. Ebenfalls in Schwarz und Weiß. Gefolgt wird dieses Bild von einer angerissenen Deutschlandflagge und einer Hand im Vordergrund, die das Victory-Zeichen macht. Sie ist in Schwarz-Rot-Gold angemalt. In der folgenden Nahaufnahme schaut Weidel lächelnd in die Kamera. Neben ihr steht ein Parkautomat und eine Person außerhalb des Bildes hält einen Regenschirm über die Spitzenkandidatin. Auf dem Parkautomat befindet sich ein „FCK AFD“-Aufkleber. Regentropfen prasseln auf das Kameraobjektiv. Daraufhin ist wieder Weidel zu sehen, die mit schiefem Mundwinkel und einer Hand hinter dem Kopf, als würde sie ihre Haare zurückstreichen, in die Kamera blickt.

Ein Bild von schwarz gekleideten Personen, die Transparente mit der Aufschrift „AfD? Boah nee“ und „Alle Rassisten. Arschköcher. Interventionistisch.“ hoch halten, leitet zu Alexander Gauland über. Die Kamera zoomt aus einer Detailaufnahme seiner Augenpartei heraus. Die Aufnahme ist schwarz-weiß und nur seine Augen sind blau gefärbt. Seine Stimme übernimmt auch im Off. Ein Bild von Flüchtlingsmassen in schwarz und weiß wird gezeigt. Davor wird grafisch bearbeitet eine Art Zaun eingeblendet, der sich zu den Seiten hin öffnet. Dann ist wieder ein Close Up von Gauland zu sehen. Diesmal in Farbe. Er schaut ernst in die Kamera. Dann ist er im Gespräch mit einer Person, die von hinten gezeigt wird. In der nächsten Aufnahme ist eine moderne Malerei vom Sinnbild der drei Affen aus dem buddhistischen Glauben zu sehen („Nichts Böses hören, nichts Böses sehen, nichts Böses sagen“). Schatten wandern waagerecht über das Bild. Auf ein farbiges Bild von Gauland bei einer AfD Veranstaltung folgt eine schwarz-weiße Übertotale von Frauen in Burkas.

Mit einem Bild von Gauland und Weidel, die an den Rahmen eines Aufzuges lehnen, erfolgt der Übergang zu Alice Weidel. Während sie im Off übernimmt, sieht man beide Kandidaten auf einem Dach in der Halbtotalen. Sie sitzt und hat einen Laptop auf ihrem Schoß. Sie schaut in die Ferne, während Gauland neben ihr steht und nach unten auf den Laptop schaut. Es folgt ein schwarz-weißes Bild von einer Menschenmenge, vermutlich Flüchtlinge. Nach einer Nahaufnahme von Weidel im Gespräch mit Gauland ist wieder eine schwarz-weiß Aufnahme von Menschenmassen auf einem Bahnsteig zu sehen. Die Perspektive wechselt auf Gauland. Weidels Kopf ist von hinten unscharf zu sehen. Beim Thema „Schuldenschnitt Griechenland“ wird eine Euromünze gezeigt, die in einem Meer versinkt. Das Bild ist schwarz und weiß. Eine Blende wechselt zu einer Halbnahaufnahme von Alice Weidel, die auf dem Dach des Reichstages steht und nach unten in die Ferne schaut. Dann blickt sie im Rahmen einer mit Zeitlupe bearbeiteten Einstellung langsam auf. Im Hintergrund bewegt sich die deutsche Flagge. Eine weitere Halbnahaufnahme zeigt die Spitzenkandidatin an einem Ampelübergang. Sie schaut direkt in die Kamera und trägt ein blaues Sakko sowie eine weiße Bluse.

Während Gauland wieder im Off übernimmt, ist das Brandenburger Tor in schwarz und weiß zu sehen. Es ist Nacht und das Tor wird von unten angeleuchtet. Flackernd wird die Szenerie farbig. Es folgt eine Halbnahaufnahme der beiden Spitzenkandidaten. Weidel hat die Arme verschränkt und lächelt zur Seite in Richtung Gauland. Dieser lacht ebenfalls, schaut jedoch in die Kamera. Der Hintergrund ist blau mit einer weißen Schrift, die langsam kleiner wird. „Trau dich“ ist ein abgebildeter Schriftzug. In Schwarz-Rot-Gold ist das Word „Deutschland“ zu lesen. Abschließend ist das Logo der Partei auf blauem Hintergrund zu sehen.

