Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategien der Parteien Die Violetten und Schöner Leben für die NRW-Landtagswahl 2017

Philipp Richter, der an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert hat, wirft einen Blick auf die spirituellen Parteien im Wahlkampf zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2017. Obwohl die beiden Parteien Die Violetten und die Schöner Leben-Partei den Einzug in den Landtag um 4,9 % verpasst haben, so stellen allein die Teilnahme einen Erfolg dar. Mit minimalen Ressourcen und deren kreativem Einsatz gelang es den Parteien, jeweils knapp 6.000 Bürger dazu zu bewegen den kleinen Parteien ihr Vertrauen zu schenken.

Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Rot-Rot-Grün oder doch eine große Koalition? Im Vorfeld der Landtagswahlen 2017 wurde häufig und gerne über mögliche Regierungskoalitionen diskutiert. In der Diskussion um mögliche Koalitionsfarbspiele waren die Farben Lila und Rosa jedoch nie Thema. Dies scheint nicht verwunderlich, denn weder für Die Violetten, deren Markenzeichen ein lila Schmetterling ist, noch für die Partei Schöner Leben, welche sich durch einen Kolibri und die Farbe Rosa kennzeichnet, schien ein Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde realistisch. Tatsächlich erhielten beide Parteien am Ende jeweils nur 0,1% aller Stimmen.

Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategien der Parteien Die Violetten und Schöner Leben für die NRW-Landtagswahl 2017

Autor

Philipp Richter ist Studierender der Kohorte 2016/2017 des Masters “Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung” der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen.

1. Einleitung

Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Rot-Rot-Grün oder doch eine große Koalition? Im Vorfeld der Landtagswahlen 2017 wurde häufig und gerne über mögliche Regierungskoalitionen diskutiert. In der Diskussion um mögliche Koalitionsfarbspiele waren die Farben Lila und Rosa jedoch nie Thema. Dies scheint nicht verwunderlich, denn weder für Die Violetten, deren Markenzeichen ein lila Schmetterling ist, noch für die Partei Schöner Leben, welche sich durch einen Kolibri und die Farbe Rosa kennzeichnet, schien ein Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde realistisch.1 Tatsächlich erhielten beide Parteien am Ende jeweils nur 0,1% aller Stimmen. Für Die Violetten und Schöner Leben war das Ergebnis jedoch kein Grund sich zu grämen. Vielmehr war es für beide Parteien ein Erfolg, überhaupt bei der Wahl dabei gewesen zu sein und, in Anbetracht geringer Ressourcen, zusammen insgesamt mehr als 12.000 Wähler für ihre Ideen rund um Spiritualität und Einhornstaub im Wahlkampf gewonnen zu haben.2

2. Wahlprogramme rund um Spiritualität und Einhornstaub

Unter dem Namen Alternative spirituelle Politik im neuen Zeitalter gründete sich 2001 eine neue Partei in der Bundesrepublik. Noch im gleichen Jahr gründete sich auch ein Landesverband der Partei, in Nordrhein-Westfalen. Dieser löste sich jedoch genau wie alle anderen Landesverbände im Jahr 2005 auf, bevor er 2007 neu gegründet wurde. Seit 2008 trägt dieser, wie die gesamte Partei, den Namen Die Violetten.3

Die Violetten stehen für spirituelle Politik und wollen der in ihren Augen zunehmenden Zahl spiritueller Menschen in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen eine politische Stimme geben. Ihrer Präambel zufolge „streben [sie] eine Gesellschaft an, in der Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung, Eigenverantwortung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kreativität, offene Kommunikation, ökologisches Denken und Handeln, Freiheit im Geistesleben, Menschlichkeit im Wirtschaftsleben, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit aller Menschen, Achtsamkeit und gegenseitiger Respekt sowie Liebe, Toleranz und Wertschätzung obenan stehen“.4

