Nationalismus – Implikationen zur Einordung von Genese und Entwicklungswegen

Philipp Legrand, der an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen und am Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung tätig ist, präsentiert ein Modell, das eine strukturierte Analyse nationalistischer Bewegungen ermöglichen soll, um mehr über die dynamischen Entwicklungswege solcher Bewegungen in Erfahrung zu bringen. Denn nationalistische Bewegungen gehören längst nicht der Vergangenheit an, wie die Beispiele Katalonien und Schottland in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen haben. Das genaue Verstehen dieser Bewegungen kommt letztlich auch Fragestellungen der Demokratie- und Regierungsforschung zugute. Denn einerseits können nationalistische Bewegungen demokratische Systeme prägen. Umgekehrt steckt das demokratische System einen Rahmen für politische Beteiligung ab.

Viele inner- und zwischenstaatliche Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert begründen sich vor dem Hintergrund ethnischer Konflikte. Konflikte dieser Art existieren schon lange, jedoch ist eine Zunahme seit Ende des Zweiten Weltkriegs erkennbar. Bereits früh zeigen sich derartige Konflikte zwischen Ethnien in Afrika und Asien im Kampf um Ressourcen und die Übernahme der Kontrolle staatlicher Institutionen. In den sechziger Jahren treten vermehrt ethnisch bedingte Spannungen in den USA und später in Westeuropa auf.

Nationalismus – Implikationen zur Einordung von Genese und Entwicklungswegen

Autor

Philipp Legrand, Diplom-Sozialwissenschaftlicher, arbeitet als Dozent an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen und am Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung. Schwerpunkte seiner Lehre sind sozialwissenschaftliche Themen. Forschungschwerpunkte von Legrand sind die Politikdidaktik, Partizipation und das Bürgerbewusstsein.

Einleitung

Viele inner- und zwischenstaatliche Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert begründen sich vor dem Hintergrund ethnischer Konflikte. Konflikte dieser Art existieren schon lange, jedoch ist eine Zunahme seit Ende des Zweiten Weltkriegs erkennbar. Bereits früh zeigen sich derartige Konflikte zwischen Ethnien in Afrika und Asien im Kampf um Ressourcen und die Übernahme der Kontrolle staatlicher Institutionen. In den sechziger Jahren treten vermehrt ethnisch bedingte Spannungen in den USA und später in Westeuropa auf. Der Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre offenbart, dass selbst unter gewalttätigen Homogenisierungsversuchen eines Staatsapparates ethnisch bedingte Bestrebungen bestehen bleiben. Häufig entwickeln ethnische Gruppen ein nationalistisches Bestreben, und zielen entsprechend auf das Erreichen und Aufrechterhalten von Autonomie, Einheit und Identität ab, wie etwa die separatistischen Bewegungen im Baskenland, in Quebec oder auf Korsika.

Nationalistische Bewegungen können demokratische Systeme prägen und – wie in den drei genannten Regionen – für diese eine erhebliche Herausforderung darstellen. Das demokratische System gibt einen Rahmen für Handlungskorridore politischer Beteiligungen. Umgekehrt werden demokratische Strukturen in Form von politischer Beteiligung beeinflusst und gestaltet. Im Rahmen von normativen Demokratietheorien wird danach gefragt, wie Demokratie sein soll, und wird analysiert, welche Kriterien für eine Kritik oder Unterstützung an existierenden politischen Systemen angeführt werden können (vgl. Buchstein 2017).

Nach wie vor besteht ein Untersuchungs- und Forschungsbedarf im Hinblick auf die dynamischen Entwicklungen nationalistischer Bestrebungen. An welchem Punkt radikalisiert sich eine Bewegung? Welche Zentrum-Peripherie-Beziehung katalysiert zur Mobilisierung nationalistischer Bewegungen? Wie entwickeln sich die soziale Kohäsion? Diese und andere Fragen sind in diesem Kontext von Bedeutung für die Analyse der Dynamik solcher Bewegungen. Solche empirischen Untersuchungen können demokratietheoretischen und -praktischen Fragestellungen zugutekommen. So fokussiert sich Habermas (1992) im Rahmen seiner normativen demokratietheoretischen Überlegungen auf deliberative Prozesse und fragt nach Legitimität, Konsens und Diskursen im Zusammenhang politischer Prozesse.

Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Modell präsentiert, das eine strukturierte Analyse nationalistischer Bewegungen ermöglichen soll, um mehr über die dynamischen Entwicklungswege solcher Bewegungen in Erfahrung zu bringen. Dazu findet zu Beginn eine Einordnung darüber, was Nationalismus ist, statt. Die Differenzierung zwischen einem staatsbürgerlichen und einem ethnischen Nationalismus erfolgt, um daran anknüpfend auf die Nationenbildung einzugehen. Ferner wird das sozialpsychologisch orientierte Konzept der Großgruppenidentität in Bezug auf die Herausbildung nationaler Identitäten vorgestellt. Basierend auf diesen diskutierten Erkenntnissen erfolgt die Erarbeitung eines Vorschlags zu einer Art Untersuchungsdesign zur Analyse von nationalistischen Bewegungen.

Nationalismus

Durch die politische Instrumentalisierung kultureller Merkmale einer Ethnie, um Einfluss im politischen System zu generieren, unterscheidet sich das Konzept der Ethnie von dem des Nationalismus (Keating 2001: 5). Kupchan sieht den Nationalismus als eine Ideologie „that calls for the merging of a sentimental nation with a functional state“ (1995: 2). Dementsprechend ist die Nation bereits vorhanden und soll mithilfe des Nationalismus zu einem funktionierenden Staat werden. Stack verweist darauf, dass „Nationalism forges together a sense of peoplehood or belonging, real or imagined, based on common history, ancestry, culture, language, or region“ (1981: 4). Nationalismus fördert demnach das Zugehörigkeitsgefühl.

Guibernau verweist ebenfalls auf ein Zugehörigkeitsgefühl sozialer Gruppen im Zusammenhang mit dem Nationalismus. „By ‘nationalism’ I mean the sentiment of belonging to a community whose members identify with a set of symbols, beliefs and ways of life, and have the will to decide upon their common political destiny” (Guibernau 2005: 47).

Für Gellner ist der Nationalismus hingegen in erster Linie ein „politisches Prinzip, das besagt, politische und nationale Einheiten sollten deckungsgleich sein“1 (1991: 8). „Nationalismus ist eine Form des politischen Denkens, die auf der Annahme beruht, dass soziale Bindung von kultureller Übereinstimmung abhängt“ (Gellner 1999: 17). Breuilly (1999: 15) verwendet den Begriff Nationalismus zur Bezeichnung politischer Bewegungen und versteht Nationalismus als politische Strategie. Nach Gellner (1991: 87) ist es „der Nationalismus, der die Nation hervorbringt, und nicht umgekehrt“.

Smith definiert Nationalismus als „an ideological movement for the attainment and maintenance of autonomy, unity and identity on behalf of a population deemed by some of its members to constitute an actual or potential ‘nation’” (2006: 175). Smith (1998a: 71, 72) sieht den Einfluss ökonomischer Faktoren auf den Nationalismus lediglich als zeitweise auftretenden Verstärkungsfaktor nationaler Bewegungen.2 Smith (1981: 44) verweist auf einen ideologischen Faktor und darauf, dass viele Gruppen bewusst nach Unabhängigkeit streben, obgleich diese ökonomische Nachteile bringt. Wesentlich mehr Bedeutung misst Keating (2001: 73) ökonomischen Faktoren bei und verweist auf einen Zusammenhang von ökonomischen Begebenheiten und der Autonomie einer Nation.

Die Ressourcen, welche eine Mobilisierung ermöglichen, finden sich in der Zivilgesellschaft (Keating 2001: 64). Breuilly (1999: 244) verweist darauf, dass in der Geschichte viele nationale Bewegungen erfolgreich waren, ohne über eine nationale Geschichte zu verfügen. Nationalistische Ideologien fördern auf der einen Seite gemeinsame Werte und Identitäten, folglich begünstigen sie die Entwicklung sozialer Solidarität. Auf der anderen Seite können nationalistische Werte Diskriminierung legitimieren. Kultur ist ein Element beim „Ausformen“ sozialer Solidarität. Identität und Kultur sind mit der Historie und den Gewohnheiten verwurzelt (Keating 2001: 69, 76).

Für Cohen (1974: x, xi) ist Kultur eine symbolische Formation wie beispielsweise Rituale, Slogans, Ideologien und Mythologien. Diese symbolischen Formationen werden von den Mitgliedern einer ethnischen Gruppe verinnerlicht. Symbole können durch subjektive Erfahrungen Einzelner neu entstehen und erhalten eine objektive Existenz mit eigener Realität, wenn sie innerhalb der Gruppe auf Akzeptanz stoßen. Die Symbole werden schließlich verpflichtend für die Gruppenmitglieder und üben auf sie einen gewissen Zwang aus (Cohen 1974: x, xi). Symbole verbinden nach Smith (1991: 162) die individuelle Identität mit der kollektiven Identität der Gruppe. Symbole können Ideologien wahrnehmbar und unterscheidbar machen, weshalb ihnen eine wesentliche Rolle beim Nationalismus zukommt (Smith 1991: 77).

