Die Europawahlen aus der Innensicht

Lara Panning und Alina Felder von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg werfen einen Blick auf die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Ministerrat und der Kommission. Welche Auswirkungen haben die Wahl zum Europäischen Parlament und das mögliche Erstarken der rechtspopulistischen Fraktionen für die Zusammenarbeit der verschiedenen, an der Gesetzgebung beteiligten Organe? 

Seit seiner Gründung hat sich das Europäische Parlament viele legislative Rechte gegenüber der Europäischen Kommission, aber vor allem dem Rat der Europäischen Union (Ministerrat) erstritten – auch mit Verweis auf seine Sonderstellung als einzige direkt gewählte EU-Institution. Die Stärkung des Europäischen Parlaments schien außerdem eine Lösung gegen die steigende Kritik eines Demokratiedefizits der EU zu sein (Rittberger 2003). Im Vorfeld der anstehenden Europawahlen 2019 betreibt das Europäische Parlament die größte eigene Wahlkampagne seit den ersten direkten Wahlen.

Die Europawahlen aus der Innensicht

Was bedeuten die Wahlen für die zukünftige Zusammenarbeit der europäischen Institutionen?

Autorinnen

Lara Panning arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem europäischen Forschungsprojekt zu Trilogen. Im Rahmen des Projekts untersucht sie die internen Verhandlungen und Kompromissfindungen des Europäischen Parlaments und welche Rolle verschiedene Dynamiken wie große/kleine oder pro-europäische/euroskeptische Parteien spielen. Parallel zu ihrer Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin promoviert sie zur Rolle der Europäischen Kommission in Trilog-Verhandlungen.

Alina Felder widmet ihre Promotion an der Bamberg Graduate School of Social Sciences der grenzüberschreitenden Kooperation von Hochschulen in Europa. In ihrem Studium in Eichstätt, Tübingen, den USA und Frankreich hat sie sich aus geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive mit europäischen Identität(en), Kultur(en), Wirtschaft(en) und Politik(en) befasst. Während sie ihr Studium wissenschaftlich an Europa und die EU herangeführt hat, war es ihr möglich, die europäische Zusammenarbeit über Tätigkeiten im Europäischen Parlament und für die EU-Regionalförderung praktisch nachzuvollziehen. In ehrenamtlicher politischer Bildungsarbeit macht sie Europa für Jugendliche erfahrbar.

Seit seiner Gründung hat sich das Europäische Parlament viele legislative Rechte gegenüber der Europäischen Kommission, aber vor allem dem Rat der Europäischen Union (Ministerrat) erstritten – auch mit Verweis auf seine Sonderstellung als einzige direkt gewählte EU-Institution. Die Stärkung des Europäischen Parlaments schien außerdem eine Lösung gegen die steigende Kritik eines Demokratiedefizits der EU zu sein (Rittberger 2003). Im Vorfeld der anstehenden Europawahlen 2019 betreibt das Europäische Parlament die größte eigene Wahlkampagne seit den ersten direkten Wahlen. Unser Beitrag zum Themenschwerpunkt „Die Europawahl 2019“ beleuchtet daher die Frage, welche Bedeutung die Wahlen für die Position des Europäischen Parlaments im Institutionengefüge der EU sowie seine zukünftige Handlungsfähigkeit darin haben, und bietet durch Interviews mit Abgeordneten und Fraktionsmitarbeiter*innen Innenansichten zur Position des Parlamentes.

Das Europäische Parlament im Institutionengefüge der EU1

Das Europäische Parlament ist neben dem Ministerrat einer der zwei Ko-Gesetzgeber auf EU-Ebene und entscheidet in fast allen Bereichen gemeinsam mit dem Ministerrat über europäische Verordnungen und Regulierungen. Dementsprechend kommt dem Parlament im europäischen Institutionengefüge eine sehr wichtige Bedeutung zu: ohne Zustimmung des Parlaments können wichtige legislative Akte nicht verabschiedet werden. Diskussionen und Kompromissfindung außerhalb der Plenardebatten in Ausschusssitzungen und Berichterstatter-Treffen, die Trilog-Verhandlungen2 vorbereiten, sind deshalb von großer Bedeutung.

