Vertrauensgut lokale Medien? Strukturen und Charakteristika lokaler medialer Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen

Der Ton in der Debatte über Medien ist rauer geworden. Journalisten und mit ihnen Medien mussten sich schon immer erklären und rechtfertigen – das ist wichtig und notwendig in demokratischen Gesellschaften. Doch die Tonalität hat sich geändert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen sich heute klarer positionieren: Sowohl der Anteil derjenigen, der den Medien vertraut, ist heute höher als vor knapp zehn Jahren, als auch der Anteil derjenigen, der ihnen nicht vertraut. Die Unentschlossenen hingegen sind weniger geworden.

Offen ist, inwieweit sich diese Entwicklung auch auf den lokalen Medienmarkt übertragen lässt – vertrauen Menschen den lokalen Medien stärker oder weniger als anderen Medien? Um eine Antwort auf diese Frage zumindest zu skizzieren, stellt Prof. Dr. Wiebke Möhring im Folgenden die Besonderheit des lokalen Journalismus, seiner Relevanz, Strukturen und Charakteristika mit Fokus auf das Ruhrgebiet bzw. Nordrhein-Westfalen vor.

Vertrauensgut lokale Medien?

Strukturen und Charakteristika lokaler medialer Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen

Autor

Prof. Dr. Wiebke Möhring ist Professorin für Online- und Printjournalismus an der Technischen Universität Dortmund am Institut für Journalistik. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Journalismusforschung und Prozesse und Inhalte öffentlicher Kommunikation mit einem besonderen Fokus auf lokale Kommunikation sowie Methoden der empirischen Sozialforschung.

Der Ton in der Debatte über Medien ist rauer geworden. Journalisten und mit ihnen Medien mussten sich schon immer erklären und rechtfertigen – das ist wichtig und notwendig in demokratischen Gesellschaften. Doch die Tonalität hat sich geändert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen sich heute klarer positionieren: Sowohl der Anteil derjenigen, der den Medien vertraut, ist heute höher als vor knapp zehn Jahren, als auch der Anteil derjenigen, der ihnen nicht vertraut. Die Unentschlossenen hingegen sind weniger geworden (Jackob et al. 2017). Offen ist, inwieweit sich diese Entwicklung auch auf den lokalen Medienmarkt übertragen lässt – vertrauen Menschen den lokalen Medien stärker oder weniger als anderen Medien? Um eine Antwort auf diese Frage zumindest zu skizzieren, sollen im Folgenden die Besonderheit des lokalen Journalismus, seiner Relevanz, Strukturen und Charakteristika vorgestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Ruhrgebiet bzw. auf Nordrhein-Westfalen.

Der eigene Wohnort und das eigene lokale Lebensumfeld war schon immer ein zentraler Gegenstand in der Kommunikation von Menschen: Zu wissen, was sich im eigenen Umfeld abspielt, ist ein tiefverwurzeltes Bedürfnis. Dieses Bedürfnis führt dazu, dass sich Menschen sowohl über das Geschehen vor Ort unterhalten als auch sich lokalen Medien zuwenden. Lokale Medien erfüllen damit eine ganze Reihe von zentralen Zuwendungsmotiven, sie erfüllen ein Informationsbedürfnis, ein Bedürfnis nach personaler Identität, nach Integration und sozialer Interaktion sowie ein Unterhaltungsbedürfnis. Übergeordnet erfüllen lokale Medien insbesondere eine relevante Orientierungsfunktion innerhalb des eigenen Lebensraums (Möhring 2001, S. 21). Soziale Orientierung ist somit eine zentrale Funktion von und Nutzungsmotiv für lokale Medien. Als Aufgaben für lokale Medien lassen sich daraus ableiten: Zusammenhänge der Region erklären, Missstände aufdecken, Sprachrohr der Bevölkerung sein, positive Merkmale der Region herauszustellen, alle Interessensgruppen zu Wort kommen lassen sowie über bekannte Orte berichten, ergänzt um eine Moderationsfunktion innerhalb verschiedener Gruppierungen des lokalen Raums (Bucher et al., 2012).