Der Nationalismus kann als eine ideologische Bewegung, die für das Erreichen und Aufrechterhalten von Autonomie, Einheit und Identität im Namen der Einwohner eintritt, von denen einige meinen, eine tatsächliche oder potentielle Nation darzustellen, bezeichnet werden. Der Nationalismus katalysiert das Entstehen einer kollektiven politischen Gesinnung, die auf verschiedenen gemeinsamen sozialen Faktoren (Abstammung, Kultur, Sprache, Religion, Staatsbürgerschaft) begründet sein kann. Gemeinsame Merkmale werden symbolisiert, um ein Wir-Gefühl zu schaffen. Der Nationalismus nimmt dabei die Funktion ein, Bevölkerungsinteressen aufzunehmen und diese zu politisieren. Die sich daraus entwickelnde kollektive Gesinnung hängt eng mit der Entwicklung einer Großgruppenidentität zusammen.

Die Nation wird zu einem Nationalstaat durch eine entsprechende politisch-verbandliche Organisation (Heckmann 1992: 57). „Der Nationalstaat ist eine politische Organisationsform, in welcher der Anspruch einer Übereinstimmung politisch-staatsverbandlicher und ethnischer Zugehörigkeit gestellt wird; das Staatsgebiet eines Nationalstaates umfasst dabei häufig nicht nur die Wohngebiete eines Volkes, in ihrer Gesamtheit oder in Teilen, sondern auch die Wohngebiete weiterer ethnischer Gruppen“ (Heckmann 1992: 53).

Guibernau meint, ein Nationalstaat „is a modern phenomenon, characterized by the formation of a kind of state which has the monopoly of what it claims to be the legitimate use of force within a demarcated territory and seeks to unite the people subjected to its rule by means of homogenization, creating a common culture, symbols, values, reviving traditions and myths of origin, and sometimes inventing them” (2005: 47). Der Nationalstaat zielt entsprechend darauf ab, ein homogenes Gebilde einer Gemeinschaft darzustellen, wenn nötig auch unter Anwendung von Gewalt. Er bezieht sich dabei auf eine gemeinsame Kultur, Symbole und Werte, die teilweise auch erfunden werden.

Bei einer Staatsnation treten ethnokulturelle Aspekte in den Hintergrund. Charakterisierend für die Staatsnation ist die liberale und demokratische Republik. Sie bildet sich durch staatsbürgerliche Gleichheits- und Teilhaberechte (Wehler 1994: 86).3

Staatsbürgerlicher und ethnischer Nationalismus

Das nationalistische Bestreben wird in der Regel zwischen einem ethnisch und einen staatsbürgerlich basierten differenziert werden. Der staatsbürgerliche Nationalismus formt, beziehungsweise konstruiert, eine Staatsbürgernation und stützt sich auf gemeinsam geteilte Werte, Institutionen sowie geteilte Muster sozialer Integration, und: „Anyone can join the nation irrespective of birth or ethnic origins (…)” (Keating 2001: 6). Es handelt sich um eine souveräne Bekenntnisnation begrenzt auf ein bestimmtes Territorium. Die Bürger der Staatsbürgernation bilden eine politisch-rechtliche Gemeinschaft, partizipieren an der öffentlichen Kultur, siedeln in einem gegebenen Territorium und erkennen die rahmenrechtlichen Gegebenheiten der Nation an. Der staatsbürgerliche Nationalismus ist rational und voluntaristisch (Smith 2006: 170). Die nationale Identität wird von Institutionen, Sitten, historischen Erinnerungen und gemeinsamen Werten getragen.

Beim ethnischen Nationalismus, der sich aus vermeintlich objektiven Begebenheiten heraus entwickelt, spielt der Glaube an eine gemeinsame Abstammung – ein ethnisch begründeter Gemeinsamkeitsglaube – eine große Rolle (Keating 2001: 6, 7, 64, 65). Der ethnische Nationalismus begründet dementsprechend eine ethnische Nation, die sich auf der Basis ethnischer Bindungen herausbildet. Die ethnische Nation fokussiert demnach genealogische Bände und Mythen. Außerdem nehmen die einheimische Sprache und kulturelle Bräuche einen hohen integrativen Wert ein. Die Vorstellung der Gemeinschaft gründet sich auf eine gemeinsame Historie und Kultur.

