Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der V-Partei^3 und der ÖDP für die NRW-Landtagswahl 2017

Niklas Graf, der an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert, analysiert die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der beiden ökologischen Kleinstparteien V-Parteiund der Ökologisch-Demokratischen Partei. Dabei beobachtet er, dass es gerade bei Themen, welche ebenso andere Parteien in Nordrhein-Westfalen besetzen, eine schwer überwindbare Aufmerksamkeitshürde für weniger bekannte politische Akteure zu geben scheint.

In diesem Dossier werden der Wahlkampf sowie die Kommunikationsstrategien der V-Parteiund der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) analysiert, Rahmenbedingungen und Begleitumstände näher beleuchtet sowie Besonderheiten und Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien identifiziert. Analysekriterien sind die Inhalte und Themen der Parteien, deren Akteure und Ressourcen sowie Strategien, Wahlkampfinstrumente, Angebotsformate und ihre Medienpräsenzen. Was waren die zentralen Themen der einzelnen Kampagnen? Welche Wahlkampfformate, Medien und Stilmittel wurden eingesetzt? In welcher Art und Weise wurden die Wahlkämpfe organisiert? Was funktionierte bei der Kampagnenführung besonders gut, was eher nicht?

Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der V-Parteiund der ÖDP für die NRW-Landtagswahl 2017

Autor

Niklas Graf ist Studierender der Kohorte 2016/2017 des Masters “Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung” der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen.

1. Einleitung

In diesem Dossier werden der Wahlkampf sowie die Kommunikationsstrategien der V-Parteiund der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) analysiert, Rahmenbedingungen und Begleitumstände näher beleuchtet sowie Besonderheiten und Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien identifiziert. Analysekriterien sind die Inhalte und Themen der Parteien, deren Akteure und Ressourcen sowie Strategien, Wahlkampfinstrumente, Angebotsformate und ihre Medienpräsenzen. Was waren die zentralen Themen der einzelnen Kampagnen? Welche Wahlkampfformate, Medien und Stilmittel wurden eingesetzt? In welcher Art und Weise wurden die Wahlkämpfe organisiert? Was funktionierte bei der Kampagnenführung besonders gut, was eher nicht?

Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen wurden je Partei etwa zweistündige Experteninterviews geführt. Für die V-Partei3standen dafür der Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Kneifel und der Landesgeschäftsführer und stellvertretende Bundesschriftführer Tobias Lenz zur Verfügung.1 Für den Landesverband der ÖDP wurde das Interview mit dem Landesvorsitzenden Benjamin Jäger und der Kommunalbeauftragten für Nordrhein-Westfalen Jessica Kratz geführt, welche die einzige hauptamtlich angestellte Mitarbeiterin in der Landesgeschäftsstelle der NRW-ÖDP in Münster ist.2

2. Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der V-Parteiim Landtagswahlkampf 2017

Die V-Partei3 ist eine vergleichsweise junge Partei, welche sich auf ihrem ersten Parteitag am 26. Oktober 2016 gegründet hat und deren landesweite Mitgliederzahl nach eigenen Angaben im April 2017 noch bei 155 lag.3,4 Der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen diente der Partei, welche mittlerweile in allen Bundesländern über Organisationsstrukturen verfügt, als Probephase für die darauffolgende Bundestagswahl im September 2017 und wurde mit relativ geringem Ressourcenaufwand geführt. Zum aktuellen Zeitpunkt beträgt die Mitgliederstärke in NRW etwa 240 Personen und rund 1300 in Deutschland.5 Dabei tritt die V-Partei3mit dem Anspruch an, die acht bis neun Millionen Vegetarier und 1,3 Millionen Veganer in der Bundesrepublik zu vertreten.6

Am 14. Mai 2017 erhielt die Partei 10.013 Stimmen. Dies sind nach Angaben der Landeswahlleitung 0,1% der 8.487.413 gültigen Stimmen. Damit ließ sie 16 weitere, mit der Zweitstimme wählbare, Kleinstparteien hinter sich. 14 Parteien konnten mehr Stimmen auf sich vereinen.7

2.1. Wahlkampfinhalte der V-Partei3

Bei den Wahlkampfinhalten fällt auf, dass kein spezifisches NRW-Wahlprogramm erstellt und ausschließlich mit dem Parteiprogramm des Bundesverbandes vom 1. April 2017 gearbeitet wurde.8 Die landeseigene Formulierung von sechs prägnanten Thesen diente dabei als Hauptmerkmal der inhaltlichen Positionierung, welche nicht von landesspezifischen oder tagespolitischen Themensetzungen in der Wahlkampfzeit begleitet wurde. Die Slogans „Tierrechte statt Quälerei“, „Menschenrechte statt Waffenexporte“, „Gratis Bus und Bahn statt Stau und Lärm“, „Verbraucherschutz statt Lobbyismus“, „Bio und vegan statt Gift und Gülle“ und „Grundeinkommen statt Hartz IV“9 wurden für die Plakate des Landesverbandes genutzt und bei ihrer Erstellung bereits für die Wiederverwendung bei der Bundestagswahl konzipiert.

Als zentrale Inhalte im Parteiprogramm sind die Umgestaltung der Landwirtschaft, welche als Agraragenda 2030 bezeichnet wird, und sich an einer pflanzlichen und ökologischen Nahrungsmittelproduktion orientieren soll, ebenso hervorzuheben wie auch das Verbot von Tierschlachtungen zur Herstellung von Nahrungsmitteln, Kosmetik, Kleidung und Gebrauchsgegenständen. Des Weiteren soll es ein Verbot von Tierversuchen in Forschung und Medizin, ein Verbot für die Jagd „als Hobby“ und eine Förderung der E-Mobilität und umweltfreundlicher Verkehrsmittel geben. Abseits des ökologischen Themenfeldes ist der Einsatz für ein gerechtes Grundeinkommen, eine konsequente Bekämpfung von Steuerbetrug und Geldwäsche, die Bekämpfung von Fluchtursachen und die Befürwortung von Volksentscheiden auffällig. Als eindeutig landespolitisch sind die Forderung nach einem Schulfach „Ernährung“ und die Einführung von Pflanzendrinks anstelle von Schulmilch identifizierbar.10

2.2. Akteure und Ressourcen der V-Partei3

Das innerverbandliche Kommunikationsziel, möglichst einen hohen Anteil der Parteimitglieder in der Wahlkampfzeit zu mobilisieren, ist nach eigenen Angaben bei einer aktiven Beteiligung von mehr als der Hälfte der 240 Unterstützer in NRW gelungen.11 Personalunion mit anderen Verbänden und Institutionen gibt es bei Parteimitgliedern, welche unter anderem bei Animal Rights Watch, dem Vegetarierbund Deutschland oder der Deutschen Veganen Gesellschaft aktiv sind, und höhere Funktionen wie Bezirksvorsitzende oder Bereichsleiter einnehmen. Das ehrenamtliche Engagement wird dabei überwiegend deutlich von der eigenen Beschäftigung getrennt. Hauptamtlich beschäftigte Personen gibt es bei der Partei nicht. Ein hoher Anteil an Parteimitgliedern ist vorher nicht in anderen Parteien aktiv gewesen und dementsprechend verhinderten notwendige Lernprozesse effiziente parteiinterne Organisations- und Kommunikationsstrukturen sowie landesweit öffentlichkeitswirksame Medienarbeit. Dies begründet auch, warum die Partei keine Direktkandidaten benannte und lediglich eine 18 Personen umfassende Landesliste aufstellte.