Im lokalen Kommunikationsraum kann am besten das menschliche Bedürfnis befriedigt werden, gesellschaftliche Komplexität zu reduzieren. Menschen suchen nach Orientierung und unmittelbaren Berührungspunkten und gerade diese sind innerhalb eines lokalen Kommunikationsraums einfacher zu finden. Informationen und Hintergründe über diesen Raum helfen, sich zurecht zu finden, Pläne zu machen und Erklärungen zu finden. Sie suchen nicht nach Informationen, wenn sie diese nicht mit etwas von sich in Beziehung setzen können. Kommunikation braucht solche Bezüge. Menschen benötigen zur Kommunikation einen gemeinsamen Bezugspunkt und der lokale Lebensraum stellt eine solche Bezugsgröße dar: Das Interesse der Menschen für ihren Wohnort und die Bindung an den Wohnort sind zentrale Größen der lokalen Mediennutzung – unabhängig von Alter und Geschlecht und interessanterweise auch unabhängig von der Ortsgröße (Süper 2013).

Die medialen Strukturen innerhalb eines lokalen Kommunikationsraums sind bis heute in erster Linie durch traditionelle Medienunternehmen geprägt (Möhring 2015). In der lokalen Nachrichtenversorgung dominant sind insbesondere lokale Tageszeitungen (gedruckt und/oder online), sie sind bis heute wichtigste Informationsquelle (Acker 2012, S. 31), unabhängig davon, ob die Nutzerinnen und Nutzer online aktiv sind oder nicht (van Eimeren & Frees 2013, S. 366). Daneben haben sich abhängig von den jeweiligen Landesrundfunkgesetzen auch kommerzielle und nicht-kommerzielle lokale Radios etabliert, die vor allem durch lokale Informationsservices und Kurznachrichten zur Orientierung beitragen. Lokale Fernsehsender sind deutlich weniger etabliert. Neben den traditionellen Medienunternehmen sind in jüngerer Zeit eine ganze Reihe von neuen lokalen Informationsanbietern und -angeboten hinzugekommen. Durch vergleichsweise geringe Marktzutrittsbarrieren entstehen insbesondere im Internet Angebote, die der bisherigen Lokalberichterstattung Konkurrenz machen. Nicht alle dieser Angebote bieten originär journalistisch aufbereitete Informationen an. Aus publizistischer Sicht stellen sie aber dennoch eine Vielfaltserweiterung dar, da sie das Informationsmonopol vielerorts aufbrechen und für die vor Ort lebenden Menschen neue Möglichkeiten der partizipativen Kommunikation bieten (Möhring & Keldenich 2017). Es haben sich – auch im Ruhrgebiet – neue lokale Kommunikationsformen herausgebildet, die teilweise von Privatpersonen als leidenschaftliches Hobby betrieben werden (z. B. bo-alternativ.de, dortmundblogger.de; schermbeck-online.de), teilweise aber auch mit redaktionellen verlagsunabhängigen Strukturen (z. B. ruhrkanalnews.de, guten-tach.de, report-k.de). Ein besonderer Stellenwert kommt den sich entwickelnden lokalen und hyperlokalen Blogs zu sowie unabhängigen Nachrichtenangeboten, die sich in ihrer Erscheinungsform teilweise über einen Blog hinaus zu einem eigenständigen Informationsangebot entwickelt haben (z. B. pottblog.de, ruhrblogger.de; ruhrbarone.de; nordstadtblogger.de). Die Gründungsmotive sind dabei vielfältig – vom reinen Spaß am Schreiben über die lokale Verbundenheit bis hin zu dem Ziel, eine andere Sicht auf Ereignisse und eine publizistische Erweiterung der Berichterstattung anzustreben.