Wie eine Politik getreu dieser Präambel aussehen könnte, beschrieb der Landesverband NRW in dem von ihm im Jahr 2016 veröffentlichten 16-seitigen Wahlprogramm, in welchem er Stellung zu den folgenden Themen bezog: 1.) Wirtschaft und Finanzen, 2.) Familie, Soziales und Kultur, 3.) Gesundheit, 4.) Umwelt, 5.) Innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik, 6.) Schulpolitik und Bildung, 7.) Wissenschaft und Forschung sowie 8.) Lobbyismus.5

Konkret fordern Die Violetten in ihrem Programm die Abschaffung von Hartz IV im Zuge der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, sowie eine allgemeine Entschleunigung der Gesellschaft. Zudem wollen sie das Krankenkassen-Finanzsystem zugunsten einer Solidarkasse umstrukturieren und alternativmedizinische Konzepte von diesen anerkennen und finanzieren lassen. Darüber hinaus fordern Die Violetten NRW in ihrem Wahlprogramm die Entwicklung neuer Wohnbau- und Städteplanungskonzepte, die Beendigung der industriellen Landwirtschaft, das Herunterfahren aller Atom- und Kohlekraftwerke, den Abbau von Licht- als auch Strahlenverschmutzung, die Förderung von Verkehrsmitteln mit positiver Ökobilanz, das Verbot von Tierversuchen und die Sensibilisierung der Bevölkerung für Vegetar- und Veganismus. Im Politikfeld der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik möchten sie sich dafür einsetzten, dass die sogenannte „Flüchtlingskrise“ als eine „Flüchtlingschance“ gesehen wird. Damit dies gelingen kann, wollen Die Violetten z.B., dass geflüchtete Menschen dezentral im Land untergebracht werden, Asylverfahren schneller bearbeitet, der Zugang zum Bildungssystem erleichtert, Abschlüsse schneller anerkannt und die Arbeitsaufnahme für Geflüchtete vereinfacht wird. In der Schulpolitik stehen sie für die Stärkung der ideologiefreien, nicht kapitalistisch geprägten Pädagogik, im Kontext derer das Zentralabitur abgeschafft und keine Noten mehr verteilt werden sollen. Zudem soll G9 wieder eingeführt und neue Wissensvermittlungskonzepte erarbeitet werden, um diese später im Unterricht aktiv praktizieren zu können. Im Bereich der Wissenschaft und Forschung streben Die Violetten eine interdisziplinäre, zweckrationale Forschung, jenseits von Kapitalinteressen an. Im letzten Absatz ihres Programmes thematisieren Die Violetten Lobbyismus und unterstreichen dabei ihre Ablehnung gegenüber jeder Form der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger. Innerhalb dieses Kontextes plädieren sie darüber hinaus für die transparente Offenlegung aller Spenden an Politiker und Parteien.6 Aus einer spirituellen Sichtweise hängt alles mit allem zusammen, man sucht das Verbindende, nicht das Trennende. Dementsprechend war es nach Angaben der Violetten NRW auch eine bewusste Entscheidung, nicht ausschließlich mit landespolitischen Themen in den nordrhein-westfälischen Wahlkampf zu ziehen.7