Am Kandidatencheck des WDR, welcher alle zur Wahl antretenden 1.329 Kandidaten einlud, nahmen elf der V-Partei3-Kandidaten teil. Es gab keine Fort- oder Weiterbildungen für die Kandidaten und keine Argumentier-Hilfen oder -Vorgaben für diese Interviews. Des Weiteren gab es keine offiziellen Kooperationen mit NGOs und Verbänden, keine Spenden von solcher Seite und keine gemeinsam organisierten Kooperationsveranstaltungen.12

Einige mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten wie Isabella Hübner (Schauspielerin), Melina Gammersbach (TV-Moderatorin), Sarah Maria Sun (Opernsängerin) und Cheyenne Hanson (Kickboxweltmeisterin) haben sich der Partei angeschlossen. Vor allem aber das Engagement der 89-jährigen ehemaligen Landtagsabgeordneten der Partei Bündnis‘90/Die Grünen, Barbara Rütting, sorgte dabei für mehrere Interviewanfragen und mediale Aufmerksamkeit. Insgesamt ist allerdings festzuhalten, dass davon eher andere Landesverbände profitierten.

Da die Partei noch nicht von der Parteienfinanzierung profitieren konnte ist erwähnenswert, dass die komplette Plakatierung in Nordrhein-Westfalen von Spenden, insbesondere von Mitgliedern aus Niedersachsen oder Bayern, finanziert worden ist. Der reguläre Mitgliedsbeitrag pro Jahr beträgt 72 Euro und 30 Euro für Schüler, Studenten und Geringverdiener. Aufgrund dieser Angaben kann von einem Budget zwischen 12.000 und 20.000 Euro für den Landtagswahlkampf 2017 ausgegangen werden. Abhängig von den kommenden Ergebnissen bei Bundestags-, Europa- und Kommunalwahlen und vermutlich steigenden Mitgliederzahlen kann in Zukunft mit deutlich höheren fünfstelligen Budgets gerechnet werden.

Für die Plakatierung in NRW konnten 2.000 Plakate finanziert werden. Als Giveaways wurden Flyer und Parteiprogramme verteilt. Bei den DINA5-Flyern, welche vom Bundesverband zur Verfügung gestellt wurden, gab es eine deutlich reglementierte Stückzahl und Wahlprogramme wurden möglichst nicht verteilt, sondern interessierte Bürger auf die Homepage verwiesen, um im doppelten Sinn Ressourcen zu schonen.13

Die Wahlkampforganisation des Landesvorstandes wurde anfänglich auf räumlich zentrale Treffen, mit möglichst gleichmäßig verteiltem Fahrtaufwand für die Akteure, organisiert. Später gab es regelmäßige Videokonferenzen, welche ein bis zwei Mal wöchentlich abgehalten wurden und auch nach der Wahl fortgesetzt werden. Mittlerweile werden vegane Stammtische in verschiedenen Städten genutzt, um dort Werbung zu machen und diese gleichzeitig für Vorstandssitzungen zu nutzen. Kneifel und Lenz schätzen ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die V-Partei3in der Woche auf 20-30 Stunden.

2.3. Strategien, Wahlkampfinstrumente und Medienpräsenz der V-Partei3

Als eine Organisationsstrategie lässt sich erkennen, dass es Vorstands- und Mitgliederverteiler, sowie eine etablierte Berichts- und Protokollstruktur gibt und besonders online über nicht-öffentliche Facebook-Gruppen gearbeitet und Informationen wie Wissen distribuiert werden. Es wurde kein Presseverteiler oder Verteiler für Interessierte eingerichtet.

Der Persuasionswahlkampf wurde entlang bekannter ökologischer Deutungsmuster geführt und neben dem veganen Aspekt keine originellen oder besonders strittigen Themen ausgewählt. Das nach eigener Definition eigene Segment der Wählerschaft umfasst die aktuell acht bis neun Millionen Vegetarier und Veganer. Eingeschränkt wird diese hypothetische Nachfrage nach einer neuen Partei durch die Ergänzung des Programms um deutlich links von der politischen Mitte einzuordnende Forderungen. Aus der Perspektive des Marketingwahlkampfes wird angenommen, dass eine Angebotslücke bei konsequent ökologischen, idealistischen und progressiven Parteien existiert.

Daraus resultierte eine inhaltsbezogene Kampagne, welche keinen expliziten Personenwahlkampf führte, allerdings den Landesvorsitzenden Michael Kneifel immer wieder in zentraler Rolle bei Interviews, Medienanfragen und dem Wahlspot positionierte. Abgesehen vom Kandidatencheck wurden bei WDR-Ausstrahlungen oder in Regionalzeitungen in Nordrhein-Westfalen unter anderem Tobias Lenz aus Neukirchen-Vluyn und Norbert Vitz aus Mönchengladbach14 vorgestellt.

Kommunikationsziel nach eigenem Verständnis war, neben einem Achtungserfolg bei der Landtagswahl, die Aufklärungsarbeit und Beschleunigung eines schrittweisen Prozesses hin zu mehr pflanzlicher Ernährung.15 Das Ziel, selbstinitiierte Konversationen und überregionale Diskurse herbeizuführen, ist der Partei während der Wahlkampfzeit fast gar nicht gelungen. Einzig die bundesweite Berichterstattung der BILD-Zeitung kann als kleines Gelegenheitsfenster verstanden werden, eine vegane Ernährung in die öffentliche Wahrnehmung transportiert zu haben und die Aufmerksamkeit unentschlossener Wähler temporär gewonnen zu haben. Die Thematik damit bekannter oder in der Folge weiter präsent zu halten, kann empirisch nicht auf die V-Parteizurückgeführt werden. Dies ist auch der wahlkampftaktischen Entscheidung zuzurechnen, dass man sich generell gegen Skandalisierungen entschlossen hat. Eine Möglichkeit zu skandalisieren gab es beispielsweise, als im Sauerland eine Kandidatin nach einem ausführlichen Bericht in der Westfalenpost über sie und ihren Einsatz für die fleischlose Ernährung gekündigt wurde. Aus persönlichen Gründen und bewusster Zurückhaltung der betroffenen Person wurde dieses Wahlkampfinstrument hingegen nicht genutzt. Auch als es in NRW um das sogenannte Kükenschreddern ging, Sylvia Löhrmanns Dienstwagenaffäre kursierte oder die Debatte um die Jagdreform die Medien beherrschte, konnte sich die Partei nicht landesweit in Szene setzen.