Allerdings handelt es sich bei der Differenzierung zwischen staatsbürgerlichem und ethnischem Nationalismus um Idealtypen. In der Praxis finden sich Mischformen von Nationen und Nationalismen, die beide Typologien miteinander vermischen. Der ethnische Nationalismus neigt dazu, sich als natürliches Phänomen wahrzunehmen (Smith 2006: 169, 170, 173).

Der Nationenbildungsprozess

Der Nationenbildungsprozess wird von vielen Historikern als „Wachstum der Nationen“ (growth of nations), von Politikwissenschaftlern, Politikern und einigen anderen Historikern als „Nationenbildung“ (nation-building) und von vielen Sozialwissenschaftlern als „nationale Entwicklung“ (national development) bezeichnet (Deutsch 1972: 17). Nach Deutsch bestimmen die kulturelle Assimilation und die Mobilisierung die Nationenbildung: „The rate of assimilation measures the second great process which, together with the process of mobilization, determines largely the outcome of national development” (Deutsch 1978: 156). Der Nationenbildungsprozess ist ein fortwährender Prozess, der im staatsbürgerlichen Sinn idealtypisch eine sich alltäglich erneuernde, durch einen alltäglichen Volksentscheid untermauerte Nation entstehen lässt (ähnlich der Aussage von Renan (1995: 57): „Die Existenz einer Nation ist (…) ein Plebiszit, das sich jeden Tag wiederholt, so wie die Existenz eines Individuums eine dauernde Bestätigung des Lebensprinzips ist“).

Wichtige Faktoren für ein solches „Nationenbildungsprojekt“ sind gemeinsam geteilte Werte, die die Gesellschaft an ein solches Projekt binden, und die Definition gemeinsamer Interessen, ohne dabei sozial sowie politisch homogen zu werden. Dies sind keine statischen Faktoren oder lediglich Gegebenheiten, sondern vielmehr Teile eines dynamischen Nationenbildungsprozesses. Ein solcher Prozess benötigt Institutionen, die gewisse Aufgaben erfüllen, um einen erfolgreichen Nationenbildungsprozess zu beschreiten. Ihnen obliegt unter anderem die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, diese zu legitimieren, gemeinsame Interessen zu formulieren und zu vertreten.

Eine Nation mit Potenzial muss laut Keating verschiedene Bedingungen erfüllen, die sich vier Dimensionen zuordnen lassen. Dazu gehören:

  • die ökonomische Dimension mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit
  • die soziale Dimension mit der Förderung und Aufrechterhaltung der sozialen Integration
  • die kulturelle Dimension mit der Förderung und Aufrechterhaltung der Großgruppenidentität, Sprache sowie Kultur und
  • die politische Dimension mit der Installation eines legitimierten Systems, so dass die Nation im Stande ist, politische Aufgaben, Probleme und Fragen in einer akzeptierten Weise zu lösen, und der Definition territorialer Interessen und Vertretung dieser auf staatlicher sowie supranationaler Ebene (Keating 2001: 64, 65).

Bei der Analyse von Nationenbildungsprozessen können diese Dimensionen des Nationenbildungsprozesses einen fruchtbaren Rahmen darstellen, um die Entwicklungen der nationalistischen Bewegung innerhalb des Nationenbildungsprozesses kontextualistisch zu verorten.

Die Großgruppenidentität

Die Konzepte Nation, Nationalismus und Ethnizität beziehen sich letztlich auf die Identität einer Großgruppe (Volkan 1999: 32). Die Aufgabe des Nationalismus im Zuge des Nationenbildungsprozesses besteht darin, die Großgruppenidentität aufrecht zu halten und zu fördern. Barth (1998: 19) verweist auf die soziale Organisation, welche auf der ethnischen Identität basiert. Folglich beeinflusst die ethnische Identität die soziale Organisation. Im Umkehrschluss wird angenommen, dass im Zuge der Betrachtung von ethnischen Identitätskonstruktionen Ursachen für unterschiedliche Ausprägungen sozialer Organisationsformen gefunden werden können. Die Bedeutung von Identität beim Begutachten von kontextualistischen Gegebenheiten ist an dieser Stelle nicht von der Hand zu weisen.

