Ein Präsident und (s)ein Sender

Prof. Dr. Klaus Kamps, der an der Hochschule der Medien in Stuttgart tätig ist, zeigt, dass die Beziehung zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem Sender Fox News über Tendenzjournalismus hinausgeht. Beispielsweise unterhält Fox News Moderator Sean Hannity enge Kontakte mit dem Präsidenten und setzte sich im Wahlkampf für Trump ein. Wie äußert sich die besondere Beziehung zwischen dem Präsidenten und Fox News und was bedeutet diese enge Verflechtung für Bürger und Politik?

Januar 2018, Hidalgo County, Texas. Während in Washington der längste Government Shutdown der amerikanischen Geschichte den politischen Betrieb lähmt, findet das Weiße Haus am Ufer des Rio Grandes, gleich gegenüber Mexiko, eine idyllische Gelegenheit, den Präsidenten auf einem Abstecher in die Südstaaten ins rechte Licht zu rücken: Dutzende Ballen konfisziertes Rauschgift, gerahmt von bewaffneten Grenzwächtern mit Grenzblick, markieren Trumps Anspruch auf Notstand und Mauer. Doch fällt den Journalisten gleich mehr auf als das kameragerechte Bühnenbild. Als sie die Szenerie betreten dürfen, ist einer längst da: Sean Hannity, Fox News Moderator, vertraut plaudernd im Kreis der Regierungsbeamten

Ein Präsident und (s)ein Sender

Donald Trump und Fox News

Autor

Klaus Kamps ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Öffentlichkeit, Politische Kommunikation, Medienpolitik und die USA.

Januar 2018, Hidalgo County, Texas. Während in Washington der längste Government Shutdown der amerikanischen Geschichte den politischen Betrieb lähmt, findet das Weiße Haus am Ufer des Rio Grandes, gleich gegenüber Mexiko, eine idyllische Gelegenheit, den Präsidenten auf einem Abstecher in die Südstaaten ins rechte Licht zu rücken: Dutzende Ballen konfisziertes Rauschgift, gerahmt von bewaffneten Grenzwächtern mit Grenzblick, markieren Trumps Anspruch auf Notstand und Mauer. Doch fällt den Journalisten gleich mehr auf als das kameragerechte Bühnenbild. Als sie die Szenerie betreten dürfen, ist einer längst da: Sean Hannity, Fox News Moderator, vertraut plaudernd im Kreis der Regierungsbeamten – und nicht, wie die anderen Medienleute, abgeschirmt vom Secret Service jenseits der Absperrung. Auch das, wenn man so will, ist eine klare Botschaft. Fox News und sein Aushängeschild: Teil der Regierungsmannschaft (Mayer 2019).

Wirklich überrascht hat das wahrscheinlich nur wenige. Während Trump den anderen großen Networks bislang in seiner Präsidentschaft zusammengenommen gerade einmal ein Dutzend Interviews gewährt (CNN keines), ist er nahezu wöchentlich bei Fox zu erleben. Dass die Beziehung zwischen Fox und dem Weißen Haus unter The Donald mehr ist als „nur“ Tendenzjournalismus US-amerikanischer Provenienz, demonstriert Hannity eindrücklich im Oktober 2018. Einen Tag vor den Kongresswahlen, den Mid Terms, kündigt er in Missouri (und mit reichlich Überschwang) auf der Rednertribüne den Präsidenten an – entgegen vorheriger Beteuerungen, von der Kampagne nur live zu berichten und sich nicht einzuspannen. Gleich nach Rush Limbaugh, einem Moderator mit Hang zu (euphemistisch) erzkonservativer Streitkultur, erscheint Hannity auf der Bühne und bereitet die wartende Menge auf das vor, was sie eh erwartet. Sein erstes Statement: „By the way, all those people in the back are fake news.“1 Und das war noch nicht einmal lustig gemeint. Entschuldigt hat er sich dann doch – entschuldigt, wohlgemerkt, bei einigen Kollegen von Fox, die neben den „people in the back“ standen und offenbar etwas indigniert waren.

Tatsächlich stellt sich kaum die Frage, ob Fox News überhaupt noch parteipolitisch ungebunden agiere. Aber in Frage stehen nicht nur die (gelegentlich skurrilen) Formen der Berichterstattung über Trump im Weißen Haus, sondern auch die Folgen dieser für westliche Demokratien ungewöhnlichen Nähe zwischen Regierung und Sender (und wie es dazu gekommen ist). Eine kleinere, mindestens symbolische Auswirkung auf das nächste Rennen um die Präsidentschaft zeichnet sich dann im Frühjahr 2019 ab: Die Demokraten schließen Fox als „Medienpartner“ von den Debatten ihrer Vorwahlen aus. Immerhin stilkonsequent, dass der Präsident sofort zur Seite eilt und zurück twittert:„Good, then I think I’ll do the same thing with the Fake News Networks and the Radical Left Democrats in the General Election debates!“ Man mag von der Hermeneutik halten, was man will. Aber sie hat eine schöne, zentrale Prämisse: In allen menschlichen Schöpfungen ist – Sinn. Abzuwarten, ob der Präsident bis zu den Wahlen ein passendes Dekret findet.

Auf dem Fernsehboulevard

Die Gründung des Kabelsenders Fox News wird oft mit der Aufhebung der Fairness Doctrine und dem Aufstieg des Conservative Talks Radios verbunden. Tatsächlich wird Fox 1996 auch nach dem Vorbild der Boulevard-Presse, die Rupert Murdoch in England und Australien aufgebaut hat, als ein Fernsehformat gegründet, das die „einfachen Leute“, die Arbeiter und Angestellten anspricht, sich gegen einen liberalen Bias, eine (vermeintliche) Linkslastigkeit der Mainstream Media stemmt und dabei den Ansatz des seit Jahren so erfolgreichen Talk Radios von Rush Limbaugh vor Augen hat – zumindest in einigen Sendungen: staatskritisch, polarisierend, konservativ bis ins Mark. Limbaugh startete 1984 in Sacramento mit einem lokalen Sender, war mit seiner Call-in-Show bald sehr populär und ging ab 1988 landesweit auf Sendung – ein Jahr nachdem die Federal Communications Commission (FCC) eben jene Fairness Doctrine abgeschafft hatte.