Die überregionale free media-Berichterstattung der Partei im Kontext der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen beschränkt sich dementsprechend auf eine geringe Anzahl an Artikeln und Videobeiträgen. Neben der BILD-Zeitung beschäftigte sich die Rheinische Post, die erwähnte Westfalenpost, DerWesten und der WDR mit den „Hellgrünen“.16 Beim WDR gab es zwei Beiträge in der Lokalzeit Duisburg und eine in Köln gedrehte Online-Reportage. Im Experteninterview berichtet der Landesvorsitzende Kneifel unter anderem ebenso von einem geplanten Fernsehdreh mit dem WDR in Düsseldorf, welcher kurzfristig abgesagt wurde, weil das Justiziariat einen zu hohen Anteil der V-Partei3 in der eigenen Berichterstattung befürchtet habe. Fernsehbeiträge des WDR waren bis dahin in Geldern, in Köln und Neukirchen-Vluyn nach Anfragen gedreht worden. Die Online-Reportage mit Herrn Kneifel hatte parallel über die BGE (Bewegung Grundeinkommen) berichtet und in dem Beitrag mit Tobias Lenz wurden insgesamt drei junge Landtagskandidaten vorgestellt (CDU, Bündnis‘90/Die Grünen, V-Partei3).

Einen Schwerpunkt konnte die Partei aufgrund lokaler Besonderheiten und überproportionalem Zuspruch im Sauerland, in Mönchengladbach, in Gütersloh sowie auf der Interseite vegan-news.de setzen.17 Die zentrale inhaltliche Positionierung als Partei für Vegetarier und Veganer kann dabei als eindeutige und nahezu einzige Begründung für diese Präsenz identifiziert werden.

Die Online-Präsenz des Landesverbandes verteilt sich hauptsächlich auf eine eigene Homepage und Facebook. Instagram- und Twitter-Profile sind eingerichtet, werden aber nahezu nicht bespielt. Die Homepage nutzt das Corporate Design des Bundesverbandes, berichtet mit kurzen Beiträgen über die Gründungsveranstaltung und leitet bei einem Großteil der Inhalte auf den Auftritt der Mutterpartei weiter. Der Social Media-Auftritt des Landesverbandes auf Facebook beläuft sich aktuell auf 902 Followerund ist eindeutig als am intensivsten genutzter Kommunikationskanal zu verstehen.18 Im Wahlkampf konnten nach eigenen Angaben Beitragsreichweiten von 30.000 bis zu 50.000 Viewern generiert werden. Diese wurden allerdings nicht rein organisch, sondern mit bezahltem Micro-Targeting realisiert. Radiowerbung gab es im Wahlkampf nicht.

Als Kernfaktor im Bereich der paid media wurde aufgrund der begrenzten finanziellen Kapazitäten in Plakate investiert. Insgesamt wurden 2.000 Exemplare mit den sechs Thesen gedruckt und selbst aufgehängt. Primär wurde in Großstädten plakatiert und auf für die Partei zentrale Orte wie Biomärkte, Universitäten und Hochschulen geachtet. Neben 200 Plakaten in Köln wurde in kleineren Städten nur plakatiert, wenn dies Wohnorte von Kandidaten waren. Es gab keine Wahlkampfstände, aber auf einigen größeren Veranstaltungen und Messen investierte die Partei, um für ihre Klientel wahrnehmbar zu sein. Dazu gehörten die Veggieworld in Düsseldorf vom 28.-30. Oktober 2016 und die Veggienale vom 6. bis zum 7. Mai 2017 in Essen, welche eine Messe für vegane Lebenskultur ist. Beide Veranstaltungen finden regelmäßig und abwechselnd in großen Städten in Deutschland statt und haben teilweise Besucherzahlen im fünfstelligen Bereich. Neben diesen ressourcenintensiven Veranstaltungen nutzte die Partei die Demo gegen Feinstaub in Köln am 28. April 2017, um sich zu präsentieren, und organisierte vegane Stammtische, welche vor allem in Mönchengladbach mediale Beachtung und breiten Gästezuspruch fanden.

3. Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der ÖDP im Landtagswahlkampf 2017

Die ÖDP entstand bereits 1982 aus der grünen Bewegung und besteht in NRW seit 1990. Im April 2017 besaß die Partei 395 Mitglieder und nach der Wahl 425. Entlang der 31 Kreise und 22 kreisfreien Städte gibt es zwölf ÖDP-Kreisverbände und großräumige Aktivenkreise sowie insgesamt 75 Untergliederungen in Städten und Kommunen sowie eine Landesgeschäftsstelle in Münster.

Bei der Landtagswahl erreichte die NRW-ÖDP ein Zweitstimmenergebnis von 13.288, welches in etwa 0,2% der gesamten abgegebenen gültigen Stimmen entspricht. Dies ist eine ungefähre Verdopplung und ein Anstieg um 0,1% zur zurückliegenden Wahl 2012, bei welcher die Partei noch 7.842 von damals 7.793.995 gültigen Stimmen erhielt.19

3.1. Wahlkampfinhalte der ÖDP

Die Kernbotschaft der ÖDP war „Mensch-vor-Profit“.20 Die Partei vertritt damit einen konservativen Ökologismus und verortet sich in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft. Mit der grundsätzlichen Betonung der globalen und intergenerationalen Verantwortung positionierte sie sich gegen CETA und stellte den Forderungs-Dreiklang von „Effizienz, Konsistenz und Suffizienz“.21 Als zentralen Markenkern und Unterscheidung zu anderen ökologischen Parteien sieht die Partei ihre Verbindung von Aspekten der Postwachstumsökonomie und der Gemeinwohlökonomie sowie der konsequenten Konzernspendenfreiheit.