Die individuelle Identität bildet sich durch Vermittlungsprozesse zwischen gesellschaftlichen Erwartungen an das jeweilige Individuum und seiner psychischen Einzigartigkeit heraus. Im Zuge der Vermittlungsprozesse zwischen der persönlichen Individualität und den gesellschaftlichen Erwartungen bei der Identitätsbildung wird versucht, stets eine Balance zu halten (Bohleber 1996: 268). Das individuelle Identitätsgefühl beruht auf einem Gefühl von Bestätigung und Einzigartigkeit mit sich selbst und steuert den inneren Integrationsprozess. Das Identitätsgefühl ist eine Art innerer Leitfaden und Identitätsbildungsorgan (Bohleber 1996: 276). Zwischen dem zweiten und sechsten Monat erzeugen Austauschprozesse, Mirroring und die regulierende Aktivität der Mutter das Kern-Selbstgefühl des Kindes, welches die Basis des Identitätsgefühls darstellt (Bohleber 1996: 289, 290).

Mit der Struktur der Großgruppe setzt sich Volkan (1999: 48) auseinander. Er arbeitet sieben Merkmale (Fäden) heraus, die zusammen die Großgruppenidentität ergeben. Die Großgruppenidentität wird von ihm entsprechend „als die subjektive Erfahrung von Tausenden oder Millionen von Menschen, die durch ein dauerndes Gefühl des Gleichseins miteinander verbunden sind, während sie gleichzeitig auch viele Charakteristika mit anderen fremden Gruppen teilen“ (Volkan 1999: 48) definiert. Dabei kann „sie sich auf die Religion, Nationalität oder Ethnizität bezieh[en]“ (Ebd.). Entsprechend dieser Definition werden die nationalen und ethnischen Identitätskonstruktionen als Großgruppenidentitäten verstanden.

Der erste Faden beinhaltet die geteilten Reservoire für „gute“ Externalisierungen. Beim ersten Faden findet eine Verknüpfung der persönlichen mit der Großgruppenidentität statt. Dies geschieht, wenn die Reservoire, welche die guten, nicht integrierten Selbst- und Objektbilder der Kinder aufnehmen, von allen Kindern in der Gruppe geteilt werden und sie dauerhaft sind. Beispielhaft lassen sich hier Wahrnehmungen, Empfindungen und Gedanken anführen. Während der Sozialisation bindet sich das Kind an seine Gruppe (Volkan 1999: 53). Die Externalisation wird von Kindern bei der Integration ihrer inneren Welt genutzt, wobei sich die Grundlage der Kernidentität entwickelt. Die Nutzung von Reservoiren der externalisierten, nicht integrierten guten Selbst- und Objektbilder bilden die äußere Welt der Kinder einer zugehörigen Gruppe. Die Kinder einer Großgruppe fühlen sich miteinander über diese geschaffene äußere Welt verbunden. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl wird von jedem Kind internalisiert. Die Prozesse der Externalisierung und Internalisierung bilden das erste Merkmal der Großgruppenidentität.

Die „guten“ Identifikationen der Kinder mit denjenigen, die die Tradition der Großgruppenidentität verkörpern und mit ihr verhaftet sind, bilden den zweiten Faden der Großgruppenidentität. Im Zuge der ersten beiden Fäden verbindet sich die Kernidentität der Individuen mit ihrer primären Großgruppenidentität (Volkan 1999: 59).

Der dritte Faden widmet sich der Umgebung der Großgruppe und der Interaktion mit dieser. Das dritte Merkmal beinhaltet die geteilten „bösen“ Reservoire einer Gruppe. Die Externalisation der „bösen“ Selbst- und Objektbilder auf eine andere Großgruppenidentität einer anderen Großgruppe lassen die Gruppenfeinde entstehen. Auch hier werden die stabilen und dauerhaften „bösen“ Reservoire von den Erwachsenen an die Kinder weitergegeben (Volkan 1999: 63). Das Merkmal entsteht durch die Aufnahme und Nutzung der geteilten Reservoire für „böse“, nicht integrierte Selbst- und Objektbilder durch die Kinder der Gruppe. Das Gemeinschaftsgefühl wird durch einen gegnerischen Nachbarn gestärkt (Volkan 1999: 64).

Das vierte Merkmal setzt sich aus den gewählten Ruhmesblättern einer Gruppe zusammen. Diese Ruhmesblätter verbinden die Kinder mit ihrer Großgruppe. Solche Ruhmesblätter erhöhen das Selbstwertgefühl der Gruppenmitglieder. Die Eltern übermitteln ihren Kindern deren Ruhmesblätter.

