Kommunalwahlen 2020 als Stimmungsmesser für das kommende Superwahljahr?!

Am 13. September finden die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen statt. Sandra Plümer von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen wirft kurz und bündig einen Blick auf die Bedeutung der Wahlen, den Wahlkampf und die Stimmabgabe in Zeiten der Pandemie und weitere Aspekte der Kommunalwahl. Wie kann das alles auf Distanz ablaufen und welche Wermutstropfen bleiben trotz konstruktiver Lösungen?

Bei der anstehenden Kommunalwahl am 13. September wird die Bewertung des bisherigen kommunalen Corona-Krisenmanagements für einige Wählerinnen eine Rolle bei ihrer Stimmenabgabe spielen. Wie haben sich lokale Amtsträgerinnen bisher geschlagen? Weil Politik immer eine Kombination aus Entscheidungs- und Darstellungspolitik ist (Korte/Fröhlich 2009), wird es nicht nur darum gehen, ob die Amtsträgerinnen in den Augen der Bürgerinnen „richtig“ entschieden haben, sondern auch, wie sie ihre Entscheidungen kommuniziert haben.

Kommunalwahlen 2020 als Stimmungsmesser für das kommende Superwahljahr?!

10 Punkte zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen

Autorin

Sandra Plümer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte und lehrt zur Kommunalpolitik. Zu ihren weiteren Forschungsinteressen gehören die Landespolitik Nordrhein-Westfalens (insb. Bildungspolitik), Policy-Analysen und politische Lernprozesse sowie die Regierungsforschung.

Zur Bedeutung der Kommunalwahl

  • Bei der anstehenden Kommunalwahl am 13. September wird die Bewertung des bisherigen kommunalen Corona-Krisenmanagements für einige Wählerinnen1 eine Rolle bei ihrer Stimmenabgabe spielen. Wie haben sich lokale Amtsträgerinnen bisher geschlagen? Weil Politik immer eine Kombination aus Entscheidungs- und Darstellungspolitik ist (Korte/Fröhlich 2009), wird es nicht nur darum gehen, ob die Amtsträgerinnen in den Augen der Bürgerinnen „richtig“ entschieden haben, sondern auch, wie sie ihre Entscheidungen kommuniziert haben. Besonders in Zeiten von Freiheitseinschränkungen zur Eindämmung der Pandemie, wie sie Deutschland in den letzten Monaten erlebte, sind transparente Entscheidungen auch auf kommunaler Ebene wertvoll und wichtig.
  • Das Stimmungsbild, welches durch Kommunalwahlen produziert wird, bildet zum Teil landespolitische Trends ab (und vice versa). Das ist besonders für Nordrhein-Westfalen belegt worden (Korte 2020). Daher kann der Ausgang der Kommunalwahl ebenso ein möglicher Indikator für die Bewertung des Krisenmanagements des derzeitigen Ministerpräsidenten Armin Laschet sein. Die Wahl kann – passend zur Halbzeitbilanz vor einigen Monaten – einen Zwischenstand zur landespolitischen Performance des Ministerpräsidenten liefern, der mit der Pandemie eine besondere politische Herausforderung zu bewältigen hat. 2021 wird zudem das neue Superwahljahr: Zusätzlich zur Bundestagswahl finden fünf Landtagswahlen (Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) und zwei weitere Kommunalwahlen (Hessen und Niedersachsen) statt. Die diesjährige Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen kann auch als potentieller Stimmungsmesser für das Superwahljahr gewertet werden.