2.7.3. Ästhetik

Es werden vor allem Halbnahaufnahmen und Nahaufnahmen der Spitzenkandidaten genutzt. Zwischengeschnittene Bilder beispielsweise von Flüchtlingen sind zumeist in der Totalen oder Halb Totalen. Abgesehen von wenigen Überblendungen prägen harte, flackernde Schnitte den Spot und eine relativ kurze Verweildauer auf den meisten  Sequenzen sorgt für eine entsprechende Schnelligkeit des Spots. Lediglich auf den Spitzenkandidaten verharrt die Kamera einen Moment länger.

Wie im Spot insgesamt werden auch hier keine wahrnehmbaren Videosequenzen, sondern meist starre Aufnahmen verwendet. Auffällig sind an manchen Stellen jedoch leichte, kaum wahrnehmbare Kameraschwenks oder Bewegungen, die stilistisch den Instrumenten der FDP ähneln. Eine starke Slow Motion zeigt sich beispielsweise, wenn Alice Weidel auf dem Reichstag aufblickt. Diese Effekte geben dem Spot eine interessante Dynamik und entschleunigen die dazwischen geschnittenen Bildsequenzen.

2.7.4. Interpretation: Radikal vs. Rechtsliberal

Zuwanderung, Flüchtlinge und Integration gelten als typische Themen der AfD (vgl. Oppelland 2017). Diese werden auch im Wahlwerbespot zentral positioniert. Mit diesen Schwerpunkten hat sich die Partei in den letzten Jahren auf Landes- und Bundesebene etabliert und wirbt im Wahlkampf vor allem mit der Angst vor Überfremdung.

So werden im Spot Bilder von Flüchtlingsmassen oder Frauen in Burkas zu einem kulturellen Angstbild stigmatisiert. Diese rechtspopulistischen Züge werden von einem finanziellen Angstbild ergänzt. So warnt Gauland vor einem Schuldenschnitt Griechenlands sowie davor, dass finanzielle Leistungen, die eigentlich den Deutschen zustünden, an Migranten gezahlt würden. Auch im TV-Spot hält die AfD aufgrund des visuell hinein montierten Zauns daran fest, Grenzen für Flüchtlinge schließen zu wollen. Der finanzielle Aspekt kommt unter anderem in der visuellen Einblendung „Wer soll das bezahlen?“ zum Ausdruck.2 Das Narrativ des Spots baut auf dem Schüren von Existenzängsten auf, die für Wähler von rechtspopulistischen Parteien typisch gelten (vgl. Decker 2004).

Des Weiteren enthält der Spot womöglich die stärksten Tendenzen zum Negative Campaigning (Holtz-Bacha 2000). Bundeskanzlerin Angela Merkel wird für ihre Flüchtlings- und Finanzpolitik direkt angegriffen. Zeitgleich wird davor gewarnt, die Politik der Kanzlerin könne vor allem finanziell den Deutschen weiter schaden („Schuldenschnitt“). Der geneigte Wähler stellt bei diesem Spot jedoch fest: Weitere konkrete Themen fehlen. Stattdessen werden Feindbilder geschaffen, die den „Deutschen“ bzw. den AfD-Wählern gegenübergestellt werden. Eine ähnliche Gegenüberstellung findet auch durch die Darstellung der drei Affen statt. Die „schweigende Masse“ steht denjenigen gegenüber, die sich trauen, ihre Meinung kund zu tun. Das sind eben diejenigen, die den Mut haben, die AfD zu wählen.