Die Abläufe innerhalb des Parlaments sind darauf ausgelegt, größtmöglichen Konsens zwischen den verschiedenen Fraktionen herzustellen. Je mehr Abgeordnete eine Position des Parlaments unterstützen, desto stärker ist die Stellung des Parlaments gegenüber Ministerrat und Kommission (Ripoll Servent und Panning 2019). Dies ist vor allem für Trilog-Verhandlungen wichtig. In Trilogen verhandeln die (Schatten-)Berichterstatter der Fraktionen für einen legislativen Vorschlag mit der halbjährlich rotierenden Ratspräsidentschaft und Vertretern der Kommission über Änderungsanträge des Parlaments und des Ministerrats zu einem Kommissionstext. Der Verhandlungsspielraum der Berichterstatterin stützt sich auf ein Mandat des gesamten Europäischen Parlaments, welches einen Kompromiss zwischen ihrer Fraktion und den Fraktionen der Schattenberichterstatter ist und von dem zuständigen Fachausschuss sowie in manchen Fällen von dem gesamten Parlament per Abstimmung beschlossen wurde (Roederer-Rynning und Greenwood 2015; Ripoll Servent und Panning 2019). Da Debatten in Ausschüssen und während Plenarsitzungen öffentlich zugänglich sind und auch per Livestream im Internet übertragen werden, sind Kommission und Ministerrat besser über die parlamentarische Position informiert als das Parlament über die Position der beiden anderen Institutionen, da ihre Sitzungen nicht öffentlich zugänglich sind. Die Unterstützung einer breiten und stabilen Mehrheit im Parlament stärkt deshalb seine Verhandlungsposition und bietet weniger Angriffsfläche in legislativen Verhandlungen (Ripoll Servent und Panning 2019). 

Die Europawahlen 2014 aus Sicht der europäischen Institutionen

„[D]as Europäische Parlament bietet die Möglichkeit, politische Meinungen und Ideen zu vertreten. Dies gilt auch für die Gegner der EU.“ (Veivodová 2016, S. 76, eigene Übersetzung).

Der gewachsene Anteil euroskeptischer und bisweilen europafeindlicher Parteien im Europäischen Parlament hat sowohl den politischen als auch wissenschaftlichen Diskurs stark geprägt. Betrachtet man die Forschungsliteratur im Nachgang zu den Europawahlen 2014, so erscheinen die Begrifflichkeiten “Europawahlen 2014” und “Euroskeptizismus” als untrennbar miteinander verbunden (Moreau und Wassenberg 2016; Nielsen und Franklin 2017). Die gelieferten wissenschaftlichen Analysen konzentrieren sich vorwiegend auf die Ursachen der hohen Stimmenanteile zugunsten des Euroskeptizismus in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Eine Sammlung solcher Analysen kommt sogar zu dem Schluss, die Wahlen zum Europäischen Parlament seien ein Sprungbrett für den Erfolg euroskeptischer Parteien (Franklin 2017). Gleichzeitig versuchen vor allem Geschichtswissenschaftler, das Augenmerk auf die seit jeher die europäische Integration begleitende Skepsis gegenüber der Ausgestaltung der Europäischen Gemeinschaft und seit 1993 der Europäischen Union zu richten. Moreau und Wassenberg (2016) bringen so bewusst Beiträge zusammen, die Antworten auf die Frage liefern, ob Euroskeptizismus und Anti-Europäismus in den Europawahlen 2014 ein neues Phänomen sind. Indem sowohl wiederkehrende als auch neuartige Elemente des Euroskeptizismus identifiziert werden, ergibt sich ein gemischtes Bild. Dass für die alltägliche Arbeit im Europäischen Parlament und Institutionengefüge bekannte und neuartige Facetten EU-skeptischer Haltungen und Handlungen von Bedeutung sind, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Wirft man den Blick zurück darauf, wie sich die Arbeit im Europäischen Parlament und innerhalb der europäischen Institutionen durch die Europawahlen im Jahr 2014 verändert hat, gibt der Stimmenanteil euroskeptischer Parteien erste Aufschlüsse. In der Legislaturperiode von 2014 bis 2019 prägten vier euroskeptische Fraktionen das Europäische Parlament,3 die zusammen 27,1 % der Stimmen und 203 der 751 Sitze ausmachen (Europäisches Parlament 2018, S. 1). Im Vergleich zu den Wahlen der vorangegangenen Legislaturperiode mit einem Stimmenanteil von 17,6% wurde die Position dieser Fraktionen deutlich gestärkt (Veivodová 2016, S. 74 f.). Während sich die Parteien der euroskeptischen Fraktionen offen gegen die EU stellen, haben die Europawahlen gleichzeitig dazu geführt, dass sie ihren Platz und Einfluss auf europäischer Ebene und damit auf die Europäische Union sichern wollen. Der offenen Kritik und bisweilen Ablehnung der EU, geäußert über Parteidokumente oder Reden Abgeordneter, steht die wachsende Bedeutung der EU für euroskeptische Parteien gegenüber. Dies ist eine Folge der Aufgabe nationaler Souveränität in einigen Politikfeldern, die eine Situation herbeigeführt hat, auf die politische Akteure nicht nur antworten möchten, sondern auch müssen. Dies gilt auch für diejenigen Akteure, die die aktuelle Ausgestaltung der EU nicht befürworten oder sie sogar vollständig ablehnen (Veivodová 2016). Die Wahl euroskeptischer Vertreterinnen und Vertreter ins Europäische Parlament hat deshalb nicht nur Folgen für die Gewählten, sondern auch für die etablierten Akteure.