Nicht nur in NRW etwas zu bewegen, sondern die ganze Republik, ja, gar die ganze Welt etwas schöner zu machen, schrieb sich im Wahlkampf die im Sommer 2016 in Essen gegründete Partei Schöner Leben auf ihre Fahne. Deren Wiege liegt in der Ratsgruppe Schöner Links, welche sich 2015 von der Linkspartei im Essener Stadtrat abgespalten hatte. Eine Partei, welche sich selbst eher als eine Plattform oder ein Projekt bezeichnen möchte. Ein Projekt, das all jene Menschen ansprechen will, die von den etablierten Parteien und deren Politik enttäuscht sind oder einfach ein schöneres Leben wollen. Mitmachen kann und soll deshalb jeder, unabhängig von seiner politischen Einstellung, seinem sozialen Status oder seiner Herkunft. Wichtig sind nur das Bekenntnis zum Grundgesetz und der respektvolle Umgang miteinander.8 Schließlich wollen doch alle schöner leben – so die Partei. Bei der innerparteilichen Willensbildung wird Teilhabe großgeschrieben. So auch beim Verfassen des Wahlprogrammes bzw. der programmatischen Eckpunkte zur Landtagswahl, welche in diversen Open-Mic-Veranstaltungenunter dem Slogan „Mach deine Partei fertig – Das werd ich doch mal sagen dürfen!“ verfasst wurden.9 Zudem konnten online formlos und ohne Registrierung jederzeit Kommentare, Anmerkungen oder Ergänzungen eingebracht werden.10 Final trug das Programm den Titel „Landtagswahl NRW, mit etwas Einhornstaub geht da was!“. In dem Dokument nimmt die Partei zu zehn Punkten Stellung, jeweils in Anlehnung an den Parteinamen und in Länge eines kurzen Absatzes: 1.) Schöner leben, 2.) schöner lernen, 3.) schöner regional, 4.) schöner Steuern, 5.) schöner teilhaben, 6.) schöner Umwelt, 7.) schöner glauben, 8.) schöner frei, 9.) schöner Kultur und 10.) schöner Arbeit.11

Für ein schöneres Leben soll ein unkompliziertes, nicht sanktionierbares Grundeinkommen für jeden der es benötigt, ob Student, Geringverdiener oder Rentner, eingeführt werden. Im Bereich der Bildungspolitik fordern sie eine sich an individuelle Bedürfnisse anpassende, kostenlose Bildung von der Kita bis zu Universitäten und Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Schöner regional bedeutet für die Partei, regionale Kreisläufe zu stärken – mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, die Gemeinschaft zu fördern, Unabhängigkeit zu gewinnen, die Umwelt zu schonen und die Lebensqualität für jeden Einzelnen zu erhöhen. In puncto Steuern steht Schöner Leben für eine Vereinfachung des Steuersystems. Zudem fordern sie, Haushalte mit Kindern und regionale Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Für eine schönere Steuerpolitik wollen sie zudem dafür sorgen, dass jeder mit einer deutschen Staatsbürgerschaft in Deutschland Steuern zahlt, Steuerschlupflöcher genau wie Steueroasen beseitigt und mehr Steuerprüfer eingestellt werden. Darüber hinaus drängt die Partei in ihrem Programm auf mehr politische Teilhabemöglichkeiten durch direktdemokratische Elemente wie z. B. Volksentscheide, den Auf- und Ausbau von Kinder- und Jugendparlamenten und das Wahlrecht ab 16 Jahren auf allen Ebenen. Innerhalb dieses Kontextes fordert Schöner Leben zudem eine Amtszeitbegrenzung für Parlamentarier und die Anpassung von Abgeordnetengehältern an den Durchschnittslohn des jeweiligen Landes.12

Umweltpolitisch positioniert sich die Partei mit dem Statement „Wer den Schaden verursacht soll auch dafür bezahlen“.13 Auch Religion ist kein Tabuthema im Wahlprogramm. Um ein schönes Leben im Einklang mit oder ohne Religion für jedermann zu ermöglichen, plädieren sie für die freie Ausübung von Religion im privaten Raum, im Rahmen der Gesetze. Staat und Religion gilt es ihnen zufolge jedoch konsequent zu trennen, weshalb beispielsweise der Religionsunterricht einem konfessionsübergreifenden Ethikunterricht weichen soll. Unter den Punkten schöner freiund schöner Kulturfordern sie, Entbürokratisierung und Kultur aus einer ganzheitlichen Perspektive zu betrachten und Finanzierungsmodelle zu überarbeiten. Der letzte Punkt des Programms befasst sich mit Arbeit – es wird gefordert, viele ehrenamtliche Tätigkeiten in versicherungspflichtige Arbeitsplätze umzuwandeln. Außerdem sollen Löhne erhöht und Beschäftigungsverhältnisse wie Leiharbeit abgeschafft werden. Equal-Pay, Job-Sharing, Home-Office, flexible und familienfreundliche Arbeitsbedingungen sollen hingegen zum Standard im Arbeitsleben werden.14