Wenn man die Marktstrukturen lokaler Medien in Nordrhein-Westfalen1 in den Blick nimmt, dann werden die Probleme deutlich, mit denen der lokale Medienmarkt insgesamt zu kämpfen hat. Auch die lokalen und regionalen nordrhein-westfälischen Tageszeitungen sind von deutlichen Auflagenverlusten betroffen. Die Gesamtauflage der 38 in NRW erscheinenden Zeitungstitel ist von 3,3 Mio. im Jahr 2012 auf 2,7 Mio. im Jahr 2014 gesunken (Röper 2016, S. 9). Nicht nur der Auflagenverlust hat sich in den vergangenen Jahren beschleunigt, auch die Pressekonzentration in NRW ist deutlich gestiegen. Während Nordrhein-Westfalen lange Zeit im deutschlandweiten Trend eine eher positive Ausnahme war, hat sich insbesondere in den Jahren seit 2012 der Rückgang publizistischer Vielfalt auf dem Zeitungsmarkt erhöht. Lokale Informationen werden in vielen Gebieten des Landes nur über Monopolzeitungen verbreitet, was bedeutet, dass sie innerhalb ihres Verbreitungsgebietes alternativlos sind. Auch wenn die Zeitungsdichte in NRW auf den ersten Blick im bundesweiten Vergleich noch recht hoch erscheint (vgl. Schütz 2012, S. 587), herrschen vielerorts Monopolstellungen. Röper berechnet diese sogenannte Zeitungsdichte auf der Ebene von Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und weist nach, dass mehr als 8 Mio. Einwohnern im Jahr 2015 nur noch eine Zeitung mit lokalen Inhalten zur Verfügung stehen (Röper 2016, S. 28). Marktbeherrschend im Ruhrgebiet sind vor allem die Titel der Funke-Gruppe (WAZ und NRZ) sowie des Medienhauses Lensing-Wolff (Ruhr Nachrichten). Ergänzt wird der lokale Markt in Nordrhein-Westfalen zum einen durch Anzeigenblätter (häufig im Besitz bzw. unter Beteiligung der Zeitungsverlage) sowie mancherorts zusätzlich durch wöchentlich, monatlich oder quartalsweise erscheinende lokale Zeitschriften. Zum anderen kommt dem lokalen Radio in Nordrhein-Westfalen, radio NRW, eine große Beliebtheit zu. Der lokale private Rundfunk ist, und das ist im Vergleich mit anderen Organisationsmodellen eine Besonderheit, als sogenanntes Zwei-Säulen-Modell organisiert. Durch die Aufteilung des Senders in eine Veranstaltergemeinschaft in Vereinsform (verantwortlich für den Inhalt) und eine Betriebsgesellschaft (verantwortlich für die Finanzierung) soll eine Unabhängigkeit zwischen publizistischen und wirtschaftlichen Interessen ermöglicht werden (LfM, 2017). An der Betriebsgesellschaft sind in der Regel lokale Zeitungsverlage (zu 75 %) und Kommunen (zu 25 %) beteiligt. 44 private Lokalsender wie z B. Radio Essen oder Radio Emscher-Lippe, sind in der radio NRW GmbH organisiert und senden jeweils unterschiedlich lange lokale Fenster innerhalb eines gemeinsamen Mantelprogramms. Zudem ist vorgesehen, dass täglich eine Stunde Programmzeit für den Bürgerfunk reserviert ist. Lokalfernsehen ist in Nordrhein-Westfalen aus publizistischer Sicht keine nennenswerte Vielfaltserweiterung, lediglich vier kommerzielle lokale Sender sind 2015 noch aktiv (Röper 2016, S. 62).

Seit einigen Jahren haben sich auch in Nordrhein-Westfalen lokale Online-Angebote etablieren können, die eine publizistische Ergänzung darstellen. Der jüngste Konzentrationsbericht für Nordrhein-Westfalen hat daher gerade auf diese ein besonderes Augenmerk geworfen und gezeigt, dass der Markt geprägt ist sowohl von großer Aktivität als auch Fluktuation. Röper weist darin für das Jahr 2015 93 lokaljournalistische Angebote nach. Das inhaltliche Spektrum ist wie an den schon angeführten Beispielen zu sehen groß – der journalistische und insbesondere tagesaktuelle Aufwand, der jeweils betrieben wird, differiert sehr stark, einige Angebote spezialisieren sich auch auf einzelne lokale Themengebiete wie Sport oder Politik (Röper 2016, S. 67-86). Zudem ist die Finanzierung vieler Angebote nicht gesichert bzw. sind die etwa durch Werbung oder Spenden generierten Einnahmen noch nicht kostendeckend. Bislang lassen sich noch keine systematischen Belege dafür finden, dass die Internetangebote flächendeckend einen inhaltlichen Mehrwert gegenüber dem Offlineprodukt bieten. Eine inhaltsanalytische Untersuchung dreier Lokalräume in Nordrhein-Westfalen (Volpers et al. 2013) kann bezüglich der Berichterstattung im Internet keine inhaltliche oder diskursive Erweiterung gegenüber den Veröffentlichungen in den Traditionsmedien feststellen. Allerdings werden die offline behandelten Themen online aufgegriffen und der Medienform entsprechend neu aufbereitet und zum Beispiel um weitere Bilder ergänzt (Volpers et al. 2013, S. 220).