Freilich sind ältere Vorbilder zu nennen: Bereits in den 30er Jahren positionieren sich die Chicago Tribune oder die New Republik (und mehr) als anti-interventionistische Medienorgane einer konservativen Opposition gegen den New Deal, den sie als Regulierungsdepotismus verteufeln. Schon hier findet sich der Gedanke, ein böswilliger medialer Mainstream klammerekonservative Positionen systematisch aus – was verheerend wäre, schließlich sei Verbreitung einer (politischen) Idee so wichtig wie die Idee selbst. Nach dem Krieg formieren sich neue Medienunternehmen, die für sich in Anspruch nehmen, Fakten – im Gegensatz zu den Liberal Media – akkurat zu präsentieren. Interessanterweise will man erst gar nicht einer Leitlinie journalistischer Überparteilichkeit folgen, ja man spielt sie nicht einmal vor. Die Herausgeber etwa von Human Events erklären freimütig, primär Themen und Positionen aufzugreifen, die die liberalen Medien vernachlässigen. Und sie wollen aus einer parteipolitischen Warte berichten – was üblichen journalistischen Standards schon deshalb nicht widerspreche, weil ihre Weltsicht ja „korrekt“ sei (und da käme es auf Distanz nicht weiter an) (Hemmer 2016, S. 33). Derart wird bis in die 1960er Jahre ein gutes Dutzend Medienunternehmen gegründet, die über Magazine, Bücher, Journale, das Radio und später das Fernsehen explizit ein netzwerkartiges Korrektiv gegenüber den so schädlichen Verzerrungen des Mainstreams darstellen wollen. Als Fox News mit seinem programmatisch gemeinten Motto „Fair and Balanced“ auf Sendung geht und lange bevor Donald Trump die politische Bühne betritt, ist die Kritik an den marktbeherrschenden Liberal Media längst Teil der konservativen DNA Amerikas. „Annoy the Media: Re-elect George Bush“ (Groelling 2008, S. 634) – so ein Wahlkampfslogan von 1992: Die Idee eines meinungsorientierten Journalismus als eine Art Gegengift begleitet die Mediengeschichte der USA schon Generationen.

Das hatte man sich eigentlich anders vorgestellt. Mit dem Radio Act von 1927 beginnt die Regulierung des Rundfunks. Was als Fairness Doctrine die US-Medienpolitik über Jahrzehnte beschäftigt, entwickelt sich in Stufen und beruht im Kern auf dem Gedanken, dass eine inhaltsbezogene Regulierung im Rundfunk so zulässig wie notwendig sei, weil sich dort neben privatwirtschaftliche Profitinteressen ein öffentliches Interesse geselle. Die nur begrenzt verfügbaren Funkwellen könne sich nicht jeder greifen. Sichergestellt werden müsste, dass der Rundfunk nicht nur der Unterhaltung diene; er dürfe auch nicht Propagandainstrument einer Partei oder Religionsgemeinschaft oder gar Regierung sein. Für europäische Nachkriegsohren klingt das einigermaßen vernünftig. Im Amerika der späten 20er Jahre wird es rasch als staatliche Gängelung gelesen. Derart eignet sich die Doktrin über Jahrzehnte als Beweis für überbordenden Staatsinterventionismus, bürokratischen Unsinn und, auch das, Freiheitsberaubung. Wie genau soll man denn Fairness garantieren? Das größte Problem war tatsächlich die praktische Umsetzung – ein Alptraum im Tagesgeschäft „Ausgewogenheit“ zu operationalisieren und zu garantieren. Kernkonzepte wie eben „Fairness“ oder „kontroverse Themen“ und „adäquate Antwortmöglichkeiten“ (auf Kritik) blieben trotz dutzender Versuche weitgehend unscharf. Im Zuge der De-Regulationspolitik unter Ronald Reagan schafft die FCC die Doktrin 1987 ab. Sie hätte wohl keine direkten Auswirkungen auf Fox News gehabt (weil sie sich nicht auf das Kabelfernsehen erstreckte), doch gehört dieser Prozess zum medienpolitischen Kontext der Gründung von Fox News.

Vor allem ist der Sender auch ein Ergebnis der durch die Kabel- und Satellitentechnik möglichen Kanaldifferenzierung Mitte bis Ende der 90er Jahre. Mit dem Golfkrieg von 1991 behauptet sich CNN allen Unkenrufen zum Trotz als reiner Nachrichtensender. 1995 scheitert Rupert Murdoch dann darin, CNN zu übernehmen – und versucht es mit einer eigenen Gründung. Auf den Plan tritt Roger Ailes, der erste Präsident von Fox. Er bringt einen dezidiert konservativen Touch ins Spiel (Hemmer 2016, S. 265). Offenbar ging auch Murdoch (ökonomisch) von der Wettbewerbsstrategie einer „Spezialisierung“ als Gegenpart zur vorherrschenden liberalen Meinungsmachtaus; Ailes aber spielt die parteipolitische Karte als Trumpf und entwickelt ein Programm, das die Fragmentierung des Nachrichtenpublikums einkalkuliert und dessen Produkte mindestens in Teilen (den Cable Talks) darauf aus sind, die Weltsicht ihres konservativen Publikums nicht zu irritieren, sondern es in seinen Ansichten zu bestätigen – und nicht etwa, journalistische Distanz zu wahren, zu moderieren und „both sides of the story“ abzudecken. Kurz: Produktdifferenzierung durch politische Identität (gepaart mit einem Schuss Elitenkritik).

Dabei kämpfen die Kabelsender früh mit einem schrumpfenden Publikumsmarkt. In den 70er Jahren erreichten die abendlichen Hauptnachrichten des terrestrischen Rundfunks (Broadcasting) noch rund 90 Prozent der (erwachsenen) Amerikaner. Und 1993 gaben – immerhin – rund zwei Drittel an, regelmäßig Kabelnachrichten einzuschalten; bis 2004 hat sich diese Zahl dann aber fast halbiert (Morris 2005). Um 2002 verdrängt Fox CNN an der Spitze der Kabelfernsehsender. Die programmatische Ausrichtung hat Erfolg. Ein Jahr zuvor übernahm die Fox-Show The O’Reilly Factor die Spitze der Kabelformate. Etwa ab 2004 zeigen die Zahlen dann eine beginnende Polarisierung der Zuschauer: Anhänger oder Wählerinnen der Republikaner wenden sich nun Fox News zu und – das ist wichtig – beginnen andere Sender bzw. Nachrichtenformate zu ignorieren (Morris 2005, S. 66). Bisheute zeigen verschiedene Studien diesen Trend: Amerikaner, die sich mit der republikanischen Partei identifizieren, verlassen sich weitaus mehr als andere auf einen Nachrichtensender: Fox. Derzeit verzeichnet der Sender rund 2,7 Milliarden Dollar jährlichen Gewinn. Die besten Einschaltquoten liefern die Shows morgens und abends. Sie definieren den konservativen Kern des Senders; morgens Fox & Friends, abends sind es anfangs The O’Reilly Factor und heute Hannity. Solche Sendungen führen den Unterschied etwa zu CNN klar vor Augen: In den Primetime-Formaten überwiegt bei CNN die Reportage und das Interview, während Fox sehr personenorientiert berichtet, oft offen parteiisch und konsequent skandal- und konfliktorientiert.