In dem insgesamt 29-Seiten umfassenden sogenannten Landespolitischen Programm spiegelt sich ein breites Themenspektrum wieder. 125 Punkte Forderungen wurden auf die Themenblöcke Bildung, Schule und Hochschule, Klima und Umwelt, Verkehr, Demokratie, Wirtschaft und Arbeit, Finanzen, Soziales, Gesundheit, Jugend, Sicherheit, Kultur sowie Tierschutz verteilt. Dazu gehörten die Forderungen nach einem Kohleausstieg und 100% erneuerbarer Energien, einer Pflicht zur Anwendung und Einrichtung erneuerbarer Energien bei Neubauten, Renovierungen und in allen staatlichen Institutionen, sowie ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, verpflichtende 30er-Zonen in allen Wohngebieten und einen Stopp des Straßenausbaus. Insbesondere fordert die ÖDP in Nordrhein-Westfalen ein Grundeinkommen und stellt sich gegen jede Form staatlicher Überwachung. Beim Netzausbau setzt die Partei auf Kabel statt Funk und Genehmigungs- und Abgabepflichten für Mobilfunkmasten. Die parteirechtliche Forderung nach einem Verbot von Konzernspenden an Parteien wird begleitet mit der Forderung der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Auch die ÖDP setzt sich dafür ein, Tierversuche zu vermeiden, Tiertransporte zu beschränken und den Tierschutz durch Tierschutzbeauftragte zu stärken. Im Bildungssektor wird landespolitisch unter anderem gefordert, dass es eine Förderung der vorschulischen Erziehung gibt, Waldkindergärten gefördert werden sollen, eine Verpflichtung zum dritten Kindergartenjahr sowie ein Werbeverbot im Bildungsbereich existieren sollen.22

Für die Plakate in NRW gab es acht verschiedene Motive auf welchen immer der Hashtag „#Mensch vor Profit“ im oberen Bildbereich links neben dem Parteilogo positioniert wurde. Ebenso wiederkehrend ist die orangene Parteifarbe und ein selbsterstelltes Siegel, welches damit wirbt, seit 1982 „garantiert frei von Firmenspenden“ zu sein, sowie je drei weitere Ziele pro Plakat, welche auf einer Art Merkzettel in der rechten Bildmitte platziert wurden. Neben einem Personenplakat mit dem auf Listenplatz 1 gewählten Landesvorsitzenden gab es sieben Themenplakate. Diese – in unterschiedlicher Schriftgröße, Schriftform und abwechselnd in Orange und Weiß gedruckten – Slogans lauten „Bildung braucht Zeit – Zurück zu G9!“, „Tiere sind Lebewesen – kein Produktionsgut“, „Wirtschafts-Kinder-freundliche Familienpolitik. Ehrliche Entlohnung für Eltern!“, „Für den Erhalt der Euregio! Gute Nachbarschaft statt Maut und Strahlung!“, „Strafgebühren für Nachtlandungen! Nachtflugverbot durchsetzen!“, „Für den Schutzmann an der Ecke! Wiedereinführung des Polizisten vor Ort!“ sowie „Kein Feinstaub durch die Schifffahrt! Abgasreinigung für Binnenschiffe!“.23

3.2. Akteure und Ressourcen der ÖDP

Von den 425 Mitglieder der ÖDP in NRW stellten sich insgesamt 27 Parteimitglieder inklusive der Direktkandidaten zur Wahl. Die Wahlliste umfasste 16 Kandidaten, während die Direktkandidaten in Olpe, Aachen, Münster und Bad Driburg die 100 zur Aufstellung notwendigen Unterschriften sammelten. Die Hürde von 1000 Unterschriften für die Zulassung von Landeslisten wird seit 1990 ununterbrochen erreicht, wobei der dafür notwendige Ressourcenaufwand als unfair von Seiten der befragten Funktionsträger kritisiert wird.24 Viele der Kandidaten haben bereits Wahlkampferfahrung gesammelt und konnten auf jahrelanges Engagement in jeglichen Parlamentswahlen zurückblicken. Die einzige Person, die in Vorstandspositionen bei der ÖDP eine Vergütung für ihr Engagement erhält, ist die Bundesvorsitzende der knapp 6.400 Mitglieder. In NRW gibt es mit Frau Kratz eine hauptamtlich beschäftigte Person im Umfang von einer halber Stelle. Die Kampagnenorganisation wurde größtenteils von ihr und dem Landesvorstand bewerkstelligt, wobei der Landesvorsitzende und sein Stellvertreter bereits seit dreieinhalb Jahren im Amt sind.

Ergänzend gab es eine Wahlkampfkommission, primär bestehend aus dem Vorstand und zusätzlichen ehrenamtlichen Mitarbeitern mit fachspezifischen Schwerpunkten, welche sich mit einer Gruppenstärke von drei bis zehn Personen um die zentralen Aspekte der Parteiorganisation kümmerte. Für die Erarbeitung der Wahlkampfinhalte wurden Arbeitsgruppen auf Landesebene gebildet, welche in relativ freiem Rahmen an der Ausgestaltung der Forderungen arbeiteten. Für die Mitgliederkommunikation gab es einen Mailverteiler auf Landesebene und ein Intranet für die zu bearbeitenden Dokumente.

Der personelle Strukturwandel, welcher in einem langsamen Generationenwechsel begründet ist, führte insbesondere bei Budgetfragen zu leichten Spannungen in der Partei. Die Wohlfühlzone älterer Mitglieder, eingespielte Wahlkampfgewohnheiten und verkrustete Strukturen trafen dabei auf neue Impulse jüngerer Mitglieder, welche stets im Abwägungsprozess mit den begrenzten finanziellen Mitteln standen.

Auch die unterschiedlichen Hintergründe der ÖDP-Mitglieder spielen eine Rolle in deren Organisation und Selbstverständnis. Aus einer Wählervereinigung in Bottrop entstanden, heißt die dortige Gruppe etwa Bürger für Bottrop – ÖDP, welche sich nicht links oder rechts einordnen lässt. Im Märkischen Kreis kommen die meisten Mitglieder eher aus dem christlichen und konservativen Milieu, während Mitglieder aus dem Ruhrgebiet und Ortsgruppen wie Bochum eher aus einer alternativen, urbanen und teilweise veganen Szene kommen.