Auch ästhetisch werden diese Furchtappelle aufgegriffen. Während die Bilder der Spitzenkandidaten zum Großteil in Farbe gehalten sind, werden die Einschübe von Bedrohungssituationen in schwarz weiß gehalten. Dies hat für diese Sequenzen einen dramatisierenden Effekt. Auch Zeitlupen intensivieren den Eindruck eines Bedrohungspotentials. Ebenso wie schwarze Schatten, die sich des Öfteren über die Bilder legen, vermittelt dies einen düsteren und ängstigenden Eindruck. Auch die Texteinblendungen werden stark in Szene gesetzt. Die großen und prägnanten Buchstaben wirken fast schon aggressiv.

Im Kern versucht der Spot, Vorwürfe zu entkräften, die AfD mache rechte Politik und werde vor allem von „Wutbürgern“ (Machowecz 2016) unterstützt. Statt Wutbürgern ist von subsumierten Typenbezeichnungen wie „Patrioten“, „Jungen Wilden“ oder „Mutbürgern“ die Rede. Begriffe, die dem allgemeinen Verständnis nach zunächst positiver konnotiert sind als der Begriff „Wutbürger“. Auch mit Slogans wie „Nicht rechts, sondern rechtens“ wird versucht, die eigene Politik zu mäßigen und sich dadurch wählbar zu machen. Dies zeigt insbesondere der Wahlkampfspruch „Deutschland, trau dich“ und impliziert eine direkte Wahlaufforderung.

Die Spitzenkandidaten sind beide verankert. Sowohl ihre Stimmen aus dem Off sprechen im Dialog zueinander; auch auf bildlicher Ebene treten sie fast in jedem zweiten Bild in Erscheinung. Alice Weidel und Alexander Gauland stehen stellvertretend für die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Partei, die in jüngster Zeit durch interne Streitigkeiten geprägt waren (Schneider 2016). Alexander Gauland tritt im Dialog mit Alice Weidel als radikaler Flügel auf und bedient damit Wähler am rechten Rand der Partei („Wenn wir uns jetzt nicht trauen zu sagen, das ist unser Land, wir bestimmen hier, dann wird Deutschland von der Landkarte verschwinden“). Alice Weidel hingegen nimmt die Perspektive des rechtsliberalen Parteiflügels ein und stellt sich gemäßigter auf („Ich sage lieber, das rechnet sich nicht“). Die Monologe der Spitzenkandidaten erscheinen hingegen weniger auf Inhalte fokussiert. Sie erinnern an Tagebucheinträge, in denen man sich für seine Motivation und Absicht rechtfertigen muss, aber drücken zugleich Verantwortungsbewusstsein und Tatendrang aus. Dialoge und Monologe wirken sehr künstlich und inszeniert. Weidels Tonfall ist zudem aggressiv.

Auch manche Aufnahme, wie die von Alice Weidel im Regen, besitzt zunächst keine tiefere Bedeutung. Auf dem Parkautomaten neben ihr klebt jedoch der „FCK AfD“-Aufkleber, der den Protest gegen die AfD zum Ausdruck bringt. Diesen scheint Weidel in dieser Einstellung jedoch selbstbewusst wegzulächeln. Eine derartige Darstellung  von Protesten der eigenen Partei in einem Wahlwerbespot  ist höchst ungewöhnlich. Eine Erklärung für diese Strategie könnte darin liegen, dass der im Spot skizziere Protest den Mut der AFD-Spitzenkandidatin, sich für die sehr umstrittene Partei zu engagieren, noch einmal besonders deutlich macht. Schließlich ist es nicht einfach, eine Partei in einer führenden Rolle zu vertreten, die eine derart große Ablehnung im öffentlichen Raum erlebt. Wer dies wie Weibel tut, zeigt – so die Botschaft – einen besonderen Einsatz für Deutschland. Viele Bildsequenzen erscheinen darüber hinaus  beinahe wahllos zusammengeschnitten und die Bildkomposition selbst ist nicht immer stimmig. Gerade der Zusammenhang unterschiedlicher Bilder wird nicht immer deutlich.