Aus Sicht derjenigen, die durch ihr Mandat am europäischen Gesetzgebungsprozess beteiligt sind, ergab sich nach den letzten Wahlen die Frage, wie mit der hohen Anzahl euroskeptischer Abgeordneter in der täglichen Arbeit in Brüssel und Straßburg umgegangen werden sollte.

Zuhause im jeweiligen Wahlkreis und in der Zusammenarbeit mit nationalen Parlamentariern stellt sicherlich die zunehmende Fragmentierung des Europäischen Parlamentes eine Herausforderung dar. Folgt man der Nebenwahlthese, sind Wählerinnen und Wähler mehr dazu geneigt, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Parteien ihre Stimme zu geben, die sie in nationalen Wahlen so nicht unterstützen würden (Veivodová 2016). Daraus resultiert, dass das Parteienspektrum im Europäischen Parlament durch viele Parteien gekennzeichnet ist.

‘Der Schaden, den das europäische Parteiensystem durch seine weitere Zersplitterung durch das Wachstum bestehender und die Unterstützung neuer euroskeptischer Parteien nimmt, kann es Parteien nur erschweren in nationalen Parlamentswahlen zu konkurrieren und nach den Wahlen kohärente Regierungskoalitionen zu bilden’ (Franklin und Nielson 2017, S. 251, eigene Übersetzung).

Zwischen Wahlaufruf und PR-Maßnahme

Unter dem Titel “Diesmal wähle ich” ist es das Europäische Parlament selbst, das zu den Europawahlen 2019 aufruft. Die Kampagne ist die größte eigene Initiative des Parlamentes zu diesem Zweck seit den ersten Wahlen im Jahr 1979. Im Vergleich zu den Wahlen der beendeten Legislaturperiode wurde das Budget zur Umsetzung der bewusst pro-europäischen Kampagne verdoppelt. Während das Hauptziel von “Diesmal wähle ich” darin liegt, die niedrige Wahlbeteiligung der Vergangenheit zu vermeiden,4 ist die Kampagne gleichzeitig als Lehr- und PR-Maßnahme zu bezeichnen (Stöckel 2018). Sämtliche unter “Diesmal wähle ich” fallende Initiativen informieren über die Aufgaben des europäischen Parlamentes, den Ablauf der Wahlen und über die Vorteile der europäischen Integration.5