In der Mediennutzung spielt traditionell die Zuwendung zu lokalen Inhalten eine zentrale Rolle. Dies gilt trotz der Auflagen und damit auch Reichweitenverluste lokaler Tageszeitungen immer noch. Fragt man die Menschen ganz allgemein, für welche Themenbereiche sie sich generell interessieren, sieht man über Jahre hinweg immer ein ähnliches Bild: 46 Prozent interessieren sich besonders stark für lokale Ereignisse, weitere 40 Prozent mäßig und nur 14 Prozent kaum oder gar nicht (IfD Allensbach 2015). Es gibt nur einen Themenbereich, der höher liegt – und das ist über die gesamte Bevölkerung hinweg das Thema Urlaub und Reisen. Andere Themen wie z. B. Sport oder Politik liegen weit dahinter. Nur 30 Prozent interessieren sich besonders für Sport – und für Politik interessieren sich sogar nur 21 Prozent besonders.

Doch was wollen die Menschen in der Zeitung lesen, wenn sie sagen, sie interessieren sich für das Lokale? Anders als klassische thematische Ressorts ist das Lokale traditionell ein sogenanntes Querschnittsressort. Auswahlkriterium für Beiträge und Nachrichten ist nicht in erster Linie eine thematische Zugehörigkeit, sondern die Frage, ob das Ereignis entweder innerhalb des lokalen Verbreitungsgebiets lag oder ob ein Ereignis Konsequenzen für das gesellschaftliche Leben innerhalb des Verbreitungsgebietes hat. Ein guter Lokalteil berichtet über ein breites Themenspektrum. Innerhalb des Lokalteils interessieren sich die Leserinnen und Leser an erster Stelle für vermischte lokale Nachrichten, für 81 Prozent ist dieses Themengebiet (sehr) interessant, dicht gefolgt von lokaler Politik (80 %), Service (78 %), Wirtschaft (76 %), Kultur (67 %), Bürgerinformationen (66 %) und Sport (60 %) (Chmielewski 2011, S. 122-124). Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern – die Top-3-Themen im Lokalen der Leserinnen sind Vermischtes, Service, Politik, bei den Lesern ist es die Rangfolge Politik, Wirtschaft und Sport (ebd.). Wie bereits aufgezeigt, ist lokales Interesse zentrales Nutzungsmotiv. Die Stärke des lokalen Interesses hat zusätzlich auch Einfluss darauf, welches thematische Spektrum bevorzugt wird: Bezogen auf das Lokale sind drei verschiedene Informationstypen auszumachen: Zum einen „Lokale Hard-News-Konsumenten“ (korrelierende Interessensgebiete Lokalpolitik und Lokalwirtschaft), „Allgemein lokal Interessierte“, die sich für lokale Kultur-, Wirtschafts- und Politikthemen interessieren und „Lokale Soft-News-Konsumenten“ mit einer Vorliebe für vermischte Lokalthemen, Servicethemen und lokale Werbung (ebd.). Diejenigen, die eine Zeitung lesen, wünschen sich von ihren Zeitungen mehr Unabhängigkeit und den Mut, heiße Eisen anzupacken, sie wünschen sich Quellentransparenz, Meinungsvielfalt und eine deutlichere Trennung von Nachricht und Meinung (Arnold 2009, S. 492). Die hier angeführte Untersuchung liegt nun schon fast zehn Jahre zurück – im Spiegel der eingangs zitierten aktuellen Zahlen zum Vertrauen in Medien allgemein, lässt sich vermuten, dass dieser Wunsch nicht kleiner geworden ist, so denn die Zeitung noch genutzt wird.

Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit und Transparenz ist gerade für Lokalredaktionen eine echte Herausforderung. Im Lokaljournalismus sind traditionell die Fragen nach Materialbeschaffung, nach Quellenzugänglichkeit und Einflussfaktoren besonders relevant. Denn erstens können Lokalredaktionen, anders als Redaktionen anderen Ressorts, kaum auf Agenturmaterial zurückgreifen, PR-Material ist damit eine zentrale Quelle. Zweitens spielt die in der Regel stärkere persönliche soziale Nähe zwischen den Akteuren eine besondere Rolle im Lokaljournalismus. Lokalredaktionen sind strukturell eingebettet in ein enges Geflecht mit der lokalen Umwelt. Zwischen lokalen Akteuren wie Vereinen, Unternehmen, Politik, Institutionen sowie Initiativen und der Redaktion bestehen enge wechselseitige organisationsstrukturelle Kontakte (Kretschmar et al. 2009, S. 35). Eine aktuelle Studie zeigt die besonderen Konstellationen zwischen Lokaljournalisten und Kommunalpolitikern – die jeweils abhängig sind von den vorherrschenden Kommunikationsbeziehungen und medialen Marktverhältnissen (Baugut, Fawzi & Reinemann 2015; Baugut 2017). Lokaljournalistinnen und -journalisten sind sich der Einflüsse, denen sie von extern ausgesetzt sind, durchaus bewusst, sie fühlen sich stärker als andere Journalisten insbesondere von Politik und Unternehmen unter Druck gesetzt (IfD Allensbach 2014). Und drittens ist die Berichterstattung durch das Publikum in deutlich höherem Maße einer Überprüfung durch eigene Wahrnehmung und Erfahrung ausgesetzt. Je kleiner der Wohnort, desto eher kann geprüft werden, ob die Ereignisse sich tatsächlich so abgespielt haben. Denn erstens verfügen die dort lebenden Menschen teilweise über ganz ähnliche Kommunikationsnetzwerke wie die Redaktionen und zweitens kann auch geprüft werden, was von der Redaktion als nicht berichtenswert galt und eben nicht in den lokalen medialen Öffentlichkeitsdiskurs aufgenommen wird. In Regionen wie dem Ruhrgebiet, welche sich durch eine besondere lokale Identität auszeichnen, kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Die Liebe zur Region. Und damit das zwiespältige Gefühl, dass einerseits Kritik gefordert und gewünscht ist, andererseits soll Lokalberichterstattung aber auch das Besondere der Region herausstellen. Lokale Medien, der Diskurs in ihnen und in der Anschlusskommunikation sind dabei wichtige Faktoren bei der Bildung regionaler Identitäten.

Was bedeuten diese besonderen Charakteristika des Lokaljournalismus im Hinblick auf das ihm entgegengebrachte Vertrauen? Die vorliegenden Zahlen lassen darauf keine eindeutige Antwort zu – deutlich ist aber, dass Menschen Tageszeitungen insgesamt immer noch deutlich mehr vertrauen als anderen Medien (Jackob et al 2017). Dies gilt auch für Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet. Denn auch hier entstehen lokale mediale Öffentlichkeit unter den beschriebenen ökonomischen und publizistischen Rahmenbedingungen. Und da im Lokalen die Berichterstattung durch das Publikum selber immer wieder auf Qualitätskriterien wie Richtigkeit, Relevanz, Aktualität, Vielfalt und Unabhängigkeit geprüft werden kann und da zusätzlich verschiedene soziale Wechselbeziehungen Einfluss haben können, sind die Anforderungen an Lokaljournalismus besonders hoch. Das macht Lokaljournalismus anfälliger zu beiden Seiten des Vertrauenskontinuums:  Er kann einerseits im Lokalen besser zeigen, dass lokale Berichterstattung einer Überprüfung standhält und somit Vertrauen verdient. Und andererseits gibt es immer Ereignisse (oder Meinungen), die, sei es durch notwendige professionelle Selektions- und Bearbeitungsschritte oder durch Nachlässigkeit, nicht oder nicht korrekt dargestellt werden und so das Vertrauen aufs Spiel setzen. Hilfreich sein kann eine Kultur der Transparenz der journalistischen Prozesse. Leser oder Nutzerinnen gedruckt oder online an Entscheidungs- und Bearbeitungsschritte teilhaben zu lassen, kann Skepsis verringern und verhindert im besten Fall Pauschalverurteilung – dann zugunsten vielleicht notwendiger und sinnvoll zu diskutierender einzelner Entscheidungen und Formulierungen.

Literatur:

Acker, K. (2012): Zeitungen an erster Stelle. Horizont, o.Jg.(30), 31.

Arnold, K. (2009): Qualitätsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz: UVK.

Baugut, P. (2017): Politiker und Journalisten in Interaktion. Einfluss des Medienwettbewerbs auf lokale politische Kommunikationskulturen, Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Baugut, P./ Fawzi, N./ Reinemann, C. (2015): Mehr als Nähe und Harmonie. Dimensionen des Verhältnisses von Kommunalpolitikern und Lokaljournalisten in deutschen Städten. SCM Studies in Communication Media, 4(4), 407-436.

Bucher, H-J./ Huggenberger, M./ Sauter, M./ Schumacher, P. (2012): Publizistische Qualität im lokalen Fernsehen. Eine sendungsbezogene Rezeptionsstudie. Baden-Baden: Nomos.

Chmielewski, D. (2011): Lokale Leser. Lokale Nutzer. Informationsinteressen und Ortsbindung im Vergleich. Eine crossmediale Fallstudie. Köln: von Halem.

Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach (2015): Umfrage in Deutschland zum persönlichen Interesse an verschiedenen Themen 2015. Online verfügbar unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/170956/umfrage/persoenliches-interesse-fuer-bestimmte-themen (Zuletzt abgerufen am 28.01.2017).

Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach (2014): Pressefreiheit in Deutschland. Einflussnahmen von außen auf die journalistische Arbeit. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse einer Befragung von Zeitungsjournalisten. Online verfügbar unter http://www.drehscheibe.org/seminarblog/?p=6723 (Zuletzt abgerufen am 28.01.2017).

Jackob, N./ Quiring, O./ Schemer, C./ Schultz, T./ Ziegel, M. (2017): Vertrauenskrise in den Medien untersucht. Europäisches Journalismus-Observatorium (EJO), Online verfügbar unter http://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/17587 (Zuletzt abgerufen am 29.01.2017).

Kretzschmar, S./ Möhring, W./ Timmermann, L. (2009): Lokaljournalismus. Wiesbaden: Springer VS.

Landesanstalt für Medien (LfM). (2017): Das Zwei-Säulen-Modell. Online verfügbar unter http://www.lfm-nrw.de/regulierung/hoerfunk/lokaler-hoerfunk-in-nrw/zwei-saeulen-modell.html  (Zuletzt abgerufen am 29.01.2017).

Möhring, W. (2001): Die Lokalberichterstattung in den neuen Bundesländern. Orientierung im gesellschaftlichen Wandel. München: R. Fischer.

Möhring, W. (2015): Lokaljournalismus im Fokus der Wissenschaft. Zum Forschungsstand Lokaljournalismus – unter besonderer Berücksichtigung von Nordrhein-Westfalen. Eine Expertise (unter Mitarbeit von Felix Keldenich). Düsseldorf: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).

Möhring, W./ Keldenich, F. (2017, im Druck): Lokaler Journalismus im Internet. In: C. Nuernbergk & C. Neuberger (Hrsg.): Journalismus im Internet: Profession – Partizipation – Technik. (2. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

Schütz, W. J. (2012): Deutsche Tagespresse 2012. Ergebnisse der aktuellen Stichtagssammlung. Media Perspektiven, o.Jg.(11), 570-593.

Röper, H. (2016): Bericht zur Medienkonzentration 2015. Düsseldorf: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). Online verfügbar unter http://www.lfm-nrw.de/service/berichte/medienkonzentrationsbericht.html (Zuletzt abgerufen am 29.01.2017).

Süper, D. (2013): Meine Heimat. Meine Zeitung. Zur Ortsbindung von Lokalzeitungslesern und Nutzern lokaler Nachrichtenseiten. In: H. Pöttker/ A. Vehmeier (Hrsg.): Das verkannte Ressort. Probleme und Perspektiven des Lokaljournalismus (S. 103-114). Wiesbaden: Springer VS.

Van Eimeren, B./ Frees, B. (2014): Rasanter Aufstieg des Internetkonsums – Onliner fast drei Stunden täglich im Netz. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. Media Perspektiven, o.Jg.(7-8), 358-372.

Volpers, H./ Bernhard, U./ Ihle, H./ Schnier, D. (2013): Publizistische Vielfalt in strukturell divergierenden lokalen Medienmärkten – eine Angebotsanalyse in den Kommunikationsräumen Köln, Remscheid und Borken. In: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) (Hrsg.): Struktur und publizistische Qualität im lokalen Medienmarkt NRW. Bericht der LfM zur Medienkonzentration 2012 (S. 111-226). Düsseldorf: LfM. Online verfügbar unter http://www.lfm-nrw.de/service/berichte/medienkonzentrationsbericht-2012.html (Zuletzt abgerufen am 29.01.2017).

Zitationshinweis

 

Möhring, Wiebke (2017): Vertrauensgut lokale Medien? Strukturen und Charakteristika lokaler medialer Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen, Forschungspapier, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/vertrauensgut-lokale-medien-strukturen-und-charakteristika-lokaler-medialer-oeffentlichkeit-in-nordrhein-westfalen/

  1. Eine Übersicht über lokaljournalistische Medien in NRW in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten sowie deren Anbieter und Standorte ist unter http://www.medienatlas-nrw.de/verfügbar. Das Projekt ist von der LfM beauftragt und wird durch das FORMATT-Institut Dortmund unter der Leitung von Horst Röper betreut. []

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