3. Wahlkampf 2017: Ohne Personalisierung geht es nicht

Beim Blick auf die ausgewählten Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 2017 fällt auf, dass von den Parteien ganz unterschiedliche inhaltliche und ästhetische Strategien gewählt worden sind, um die Wähler anzusprechen. Bei allen Parteien tauchen hingegen die Spitzenkandidaten als einendes Element auf. Insofern stellt hier parteiübergreifend die Personalisierung ein wichtiges Element der Wahlkampfstrategie dar. Sicherlich ist der Grad der Personalisierung bei der FDP am größten. Bei der CDU, CSU, SPD, Linken, FDP und AfD sprechen Merkel, Seehofer, Schulz, Wagenknecht und Bartsch, Lindner sowie Weidel und Gauland den Text beispielsweise komplett selbst ein. Lediglich im Spot von Bündnis 90/Die Grünen treten Göring-Eckhart und Özdemir nur optisch und nicht verbal in Erscheinung.

So wird im CDU-Spot beispielsweise mit dem Bad in der Menschenmenge von Angela Merkel ihr prominenter Status als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland bekräftigt. Trotz größter Sicherheitsmaßnahmen zeigen diese und andere Szenen immer wieder auch körperliche Kontaktaufnahme zwischen der Kanzlerin und den Bürgern. Die zentrale Botschaft dieser Sequenzen lautet: Eine Kanzlerin zum Anfassen.

Der Kern des Spots insgesamt lautet hingegen: Es gibt eine positive Zukunft von Kindern und Familien, in der „Mutti“ Merkel die Verantwortung für ein lebenswertes Deutschland übernehmen möchte. Politische Aussagen werden allerdings kaum thematisiert, wohingegen positive Begriffe, Bilder und Emotionen hervorgehoben werden. Der Spot zeigt die CDU als Partei des Respekts, der Solidarität, der Unterstützung, des gemeinsamen Kampfes gegen Hass und Neid sowie für Freiheit, Sicherheit und Zusammenhalt. Verbal angerissene Themenfelder wie Bildung, Arbeit, Familie, Wirtschaft und Europa liegen den Menschen besonders am Herzen und liefern ein entsprechend hohes Identifikationspotential.

Der CSU-Spot hingegen setzt einen noch stärkeren Fokus auf ihren Spitzenkandidaten. Beinahe der im gesamten Spot ist Horst Seehofer zu sehen. Zahlreiche Kameraeinstellungen verleihen dem CSU-Werbefilm eine Dynamik, obwohl auf zusätzliche Einspielelemente verzichtet wurde. Obwohl der bayrische Ministerpräsident nur einen Monolog anbietet, wird durch die Bilder des Publikums, die sich z.T. durch Wortbeiträge beteiligen, die partizipative und diskursive Intention des Bürgerdialogs deutlich, auch wenn die Argumente und Fragen der Teilnehmer inhaltlich nicht in den Spot einfließen. Seehofer wird als Person in Szene gesetzt, die den Menschen zuhört und ihre Ängste und Sorgen ernst nimmt. Gleichwohl obliegt im Spot ausschließlich dem bayrischen Ministerpräsidenten die Autorität, Themen und Inhalte auf die Agenda zu setzen. Formen des Protests wie im Spot der AfD tauchen bei der CSU ebenso wenig auf, wie in denen der anderen untersuchten Parteien.

Seehofer vermittelt durch seine Ansprache positive Signale und stellt die Obergrenze für Flüchtlinge, auch wenn dieser Begriff im Spot selber nicht auftaucht, mit in den Fokus seiner Ausführungen. Darüber hinaus verweist er einerseits auf die Gestaltungsfreiheit von Lebensoptionen jedes einzelnen mündigen und gut informierten Bürgers. Freiheit und Toleranz werden somit als normative Maximen der CSU-Politik hervorgehoben, sodass eine Nähe zur Schwesterpartei CDU geschaffen wird, die in ihrem Spot ähnliche Ziele aufruft. Gleichwohl schreitet der starke bayrische Staat dann konsequent ein, wenn die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet ist. Somit wird die Botschaft vermittelt, dass jeder sein Leben in einem wirtschaftlich starken Bayern individuell so gestalten kann, wie er es möchte. Insgesamt stellt sich die CSU als bürgernahe und im Interesse der Bevölkerung handelnde Partei dar.

