Das TV-Duell zur NRW Landtagswahl 2017: Zum Einfluss auf Themenpräferenzen und parteiinterne Mobilisierung

Das TV-Duell verändert (landespolitische) Themenpräferenzen der Wählerinnen und Wähler! Dies ist eines der ersten Ergebnisse aus der Studie zu „TV-Debatten im Wahlkampf“ anlässlich der NRW Landtagswahl 2017. Sowohl die direkten Reaktionen von 61 Rezipienten in Vorher-Nachher-Befragungen am Abend des TV-Duells, als auch die Daten aus ermittelnden Gruppendiskussionen am Folgetag, erhärten diesen Befund.

Welche Eindrücke das TV-Duell zwischen Hannelore Kraft und Armin Laschet noch hinterlassen hat, haben Jan Dinter und Dr. Kristina Weissenbach in einem Essay zusammengefasst.

Das TV-Duell zur NRW Landtagswahl 2017:

Zum Einfluss auf Themenpräferenzen und parteiinterne Mobilisierung

Autoren

Jan Dinter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Kommunikationsstress im Ruhrgebiet. Die Gesprächsstörung zwischen Politikern, Bürgern und Journalisten“, das die NRW School of Governance in Kooperation mit der Brost Stiftung durchführt. Er studierte in Duisburg Politikwissenschaft sowie Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung. Heute forscht er zu den Themen politische Kommunikation, demokratische Öffentlichkeit und politische Beteiligung.

Dr. Kristina Weissenbach ist Forschungskoordinatorin an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Sie hat ihre Forschungsschwerpunkte im Bereich Parteieninstitutionalisierung, Entstehungsprozesse neuer Parteien und Politische Kommunikation.

Das TV-Duell verändert (landespolitische) Themenpräferenzen der Wählerinnen und Wähler! Dies ist eines der ersten Ergebnisse aus unserer Studie zu „TV-Debatten im Wahlkampf“ anlässlich der NRW Landtagswahl 2017. Sowohl die direkten Reaktionen von 61 Rezipienten in Vorher-Nachher-Befragungen am Abend des TV-Duells, als auch die Daten aus ermittelnden Gruppendiskussionen am Folgetag, erhärten diesen Befund.

Aber beginnen wir am Anfang: Am 2. Mai 2017 zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr trafen die amtierende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr Herausforderer Armin Laschet (CDU) im Fernsehduell aufeinander. Auch in diesem Wahlkampf war es wieder einer der Höhepunkte – eine reichweitenstarke Kampagne in 60 Minuten. In einem großräumigen, puristischen Hallen-Setting im Studio auf dem WDR-Fernsehgelände in Köln-Bocklemünd wurde das Duell live gedreht, moderiert wurde die Diskussion von den WDR-Fernsehmoderatorinnen Gabi Ludwig und Sonia Seymour Mikich. Ausgestrahlt wurde im WDR Fernsehen und im Hörfunk auf WDR5. Online wurde das Duell über den Hashtag #ihrewahl begleitet. 12 Tage waren es noch bis zur Wahl – ein Aufschlag für den Wahlkampf-Endspurt der beiden großen Parteien.

Der mediale Kampf um die Deutungshoheit über Siegerkandidaten und Performance der Kandidaten begann unmittelbar nach der Ausstrahlung. In den nächsten Tagen beherrschte – das folgt der üblichen Logik der Nachberichterstattung zu TV-Debatten – die Frage nach Gewinnern und Verlierern Titelseiten und Politik-Magazine. Die FAZ meinte, Laschet hätte verpasst zu punkten, laut einer Forsa-Blitzumfrage für den Kölner Stadt-Anzeiger hätte Kraft mehr Zuschauer überzeugen können. Die WAZ und die WZ sahen hingegen Laschet tendenziell vorne. Für die Rheinische Post waren beide Kandidaten „gleich stark“ und auch Spiegel-Online sprach von einem „Unentschieden“. Für all diese Urteile lassen sich zweifelsohne Belege finden. Dabei ist die Frage nach dem Gewinner des Duells nicht einmal zentral. TV-Debatten erfüllen eine Vielzahl von Funktionen – z.B. unentschiedene Wähler zu überzeugen, die Tonalität der Berichterstattung über den Wahlkampfendspurt zu beeinflussen oder bestehende Sympathien für einen Kandidaten zu verstärken.