Wahlen und Wählen unter den Bedingungen des Infektionsschutzes

  • In Zeiten einer Pandemie muss Wahlkampf auf Distanz gemacht werden. Welche Formate stehen dabei zur Verfügung und wie werden diese genutzt? Bisher setzen sich die Trends der letzten Jahre und Wahlen fort: Es wird – wenn möglich – auf traditionelle Wahlkampfformate gesetzt (Haustürwahlkämpfe, Wahlkampfstände auf dem Markt etc.). Gleichzeitig ist eine allmähliche Digitalisierung zu beobachten, die jedoch immer noch weit hinter landes- und bundespolitischen Entwicklungen liegt. Wie stark das ein oder andere Format genutzt wird und inwiefern sich Wahlkampfhybride durchsetzen, kann jedoch zu diesem frühen Zeitpunkt der heißen Wahlkampfphase nicht abschließend beurteilt werden. Zudem sind starke Unterschiede von Kommune zu Kommune, von Partei zu Partei, sogar innerhalb von Parteien sowie Ortsverbänden- und vereinen zu beobachten. Ein Grund hierfür: Die Ausgestaltung der lokalen Wahlkämpfe hängt stark von den einzelnen Personen und Ressourcen ab, da Wahlkämpfe auf kommunaler Ebene nur wenig zentral gesteuert werden.
  • Die Formulierung von Wahlprogrammen und weiteren Wahlkampfinhalten fand in den meisten Kommunen während des Lockdowns statt. Einige – wenn auch längst nicht alle – Themen wurden unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes behandelt und stärker akzentuiert. Die Kommunen reagierten somit auf die neuen Rahmenbedingungen. Die Themen Digitalisierung an Schulen und öffentliche Daseinsvorsorge erhalten einen neuen Aufschwung.
  • Mit dem Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahl vom 29. Mai dieses Jahres hat der Landtag einige Übergangsreglungen zum Kommunalwahlgesetz beschlossen, die an die veränderten Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie anknüpfen. So wird etwa das Verhüllungsverbot für Wahlhelferinnen außer Kraft gesetzt, sodass diese einen Mund-Nasen-Schutz tragen dürfen. Weitere Regelungen betreffen die Frist für die Einreichung der Unterschriftensammlungen, die um elf Tage nach hinten verlegt sowie die Anzahl der benötigten Unterschriften, die um 40 Prozent reduziert wurde. Schließlich wurde die Obergrenze für die Einteilung von Stimmbezirken von 2500 auf 5000 Einwohnerinnen angehoben, um die Anzahl der nötigen Wahlräume zu reduzieren.
  • Der so wichtige Wahlakt unter Pandemie-Bedingungen stellt für die Bürgerinnen Nordrhein-Westfalens – und besonders für bestimmte Bevölkerungsgruppen – im Zweifel ein Infektionsrisiko dar. Hier stellt sich die Frage, wie sich die veränderten Bedingungen auf die Wahlbeteiligung auswirken. Eine Option für Bürgerinnen, die sich nicht in einen Wahlraum begeben möchten, bleibt die Briefwahl, die in den vergangenen Jahren bereits stärker als zuvor genutzt wurde, so auch bei der bayerischen Kommunalwahl zu Beginn der Pandemie Mitte März. Hier wurde die Stichwahl sogar trotz starker Befürchtungen einer sinkenden Wahlbeteiligung als reine Briefwahl durchgeführt. Das Ergebnis: Mehr Bürgerinnen nahmen an der Wahl teil.
  • Und das Wahlergebnis? Die bereits angesprochene Kommunalwahl in Bayern hat gezeigt, dass – trotz des Stimmenverlusts der CSU im Vergleich zur letzten Wahl – die starke Ausbreitung des Virus in einigen Kommunen der Partei geholfen hat, Stimmen zu akquirieren. Amtsinhaberinnen wurden dort bestätigt und gestärkt, während rechte Parteien, darunter die AfD, nicht von der Pandemie profitierten. Die Hypothese, dass eine Krise negative Gefühle auslöse, die sich in eine Abwahl der Amtsinhaberinnen übersetze, konnte also nicht bestätigt werden (Leininger/Schaub 2020). Auch die steigenden Beliebtheitswerte von Angela Merkel passen zu diesen Überlegungen. Diese Ergebnisse können jedoch nur erste Tendenzen aufzeigen und müssen zudem vor dem Hintergrund der bayerischen kommunalpolitischen Spezifika gesehen werden. Ob es in Nordrhein-Westfalen zu ähnlichen Entwicklungen kommen wird, kann wohl nur am Wahlabend bewertet werden. Spannend wird insbesondere die Stellung der AfD sein, die sich in den letzten Jahren auf kommunaler Ebene professionalisiert und institutionalisiert hat und in vielen Kommunen zum ersten Mal in die Rathäuser einziehen wird.

Weitere strukturelle Aspekte und Neuerungen

  • Das bisher wenig bekannte Ruhrparlament wird erstmals direkt von den Bürgerinnen der Metropole Ruhr gewählt. Zuvor wurden die Mitglieder des Ruhrparlaments von den Parteien entsandt. Das Ruhrparlament ist die Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr (RVR) und bildet die regionale Klammer der Metropole Ruhr. Das Parlament beschäftigt sich vor allem mit der Regionalplanung.
  • Nach den getrennten Kommunalwahlen in 2014 (Gemeinderäte, Bezirksvertretungen, Kreistage und etwa die Hälfte der Bürgermeister- und Landratsämter) und 2015 (restliche Bürgermeister- und Landratsämter) finden die Wahlen zu den verschiedenen Organen wieder in allen Kommunen gemeinsam statt.
  • Nach Bestrebungen, die Stichwahl für Bürgermeister- und Landratswahlen abzuschaffen, bleibt diese bestehen. Damit gibt es weiterhin einen zweiten Wahlgang, falls die Kandidatin im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereint.

Literatur

Korte, Karl-Rudolf/Fröhlich, Manuel (2009): Politik und Regieren in Deutschland. 3., überarbeitete Auflage. Stuttgart: utb.

Korte, Karl-Rudolf (2020): Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Kommunalwahl, Landtagswahl, Bundestagswahl, Europawahl. 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag.

Leininger, Arndt/Schaub, Max (2020): Voting at the dawn of a global pandemic. Online verfügbar unter: https://osf.io/preprints/socarxiv/a32r7, letzter Zugriff: 20.08.2020.

Zitationshinweis:

Plümer, Sandra (2020): Kommunalwahlen 2020 als Stimmungsmesser für das kommende Superwahljahr?!, 10 Punkte zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/kommunalwahlen-2020-als-stimmungsmesser-fuer-das-kommende-superwahljahr/

 

This work by Sandra Plümer is licensed under a CC BY-NC-SA license.

  1. Dieser Artikel verwendet mit Ausnahme von zusammengesetzten Wörtern und Begriffen, die geschlechterunspezifisch angelegt sind, ausschließlich das generische Femininum. Damit sind jedoch stets alle Geschlechter gemeint. []

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