Ein ungeliebter Präsident, mindestens

Spätestens mit der frühen Festlegung auf George W. Bush als Sieger von Florida und damit der US-Präsidentschaftswahl 2000 ist Fox fest mit einer konservativen Agenda liiert. Doch ist es einige Jahre später die Opposition gegenüber der Präsidentschaft des Demokraten Barack Obama, die dieser Beziehungordentlich Schwung gibt. Denn Obama „erbt“ mit der Finanzkrise von 2008 (und ihrer Bewältigung) die Tea Party: Eine für den Sender außerordentlich geeignete Plattform, emotionale Nachrichtenberichterstattung im konservativen Milieu weiter zu verankern. Murdoch und Ailes wehren sich zunächst gegen die aufkommende Kritik an einem Tendenzjournalismus und beteuern, sie würden keine Partei unterstützen, auch nicht die Tea Party. Aber das nimmt ihnen bald – wenn überhaupt – nur noch die eigene Klientel ab. Limbaugh und Hannity scheinen die Bewegung nachgerade zu adoptieren. Veranstaltungen wie der March on Washington werden detailliert besprochen – und beworben und geben den Protesten eine hohe Medienpräsenz. Ein Medienjournalist der Los Angeles Times: „Fox has been building up to the protests with Super Bowl-style intensity. Promos promise ‚powerful‘ coverage of an event that will ‚sweep the nation‘“ (zit. n. Brock et al. 2012, S. 112). Hannity verlegt bei Zeiten seine Show auf Tea-Party-Events, und das ist nur der logistische Part. Man merkt schnell, dass sich hier ein Werbefenster öffnet. Die Tea Party bringt dem Sender höchste Einschaltquoten.

Nun kann man durchaus nachvollziehen, als politisches Anliegen in der Krise ein Re-Framing des „Freien Marktes“ anzustreben. Hier aber verlegt sich ein Sender in journalistischen Nachrichtenformaten darauf – mit einer langen Liste an „Narrativen“, deren Haupttenor der nahe Untergang Amerikas ist („the end of America as we know it“), den „Washington“ verantworte, vornehmlich das liberale Washington natürlich (aber auch konservative Politiker, die zu bedenklichen, unamerikanischen Kompromissen neigen). Daran gibt es viele Anschlüsse und Geschichten in praktisch jedem Politikfeld, z. B. in dem der Öko-Terroristen, die mit ihren Gängelungen und Regulierungen und der Tyrannei erneuerbarer Energie einfach nur Jobs kosten. Fox vermag die Finanzkrise in vielen Facetten sehr persönlich zu erzählen und bietet darüber Integration und Identität für jene, denen der amerikanische Traum irgendwie abhandengekommen ist.

Man braucht auch nicht sonderlich viel Anlauf, um mit Barack Obama im Weißen Haus den Kern allen Übels zu identifizieren. Rush Limbaugh gibt wenige Tage vor Obamas Inauguration die Marschroute vor: „I hope he fails“ (Brock et al. 2012, S. 92). Am Tag zwei sieht ein „enttäuschter“ Hannity nichts vom versprochenen Change: „Socialism has failed“. Tag drei bringt bei Laura Ingraham die Erkenntnis, das Land sei unter Obama auf keinen Fall sicherer geworden. Tag vier erlebt die Falschmeldung, Obama habe offiziell den War on Terror für beendet erklärt. Am ersten Wochenende der Präsidentschaft fragt sich der Fox News Gastgeber Mike Huckabee, seufzend, ob das wirklich der Wandel sei, für den das Land optiert habe. Am Sonntag schließlich gibt Brit Hume Obama einen Ratschlag der besonderen Güte: „You can’t break all your campaign promises“ (Ebd.). Man möchte ein Buch darüber schreiben.

War Fox in der Präsidentschaft Bush noch so etwas wie ein selbstbewusster Cheerleader, formiert sich der Sender nun zur Mobilisierungsplattform gegen Obama. Politisch steht bald die Gesundheitsreform im Mittelpunkt der Kritik – was nicht sonderlich verwunderlich ist, da die Reform von konservativer Seite betrachtet alles besitzt, was für Big Government, Bevormundung freier Bürgerinnen und Bürger, sozialistische Regulierungswut und aberwitziger Umverteilungspolitik steht. Fox wird spätestens hier zum politischen Akteur und ruft u. a. zu Protesten auf. Glenn Beck spricht von einem „endgame“, einer „fundamental transformation of America“ (Brock et al. 2012, S. 14): Passende Kaliber, immerhin strebt Obama weitreichende Änderungen in der Gesundheitspolitik an.

Der Fox-Protest dagegen ist eine Blaupause für eine basale, auch demokratiepolitische Problematik. Zum einen handelt es sich bei der Gesundheitsreform um ein ausnehmend komplexes, ideologisch besetztes Vorhaben, das prägnant, verständlich, lebensnah und aus dutzenden Blickrichtungen erzählt werden kann (und wird) und dessen Details dann mitunter dem emotional eindringlichen Plot weichen. Mit der Kritik an der Reform lässt sich facettenreich und scheinbar sachbezogen Fundamentalopposition betreiben. Dem folgt zum Zweiten, dass Zuschauer, die sich in derartigen Policies auf Fox verlassen (und auf die Akteure, die dort zu Wort kommen), nicht selten völlig falsche Vorstellungen hegen: Beispielsweise glaubten seinerzeit knapp drei Viertel der Fox-Zuschauer – fälschlich -, dass Obamas Plan illegalen Migranten und amerikanischen Staatsbürgern die genau gleiche Versorgung gewähre. Hier ließe sich eine lange Liste solcher Annahmen zu Obamacare aufführen (was zu anderen Vorhaben Obamas ähnlich festgestellt wurde). Ein Höhepunkt, der die Reform über Monate in den Schlagzeilen hielt, wurde durch einen facebook-Beitrag von Sarah Palin ausgelöst, den Fox aufgriff und so schnell nicht losließ: Dass künftig die Regierung respektive Regierungskommissionen darüber entscheiden würden, wann in kritischen Umständen überlebenswichtige Geräte abgestellt oder wichtige Medikationen zu unterlassen seien. Diese Death Panels – die es nicht geben sollte, was jedoch rund drei Viertel der Fox-Zuschauer glaubten – beherrschten über Monate die Diskussion.