Im Gegensatz zum CDU- bzw. CSU-Spot taucht Merkel-Herausforderer Martin Schulz erst am Ende des Spots visuell in Erscheinung. Er wird nicht wie Merkel und Seehofer mit Leibwächtern gezeigt, sondern läuft alleine ins Bild und in einer späteren Einstellung auf die Zuschauer zu. Zwar verzichtet der SPD-Kanzlerkandidat im Spot auf  die unmittelbare Interaktion  mit Bürgern. Er verzichtet aber auch in der Darstellung auf Statussymbole wie Dienstwagen und Leibwächter. Insofern wird hier keine abgehobene Distanz zur Bevölkerung aufgebaut, sondern Bodenständigkeit demonstriert.

Die gezeigten Bilder, die fröhliche Musik mit lachenden Kindern sowie die mahnenden Worten des SPD-Kanzlerkandidaten passen allerdings nicht zusammen. Das positive Lebensgefühl, das nicht nur in dem erwähnten ALDI-Werbespot sondern auch in zahlreichen weiteren kommerziellen Produktwerbespots vermittelt wird, zeigt eine heile Welt voller Unbeschwertheit und Glück. Ähnlich wird das typische Leben der Menschen in Deutschland auch im CDU-Spot dargestellt. Warum sollte daher in Deutschland ein Regierungswechsel überhaupt erforderlich sein? Keine einzige negative Bildbotschaft, die auf ungerechte Lebensverhältnisse oder Krisensymptome in Deutschland hindeuten könnten, wird im SPD-Spot gezeigt. Dennoch konzentriert sich Schulz auf das Kernthema Gerechtigkeit. Die gezeigten Bilder werden dadurch in ihrer Bedeutung entkräftet. Dass ausschließlich eine gerechte Gesellschaft eine Zukunft hat, wie es Schulz ausdrückt, lässt sich nicht bestreiten. Als Herausforderer, der den Anspruch erhebt, die Bundeskanzlerin in ihrem Amt abzulösen, ist von ihm auch im Rahmen eines Wahlwerbespots zumindest schlagwortartig  zu erwarten,  dass er konkrete politische Mittel benennt und kommuniziert.

Im Wahlwerbespot der Liberalen hingegen steht ausschließlich Christian Lindner im Mittelpunkt des Geschehens. Der Personalisierungsgrad ist dementsprechend hoch. Er ist häufig alleine unterwegs und verzichtet zumindest augenscheinlich auf die Sicherung durch Bodyguards. Im FDP-Spot wird das Bild eines umtriebigen, ständig aktiv agierenden Parteichefs  gezeigt, der bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit arbeitet und dies durch körperliche Signale seiner Erschöpfung zum Ausdruck bringt. Der Wechsel des fast immer in Bewegung agierenden Lindners mit ruhigeren Momenten z.B. am See kann aufgrund der hektischen Bilderflut bei einer oberflächlichen Rezeption des Spots kaum wahrgenommen werden. Auch zahlreiche zusätzliche Kurzeinblendungen, u.a. vom Helm über eine Büste bis hin zum Stahlkocher, sind kaum wahrnehmbar. Ebenso wenig werden die visuell eingefügten Worte wahrgenommen. Diese Bedeutungszusammenhängeerschließen sich beim ersten Betrachten des Wahlwerbespots nicht.

Die „One Man Show“, die die FDP bereits in ihrer Wahlkampagne etabliert hat, setzt sich in diesem Spot fort. Das politische Spitzenpersonal, das innerhalb der Partei die zweite Reihe besetzt, bleibt – ausgenommen Katja Suding und Marie-Agnes Strack-Zimmermann- außen vor. Teamfähigkeit sieht anders aus. Stattdessen setzen die Liberalen mit Lindner auf eine prominente Führungspersönlichkeit und verfolgen damit eine ähnliche Strategie wie Merkel, Seehofer und Schulz. AfD, Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen setzen sich mit ihren Doppelspitzen als Team-Player in Szene. Inhaltlich bleiben die Aussagen von Lindner wie auch die von Merkel und Schulz recht unspezifisch. Auch der FDP-Vorsitzende richtet wie Merkel und Schulz einige Fragen an den Zuschauer. Konkrete Pläne oder Arbeitsschritte bleiben jedoch aus