Die Partei profitiert von Mandatsabgaben von Parteimitgliedern in kommunalen Räten in Bottrop, Bad Driburg und Münster, sowie jenen von Europaabgeordneten und der Parteienfinanzierung von der zurückliegenden Europawahl 2014. Es gibt keine Parteienfinanzierung durch Landtags- oder Bundestagswahlen. Externe Spenden können keinen zusätzlichen Handlungsspielraum schaffen, da die Partei generell keine Großspenden annimmt. Dies gilt sowohl für individuelle Spender als auch für jegliche andere juristischen Personen. Diese Konsequenz spiegelt sich auch in einer parteiinternen Debatte über die Deckelung von Mandatsspenden wieder, in welcher befürchtet wurde, dass eine einzelne Person zu viel Einfluss nehmen könnte. Im Kontext der Abgaben und freiwilligen weiteren Spenden eines Europaabgeordneten wurde so etwa darüber diskutiert, ob die bereits bestehende Deckelung der Jahresspenden pro Person weiter reduziert werden solle.

Der Bundesverband der ÖDP verwaltet alle Einnahmen von staatlicher Seite und sammelt die Beiträge der Landesverbände in mehreren Töpfen. Es existieren vier große Landesverbände, zu denen neben Bayern auch NRW gehört, welche gemeinsam in eine Landtagswahlunterstützungskasse einzahlen. Die kleineren Landesverbände zahlen in eine Solidarkasse ein. Diese zentral verwalteten Gelder werden für eine bundesweite Wahlkampfplanung nach Verteilungsschlüsseln und strategischen Überlegungen bereitgestellt. Die Mitgliedsbeiträge sind bundesweit auf 7€ monatlich festgesetzt und können freiwillig erhöht werden. Rentner bezahlen 3,50€ im Monat, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger 1€ und für die Mitgliederzeitschrift ÖkologiePolitik wird um einen jährlichen Beitrag von 12€ gebeten. Daraus ergibt sich ein jährliches Budget von etwa 30.000-60.000€ für den Landesverband NRW.25

Dieses Budget ermöglichte der Partei, 4.000 Plakate inklusive wiederverwendeter Altplakate in NRW von den Aktiven vor Ort aufhängen zu lassen. Durch die begrenzte Präsenz in den 396 Städten und Gemeinden konnte nicht überall im Bundesland plakatiert werden. Auf den zahlreichen Wahlkampfständen und Infoveranstaltungen wurde auf eine breite Auswahl an Informationsmaterial zurückgegriffen. So gab es Flyer der NRW-ÖDP sowie vom Bundesverband, in welcher sich die Partei vorstellt, einen Flyer zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften, alte Faltblätter zu in der Vergangenheit bearbeiteten Themenfeldern, wie der biologischen Landwirtschaft oder der Asylpolitik und Kandidaten-Postkarten. Die Flyer der NRW-ÖDP wurden in einer Auflagenstärke von 30.000 Stück hergestellt und ohne zeitliche Angaben versehen, um für die Wiederverwendung geeignet zu sein. Die Kandidatenkarten wurden in individuellen Mengen von 200-800 Stück produziert. Das komplette Material wurde auf Grundlage des orange-weißen Corporate Designs des Bundesverbandes erstellt und es wurden keine Giveaways angeschafft.

3.3. Strategien, Wahlkampfinstrumente und Medienpräsenz der ÖDP

Die NRW-ÖDP hat eine inhaltsbezogene Kampagne und keinen Personenwahlkampf geführt. Es gab allerdings lokale Verbindung mit Köpfen mit individuellem Themenbezug, wie beispielsweise in Münster, als man mit der Durchsetzung von freien Sonntagen vor Ort Zuspruch sammeln und dies mit dem dortigen Direktkandidaten verbinden konnte.26

Gleichzeitig beklagt die ÖDP gerade in der Städteregion Aachen einen Themenklau anderer Parteien. Sie sieht sich – gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Stop Tihange & Doel“ – in der zeitlichen Reihenfolge als eindeutiger Initiator der Kritik an der Atompolitik in Sachen Tihange und Doel. Bei öffentlichen Verlesungen und Problematisierungen dieser Thematik habe sie keine Resonanz von der Medienlandschaft erhalten. Erst als Politiker von Bündnis‘90/Die Grünen diese Thematik übernahmen, habe es landesweite und bundesweite Resonanz gegeben. Man habe die Grundarbeit und -aufklärung geleistet, zusammen mit der Bürgerinitiative „Stop Tihange & Doel“ und der Partei Die Linke den Diskurs geprägt, aber die Aufmerksamkeit erhielten andere. Dies sei zwar auch als Erfolg der ÖDP in NRW zu werten, habe aber, neben der Neumitgliederakquise vor Ort, viel zu geringe Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt.27

Ebenso kritisiert die ÖDP eine Ungleichbehandlung im Umgang mit der kommunalen Presse. Ein Interviewtermin auf einem Infostand in Krefeld, welcher mit dem Landesvorsitzenden stattfand, und von welchem ein NRZ-Redakteur berichten wollte, wurde beispielsweise während der Anreise abgesagt.

Als kommunikatives Feindbild diente auf der Straße vor allem die rot-grüne Landesregierung. Dies kann als Teilaspekt von Negative Campaigning gewertet werden, wurde allerdings nicht von weitergehenden Skandalisierungen begleitet und führte nicht zu einer Beachtung in der landesweiten Presse.28

Besonders präsent war die Partei in der regionalen Presse, wo es auch Ratsmandate gibt. Die regelmäßige Berichterstattung in Bottrop, Bad Driburg und Münster wurde dabei durch vereinzelte Berichte in Neuss und Kleve ergänzt. Beim Kandidatencheck des WDR wurden insgesamt 13 Personen interviewt. Dies waren überwiegend Direktkandidaten, weil es nach Aussagen der Interviewpartner kommunikative Missverständnisse bei den Einladungen von Seiten des Senders gegeben habe. Das WDR sendete des Weiteren einen Bericht mit dem Landesvorsitzenden Benjamin Jäger, welcher die Darstellung, dass „die ÖDP seit 35 Jahren erfolglos“29 für ihre Überzeugungen kämpfen würde allerdings als eindeutig zu wertend kritisierte. Diese Befunde konterkarieren die Bemühungen kleinerer Parteien strategisch zu agieren und ihre Inhalte zu platzieren.

Im Social Media-Bereich ist die Partei auf Facebook, Instagram und Twitter vertreten. Auf Facebook konnten organische Beitragsreichweiten im Bereich von 400-3.500 realisiert werden. Der Facebook-Auftritt besaß Ende August 2017 einen Zuspruch von 1.124 Personen.30 Mit unterstützender Finanzierung und einer Betrachtung über alle sozialen Medien hinweg konnten nach eigenen Angaben Wochenbeitragsreichweiten von 500.000 erreicht werden. Diese Dimensionen sind mit nachvollziehbaren Aufrufzahlen wie auf YouTube schwer in Einklang zu bringen.