Neben die Wirtschaftskrise und die Gesundheitsreform tritt ab dem Frühjahr 2011 das Birther-Thema: die (Verschwörungs-)Theorie, Barack Obama sei nicht in den USA geboren und somit ein Usurpator des Weißen Hauses. Die „Idee“ steht seit Beginn der Obama-Präsidentschaft im Raum, interessanterweise findet sie zunächst bei Fox jedoch keinen Anklang. Glenn Beck nennt die „Birther“ „Idioten“, Bill O’Reilly „verwirrt“ (zit. n. Brock et al. 2012, S. 252). Die Storymacht zunächst keine Karriere – bis im März 2011 dann Donald Trump als Gast des öfteren in der Morgensendung Fox & Friends erscheint. Er promoviert eine neue Staffel seiner Show Celebrity Apprentice: Was legitim ist, aber im Talk-Format irgendwie unterfüttert werden muss, z. B. mit einer politischen Kontroverse. Und Trump kann „Birther“ wie kaum ein anderer. Ihm fallen die Zitate nur so aus dem Mund, etwa: „Obamas family doesn’t even know what hospital he was born in“ (zit. n. Mayer 2019). Mit Trump schwenkt nun auch ein verständnisvoller Hannity auf Linie: Die Umstände seien ja auch „odd“ (ebd.). Warum rückt das Weiße Haus nicht mit der Urkunde raus? Die „Theorie“ hält sich über Wochen. Irgendwie musste die Sache mit Obama ja einen Haken haben. Selbst als der Präsident die Behörden bittet, die Urkunde zu veröffentlichen (was dann geschieht), ist keine Ruhe. In einer Art Showdown mit seinerzeit unabsehbaren Folgen (einer spät wirksam werdenden Animosität) versucht Obama Ende April 2011 auf dem White House Correspondents’ Dinner, in Anwesenheit von Trump, die Sache auf humorvolle Weise zu begraben. Vergeblich. Trump behauptet noch Jahre später, die Urkunde könnte eine Fälschung sein. Es lebe der Konjunktiv.

Acht Jahre Präsidentschaft Obama: Man könnte eine lange Liste ähnlicher und ernsterer politischer Vorgänge anführen, etwa die Berichterstattung um das Attentat auf das US-Konsulat in Bengasi, Libyen, im Herbst 2012 – die Außenministerin Hillary Clinton bis in den Wahlkampf verfolgt. Erwähnt sei der Vorwurf von Glenn Beck (Juli 2009), Obama sei ein hasserfüllter Rassist: „This president, I think, has exposed himself as a guy, over and over again, who has a deep-seated hatred for white people or the white culture“ (zit. n. Brock et al. 2012, S. 143).Oder die von Fox hochgehaltene Behauptung, die Naturwissenschaftler seien sich nicht einig darin, ob es einen Klimawandel gäbe. Kurz: in der Präsidentschaft Obamas ist Fox nicht „nur“ ein kritischer, konservativer Sender. The New Yorker zitiert Ailes in einem Hintergrundbericht jener Zeit: „I want to elect the next president“ (zit. n. Mayer 2019). Der Nachrichtensender sieht sich selbst nicht nur als meinungsorientierten Nischenjournalismus, sondern auch als soziale Bewegung, als Opposition. Fox arbeitet nicht nur für die Konservativen; es gilt auch reziprok: die Konservativen arbeiten für Fox.

Im Laufe der Obama-Jahre richtet sich das politische Fernsehpublikum des Landes auf einem Inselparadies ein. Barack Obama selbst spricht von einer „Balkanisierung“, kein gemeinsamer Platz, kein Austausch (Niederberger 2016, S. 183): Die Leute bleiben unter sich, schalten ein, was ihre Weltsicht bestätigt. Das ist etwas überzeichnet, tatsächlich aber entwickelt sich eine polare Welt, in der vor allem konservative Amerikaner sich mit Fox begnügen und von anderen journalistischen Inhalten immer weniger erreicht werden. Und irgendwann, etwa um 2012 herum, hat der Sender schließlich so etwas wie die Exklusivrechte über das (erz-)konservative Amerika, das Trump später braucht und bespielt (Aber auch das war anfangs erst einmal schwierig). So klein ist die frühere Nische dann schon lange nicht mehr. Und mit dem Erfolg dieser Orientierung können sich Konservative schließlich (relativ) sicher sein: Hier werden wir mit unangenehmer Kritik nicht konfrontiert – wenn die Positionen denn auch scharf genug sind. Spätestens bei den Mid Terms 2012 ist es für republikanische Kandidaten obligatorisch, in die Talks von Fox eingeladen zu werden. Der Sender wird zum Königsmacher. Dick Morris, Politikberater, findet dazu bei Fox & Friends einen fast schon historischen Merksatz: „You don’t win Iowa in Iowa. You win it on this couch“ (Zit. n. Hemmer 2016, S. 273).

Kandidatur, Tabloid Style

Trumps Ankündigung, für die Präsidentschaft zu kandidieren, steht anfänglich (auch im republikanischen Lager) unter dem Verdacht, nur ein Marketinggag zu sein. Die Kandidatur wird auch von Fox zunächst eher beäugt denn promoviert, ja Murdochs Wall Street Journal positioniert sich zu Beginn der Vorwahlen sogar dezidiert gegen Trump. Murdoch und Ailes scheinen bis etwa Januar 2016 auf Marco Rubio gesetzt zu haben.

Allerdings beobachtet man auch, wie die rechtskonservative Netzseite Breitbart mit Trump enorme Klick-Raten generiert. Er gilt rasch als Klick-Garant und erhält ebenso schnell von der Presse wie von den elektronischen Medien die größte Aufmerksamkeit – und bleibt die gesamte Kampagnenperiode hindurch der Kandidat, der am meisten Earned Media erreicht (Patterson 2016). Zugleich setzt er sich Stück für Stück an die Spitze des republikanischen Kandidatenkreises: Mit einem Wahlkampf, der noch künftig schwer zu überbieten sein wird mit seinen freischaffenden Gegnerbeschreibungen und polternden, drohenden Verbalinjurien, die bislang bekannte Formen des Negativ Campaigning in den Schatten stellen. Der Fokus auf Trump wird da zu einer Frage der Ökonomie. Alle Kabelsender und auch die Broadcaster profitieren von ihm: Schon im Februar 2016 äußert Leslie Moonves, der Chef von CBS, in einem Interview: „It may not be good for America, but it’s damn good for CBS“. (Schrill, subversiv, destruktiv und skandalös – das ist der Bias amerikanischer Medien nicht „liberal“, sondern „negativ“.)