Der genaue Blick auf die Inhalte und Hauptplattformen der Kampagne offenbart, dass vorwiegend diejenigen mobilisiert werden sollen, die bereits von der europäischen Idee überzeugt sind. So liegt eine Besonderheit der Kampagne darin, dass EU-Bürger*innen selbst als Kampagnenhelfer*innen tätig werden und Mitbürger*innen zur Registrierung auf der Plattform diesmalwähleich.eu motivieren (Europäisches Parlament 2019). Der bewussten Schwerpunktsetzung der Kampagne auf die positiven Errungenschaften der Europäischen Union, derer sich vorwiegend junge und mobile Menschen bewusst sind, wird durchaus kritisch begegnet. Es sind vorwiegend kleine und euroskeptische Parteien, die den bewusst positiven Tenor der Kampagne in die Kritik nehmen. Anstelle einer institutionseigenen Kampagne müsse vielmehr die Debatte der Parteien und Kandidat*innen gefördert werden, um ein vielschichtiges Bild der EU zu erlauben (Stöckel 2018).

Das Präsidium des Europäischen Parlamentes steht als Initiator und Inhaltsgeber hinter der Kampagne (Stöckel 2018). Es ist einerseits selbstverständlich, dass die bevorstehenden Europawahlen von großer Bedeutung für diejenigen Akteure sind, die für die Arbeit des Europäischen Parlamentes – auch im Institutionengefüge der EU – verantwortlich sind. Gleichzeitig legt die Ausgestaltung der Kampagne des Europäischen Parlamentes nahe, dass skeptische Stimmen keinen Anklang finden sollen. Es erscheint somit durchaus plausibel, die Kampagne als Reaktion auf die Europawahlen 2014 zu betrachten.

Eine Innenansicht auf den Ausgang der Europawahl 2019 und die Handlungsfähigkeit der EU

Das Erstarken euroskeptischer Parteien im Europäischen Parlament war bereits nach den letzten Wahlen 2014 deutlich zu spüren wie die Interviews mit Akteuren im Europäischen Parlament aufzeigen. Ein Teil der Euroskeptiker beschränkt sich darauf, nur Reden während der Plenardebatten zu halten und nimmt ansonsten nicht an der täglichen Arbeit des Parlaments teil. Doch nicht nur Spannungen während der Plenardebatten nahmen zu (ENF Referent 2019), auch die Kompromissfindung für Verhandlungsmandate wurde komplizierter. In politisch aufgeladeneren Politikfeldern, wie beispielsweise in der Migrationspolitik im Hinblick auf die Dublin Regulierung, wurden deutlich mehr Berichterstatter-Treffen benötigt (ALDE MdEP Assistent 2019). Fast alle Interviewten waren sich über Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass es nach den kommenden Wahlen sehr viel schwieriger werde, im Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten und Mehrheiten zu finden. Eine Mitarbeiterin der Grünen Fraktion erklärte sogar, dass die nächste Wahlperiode furchtbar werde (Grüne/EFA Referentin 2019). Ein liberaler Abgeordneter ging davon aus, dass ein Viertel bis ein Drittel aller Abgeordneten im Europäischen Parlament nach den Wahlen euroskeptisch sein wird (ALDE MdEP 2019). Diese Entwicklung sei besorgniserregend (EVP Referentin 2019). Die Zunahme EU-skeptischer Kräfte des extrem linken und rechten Parteienspektrums wird die Spaltung des Parlaments zwischen Integrationsbefürwortern und –gegnern stärken (S&D MdEP Assistent 2019) und Verhandlungen, vor allem in Trilogen, erschweren (EVP Referentin 2019). Jede Fraktion vertritt ihre Positionen, für die sie versucht zu kämpfen. Problematisch wird es, wenn die Vertreter*innen der Fraktionen aus ideologischen Gründen ohne Kompromissbereitschaft auf ihren Standpunkten beharren. Da das Institutionengefüge auf dieser Bereitschaft basiert, werden auch Trilog-Verhandlungen schwieriger werden (S&D MdEP Assistent 2019; EVP Referentin 2019). Wie bereits weiter oben erklärt, beruht das Trilogmandat des Europäischen Parlaments auf einem Kompromiss zwischen den Fraktionen, dem eine Mehrheit der Parlamentarier*innen zugestimmt hat. Nimmt ein Teil der Euroskeptiker*innen nicht an den Berichterstatter-Treffen teil, wird ein Teil der Wähler*innen bei der Mandatsfindung und dementsprechend später im legislativen Kompromiss nicht berücksichtigt. In anderen Fällen schließen die pro-europäischen Parteien Euroskeptiker*innen, wenn möglich, bewusst von der Kompromissfindung aus, um ein europafreundliches Mandat zu gewährleisten (Ripoll Servent und Panning 2019). Mit einem Anstieg der Sitze euroskeptischer Parteien wird dies jedoch zunehmend schwieriger werden. Die pro-europäischen Kräfte, die von EVP über S&D und ALDE bis zu den Grünen/EFA reichen, werden gezwungen sein, stärker miteinander zu kooperieren, um eine mehrheitsfähige Parlamentsposition zu finden (ALDE MdEP 2019), da die euroskeptischen Abgeordneten keine einheitliche Linie verfolgen, sondern, wie andere Parteien auch, ein breites Spektrum verschiedener Ideologien und Vorstellungen abbilden (Grüne/EFA MdEP Assistent 2019; EFDD Referent 2019). Der Druck, Gesetzesentwürfen zuzustimmen, um die Geschlossenheit des Parlaments zu demonstrieren, sei jetzt schon zu spüren und wird nach den Wahlen höchstwahrscheinlich noch steigen (Grüne/EFA Referentin 2019).