Zehn Punkte voller Ideen und Visionen, welche mal konkreter, mal weniger konkret zeigen sollen, welche Weichen die Partei stellen will, um das Leben für die Menschen in NRW ein wenig schöner zu machen. Zehn Punkte voller Ideen und Visionen, mit denen die Partei 2017 in den Wahlkampf zog, um wie auch Die Violetten mit ihren Ideen Wählerstimmen zu gewinnen. Doch bevor der Wahlkampf überhaupt beginnen konnte, galt es für beide Parteien zunächst die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Landtagswahl zu erfüllen.

3. Noch 1.000 Unterschriften bis zur Wahl

Stichtag – 27. März 2017, 18 Uhr. Die Landeslisten müssen fristgerecht beim Landeswahlleiter eingereicht worden sein. Ein Termin, auf den Die Violetten lange hingearbeitet hatten. Schließlich wollte man zum zweiten Mal in der Geschichte der Partei an einer Landtagswahl in NRW teilnehmen.15 Doch dafür galt es, die im Landeswahlgesetz festgeschriebenen 1.000 Unterstützerunterschriften fristgerecht einzureichen. 1.000 Unterschriften, die Die Violetten schon im März 2016 kurz nach der Fertigstellung ihres Wahlprogrammes zu sammelnbegannen. Und auch die Schöner Leben-Partei begann frühzeitig damit, die notwendigen Unterschriften zusammenzutragen. Der Zeitaufwand für Kleinstparteien, um diese Hürde zu meistern, ist enorm. So verwies die Landessekretärin der Partei Die Violetten darauf, dass für zehn Unterschriften mindestens eine Stunde Zeit investiert werden müsse. Erschwerend kam für Die Violetten und die Schöner Leben-Partei die Doppelbelastung hinzu, zeitgleich Unterstützerunterschriften für die von beiden Parteien anvisierte Teilnahme an der Bundestagswahl im September 2017 einzuwerben. Nichtsdestotrotz gelang es beiden Parteien, ihre Unterlagen fristgerecht einzureichen. In der Sitzung des Landeswahlausschusses am 4. April 2017 entschied dieser dann über die Zulassung der Landeslisten. Nach einer knapp zweieinhalbstündigen Sitzung stand endgültig fest, dass Die Violetten und die Schöner Leben-Partei an der Landtagswahl 2017 teilnehmen würden, da ihre Unterlagen ohne Mängel waren. Wahlkreiskandidaten stellten beide Parteien nicht auf.

4. Endlich Wahlkampf – doch die Ressourcen sind knapp

Listenplatz 24 für Die Violetten, Platz 30 für Schöner Leben. Nun galt es, die Wähler zu überzeugen, das Kreuz am Wahltag an die richtige Stelle zu setzen. Beide Parteien sahen sich dabei jedoch mit einem chronischen Ressourcenmangel konfrontiert, sei es in personeller oder finanzieller Hinsicht. Nach eigenen Angaben haben die Parteien knapp 125 Mitglieder, von diesen arbeitete im Wahlkampf jedoch nur ein Bruchteil aktiv mit. Bei den Violetten waren es zu Beginn des aktiven Wahlkampfes etwa 25 Personen, welche sich intensiv am Wahlkampf beteiligten. Im Zeitverlauf reduzierte sich die Zahl auf sechs aktive Wahlkämpfer. Gründe dafür waren z.B. Krankheit, Umzug oder mangelnde Motivation. Ein Problem, welches der Schöner Leben-Partei im Wahlkampf ebenfalls Schwierigkeiten bereitete.1617