Im Gegensatz dazu verzichten die Linken in ihrem Werbefilm eine Minute lang auf die unmittelbare verbale Ansprache. Stattdessen werden Slogans, die bereits auf den Wahlplakaten der Partei im Bundestagswahlkampf 2017 eingesetzt worden sind, mit entsprechend passenden Spielszenen visuell in Verbindung gebracht. Dadurch werden auch konkrete politische Forderungen dargestellt. Das von Wagenknecht angekündigte Versprechen, das zu machen, was versprochen wird, setzt auf Glaubwürdigkeit und soll Vertrauen schaffen. Der Verweis auf „Politik mit Rückgrat“ rekurriert auf Prinzipientreue. Im übertragenden Sinn lässt sich die Linke nicht verbiegen. Widerstand gegen Banken, Konzerne und die Autoindustrie wird angekündigt. Es wird aber nicht gesagt, dass der gewünschte politische Neubeginn auch eine Regierungsbeteiligung der Linken bedeuten soll. Bartsch bleibt nur noch die Aufgabe, einen Wahlaufruf für die Linke an die Bürger aller Himmelsrichtungen zu richten. Ein inhaltliches Statement formuliert er nicht. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Linken sich auf eine weitere Opposition in den kommenden vier Jahren eingestellt haben. Sie stellen eine Reihe von plakativen Forderungen, machen aber keine Angaben, wie diese konkret umgesetzt und finanziert werden sollen.

Im Spot der AfD übernehmen die beiden Spitzenkandidaten die Ansprache. Weidel und Gauland werden in zahlreichen Einstellungen gemeinsam auf Bildern gezeigt. Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass beide als Spitzenkandidaten ihrer Partei eng zusammen arbeiten. Der für den Spot inszenierte Dialog zwischen den beiden AFD-Politikern erweckt den Anschein, dass beide unterschiedliche Argumente haben, die dafür sprechen, weniger Geflüchtete nach Deutschland aufzunehmen. Zahlreiche  vor allem schwarz-weiß gehaltene Schlüsselbilder sind mit bedrohlichen Assoziationen verbunden. Bildmontagen wie die im Meer untergehende Euromünze unterstützen zusätzlich dieses Katastrophenszenario. Angst ist ein typisches Leitmotiv der AfD und findet in der gesamten Wahlkampagne Verwendung. Die AfD inszeniert sich hingegen als Partei der Mutigen, die dieser Sorge vor Überfremdung konsequent entgegentritt. Im Spot wird der Zuschauer ermutigt, sich den Reihen der AfD anzuschließen und ebenfalls Mut zu beweisen, so wie es auch die Spitzenkandidaten mit ihrem Engagement gemacht haben. Mut als Tugend sei gefragt. Das Motiv der eingeblendeten Deutschlandfahne setzt prägnant auf die Darstellung des zentralen nationalen Symbols. Bündnis 90/Die Grünen, die Linken und die FDP verzichten komplett auf den Einsatz dieses oder anderer patriotischer Zeichen. Die CSU hingegen arbeitet mit dezidiert bayrischen Symbolen. Bei der CDU hingegen sind die Deutschlandfarben zwar nicht als Fahne, aber künstlerisch gestaltete Farbkombination in den letzten beiden Einstellungen des Werbefilms zu sehen. Patriotische Leitmotive spielen also durchaus eine Rolle.

Insgesamt setzt der Spot der AfD auf eine Doppelspitze mit ganz unterschiedlichen Politikertypen. Wie bei den Linken und Bündnis 90/Die Grünen sind auch hier beide Geschlechter vertreten. Weidel steht für eine junge und moderne Ökonomin, die mit Handy und Laptop zum Teil ähnlich wie Lindner in Szene gesetzt wird. Gerade die Szenen, die in starker Zeitlupe dargestellt werden, erinnern stark an Techniken aus dem FDP-Spot. Gauland hingegen vertritt den konservativen Flügel ehemaliger CDU-Anhänger, die mit der Politik der Union unzufrieden sind und eine härtere Flüchtlingspolitik einfordern. Damit stellt die AfD sich breit auf und versucht, möglichst dem gesamten Spektrum von AfD-Wählern gerecht zu werden. Sie inszeniert sich als eine Partei, die sich trotz erheblicher Proteste gegen sie, mutig für die Interessen der Deutschen nach Recht und Gesetz einsetzt. Dabei betreibt sie im Gegensatz zu den anderen Parteien ein dezidiertes Negative Campaigning mit persönlichen und politischen Angriffen gegen die Bundeskanzlerin. Die anderen Parteien halten sich diesbezüglich zurück. Der politische Gegner wird nicht verunglimpft, was ja auch aufgrund der Perspektive für eine mögliche Koalition kontraproduktiv wäre.