Bei Fox macht Trumps Stil Roger Ailes zunächst noch nervös. Er gilt als Wild Card. Der Sender lotet ihn erst aus, und so ist zu erklären, dass Megyn Kelly, Fox News Moderatorin, in einer frühen Debatte der republikanischen Vorwahlen Trump kritisch befragt, zu kritisch für The Donald. Der poltert vulgär und boykottiert für kurze Zeit den Sender (bis man ihm versichert, künftig „fairer“ mit ihm umzugehen). Vor allem Sean Hannity unterstützt ihn früh und gibt dem ungewöhnlichen Kandidaten mediale Ratschläge. Dann muss Roger Ailes Fox aufgrund von Vorwürfen der sexuellen Belästigung verlassen, und nun fällt jede Zurückhaltung. Schon im Wahlkampf – wie später in der Präsidentschaft – telefoniert Hannity häufig mit dem Kandidaten (manche sagen täglich): „Kein Problem“, erklärt er der New York Times, er habe ja auch nie von sich behauptet, ein Journalist zu sein (zit. n. Wilson 2018, S. 208).

Bei aller Negativität: Am Ende beherrschen zwei Issues das Rennen. Trump wird zwar heftig mit Charakterfragen konfrontiert, politisch dann aber mit der Migrationspolitik assoziiert – was sich sachlich liest, aber von Stereotypen, Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen getragen wurde, auch von Zukunftsängsten und Ungewissheiten. Hillary Clintons Thema, das an ihr klebt, sind die E-Mails: Einerseits die hausgemachte Problematik der Nutzung eines unsicheren, privaten Servers in ihrer Amtszeit als Außenministerin; andererseits das Hacking und die sukzessive Veröffentlichung skandalträchtiger Mails der demokratischen Partei in der Hochphase des Wahlkampfs. Man könnte noch diverse Korruptionsvorwürfe an die Clinton-Stiftung nennen oder den so genannten Lolita Express, der hässliche Anklagen der Pädophilie des ganzen Rigth-Wing-Media-Komplexes gegen die Clintons auslöst.

Im Verhalten von Fox in diesem Wahlkampf stechen bei allem, was wir bislang erwarten dürfen, doch zwei Dinge heraus. Erstens: Hannity verfolgt mit Verve den Gedanken, dass das Hacking der E-Mails der Demokraten ein Inside Job war (und nicht „die Russen“) – und zwar begangen von Seth Rich, einem Mitarbeiter der Demokraten, der in Washington ermordet wurde. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt, und so hält sich das Verschwörungsnarrativ eines Cover up lange und wird erst 2017 heruntergefahren, als die Eltern von Rich den Sender öffentlich scharf kritisieren und Werbekunden beginnen, sich demonstrativ abzuwenden. Zweitens: Kurz vor der Wahl hält Fox Informationen zur Stormy Daniels-Affäre von Donald Trump zurück. Eine Reporterin, die seit dem Frühjahr 2016 recherchiert hatte, wird immer wieder vertröstet, und es dauert bis 2017, bis die Öffentlichkeit vom Catch and Kill Deal des National Enquirer mit Daniels erfährt. (Der Enquirer kauft die Exklusivrechte an der Geschichte, veröffentlicht dann aber nichts.)

Journalistische Standards? Dazu bemerkte Alisyn Camerota, eine Fernsehmoderatorin, die von Fox & Friends zu CNN wechselte: „The single phrase I heard over and over was ‚This is going to outrage the audience!‘ You inflame the viewers so that no one will turn away. Those were the standards“ (Zit. n. Mayer 2019). ImWahlkampf 2016 hat Fox, so der Eindruck, die Grenzen des Journalismus hinter sich gelassen. Es ist ein Punkt erreicht, an dem der Sender und seine Reporter im Prinzip machen können, was sie wollen, da sie keinen journalistischen Preis dafür bezahlen. Fehlerhaft? Falsch? Tendenziös? Man kennt keine institutionalisierte Fehlerbekämpfung. Das einzige bislang bekannte Korrektiv: Werbetreibende, denen es zu bunt wird.

ParalleleWelten, geteilte Welten

Es dürfte uns kaum noch verwundern, dass Sean Hannity hinter vorgehaltener Hand im Weißen Haus Shadow Chief of Staff genannt wird (Mayer 2019): Er selbst behauptet gegenüber Kollegen, er telefoniere praktisch jeden Abend mit dem Präsidenten. Trump wiederum unterhält sich offenbar (wie sein Schwiegersohn Jared Kushner) häufig mit Rupert Murdoch, den er seit den 70er Jahren kennt. Kontakt und personelle Verflechtungen sind die Säulen der Special Relationship von Trump und Fox. So war beispielsweise von Juli 2018 bis März 2019 Bill Shine, der ehemalige stellvertretende Präsident von Fox, Director of Communications (und zugleich stellvertretender Stabsleiter) im Weißen Haus (ebd.). John Bolton, Nationaler Sicherheitsberater, war ebenso wie seine kurzzeitige Stellvertreterin, Kathleen McFarland, zuvor Fox-Kommentator – kein einfacher Call-in-Job, wohlgemerkt: Bolton meldete für 2017 ein Einkommen von über einer halben Million Dollar allein durch seine Auftritte bei Fox (Woodward 2018, S. 87). Und die Beziehung fruchtet auch umgekehrt: Die Vorgängerin von Bill Shine, Hope Hicks, führt seit Anfang 2019 die Public Relations Abteilung bei 21stCentury Fox.

Wie selbstverständlich lässt sich das Personal in politische Argumentation übersetzen. Sebastian Gorka, ebenfalls ein früherer Trump-Berater und nun regelmäßiger Gast bei Fox, feiert dort die andernorts kritisierte Finanzierung der Mexiko-Mauer Trumps als „Meisterstück“. Womit wir gleich bei einer ersten Kategorie der strategischen Nutzung dieser besonderen Beziehung wären, dem Spin. Zusammen mit dem Twist, dem Counternarrative, dem Gemeinsamen Schlachten und dem Mouthpiece bildet er das Rückgrat der präsidentiellen Kommunikation bei Fox.

Der Spin dreht alles, was anliegt, zu Gunsten des Präsidenten. So wurde, wie erwähnt, die Finanzierung der „Mauer“ durch einen Kompromiss, mit dem der Government Shutdown aufgehoben wurde, auch in konservativen Kreisen in Frage gestellt. Hannity hingegen bescheinigt dem Präsidenten Führungsqualitäten, er habe den Sumpf in Washington erfolgreich bekämpft. Die Süddeutsche Zeitung dazu: „Wenn Trump ein Pferd an den Supreme Court beriefe, wäre das für Sean Hannity der Anlass, die außergewöhnliche Weisheit des Präsidenten zu loben.“ (Zaschke 2019) Das sei, witzelt CNN, im Übrigen die beste Strategie, um nach Mar-a-Lago eingeladen zu werden: Trump über den Klee zu preisen, und sei es, so wiederum die Süddeutsche, mittels „permanente(r) Unterminierung der Wahrheit“ (ebd.).