In einigen Politikbereichen nehmen euroskeptische Schattenberichterstatter allerdings an den Berichterstatter-Treffen teil und verhandeln mit. Häufig sind dies legislative Vorschläge im Bereich der Migrations- und Asylpolitik. Mit dem Anstieg der euroskeptischen Parteien im Parlament ist die Kompromissfindung vor allem in diesen Bereichen sehr viel komplizierter geworden. Manchmal sind bis zu 150 Berichterstatter-Treffen erforderlich, um zu einer Einigung zu kommen (ALDE MdEP Assistent 2019). Sollten die pro-europäischen Kräfte im Parlament nicht in der Lage sein, nach den nächsten Wahlen diese Herausforderungen anzunehmen und den Bürger*innen die politischen und legislativen Zusammenhänge besser zu erklären, würde dies die Zukunft Europas langfristig bestimmen und das europäische Projekt könnte gefährdet sein (GUE/NGL MdEP 2019; ALDE MdEP 2019).

Zusammenfassung

Obwohl der Anstieg euroskeptischer Parteien im Europäischen Parlament keine direkte Gefahr für die gesamte Europäische Union darstellt und sogar dazu geführt hat, dass sich die pro-europäischen Kräfte in bisher nicht gekanntem Ausmaß vor den Europawahlen 2019 engagieren und Wahlwerbung betreiben, zeigt die Perspektive der Akteure innerhalb des Parlaments, dass viele Probleme und Herausforderungen entstanden sind, die die Position des Parlaments im europäischen Institutionengefüge verschlechtern könnten, zumindest aber die interne Arbeit des Parlaments erschweren und teilweise sogar behindern. So werden pro-europäische Parteien gezwungen stark miteinander zu kooperieren, wodurch parteipolitische Unterschiede weniger zum Tragen kommen. Das Parlament ist durch die Strukturierung des EU-Gesetzgebungsprozesses auch auf eine starke Mehrheitsposition angewiesen. Statt zwischen einer Opposition und einer Regierungsfraktion muss das Parlament mit Kommission und Ministerrat Kompromisse aushandeln. Ein weiterer Anstieg rechter, euroskeptischer Parteien im Parlament würde deshalb den gesamten EU-Gesetzgebungsprozess erschweren.

Literatur:

Europäisches Parlament (2018): Review of European and National Election Results. Update September 2018. Directorate-General for Communication: Public Opinion Monitoring Unit http://www.europarl.europa.eu/RegData/presse/eurobarometres/2018/625195/PE-EB_SA(2018)625195_XL.pdf

Europäisches Parlament (2019): Diesmal wähle ich. Pressemitteilung: http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/elections-press-kit/6/diesmal-wahle-ich.