Neben den geringen personellen Ressourcen waren auch die Wahlkampfbudgets der Parteien knapp bemessen. So betrugen die Finanzmittel der Violetten für den gesamten Wahlkampf weniger als 1.000 Euro. Ein Budget, welches sich hauptsächlich aus Spenden der Mitglieder zusammensetzte. Ebenfalls über Spenden und Crowdfunding-Aktionen finanziert Schöner Leben den Wahlkampf. Letztendlich mussten sie jedoch mit einem nur halb so hohen Budget,d.h. mit etwa 500 Euro, im Wahlkampf auskommen. Das Ressourcenmanagement beider Parteien wurde zusätzlich durch den Faktor Bundestagswahl erschwert – schließlich galt es die Motivation und Kräfte der Wahlkämpfer sowie die finanziellen Mittel der Partei nicht bereits im Landtagswahlkampf gänzlich aufzuzehren.18 Landesweite Fernsehspots, Radiowerbung, Plakatierung oder Wahlkampfstände waren in Anbetracht der gegebenen Ressourcen nicht denkbar, weshalb die Parteien offline regionale Schwerpunkte setzen mussten. Online stand ihnen jedoch die Welt offen.

5. Landtagswahlkampf – offline regional, online global

Oberhausen, Mühlheim, Oberhausen, Mühlheim hieß es in der heißen Phase des Wahlkampfes für Die Violetten. Schließlich wollte man zumindest in der Heimat des Parteibüros, des Parteivorstandes, der acht Landeslistenkandidaten und des Großteils der Basis der Violetten aktiven Straßenwahlkampf betreiben. Dafür organisierte man jedes Wochenende einen Wahlkampfstand in mindestens einer der beiden Städte. Dort sollte jedermann angesprochen werden, unabhängig von seiner Einstellung zur Spiritualität. Mit Luftballons, Schmetterlingsstickern, Süßigkeiten und Flyern wollte man vor Ort ins Gespräch kommen und überzeugen. Primär sollte dies durch die Kommunikation der Präambel und der im Wahlprogramm verankerten Ideen zum bedingungslosen Grundeinkommen geschehen. Sowohl zum Grundeinkommen als auch zur Präambel gab es einen eigenen Flyer. Rein optisch waren diese kaum voneinander zu unterscheiden.

Im Straßenwahlkampf vornehmlich ihre Ideen rund um ein bedingungsloses Grundeinkommen kommunizieren zu wollen, war eine bewusste Entscheidung des Landesvorstandes der Partei, welcher für die gesamte Wahlkampforganisation und die Durchführung des Wahlkampfes zuständig gewesen ist. Man wollte in turbulenten Zeiten kontroverse Auseinandersetzungen, etwa mit Themen wie Migration, vermeiden, um nicht zu polarisieren und so Parteien wie die AfD zu stärken. Auch die wenigen Plakate, welche Die Violetten NRW vom Landesverband Berlin erhalten und in Oberhausen aufgehängt hatten, trugen wenig polarisierende und inhaltliche Aufschriften wie Die Zeit ist reif für spirituelle Politik. Es waren neutrale Plakate, die zudem den Ressourcen sparenden Vorteil der Zeitlosigkeit besitzen, so dass sie bei jeder Wahl wiederverwendet werden können.19

Neben den Wahlkampfständen in Oberhausen und Mühlheim, bei denen jedermann angesprochen werden sollte, versuchte man mit speziellen Wahlkampfveranstaltungen insbesondere auch das eigentliche Klientel der Partei, die spirituellen Menschen, zu mobilisieren. So organisierte man Vorträge und Podiumsdiskussionen und besetzte landesweit Stände auf Messen zu den Themen Gesundheit, Spiritualität, Alternatives Leben und Kreativität. Des Weiteren versuchten sie mit kulturellen Angeboten, wie beispielsweise Vernissagen im Parteibüro, heimischen Künstlern einen Raum zu bieten und die Besucher im Zuge dessen von den politischen Ideen der Partei zu überzeugen. Diese Veranstaltungen, die es auch hin und wieder in die regionale und überregionale Presse schafften, erzeugten Aufmerksamkeit über die Stadtgrenzen Oberhausens und Mühlheims hinaus. Bei diesen, eher klientelspezifischen Wahlkampfveranstaltungen kam besonderes Wahlkampfmaterial zum Einsatz. So wurden neben den Flyern häufig Konzeptpapiere ausgegeben. In der Regel wird auf diesen, über vier DIN-A4-Seiten langen Konzepten zu einem spezifischen Thema wie Gesundheit, Wirtschaft oder Energie ausführlich Stellung genommen. Am Wahlkampfstand wurden diese laut Partei jedoch nur äußerst selten ausgegeben, da die Informationen den meisten Bürgern nicht kompakt genug seien.20