Der Twist ist auch bekannt als Doppelmoral. Bei Fox meint das im Kern: Was bei Obama das Syndrom eines zum Scheitern verdammten sozialistischen Versuchs war, ist bei Trump Indiz von Cleverness und Weitblick. Wer sich diesen Wandel einmal genauer ansehen will, dem sei ein knapp vierminütiges Video auf Twitter empfohlen, das Now This News im April 2019 veröffentlichte: ein Zusammenschnitt von Fox’ Kritiken – an Obama. Er sei zu viel auf dem Golfplatz unterwegs (was sehr viel Geld koste), auf Twitter deutlich zu aktiv (unwürdig für einen Präsidenten), habe nur seine Wählerschaft im Blick, besitze die Unverschämtheit, seine Vorgänger zu kritisieren, benehme sich wie ein Schoolyard Bully, verstünde komplizierte Sachen nicht, könne nicht wirklich überzeugend reden, ja vergreife sich regelmäßig im Ton und treibe die Spaltung der Gesellschaft voran, abgesehen davon, dass er sich über Gesetze hinweg setzt und sich mit seinen Dekreten wie ein Diktator geriere, er vertrage keine Kritik und habe – das zuletzt – auch noch die Chuzpe, Fox Doppelmoral vorzuwerfen.

Das Counternarrative oder auch: die Gegenerzählung greift einen Aspekt eines Themas auf und bietet eine andere Leseweise. Im Detail funktioniert das als Framing. Beispielsweise wird nicht davon geredet, dass die Immigration auf einem 15-Jahres-Tief ist, nein, es ist eine Invasion. (Nebenbei: im Oktober 2018 erweist sich die Berichterstattung über eine sich der Grenze nähernde „Horde“ an Migranten aus Mittelamerika als Quotenhit des Jahres, besser noch als seinerzeit die Präsidentschaftskampagne.) Etwas ausholender geht es um komplexere Deutungshoheiten. Beispielsweise kann Fox natürlich die Mueller-Ermittlungen nicht ignorieren. Man kann aber die Untersuchungen als Beweis für den Deep State verkaufen; und damit ist nicht die Fernsehserie gemeint, sondern die Theorie, Geheimdienste und andere Bürokraten würden im Verborgenen konspirieren, um gewählten Politikern wie Trump ihren Willen aufzuzwingen. Die Gegenerzählung, in diesem Fall, versucht dann auch Mitarbeiter der Müller-Investigation zu diskreditieren (Benkler et al. 2018). Nicht Trump sei korrupt, es seien diejenigen, die ihm derart penetrant nachstellen. Deep State begleitete die Untersuchung im Grunde genommen seit Mai 2017, also seit der Entlassung von James Comey und der Einsetzung von Mueller als Sonderermittler. Die Gegenerzählung bietet außerdem Alternativen: Die einzige Kollusion, die es mit Russland gäbe, sei doch tatsächlich eine Affäre der Clintons: Hillary Clinton habe als Außenministerin fast 20 Prozent von Amerikas spaltbarem Uranium an Russland verkauft – im Gegenzug zu fantastisch hohen Spenden an die Clinton Foundation. Und dieser nukleare Ausverkauf der USA würde von den anderen Medien in einem gigantischen Cover up gedeckt. Bei Hannity versteigt sich Sebastian Gorka zu dem Vergleich, das alles entspräche dem Landesverrat von Julius und Ethel Rosenberg während des Kalten Krieges – und die seien immerhin zum Tode verurteilt worden. In einem schon typischem Pick up greift Trump das Thema zwei Tage später auf: „Uranium deal to Russia, with Clinton help and Obama Administration knowledge, is the biggest story that Fake Media doesn’t want to follow!“ (Zit. n. Mayer 2019)

Auf den präsidentiellen Tweet kann wiederum im Nachrichtenzyklus zurückgegriffen werden, womit wir beim recht basalen Moment des Mouthpiece wären: Er wiederholt einfach alles, was der Präsident sagt. Wenn es hart auf hart kommt, geht das sogleich ins Gemeinsame Schlachten über. So bedient beispielsweise Fox das, was man vielleicht Rachereflex nennen darf, als sich Trump nach der Veröffentlichung des Mueller-Reports entlastet fühlt. Sean Hannity: „Wir werden jeden Beamten des Schattenstaates, der seine Macht missbraucht hat, zur Rechenschaft ziehen. (…) Wir werden jeden Lügner im Kongress zur Rechenschaft ziehen.“ (Zit. n. Spiegel online 2019)

Man mag das für starken Tobak halten oder übergriffig. Im Grunde genommen aber erfährt Fox in der Präsidentschaft Trump erst ein Paradox und dann gewissermaßen eine Radikalisierung seines eigenen Geschäftsmodells: des Ressentiments gegen die „Eliten“ in Washington. Plötzlich sitzt man selber im Regierungsboot, und da bietet sich natürlich der Deep State als Erklärung dafür an, warum sich die Kritik am Präsidenten und das Gerede um ein Impeachment einfach nicht unterbinden lassen. Hier agieren sich gegenseitig antreibende Partner im Geiste. Eine servile Propaganda-Organisation sieht anders aus.

Nebenbei bemerkt hat die Beziehung zwischen Trump und Fox auch eine medienpolitische Komponente: Im Juni 2018 genehmigt die US-Regierung den Verkauf der Unterhaltungsparte von Fox an Disney – ein Multi-Milliarden-Dollar-Deal, zu dem Trump Murdoch schon gratuliert, bevordas Justizministerium den Handel als kartellrechtlich unbedenklich absegnet. Einen Monat später dagegen blockiert die Federal Communications Commission (FCC) den Kauf der Tribune Media Company durch die Sinclair Broadcast Group– einem Konkurrenten von Fox im Milieu der konservativen Nachrichtenmedien. Darüber hinaus wehrt sich – zuletzt allerdings vergeblich – das Justizministerium gegen die Verbindung von A.T.&T. und Time Warner (2014 hatte 21stCentury Fox vergeblich versucht, Time Warner zu übernehmen). Offiziell mischt sich das Weiße Haus in diese Prozesse nicht ein – inoffiziell berichten Quellen dem New Yorker, es sei Trump ein persönliches Anliegen gewesen, die Fusion zu verhindern, schließlich sei sie zu gut für CNN (Mayer 2019).