Europäisches Parlament Verbindungsbüro in Deutschland (2019) Europawahl 26. Mai 2019 – Diesmal wähle ich! http://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/europawahl-2019

Franklin, Mark N. (2017): EP Elections as Stepping-Stones to Eurosceptic Party Success. In: Julie Hassing Nielsen und Mark N. Franklin (Hg.): The eurosceptic 2014 European Parliament elections. Second order or second rate?London: Palgrave Macmillan, S. 223–238.

Franklin, Mark N.; Nielsen, Julie Hassing (2017): Conclusions: The 2014 EP Elections as a Lens on Euroscepticism. In: Julie Hassing Nielsen und Mark N. Franklin (Hg.): The eurosceptic 2014 European Parliament elections. Second order or second rate?London: Palgrave Macmillan, S. 239-254.

Moreau, Patrick; Wassenberg, Birte (Hg.) (2016): European integration and new anti-Europeanism. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

Ripoll Servent, Ariadna; Panning, Lara (2019): Eurosceptics in trilogue settings: interest formation and contestation in the European Parliament, West European Politics42 (4), S. 755-775.

Rittberger, Berthold (2003): Removing conceptual blinders: Under what conditions does the ‘democratic deficit’ affect institutional design decisions? Webpapers on Constitutionalism & Governance beyond the State No. 5.

Roederer-Rynning, Christilla; Greenwood, Justin (2015): The Culture of Trilogues, Journal of European Public Policy22 (8), S. 1148–1165.

Schäfer, Constantin (2017): Euroskeptizismus und Wahlenthaltung. In: Zeitschrift für vergleichende Politikwissenschaft11 (1), S. 50–80.

Stöckel, Mirjam (2018) Europawahl-Kampagne. Das EU-Parlament geht in die Offensive. Deutschlandfunk (12.12.2018): https://www.deutschlandfunk.de/europawahl-kampagne-das-eu-parlament-geht-in-die-offensive.724.de.html?dram:article_id=435777.

Veivodová, Petra (2016): The Anti-EU Groups in the European Parliament. In: Patrick Moreau und Birte Wassenberg (Hg.): European integration and new anti-Europeanism. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 71–84.

Liste der Interviews nach Fraktionsgröße

EVP Referentin, Januar 2019

S&D MdEP Assistent, Januar 2019

ALDE MdEP, Januar 2019

ALDE MdEP Assistent, Januar 2019

Grüne/EFA MdEP Assistent, Januar 2019

Grüne/EFA Referentin, Januar 2019

GUE/NGL MdEP, Januar 2019

EFDD Referent, Januar 2019

ENF Referent, Januar 2019

Zitationshinweis:

Panning, Lara / Felder, Alina (2019): Die Europawahlen aus der Innensicht, Was bedeuten die Wahlen für die zukünftige Zusammenarbeit der europäischen Institutionen?, Kurzanalyse, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/die-europawahlen-aus-der-innensicht/

  1. Mit Institutionengefüge ist vor allem die Beziehung zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission also den Institutionen, die hauptsächlich an den legislativen Prozessen beteiligt sind, gemeint. []
  2. Triloge sind informelle Verhandlungen zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission in denen Fachvertreter der drei Institutionen bereits Kompromisse aushandeln, die dann dem Europäischen Parlament zur Abstimmung und dem Ministerrat zur Zustimmung vorgelegt werden (für eine ausführliche Diskussion siehe beispielsweise Roederer-Rynning und Greenwood 2015). []
  3. Zu diesen Fraktionen zählen die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE-NGL), die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) und die Fraktion des Europa der Nationen und der Freiheit (ENF). []
  4. Mit 42,61 % lag die EU-weite Wahlbeteiligung bei den Europawahlen 2014 auf ihrem niedrigsten Niveau seit 1979 (Schäfer 2017, S. 51). Die Entwicklung der Wahlbeteiligung bei den Europawahlen ist unter http://www.europarl.europa.eu/elections2014-results/de/turnout.html einzusehen. []
  5. Auf der Seite das-tut-die-eu-fur-mich.eu werden beispielsweise EU-Projekte und europäische Gesetzgebung vorgestellt, von denen EU-Bürger*innen profitieren (Europäisches Parlament Verbindungsbüro in Deutschland 2019). []

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