Die kleine Schwester des großen Duells: ein kampagneninternes Instrument?

Während aber das Kanzlerduell im Bundestagswahlkampf regelmäßig zum Quotenrenner wird, erreichte das NRW-Duell mit 790.000 Zuschauern und einer Einschaltquote von 2,5 Prozent (Schröder 2017a) nur einen Bruchteil der rund 13 Millionen Wahlberechtigten und im Internet war die Resonanz überschaubar (Schröder 2017b). Auch wenn am 2. Mai ohne Frage einige politisch wenig Interessierte und unentschlossene Wähler eingeschaltet haben werden und das Duell für WDR-Verhältnisse schon ein Quotenbringer war – ihr Anteil wird deutlich geringer sein als bei Bundestagswahlen. Dass Landtagswahlen bei den Bürgerinnen und Bürgern einen geringeren Stellenwert haben, ist nicht neu. Parallel dazu kann das Landes-Duell auch als Neben-Debatte charakterisiert werden. Darum wird die Funktion, unentschlossene und uninformierte Wähler zu überzeugen, beim Landes-Duell weniger zentral.

Als Höhepunkt des Wahlkampfs, auf den viele Parteimitglieder und -sympathisanten hinfiebern, hatte das Landesduell vor allem eine kampagneninterne Bestärkungs- und Mobilisierungsfunktion. Zwei unterschiedliche Studien können als Beleg für diese Verstärkung von bereits bestehender Parteiidentifikation und Kandidatenpräferenz durch TV-Duelle herangezogen werden. In unserer Studie an der NRW School of Governance, bei der 61 Studierende das TV-Duell verfolgten und die Kandidaten vor und nach dem Duell bewerteten, wurde Kraft deutlich positiver eingeschätzt. Allerdings waren unsere Zuschauer bereits vor dem Duell überproportional von Kraft überzeugt und der SPD zugeneigt. Wissenschaftler der Universität Freiburg haben wiederum das Online-Tool „Debat-O-Meter“ entwickelt (debatometer.com). An dieser Befragung nahmen überproportional viele Sympathisanten des CDU-Kandidaten Armin Laschet teil. Und diese Gruppe war nach dem Duell ebenfalls noch stärker von ihrem zuvor präferierten Kandidaten überzeugt (Gerstenberger 2017). Die Frage nach dem Sieger ist also wie so häufig eine Frage der Perspektive – und genau deshalb ist sie, erst recht bei Nebenwahlen, nicht zentral.

Welche Themen sind wichtig für NRW?

Bei den vergangenen Landesduellen in NRW standen nicht immer landespolitische Themen im Vordergrund. Die Befürchtung, die für das Land NRW wichtigen Fragen würden vor allem von bundespolitischen Themen überlagert, war in diesem Jahr aber unbegründet. In Publikumshearings in den Wochen vor der Ausstrahlung wurden die Themenpräferenzen der Zuschauerinnen und Zuschauer in NRW vom WDR vorselektiert und strukturierten nun auch das TV Duell: Innere Sicherheit, Integration und Zuwanderung, Arbeitsplätze, Schule und Hochschule, Kitas oder Verkehrsstaus standen im Mittelpunkt. Eine tatsächlich landespolitische Debatte wurde damit gesichert.

Bei unseren sehr stark politisch interessierten und vorgebildeten Studienteilnehmern traf das genau den richtigen Nerv. Unter den Themen, denen die meiste Präferenz für die Wahlentscheidung zugesprochen wurde oder der Frage nach den wichtigsten Problemen in NRW, wurden sehr deutlich genuin landespolitische Themen genannt. Verkehr und Infrastruktur, Integration, Kita-Plätze und Innere Sicherheit waren bereits vor dem Duell zentral. Das TV-Duell hat damit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Umfrage und der Gruppendiskussionen kaum Effekte auf die Wahlpräferenz gezeigt, die Themenpräferenzen nach dem Anschauen des Schlagabtauschs zwischen Hannelore Kraft und Armin Laschet haben sich auf Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer allerdings durchaus verändert: Vor dem Duell genannte „wichtige Themen für NRW“ und für die eigene Wahlentscheidung, wie das genuin landespolitische Problem von G8 und G9 oder das bundespolitische Thema der Rente, wurden nach dem Betrachten der Diskussion überhäufig als weniger wichtig eingestuft. Das Thema innere Sicherheit hingegen, dem die Moderatorinnen mit einem Drittel der Sendezeit großen Raum gaben, wurde von einer Mehrheit der Zuschauerinnen und Zuschauer unserer Studie im Nachhinein als wichtig für das Land eingestuft. Es verdrängte andere Politikfelder mühelos von Platz eins und zwei.