Die zeitlich beschleunigten Industrieaufnahmen von Arbeitsprozessen hätten auch gut in den CDU-Spot gepasst. Im Gegensatz zu dem CDU- und SPD-Spot setzen die Grünen aber nicht nur auf positiv anmutende Bilder, die Wohlstand und Lebensfreue verheißen. Als Oppositionspartei vermitteln sie auch eine durch eine rote Sirene eingeleitete visuelle Defizitbeschreibung. Dennoch bleibt der Spot nicht ausschließlich bei negativen Beispielen, sondern erzeugt durch anschließende positive Bilder eine Aufbruchsstimmung. Die Forderung, mutig zu sein, anzupacken und die  Ärmel hochzukrempeln und dabei die beiden Spitzenkandidaten zu zeigen, ist zunächst recht plakativ und wenig konkret. Interessanterweise taucht die Kategorie des Mutes sowohl bei der AfD als auch bei den Grünen auf. Während der Mut bei der AfD primär durch den  Kampf gegen den Widerstand politischer Gegner dieser rechtspopulistischen Partei begründet wird, richtet sich der Mut der Grünen eher auf den tatkräftigen Einsatz bei der Durchsetzung von Umweltzielen und  dem Kampf gegen Diskriminierung. Zumindest werden im Spot der Öko-Partei einige typische Umweltziele für die zukünftige Arbeit gezeigt. Darüber hinaus stellt sich die Partei thematisch breit auf: Integration und Außenpolitik spielen ebenso eine Rolle wie Europa. Wie im CDU-Spot wird auch bei den Grünen eine Europafahne gezeigt.

Die gespielte Heiterkeit, wenn die Spitzenkandidaten der Grünen andere Menschen umarmen oder abklatschen, wirkt stark übertrieben. Hier werden fröhliche Menschen in einer ähnlichen Form wie im CDU- und SPD-Spot inszeniert. Merkel und Schulz beteiligen sich in ihren Spots hingegen nicht an derartigen Formen der Bürgernähe, sondern wahren staatsmännische Distanz. Auch Seehofer wahrt die Abstand zum Bürger. Eine derartige Euphorie und Offenheit gegenüber körperlichen Berührungen lassen sie alle vermissen.  Durch diese Nähe der Bürger, hält der Grünen-Spot jedoch konsequent an innerparteilichen Formen der Bürger- bzw. Mitgliederbeteiligung fest und gewinnt damit an Authentizität.

Die Spots von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zeichnen sich insgesamt durch zahleiche Schnitte und viele verbale und visuelle Informationen aus, die bei der ersten Rezeption nicht angemessen verstanden und verarbeitet werden können. Die anderen Spots sind deutlich ruhiger gehalten. Bei der CSU hat die verbale Botschaft gute Chancen, beim Publikum anzukommen, da die Bildsprache zwar auch dynamisch ist, aber nicht zu sehr von den Inhalten der Botschaft Seehofers ablenkt. Die Linke richtet in den ersten 60 Sekunden des Spots überhaupt keine Wortbotschaft an die Rezipienten. Wagenknecht und Bartsch sprechen erst im dritten Teil des Werbefilm die Bürger direkt an. Text- und Bild laufen parallel und dadurch hat der Zuschauer gute Chancen, die Kernaussagen der politischen Botschaft bereits bei der ersten Sichtung des Films zu verstehen und einordnen zu können. Der AfD-Spot hingegen verfolgt mit dem Schüren von Angst eine für sie typische Strategie, die gerade zu altbewährten AfD-Wählern Zugang finden wird. Auch die Integration beider parteilicher Strömungen erhöht das Identifikationspotential enorm. Kritisch zu betrachten ist bei allen Spots das Ausbleiben von wirklich konkreten Inhalten..