Der rein inhaltlich geprägte Wahlwerbespot, welcher besonders auf die grafische Aufarbeitung der zu vermittelnden Aussagen achtet und keine Personen oder Landschaftsbilder zeigt, erhielt auf YouTube eine Beitragsreichweite von 2.600 Views.31 Die anderen YouTube-Videos des Kanals der NRW-ÖDP erhielten bisher Aufrufzahlen von 24 bis 663 Klicks. Bei der Homepage kann von einer veralteten, aber gut strukturierten Homepage gesprochen werden, welche regelmäßig mit Inhalten im Landtagswahlkampf aktualisiert wurde, während die bundesweite Vereinheitlichung sieben bis acht Jahre zurückliegt.

Eine weitere Modernisierung im Umfang von 10.000-15.000€ muss angespart werden. Die digitalen Investitionen und das Social Media-Budget stehen bei der NRW-ÖDP in Konkurrenz zu Info- und Wahlkampfständen und sehen sich der restriktiven Haltung älterer Mitglieder gegenüber. Die traditionelle Form, Wahlkampf zu führen, ist etablierter Bestandteil des Landtagswahlkampfes bei den aktiven Ortsgruppen gewesen. Es wurde kein Haustürwahlkampf durchgeführt. Zu Podiumsdiskussionen wurde die Partei nur eingeladen, wenn sie vor Ort im Rat aktiv ist, wie zum Beispiel in Münster. Als Ausweichstrategie wurde in Einzelfällen aus dem Publikum heraus mitdiskutiert und auf die Ungleichbehandlung durch die Veranstalter aufmerksam gemacht.

Der Presseverteiler der Landesgeschäftsstelle wurde nach eigenen Ausführungen von allen überregionalen Zeitungen ignoriert. Nahezu alle Pressemitteilungen wurden nicht gedruckt, weshalb die Partei Portale wie openPR nutzt.32 Bei Presseanfragen wird von Seiten der regionalen Pressevertreter nach originellen Inhalten oder Direktkandidaten vor Ort gefragt, welche zu einem hohen Anteil nicht geliefert werden können, den gewünschten Anforderungsprofilen nicht entsprechen und so Berichte über die ÖDP ausbleiben.

4. Interpretation und Fazit

Auf Grundlage der Darstellungen aus den geführten Experteninterviews und der extensiven Recherche in lokalen, regionalen und überregionalen Medien ist ein deutliches Ungleichgewicht bei der Beachtung der Themen von Kleinstparteien zu beobachten. Es scheint gerade bei Themen, welche ebenso andere Parteien in Nordrhein-Westfalen besetzen, eine schwer überwindbare Aufmerksamkeitshürde für weniger bekannte politische Akteure zu geben.

Die Kommunikation von politischen Inhalten der kleinen ökologischen Parteien ist größtenteils abhängig von persönlichen Kontakten. Die mediale Berichterstattung kann nur als minimaler Faktor für den Einflussgewinn der untersuchten Parteien gewertet werden. Die sozialen Medien scheinen bisher nur ein Faktor für eine generelle Bekanntheit, nicht aber für eine positive Wahlentscheidung zu sein. Menschen, welche ohne vorherige soziale und direkte Kontakte auf die Parteien aufmerksam werden, liegen im Promille-Bereich. Eine erfolgreiche Wahlkampfstrategie kann daher bei der V-Partei3beobachtet werden, welche ihre Wählerklientel eindeutig definieren konnte und Messen und Großveranstaltungen in diesem Milieu konsequent und regelmäßig besuchte. Gerade die Mitgliederexpansion ist als essentieller Faktor für eine gelingende Wahlkampfstrategie identifizierbar und dient der dauerhaften Kommunikation und Verbreitung der eigenen Inhalte.

Die kompromisslosen Haltungen, welche die V-Partei3beim Thema Ernährung und die ÖDP im Bereich der Spenden einnimmt, begrenzen die Parteien massiv. Die idealistischen Ansätze reduzieren die potentielle Wählerschaft und damit auch mögliches Humankapital für die Parteien, die finanziellen Mittel und demokratietheoretisch auch jegliche Form der hypothetischen Regierungsbeteiligung. Der Aufklärungscharakter, den sich diese Parteien damit geben, kann als Kommunikationsstrategie interpretiert werden, doch stände dies im Widerspruch zu den eigenen Überzeugungen der jeweiligen Parteimitglieder, welche sich mehr als die bloße Information ihrer Mitbürger wünschen.

Die gesellschaftlichen Fragmentierungsprozesse scheinen allerdings eindeutig von den kleinen Parteien genutzt zu werden.33 Gerade die V-Parteiist ein Beispiel für das Voranschreiten dieser Entwicklung. Gegeben der Unzufriedenheit mit der führenden ökologischen Partei in Deutschland existierte, neben der eigenen Gründung, doch stets noch die Möglichkeiten, sich in anderen ökologischen Parteien zu engagieren. Die V-Partei³ konkurriert nun allein in NRW mit einer Reihe von weiteren Tierschutzparteien, wie der Tierschutzpartei (MUT) und der Tierschutzliste, welche sich mitten in den Vorbereitungen zur NRW-Wahl von selbiger abspaltete. Dazu kommen noch weitere Abspaltungen, wie die Tierschutzallianz, Ethia und die Partei für die Tiere.

Von diesen Parteien schaffte es allein die Tierschutzliste alle Unterlagen form- und fristgerecht für die Landtagswahl einzureichen. Mit einem Ergebnis von 59.747 Wählern und entsprechenden 0,7% erreichte sie dabei den größten Anteil der kleineren ökologischen Parteien.34 Gemeinsam mit der Ein-Themen-Partei Bündnis Grundeinkommen, welche in NRW 5.260 Stimmen erhielt, engagieren sich die ÖDP und die V-Partei³ mit nahezu deckungsgleichen Inhalten für die gleiche, sich von Bündnis‘90/Die Grünen und dem etablierten Parteienspektrum abwendende und nach Alternativen suchende, als grün-nah zu bezeichnende, Wählerschaft.