Fazit: Duell auf hohem Niveau

TV-Debatten sind ein Raum von verdichteter Wahlkampfführung. Seit den Great Debates in den USA zwischen John. F. Kennedy und Richard Nixon zu Beginn der 1960er Jahre und der Einführung der TV-Duelle auf der bundesdeutschen Bühne 2002, sowie der europäischen Ebene 2014 wird ihnen einen Mobilisierungs- und Informationsfunktion zugeschrieben (vgl. exemplarisch Maier/Faas 2011). Auf der Ebene der sogenannten Nebenwahlen oder Second-Order Wahlen, wie Landtagswahlen, beobachten wir jedoch, dass diese Funktionen in den Hintergrund treten. Aufgrund der geringeren Zuschauerzahlen ist es hier viel schwieriger, überhaupt unentschlossene Wähler zu erreichen und sie mit diesem Mittel inhaltlich zu überzeugen. Im Vordergrund steht also vielmehr die interne Mobilisierung der eigenen Mitglieder und Sympathisanten im Endspurt des Wahlkampfs.

Die Ausgangslage dafür war vor dem Duell für Hannelore Kraft gut: als Spitzenkandidatin für die NRW-SPD trat sie routiniert zum dritten Mal in einem Fernsehduell an – 2010 diskutierte sie in diesem Format bereits gegen Jürgen Rüttgers, 2012 trat sie gegen Norbert Röttgen an. Armin Laschet war damit der weniger erprobte Duellant. Hinzu kam, dass sie als Amtsinhaberin einen Bonus hat – sie kann auf ihre Bilanz verweisen und auf ihren Bekanntheitsgrad aufbauen. Der unbekanntere Herausforderer kann dafür in TV-Duellen umso mehr profitieren, sofern er sich gut anstellt – für ihn bringt das reichweitenstarke Duell ein Aufmerksamkeits-Plus. Beide Kandidaten haben diese Potenziale auf ihre Weise genutzt. So kam es, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer insgesamt ein Duell auf hohem Niveau sahen, in dem tatsächlich Landesthemen teilweise sehr detailliert bearbeitet wurden und in dem die Moderatorinnen über weite Strecken eine Diskussion zwischen den Kandidaten zuließen.

Literatur:

Schröder, Jens (2017a): „Um Himmels Willen“ gewinnt mit Staffel-Premiere, Champions League beachtlich, „Circus Halligalli“ miserabel, in: meedia.de, Online abrufbar unter: http://meedia.de/2017/05/03/um-himmels-willen-gewinnt-mit-staffel-premiere-champions-league-beachtlich-circus-halligalli-miserabel/

Schröder, Jens (2017b): #trending: das TV-Duell in NRW, der weinende Jimmy Kimmel und Mädchen auf Steckenpferden, in: meedia.de, abrufbar unter: http://meedia.de/2017/05/03/trending-das-tv-duell-in-nrw-der-weinende-jimmy-kimmel-und-maedchen-auf-steckenpferden/

Gerstenberger, Christian (2017): Debat-O-Meter: Laschet kann beim TV-Duell punkten, in: wz.de, abrufbar unter: http://www.wz.de/home/politik/inland/landtagswahl-nrw/debat-o-meter-laschet-kann-beim-tv-duell-punkten-1.2428169

Maier, Jürgen/ Faas, Thorsten (2011):‘Miniature Campaigns’ in Comparison: The German Televised Debates, 2002-09, in: German Politics, 20, 2011, S. 75-91.

Zitationshinweis

Dinter, Jan/ Weissenbach, Kristina (2017): Das TV-Duell zur NRW Landtagswahl 2017. Zum Einfluss auf Themenpräferenzen und parteiinterne Mobilisierung, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/das-tv-duell-zur-nrw-landtagswahl-2017-zum-einfluss-auf-themenpraeferenzen-und-parteiinterne-mobilisierung/

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