Ähnlich wie Die Violetten fokussierte die Schöner Leben-Partei ihre Anstrengungen im Wahlkampf auf jene Stadt, in der die meisten ihrer Mitglieder und 16 Listenkandidaten lebten. So warb man hauptsächlich in Essen für die Ideen der Partei. Plakate, wie bei den Violetten in Oberhausen, gab es dort aber nicht. Wahlkampfstände im herkömmlichen Sinne gab es ebenfalls nicht. Man wollte flexibel bleiben. Zudem galt es, mit dem geringen finanziellen Budget hauszuhalten. Im Vorstand der Partei, welcher äquivalent zu den Violetten das elementare Gremium für die Wahlkampforganisation und -durchführung darstellte, entschied man sich deshalb dafür, lediglich mit kleinen Teams durch die Stadt zu ziehen, Flyer zu verteilen und die face-to-faceInteraktion zu suchen. Dementsprechend gingen Gruppen von bis zu fünf Personen mit Bollerwagen, Flyern und einigen Giveawayswie Rosen immer wieder auf Stimmenfang.21 Eine Art des Wahlkampfes, welche nicht nur die finanziellen, sondern auch die begrenzten Zeitressourcen der wenigen aktiven Wahlkämpfer schonen sollte. Man machte aus der Not eine Tugend – wie der Sprecher der Partei unterstrich. In der direkten Interaktion mit den Bürgern wurden von schöner Steuern über schöner Bildung bis hin zu schöner glauben alle Inhalte des Eckpunkteprogramms thematisiert. Schließlich gehört zu einem Schönen Leben mehr als ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Eckpunkte waren auch auf den Flyern der Partei zu finden. Zudem befand sich auf diesen immer ein Verweis zu den Online-Auftritten der Partei.22

Online versuchte die Schöner Leben-Partei, mittels ihrer Homepage und Facebook und auf Basis ihrer Eckpunkte die Vorstellungen eines schöneren Lebens überregional zu verbreiten. In Posts und Artikeln wurden die Inhalte der Partei dabei häufig mit Emojisoder Wörtern wie Einhorn, Einhornstaub und Glitzer verbunden. Zudem verwies man online auch auf die eigene Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik und dem Versagen der etablierten Parteien wie CDU, SPD oder Die Linke. Die Kommunikation von Inhalt, „Quatsch“ und Frust sollte dabei insbesondere von der Politik enttäuschte Menschen ansprechen und ihnen gleichzeitig zeigen, dass nicht alles ernst sein muss, Politik Spaß machen kann und das Träumen von einem schöneren Leben erlaubt ist.23

Auch Die Violetten nutzen das Internet, um überregional Werbung für ihre Ideen und Veranstaltungen zu machen. Ähnlich wie die Schöner Leben-Partei posteten sie dafür kleine Clips mit Statements zur Partei und ihren Wahlkampfthemen, Kurzberichte mit Bildern zu Wahlkampfveranstaltungen oder ausführlichere Argumentationspapiere zu bestimmten Inhalten der Partei. Auf Facebook konnten mit einigen Postssogar mehr als 13.000 User erreicht werden. Neben der Homepage und dem Facebook-Auftritt, verwalten und nutzen Die Violetten zahlreiche Foren rund um Spiritualität, Gesundheit, Tierschutz, Bildung, Energie, usw., um für sich zu werben. Negativ über andere Parteien oder deren Mitglieder äußerten sie sich nie, da dies der Spiritualität zuwiderlaufen würde.24