Insgesamt ist bei allen untersuchten Werbespots eine starke Fokussierung auf die jeweiligen Spitzenkandidaten der Parteien zu beobachten. Die Vertreter der Regierungsparteien vermitteln in ihren Werbefilmen insgesamt ein positives Bild vom Leben der Menschen in Deutschland. Die Oppositionsparteien hingegen zeigen Defizite auf. Während die Grünen die Umweltpolitik ins Zentrum stellen, richtet sich der Fokus der AfD auf die Flüchtlingspolitik. Die Linken fordern wie Schulz mehr Gerechtigkeit, wobei sie im Gegensatz zum SPD-Kanzlerkandidaten auch konkretere Politikfelder benennen. Etwas konfus und besonders hektisch wirkt der FDP-Spot, der zahlreiche Politikfelder anreizt. Ein politisches Konzept mit konkret geplanten Arbeitsschritten ist auch bei den Liberalen nicht zu erkennen.

Es bleibt festzuhalten, dass alle Spots aufwendig und professionell gestaltet sind. Sie schaffen es durch die gewählte Form vermutlich, die gewünschte Aufmerksamkeit der Bürger zu erreichen. Alle Werbefilme sind ästhetisch ansprechend und setzen zahlreiche Impulse, die Interesse erzeugen können. Gleichwohl werden mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben. Wer sich über die alternativen politischen Konzepte, Inhalte und Pläne der Parteien informieren möchte, sollte auch die Wahl- und Parteiprogramme der Parteien studieren. Die Rezeption der Spots reicht hier bei weitem nicht aus. Bunte Bilder, schnelle Schnitte und Schlagworte im Spot-Format können ein tiefer gehendes Verständnis über politische Zusammenhänge nicht liefern.

4. Literatur

Berger, Nicola (2008): Was sagt Clementine zur lila Kuh? Fernsehwerbung analysieren und interpretieren. Duisburg. Universitätsverlag Rhein-Ruhr.

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SPD-Antwort auf den CDU-Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2005: Vertrauen in Deutschland: https://www.youtube.com/watch?v=9132vYx26OA.

SPD-Wahlwerbespot zur Bundestagswahl 2017: Es ist Zeit.   https://www.youtube.com/watch?v=fXN-qwQipJs.

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Thoms, Volker (2016): Bundestagswahl 2017: Grüne, Linke und FDP setzen auf inhaltlich starke Agenturpartner, PR-Journal, Online verfügbar unter: http://pr-journal.de/nachrichten/branche/18020-bundestagswahl-2017-gruene-linke-und-fdp-setzen-auf-inhaltlich-starke-agenturpartner.html.

Zitationshinweis:

Schicha, Christian / Skroblies, Miriam (2017): Politik im Spot-Format – Rekonstruktion und Analyse von Wahlwerbespots ausgewählter Parteien zur Bundestagswahl 2017, Forschungspapier, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Online verfügbar: https://regierungsforschung.de/politik-im-spot-format-rekonstruktion-und-analyse-von-wahlwerbespots-ausgewaehlter-parteien-zur-bundestagswahl-2017/

  1. Da es die Lesbarkeit des Beitrages verbessert, werden ausschließlich männliche Varianten von Substantiven verwendet. []
  2. Die visuelle Einblendung:  „Wer soll das bezahlen?“ erinnert an den gleichnamigen Gassenhauer des Sängers Jupp Schmitz. Der Refrain des Karnevalliedes von 1949, bei dem es u.a. um einen Zechpreller geht,  lautet: „Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke, Pinke? Wer hat so viel Geld?“ Er bezieht sich damit auf die von der Währungsreform ausgelästen Preissteigerungen im selben Jahr. Im Zusammenhang mit dem TV-Spot der AfD wird hiermit die wiederkehrende Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euroraum zum Ausdruck gebracht []

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