Anschaulich, zupackend und pointiert. So beschreibt Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen den Schreibstil von Edgar Wolfrum. Insgesamt ist das Buch Der Aufsteiger. Eine Geschichte Deutschlands von 1990 bis heute ein Leseerlebnis, dessen Stärke in der konkreten Nacherzählung des Gewesenen liegt. Originelle Zuspitzungen, Muster, die für die Zukunft verlängerbar sind, und zentrale neue Erkenntnisse der Geschichtsforschung fehlen hingegen.
Der Heidelberger Zeithistoriker erzählt die politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 1990. Er knüpft damit an sein Buch „Die geglückte Demokratie“ an, in dem er 2006 bereits rund 50 Seiten für diesen Zeitabschnitt nach der deutschen Wiedervereinigung vorgesehen hatte. Der Text ist überraschungsfrei. Wer sich an die Zeitläufe zurückerinnert, findet viel Bekanntes wieder. Von der Innen-, über die Wirtschafts- bis zur Außenpolitik, fehlen keine zentralen Politikfelder.
Edgar Wolfrum: Der Aufsteiger. Eine Geschichte Deutschlands von 1990 bis heute
Klett-Cotta, Stuttgart, 368 Seiten, ISBN: 978-3-608-98317-3, 24 Euro
Autor
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs-, Parteien- und Wahlforschung.
Der Heidelberger Zeithistoriker erzählt die politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 1990. Er knüpft damit an sein Buch „Die geglückte Demokratie“ an, in dem er 2006 bereits rund 50 Seiten für diesen Zeitabschnitt nach der deutschen Wiedervereinigung vorgesehen hatte. Der Text ist überraschungsfrei. Wer sich an die Zeitläufe zurückerinnert, findet viel Bekanntes wieder. Von der Innen-, über die Wirtschafts- bis zur Außenpolitik, fehlen keine zentralen Politikfelder. Wolfrum schreibt anschaulich, zupackend und pointiert. Das Buch ist ein Leseerlebnis.
Was man vermisst, sind eher andere Aspekte. Wo sind originelle Zuspitzungen? Wo lässt er den Leser nachdenklich zurück? Wo ordnet er systematisch innovativ anders? Wo verlaufen strukturelle und problemorientierte Linien? Wo zeigen sich Muster von Einstellungen, Prägungen, Praktiken, die auch für die Zukunft verlängerbar wären? Wo liegen zentrale neue Erkenntnisse der Geschichtsforschung, die aufhorchen lassen und den wissenschaftlichen Diskurs vorantreiben? Wer mit Antworten auf solche Fragen als Leser rechnet, wird enttäuscht. Die Qualität des Buches liegt in der konkreten Nacherzählung des Gewesenen. Wer insofern rückbezügliche Kontexte als Hintergrundinformationen zu einem bestimmten Thema sucht, wird in diesem Buch fündig. Das gilt beispielsweise für die Flüchtlingsauseinandersetzungen der Jahre 2015/16 ebenso wie zu Fragen von Digitalisierung und Big Data.
Ob der Titel „Der Aufsteiger“ trägt, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Gemessen an der Qualität von sozialem, gesellschaftlichem und politischem Frieden in diesem Land, ist das Erreichte nach der deutschen Einheit im internationalen Maßstab sicher beeindruckend und vielfach auch beneidenswert. Auch im Momentum der Corona-Krise scheint sich Deutschland als Resilienz-Weltmeister zu bewähren. Ob dies allerdings beim Maßstab Ost-West langfristig Geltung hat, bleibt abzuwarten. Die Ost-Identitäten entfernen sich immer spektakulärer von den West-Identitäten. Hierbei zeigen sich nicht nur regionale Vielfalt, sondern Brüche im Gemeinwohlverständnis, die mit auf Polarisierung und Regression arbeiten. Wenn der Einstieg des Buches bewusst mit der deutschen Einheit gewählt wurde, bleibt zumindest das Fragezeichen, ob bei diesem Thema nicht auch das Etikett „Absteiger“ geeignet wäre.
Zitationshinweis:
Korte, Karl-Rudolf (2020): Edgar Wolfrum: Der Aufsteiger. Eine Geschichte Deutschlands von 1990 bis heute, Rezension, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/edgar-wolfrum-der-aufsteiger-eine-geschichte-deutschlands-von-1990-bis-heute/
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