Der Propaganda Feedback Loop

Schon andere Präsidenten hatten „ihre“ Medien. James Madison wurde von der Mehrheit der New Yorker Zeitungen offen unterstützt, und Andrew Jackson, der als erster populistischer US-Präsident in den Geschichtsbüchern steht, zählte ein rundes Dutzend Verleger zu seinen Beratern. Kennedy und Obama waren für viele liberale Medien im Vergleich zu ihren politischen Gegnern die offenkundig bessere Wahl: Wahrscheinlich lässt sich bei allen Präsidenten eine Nähe zu dem ein oder anderen Medienorgan aufzeigen.

Man sollte auch festhalten, dass Fox tatsächlich nicht allen republikanischen Politikern mit vorauseilender Sympathie begegnet, ja selbst in der gegenwärtigen Präsidentschaft lassen sich Beispiele anführen, wo Trump-Mitarbeiter oder -Berater im Fox-Studio „gegrillt“ werden. Insofern: Muss man das alles nicht relativ sehen? Ist der Sender nicht einfach nur etwas heftig konservativ orientiert, ein Spiegel seiner Klientel und stemmt sich gegen einen liberalen Bias anderer Medien? Joe Peyronnin, ein ehemaliger Fox News Manager, sieht mehr als eine schlichte Neigung: „I’ve never seen anything like it before. It’s as if the President had his own press organization. It’s not healthy“ (Zit. n. Mayer 2019).

Was sich in dem bisher Gesagten abzeichnet, wurde auch als Propaganda Feedback Loop beschrieben (Benkler et al. 2018, S. 79). Fox setzt auf eine ideologische Strategie, die sich auf Ereignisse und Positionen konzentriert, die identitätsstiftenden Ressentiments folgen und einem strikten Ingroup-Outgroup-Denken das Wort redet: Us against them. Dazu gehört, Konkurrenzmedien, die ausgewogener berichten, als unglaubwürdig darzustellen, und zwar mit Permanenz. Ein Publikum wiederum, das an der Bestätigung seiner politischen Vorstellung interessiert ist, übernimmt irgendwann die Unglaubwürdigkeitsthese und bleibt allein bei Fox. Dass das in großem Umfang geschieht, sehen politische Akteure, und sie orientieren sich (strategisch sicher nicht ganz falsch) an solchen Positionen, von denen sie annehmen dürfen, dass sie in diesem Umfeld unterkommen und akzeptiert werden – beim Sender wie beim Publikum. Dabei handelt es sich um einen dynamischen, sich selbst verstärkenden Prozess, bei dem sich auf kurz oder lang die extremeren Positionen durchsetzen (weil sie mehr Aufmerksamkeit generieren). Dieser Prozess wirkt polarisierend, der Loop ist eine Dauerschleife, eingebettet in ein sich gegenseitig zitierendes „right-wing media ecosystem“ (Benkler et al. 2018, S. 97).

Dem folgt eine ideologische „Festigkeit“ der politischen Einstellungen, was auch Re-Inforcement genannt wird: Wer eh schon stark polarisiert ist, vermeidet die anderen Meinungen umso stärker – und stabilisiert seine Abneigung. Das trifft allerdings nicht auf alle Bevölkerungsteile zu. Die Forschung zeigt, dass politisch besonders stark interessierte Menschen, tendenziell auch gegenläufige Meinungen und Positionen wahrnehmen (Benkler et al. 2018, S. 80) – wie auch die hier diskutierte Problematik an und für sich in Amerika durchaus reflektiert wird.

Insgesamt allerdings ist, auch im internationalen Vergleich, das Vertrauen der Amerikaner in ihre Medien außerordentlich gering (Swift 2016),vor allem bei den Konservativen. Die aber haben einen deutlichen Favoriten: In Fox we trust. 88 Prozent der Republikaner vertrauen Fox News, während Anhänger der Demokraten eher einen Mix an Nachrichtensender bevorzugen und sich nicht so stark festlegen (Mourao 2018). Während die Zuschauer der so genannten liberalen Medien – von der Parteineigung überwiegend Demokraten – dort ihr Misstrauen gegenüber Trump bestätigt sehen (was in der Natur der Sache liegen mag), entwickeln dessen Anhänger über Fox eine ausgeprägte Abneigung gegenüber praktisch alle anderen Medien. Ihr selektives Informationsrepertoire ist – allgemein gesprochen – ausgeprägter als bei Demokraten (ebd.). Die Polarisierung der US-Gesellschaft wird also tendenziell stärker von der konservativen Seite aus getrieben (Morris 2005) – undFox News ist eine Kraft (unter anderen) dieser Tribal Politics.

„Fair and Balanced“ – das Motto des Senders wird im Juni 2017 nach dem Abgang von Roger Ailes durch „Real News. Real honest opinion“ ersetzt. Entwaffnend, irgendwie, dieser Verweis auf die Realität. Inzwischen werden auch republikanische Kritiker des Präsidenten kaum noch in die Shows eingeladen. Noch 2009 hatte Hannity einen liberalen Co-Host.

Man erinnert sich: Eine hohe Heterogenität von Wertvorstellungen ist in modernen Großgesellschaften normal. Die deliberative Demokratie fängt das auf über eine Kultur der Toleranz, die den Streit erlaubt, aber die andere Meinung nicht verteufelt. Sie benötigt Zugang zu Information und Analyse, öffentliche Plattformen der Reflektion der Standpunkte. Der Sozialphilosoph Karl R. Popper hat einmal sinngemäß formuliert: Gäbe es kein Babel, so müsste man es erfinden. Ein überaus pragmatischer Gedanke, bei Lichte betrachtet, ein erzliberaler Gedanke der Aufklärung: An die Stelle des absoluten Wahrheitsanspruches einer politischen Meinung tritt die Idee der vielfältigen Publizität. Vielfältige Publizität? Fox tauscht sie mit dem Volkshelden. In diesem Fall, wie manche befürchten, auch noch in Form einer Gegenerzählung zu Anstand und Vernunft.

Ein Sender und (s)ein Präsident

Nach einer Umfrage der Washington Post vom August 2017 glauben 47 Prozent der Republikaner, Donald Trump habe auch den Popular Vote gewonnen, also die Mehrheit der absoluten Stimmen erreicht – was nicht zutrifft. 68 Prozent sind sich sicher, bei der Präsidentschaftswahl hätten Millionen illegaler Immigranten für Hillary Clinton gestimmt, und irgendwie folgerichtig denken immerhin mehr als die Hälfte, man könne gerne darüber nachdenken, die Wahlen 2020 zu verschieben, wenn man das Problem des Wahlbetruges nicht in den Griff bekäme (Kakutani 2018, S. 27).