Ohne die anderen Erhebungen und Statistiken zur Wählerwanderung und der Nicht-Wähler bei der Landtagswahl 2017 in NRW näher miteinzubeziehen, geht der ökologischen Bewegung, welche sich größtenteils unter dem Dach von Bündnis‘90/Die Grünen vereint, damit knapp 0,9% der gültigen Stimmen verloren. Die Tendenz von wachsenden Stimmenanteilen bei den kleineren ökologischen Parteien könnte dabei zunehmend eine Gefährdung für die nun nicht mehr an der Landesregierung beteiligte grüne Partei werden. Bei gleichbleibender Entwicklung sowie glaubhafter und erfolgreicher Inkorporation ökologischer Themenfelder der anderen großen Parteien auf Landes- und auch auf Bundesebene könnte diese Tendenz in die außerparlamentarische Opposition führen. Grundbedingung dafür ist eine fortschreitende Professionalisierung, ein Ressourcenzuwachs und eine höhere mediale Wahrnehmung der kleineren ökologischen Parteien, welchem allerdings eigene idealtypische Leitbilder, wie dem Entsagen jeglicher größerer externer Spenden, entgegenstehen. Die organisatorisch und inhaltlich kompromisslose Haltung beider untersuchter Parteien könnte hingegen Nährboden für weiteren Zuspruch sein, wenn es Bündnis‘90/Die Grünen nicht gelingt, sich inhaltlich deutlich genug in der vorherrschenden Medien- und Kundendemokratie zu positionieren, personell zu profilieren, neue Wähler dazu- oder verlorene Wähler zurückzugewinnen.

Die Wahlkampfstrategien der kleineren ökologischen Parteien sind dabei von entscheidender Bedeutung. Die rein inhaltliche Positionierung scheint dafür nicht auszureichen. Sie müssen ihre Gelegenheitsfenster besser nutzen und auf solche besser vorbereit sein, Skandalsierungen und Negative Campaigning als Wahlkampfinstrumente nicht kategorisch ausschließen, eigene Personen stärken und bereit sein diese als Identifikationsfiguren in den Vordergrund zu stellen. Die Narrative dieser Parteien können als noch zu kurz, und existierende Visionen als nicht vollständig erzählt, betrachtet werden. Die Begeisterungsfähigkeit für eine Idee braucht Multiplikatoren und muss visualisiert werden können. Gerade die Modernisierung und die kostengünstiger zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten für Kleinstparteien könnten dabei eine Chance sein, den Wettbewerbsvorteil der größeren Parteien anzufechten. Möglich erscheint, dass die ökologische Bewegung durch ihre vielfältige und neuerliche Ausdifferenzierung, ihren Graswurzelbewegung-Ursprüngen ähnlich, nicht an Fahrt und Zuspruch verliert, doch die parlamentarische Repräsentation dieser wachsenden Bevölkerungsgruppe allerdings mittelfristig darunter leiden könnte.35

Literatur:

Clemens, Karin: Fleischlos. Fürs Tierwohl aus Schmallenberg in den Landtag, WP.de vom 10.04.2017, URL: https://www.wp.de/staedte/meschede-und-umland/fleischlos-fuers-tierwohl-aus-schmallenberg-in-den-landtag-id210218649.html, Aufruf vom 01.08.2017.

Dalkowski, Sebastian: Neue Partei will Schlachten von Tieren verbieten, RP.de vom 10.05.2016, URL: https://rp-online.de/politik/deutschland/v-partei-neue-partei-will-schlachten-von-tieren-verbieten_aid-9688901, Aufruf vom 01.08.2017.

de Sombre, Steffen: AWA 2017. Bildungsbürgertum und Massenkultur, URL: https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/AWA/AWA_Praesentationen/2017/AWA_
2017_deSombre_Bildung_Kultur.pdf, Aufruf vom 03.08.2017.

Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2017, URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2017/
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DerWesten: V-Partei³ in NRW: Sind das vegane Ökohardliner oder die neuen Grünen?, Derwesten.de vom 23.04.2017, URL: https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/v-partei-in-nrw-sind-das-vegane-oekohardliner-oder-die-neuen-gruenen-id210319643.html, Aufruf vom 01.08.2017.

Köcher, Renate: AWA 2017, Unterschätzte Veränderungen der Bevölkerungsstruktur, Institut für Demoskopie Allensbach, 2017.

Laschyk, Thomas: V-Partei³ – Wer ist das und sind die wählbar?, Vegan-News.de vom 16.05.2017, URL: http://www.vegan-news.de/v-partei-3/, Aufruf vom 01.08.2017.

LokalPlus: Vor der NRW-Wahl: Robert Hammer (ÖDP) im Interview. „Mensch vor Profit heißt die Devise.“, Lokalplus.de vom 06.05.2017, URL: https://www.lokalplus.nrw/nachrichten/politik-landtagswahl2017/mensch-vor-profit-heisst-die-devise-14352, Aufruf vom 03.08.2017.

NRW-ÖDP: Beitrittsantrag. Für eine politische Zukunft, URL: https://www.oedp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/mitmachen/Mitgliedsantrag.pdf, Aufruf vom 03.08.2017.

NRW-ÖDP: Landespolitisches Programm der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Nordrhein-Westfalen, URL: https://www.oedp-nrw.de/fileadmin/user_upload/
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NRW-ÖDP: Wahlplakate zu den Wahlen 2017 auf Facebook, URL: https://www.facebook.com/pg/OEDPNRW/photos-/?tab=album&album_id=13960136
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Rauch, Elena: Fleischlos gegen die Übel der Welt. Erster Bundesparteitag der V-Partei3, ThüringerAllgemeine.de vom 03.04.2017, URL: https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Fleischlos-gegen-die-Uebel-der-Welt-Erster-Bundesparteitag-der-V-Partei-3-379518885, Aufruf vom 01.08.2017.

Schmücking, Daniel: Negative Campaigning. Die Wirkung und Entwicklung negativer politischer Werbung in der Bundesrepublik, Wiesbaden, 2015.

Skopos-Group: 1,3 Millionen Menschen leben vegan, URL: https://www.skopos-group.de/news/13-millionen-deutsche-leben-vegan.html, Aufruf vom 01.08.2017.

Schülbe, Dana: Vom Wahlkampf eines Außenseiters, RP.de vom 24.04.2017, URL: https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/vom-wahlkampf-eines-aussenseiters_aid-21016373, Aufruf vom 01.08.2017.

Vegan-News: Die V-Partei³ feiert Geburtstag und wächst unbeeindruckt – eine Bestandsaufnahme vor den NRW-Wahlen, Vegan-news.de vom 11.05.2017, URL: http://www.vegan-news.de/v-partei-nrw-landtagswahl/, Aufruf vom 01.08.2017.

V-Partei3: Parteiprogramm, URL: https://v-partei.de/vparteihoch3/parteiprogramm/, Aufruf vom 01.08.2017.