Das Internet, so ist man sich in beiden Parteien sicher, ist eine enorme Chance. Ein Sprungbrett für Kleinstparteien, vielleicht einmal ganz groß zu werden, da mit wenig Aufwand und Ressourcen verhältnismäßig viele Menschen erreicht werden können. Facebook und Online-Angebote wie der Wahl-O-Mat oder die WDR-Kandidatenchecks schaffen eine Öffentlichkeit, die früher nicht denkbar gewesen wäre. In Zukunft möchte man deshalb die Möglichkeiten des Internet noch intensiver und professioneller nutzen. Wie genau, steht noch nicht fest. Sicher ist jedoch, dass man neue Wege gehen möchte, um in Zukunft noch mehr Menschen von den eigenen Ideen zu überzeugen.

6. Fazit

Mit einem Programm rund um Spiritualität zogen Die Violetten NRW zum zweiten Mal in der Parteigeschichte in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf. Die erst 2016 gegründete Schöner Leben-Partei war mit ihren Ideen hingegen zum ersten Mal bei einer Wahl vertreten. Auch wenn beide Parteien letztendlich 4,9% vom Einzug in den Landtag entfernt gewesen sind, so stellen allein die Teilnahme und die Tatsache, jeweils knapp 6.000 Bürger dazu bewegt zu haben, den kleinen Parteien ihr Vertrauen zu schenken, einen Erfolg dar. Schließlich waren die personellen und finanziellen Ressourcen stets knapp. Mit Kreativität, viel Engagement und Fleiß versuchte man trotzdem, das Beste rauszuholen. Man organisierte einen Straßenwahlkampf, klientelspezifische Wahlveranstaltungen und baute die Online-Präsenz aus. Ein Wahlkampf, der an den Kräften der wenigen Mitglieder zerrte. Nichtsdestotrotz ist man sich einig, auch bei der nächsten Landtagswahl wieder angreifen zu wollen.

Literatur:

Die Violetten: Wahlprogramm der Violetten zu Landtagswahl NRW 2017,
URL: http://nrw.die-violetten.de/files/Wahlprogramm-LTW-2017.pdf, Aufruf vom 28.08.2017.

Grundmann, Sven Sebastian: Schöner Leben,
URL: http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/nordrhein-westfalen-2017/246497/schoener-leben, Aufruf vom 28.08.2017.

Hugendubel, Maximilian: Die Violetten – für Spirituelle Politik,
URL: http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/nordrhein-westfalen2017/246071/die-violetten, Aufruf vom 28.08.2017.

Landeswahlleiter: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2010,
URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2010/index.html, Aufruf vom 28.08.2017.

Landeswahlleiter: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2017,
URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2017/index.shtml, Aufruf vom 28.08.2017.

Schöner Leben: Programmatische Eckpunkte zur Landtagswahl NRW,
URL: http://www.schoenerleben.jetzt/programmatische-eckpunkte-zur-landtagswahl-nrw/, Aufruf vom 28.08.2017.

Troesser, Julia: Kleinstparteien in NRW. Unverbesserliche Weltverbesserer, Spiegel.de vom 05.04.2010, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kleinstparteien-in-nrw-unverbesserliche-weltverbesserer-a-686548-2.html, Aufruf vom 28.08.2017.