Wahlen verschieben? Man muss für solche Gedanken nicht Fox allein verantwortlich machen. Aber womöglich ist Fox nicht nur eine Art Katalysator der Trump-Präsidentschaft, sondern bedient noch ein Vakuum, das es im Weißen Haus eigentlich gar nicht geben dürfte: Politik (oder zumindest Inhalte). Auffällig wird es z. B. am 4. März 2017. Trump twittert: „Terrible! Just found out that Obama hat my ‚wires tapped‘ in Trump Tower just before the victory. Nothing found. This is McCarthyism!“ (Zit. n. Benkler 2018, S. 153). Kurz zuvor hatte sich Fox & Friends mit dem „National Security Establishment“ befasst, und ein „Experte“ stellte dort die Möglichkeit in den Raum, die Obama-Regierung habe womöglich Trumps Wahlkampfteam abhören lassen.

Matt Gertz von Media Matters untersucht solche Reaktionen von Trump auf Fox & Friends. Von August 2018 bis zum März 2019 hat der Präsident über 200mal auf Punkte, die in der Sendung problematisiert wurden, mit Tweets reagiert.2 Und das ist nur die Morgensendung. Das nähert sich einer Policy-Funktion. Fox schlägt Positionen vor, Fox verficht Argumente, Fox verwirft ganze Politikprogramme. So hat der Sender z. B. im Shutdown den Präsidenten dazu ermuntert, alle Kompromisse abzulehnen – quasi anwaltschaftlich für seine Klientel. Wenn Trump Fox News schaut (und das tut er oft), dann sieht er die Fly-Over-States. Als dann im Gerangel um den Shutdown laut Mike Pence ein „Deal“ praktisch unter Dach und Fach war, wird der von Trump doch noch abgelehnt, nachdem der Handel in verschiedenen Fox-Sendungen ausgiebig und heftig „problematisiert“ wurde (Mayer 2019). Das ist politischer Austausch unter Gleichgesinnten, ein White-House-Fox-News-Twitter-Fox-News-White-House-Zyklus.

Das geht natürlich über einen Tendenzjournalismus weit hinaus. Möglicherweise schätzt Trump die Expertise seiner Bürokratie im Vergleich zu den Moderatoren eher gering ein, und zwar Expertise mit Blick auf das Amerika, das er 2020 gewinnen will. Und womöglich vertraut er den persönlichen Ratschlägen durch Hannity & Co – seien sie telefonisch, seien sie virtuell im Talk gegeben – mehr als den Entscheidungsfindungsprozessen im West Wing.

Von Friedrich dem Großen heißt es, er sei am Ende ungeheuer misstrauisch gegenüber allem und (fast) jeden geworden und habe schließlich allein seinem Kammerdiener getraut – und der sei darüber enorm einflussreich geworden. Solche Kabinette, im Wortsinn Vorräume der Macht, sind weit verbreitet. Und sicher, vielleicht hinkt das Bild, aber die Vorstellung von Fox News als Kammerdiener von The Donald trägt viel von diesem Essay: Das amerikanische Spektakel entfaltet sich auch vor dem Hintergrund einer für Nachrichtensender und demokratischer Regierung höchst ungewöhnlichen Beziehung. Handelt es sich dabei im Grund nicht nur um eine Rückkehr oder stärkere Betonung der parteipolitisch-subjektiven Berichterstattung.

Eher nicht: Was sich in dieser Beziehung beobachten lässt, ist die Einführung einer neuen politischen Denktradition, eine Krise der Wissensvermittlung in Industriegesellschaften, eine gefährlich beliebige Haltung gegenüber Recherche, Diskurs und Information – ohne erkennbares Korrektiv. Und man muss auch nicht gleich an den zwanglosen Zwang des besseren Argumentes (Habermas) erinnern: In einflussreichen Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit ist Vielfalt und Meinungspluralität ein geradezu lapidar abgelegtes Relikt aus einer Welt von gestern. Und Fox News ist ein zentrales Element dieser Post-Truth-Politics: Einer politischen Kultur, die das Land teilt, einer Konjunktiv-Republik, in der alle Gerüchte und Eventualitäten dann eine Nachricht, ein Statement, einen Kommentar und ein Interview wert sind, wenn sie dem „Tribal Narrative“ (Benkler et al. 2018, S. 221) gerecht werden. Und der Präsident hört zu.

Literatur:

Benkler, Y. et al. (2018). Network Propaganda. Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics. New York: Oxford University Press.

Brock, D. et al. (2012). The Fox Effect. How Roger Ailes Turned a Network into a Propaganda Machine. New York: Anchor Books.

Groelling, T. (2008). Who’s the Fairest of them All? An Empirical Test for Partisan Bias on ABC, CBS, NBC, and Fox News. In Presidential Studies Quarterly 38(4),631-657.

Hemmer, N. (2016). Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. Philadelphia: University of Pennsylvania Press.

Kakutani, M. (2018). The Death of Truth. Notes on Falshood in the Age of Trump. New York: Duggan Books.

Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019.

Morris, J. S. (2005). The Fox News Factor. In The International Journal of Press/Politics, 10(3), S. 56-79.

Mourao, R. R. et al. (2018). Media Repertoires and News Trust During the Early Trump Administration. In Journalism Studies 19(3), S. 1945-1956.

Niederberger, W. (2016). Trumpland. Donald Trump und die USA. Zürich: orell füssli

Patterson, T. E. (2016). Newscoverage of the 2016 General Election. How the Press Failed the Voters. Shorenstein Center on Media, Politics and Public Policy.

Spiegel online, 27.03.2019, http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-startet-rachefeldzug-nach-mueller-bericht-a-1259813.html

Swift, A. (2016): Americans’ Trust in Mass Media Sinks to New Low.” Gallup, September 14. http://www.gallup.com/poll/195542/americans-trust-mass-media-sinks-new-low.aspx.

Wilson, R. (2018). Everything Trump Touches Dies. New York et al.: Free Press.

Woodward, B. (2018). Fear. Trump in the White House. New York u. a.: Simon & Schuster.

Zaschke, C. (2019). Zur Sache, Schätzchen. In Süddeutsche Zeitung v. 7.2.2019.

Zitationshinweis:

Kamps, Klaus (2019): Ein Präsident und (s)ein Sender, Donald Trump und Fox News, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/ein-praesident-und-sein-sender/

  1. Vgl. https://edition.cnn.com/2018/11/06/media/trump-rally-missouri-hannity/index.html []
  2. Vgl. https://www.mediamatters.org/ []

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