Zitationshinweis:

Graf, Niklas (2019): Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der V-Partei3und der ÖDP für die NRW-Landtagswahl 2017, Dossier, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/die-wahlkampf-und-kommunikationsstrategie-der-v-partei3-und-der-oedp-fuer-die-nrw-landtagswahl-2017/

  1. Herr Kneifel ist Diplom-Sportwissenschaftler aus Hürth. Tobias Lenz ist Student aus Neukirchen-Vluyn. []
  2. Herr Jäger ist Student im Pflegebereich. Frau Kratz studiert Design, Medien und Kommunikation. []
  3. Rauch, Elena: Fleischlos gegen die Übel der Welt. Erster Bundesparteitag der V-Partei3, ThüringerAllgemeine.de vom 03.04.2017, URL: https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Fleischlos-gegen-die-Uebel-der-Welt-Erster-Bundesparteitag-der-V-Partei-3-379518885, Aufruf vom 01.08.2017. []
  4. Dalkowski, Sebastian: Neue Partei will Schlachten von Tieren verbieten, RP.de vom 10.05.2016, URL: https://rp-online.de/politik/deutschland/v-partei-neue-partei-will-schlachten-von-tieren-verbieten_aid-9688901, Aufruf vom 01.08.2017. []
  5. Interview mit Michael Kneifel und Tobias Lenz; Vegan-News: Die V-Partei³ feiert Geburtstag und wächst unbeeindruckt – eine Bestandsaufnahme vor den NRW-Wahlen, Vegan-news.de vom 11.05.2017, URL: http://www.vegan-news.de/v-partei-nrw-landtagswahl/, Aufruf vom 01.08.2017. []
  6. Skopos-Group: 1,3 Millionen Menschen leben vegan, URL: https://www.skopos-group.de/news/13-millionen-deutsche-leben-vegan.html, Aufruf vom 01.08.2017. []
  7. Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2017, URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2017/index.shtml, Aufruf vom 01.08.2017. []
  8. Am 01.04.2017 fand der erste Bundesparteitag der Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer in Weimar statt. []
  9. V-Partei3: Parteiprogramm, URL: https://v-partei.de/vparteihoch3/parteiprogramm/, Aufruf vom 01.08.2017. []
  10. Ebenda. []
  11. Interview mit Michael Kneifel und Tobias Lenz. []
  12. Ebenda. []
  13. Ebenda. []
  14. Schülbe, Dana: Vom Wahlkampf eines Außenseiters, RP.de vom 24.04.2017, URL: https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/vom-wahlkampf-eines-aussenseiters_aid-21016373, Aufruf vom 01.08.2017. []
  15. Interview mit Michael Kneifel und Tobias Lenz. []
  16. Der Westen: V-Partei³ in NRW: Sind das vegane Ökohardliner oder die neuen Grünen?, Derwesten.de vom 23.04.2017, URL: https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/v-partei-in-nrw-sind-das-vegane-oekohardliner-oder-die-neuen-gruenen-id210319643.html, Aufruf vom 01.08.2017. []
  17. Laschyk, Thomas: V-Partei³ – Wer ist das und sind die wählbar?, Vegan-News.de vom 16.05.2017, URL: http://www.vegan-news.de/v-partei-3/, Aufruf vom 01.08.2017. []
  18. Der Facebook-Auftritt ist auf https://www.facebook.com/vparteinrw/ aufrufbar. Diese und die folgenden Angaben sind mit dem letzten Stand vom 30.08.2017. Dem Bundesverband folgen auf Twitter (https://twitter.com/_VPartei_/) 284 und auf Facebook (https://www.facebook.com/VPartei/) 15.680 Entitäten. []
  19. Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2017, URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2017/index.shtml, Aufruf vom 03.08.2017. []
  20. NRW-ÖDP: Landespolitisches Programm der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Nordrhein-Westfalen, URL: https://www.oedp-nrw.de/fileadmin/user_upload/01-instanzen/10017/
    LandespolitischesProgramm.pdf, Aufruf vom 03.08.2017. []
  21. Ebenda. []
  22. Ebenda. []
  23. NRW-ÖDP: Wahlplakate zu den Wahlen 2017 auf Facebook, URL: https://www.facebook.com/pg
    /OEDPNRW/photos-/?tab=album&album_id=1396013627110105, Aufruf vom 03.08.2017 []
  24. Interview mit Benjamin Jäger und Jessica Kratz. []
  25. NRW-ÖDP: Beitrittsantrag. Für eine politische Zukunft, URL: https://www.oedp.de/fileadmin/user_upload/bundesverband/mitmachen/Mitgliedsantrag.pdf, Aufruf vom 03.08.2017. []
  26. LokalPlus: Vor der NRW-Wahl: Robert Hammer (ÖDP) im Interview. „Mensch vor Profit heißt die Devise.“, Lokalplus vom 06.05.2017, URL: https://www.lokalplus.nrw/nachrichten/politik-landtagswahl2017/mensch-vor-profit-heisst-die-devise-14352, Aufruf vom 03.08.2017. []
  27. Interview mit Benjamin Jäger und Jessica Kratz. []
  28. Schmücking, Daniel: Negative Campaigning. Die Wirkung und Entwicklung negativer politischer Werbung in der Bundesrepublik, Wiesbaden, 2015. []
  29. Interview mit Benjamin Jäger. []
  30. Die Facebook-Seite der NRW-ÖDP ist unter https://www.facebook.com/OEDPNRW aufrufbar. []
  31. Aufrufbar ist der Landtagswahlspot unter https://www.youtube.com/watch?v=pXejOzlbVso. []
  32. Alle Pressemitteilungen der NRW-ÖDP sind auf openPR gelistet und verdeutlichen den konstanten Versuch der Partei, mediale Beachtung zu erhalten: http://www.openpr.de/news/archiv/178470/OEDP-NRW.html. []
  33. Köcher, Renate: AWA 2017, Unterschätzte Veränderungen der Bevölkerungsstruktur, Institut für Demoskopie Allensbach, 2017. []
  34. Diese Partei wurde in der vorliegenden Ausarbeitung nicht untersucht, da sie ohne Kampagne zur Landtagswahl angetreten ist und im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen in etwa jenen Stimmenzuspruch erhalten hat, welchen zuvor die Tierschutzpartei erhielt. In diesem Kontext gibt es eine unklare Sachlage betreffend einer Mehrzahl von Vorstandsneuwahlen, Abspaltungen, der darauffolgenden Gründung der Tierschutzliste, deren Hintergründen sowie der eingereichten Unterschriften der beiden Parteien bei der Landeswahlleitung zur Zulassung für die Landtagswahl 2017. []
  35. de Sombre, Steffen: AWA 2017. Bildungsbürgertum und Massenkultur, URL: https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/AWA/AWA_Praesentationen/2017/AWA_2017_deSombre_Bildung_Kultur.pdf, Aufruf vom 03.08.2017. []

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