Zitationshinweis:

Richter, Philipp (2019): Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategien der Parteien Die Violetten und Schöner Leben für die NRW-Landtagswahl 2017, Dossier, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/die-wahlkampf-und-kommunikationsstrategien-der-parteien-die-violetten-und-schoener-leben-fuer-die-nrw-landtagswahl-2017/

  1. Troesser, Julia: Kleinstparteien in NRW. Unverbesserliche Weltverbesserer, Spiegel.de vom 05.04.2010, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kleinstparteien-in-nrw-unverbesserliche-weltverbesserer-a-686548-2.html, Aufruf vom 28.08.2017. []
  2. Landeswahlleiter: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2017, URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2017/index.shtml, Aufruf vom 28.08.2017. []
  3. Hugendubel, Maximilian: Die Violetten – für spirituelle Politik, URL: http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/nordrhein-westfalen-2017/246071/die-violetten, Aufruf vom 28.08.2017. []
  4. Die Violetten: Wahlprogramm der Violetten zur Landtagswahl NRW 2017, URL: http://nrw.die-violetten.de/files/Wahlprogramm-LTW-2017.pdf, Aufruf vom 28.08.2017. []
  5. Ebenda. []
  6. Ebenda. []
  7. Interview mit Karin Schäfer, der Landessekretärin, und Rainer Schäfer, dem Referenten für Messen und Veranstaltungen der Partei Die Violetten. []
  8. Grundmann, Sven Sebastian: Schöner Leben, URL: http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/nordrhein-westfalen-2017/246497/schoener-leben, Aufruf vom 28.08.2017 []
  9. Bei den Open-Mic-Veranstaltungen lud die Partei die Öffentlichkeit ein, ergebnisoffen darüber zu diskutieren, was für ein schönes Leben notwendig ist. Die Ergebnisse verschiedener Veranstaltungen wurden dann gesammelt, ausgewertet und in das Wahlprogramm der Partei eingearbeitet. Vgl. dazu: Interview mit Andreas Brinck, dem Sprecher der Partei Schöner Leben. Das Interview wurde durchgeführt durch den Verfasser dieses Beitrags. []
  10. Interview mit Andreas Brinck (Schöner Leben). []
  11. Schöner Leben: Programmatische Eckpunkte zur Landtagswahl NRW, URL: http://www.schoenerleben.jetzt/programmatische-eckpunkte-zur-landtagswahl-nrw/, Aufruf vom 28.08.2017. []
  12. Schöner Leben: Programmatische Eckpunkte zur Landtagswahl NRW, URL: http://www.schoenerleben.jetzt/programmatische-eckpunkte-zur-landtagswahl-nrw/, Aufruf vom 28.08.2017. []
  13. Ebenda. []
  14. Ebenda. []
  15. 2010 nahmen die Violetten das erste Mal an einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen teil. Dabei erhielten sie insgesamt 5.968 bzw. 0,1% der Zweitstimmen. Vgl. dazu: Landeswahlleiter: Wahlergebnisse in NRW. Landtagswahl 2010, URL: https://www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2010/index.html, Aufruf vom 28.08.2017. []
  16. Interviews mit Karin Schäfer und Rainer Schäfer (Die Violetten). []
  17. Nach dem Entschluss, bei der Landtagswahl 2017 antreten zu wollen, arbeiteten bei Schöner Leben knapp 20 der Mitglieder aktiv mit. Im Zeitverlauf lichteten sich die Reihen jedoch ähnlich wie bei den Violetten. Final kämpften lediglich noch fünf Personen bis zum Wahltag aktiv für den Erfolg der Partei. Vgl. dazu: Interview mit Andreas Brinck (Schöner Leben). []
  18. Ebenda. []
  19. Interview mit Karin Schäfer und Rainer Schäfer (Die Violetten). []
  20. Ebenda. []
  21. Sowohl die Flyer der Schöner Leben-Partei als auch jene der Violetten NRW waren so konzipiert worden, dass sie sowohl zur Landtags- als auch zur Bundestagswahl verteilt werden konnten. Die Kosten im Falle einer möglichen Doppelbelastung durch zwei aufeinander folgende Wahlkämpfe sollten so niedrig gehalten werden. []
  22. Interview mit Andreas Brinck (Schöner Leben). []
  23. Ebenda. []
  24. Interview mit Karin Schäfer und Rainer Schäfer (Die Violetten). []

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