Die unbewusst gewählten Traumata bilden das fünfte Merkmal der Großgruppenidentität (Volkan 1999: 73). Es handelt sich hierbei um verletzte Selbstbilder, zumeist hervorgerufen durch Tragödien, die über Generationen weitergegeben werden können. Entsprechend ihrer Weitergabe entwickelt sich die Selbstrepräsentanz ihrer Empfänger. Wenn die an ihre Kinder weitergegebenen Traumata nicht entsprechend verarbeitet werden, geben sie diese ebenfalls an ihre Kinder weiter. Durch die Weitergabe der traumatisierten Bilder von einer Generation zur nächsten etablieren sich diese immer wieder in den Selbstvorstellungen ihrer Kinder (Volkan 1999: 83). Die gewählten Traumata haben einen stärkeren Einfluss auf die Gruppenidentität als die gewählten Ruhmesblätter. Begründen lässt sich dies im Hinblick auf die mit den gewählten Traumata verbundenen unbewusst gestellten Aufgaben, Lösungen zu suchen, die Traumata vergessen lassen (Volkan 1999: 74). Die Art und Weise im Umgang mit einem traumatisierten Selbstbild verändert sich im zeitlichen Kontext (Volkan 1999: 83).

Aus dem was die Großgruppe sucht und an der Persönlichkeitsorganisation des Führers lässt sich das sechste Merkmal ableiten. Der Führer beeinflusst die Großgruppenidentität seiner Gruppenmitglieder. Der Führer ist bemüht, die äußere Welt derart zu formen, dass diese den Vorstellungen seiner inneren Welt entspricht. Voraussetzungen für die Einflussnahme durch einen Führer sind eine sich im Untergang befindende Gruppe und ein Führer, der ein Umgestalten und Verbessern vollzieht. Ein charismatischer Führer kann einem Elternbild entsprechen (Volkan 1999: 98, 99).

Die Großgruppenidentitäten werden durch Symbole repräsentiert. Diese Symbole bilden das siebte Merkmal der Großgruppenidentität. Das Symbol, welches die Großgruppenidentität repräsentiert, kann für einen der vorangegangenen sechs Fäden stehen. Die Nutzung von Symbolen kann Fäden miteinander verbinden, entwickelt dann allerdings als Element der Großgruppenidentität ein Eigenleben (Volkan 1999: 123).

Analyserahmen zur Genese und zu Entwicklungswegen nationalistischer Bewegungen – ein integrativer Vorschlag

Um mehr über die dynamischen Entwicklungswege von nationalistischen Bewegungen in Erfahrung zu bringen, werden häufig neben der Betrachtung einzelner Nationalismen komparative Analysen zwischen verschiedenen Bewegungen vorgenommen. Für die genaue Betrachtung nationalistischer Bestrebungen kann es sinnvoll sein, einen kontextualistischen Analyserahmen zu erarbeiten, der nachfolgend vorgestellt wird. Mithilfe dieses vorgeschlagenen Rahmens kann sich eine Vergleichbarkeit zwischen dynamischen Entwicklungsmustern verschiedener Nationalismen erhöhen.

Nach Lammert (2004: 24) lassen sich die nationalistischen Bewegungen in systemische und prozessuale Dimensionen und diese jeweils in interne und externe Faktoren differenzieren. Daraus ergeben sich vier Faktorengruppen, die intern-systemischen, intern-prozessualen, extern-systemischen und extern-prozessualen Faktoren. Die internen Faktoren beziehen sich auf die Bewegung selbst, während die externen sich auf deren gesellschaftliches und politisches Umfeld beziehen.

Die intern-systemischen Faktoren beschreiben die ethnische Gemeinsamkeit, die eine Mobilisierung ermöglicht, sie selbst aber nicht erklären kann. Eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Mythen bilden die intern-systemischen Faktoren. Den intern-systemischen Faktoren von Lammert wird die Großgruppenidentität als eine Art ethnischer Kitt auf Basis der zuvor dargelegten Argumentation beigefügt.

Die intern-prozessualen Faktoren skizzieren die dynamischen Einflüsse innerhalb der Bewegung und deren Auseinandersetzungen untereinander (Lammert 2004: 24, 25). Ebenso verweisen McAdam u. a. (2001: 305) auf den dynamischen Charakter sozialer Bewegungen.

Die extern-systemischen Faktoren beschreiben die Möglichkeiten der nationalen Bewegung, am bestehenden politischen System zu partizipieren. Die Partizipationsmöglichkeiten am politischen System werden in erster Linie durch vorhandene institutionelle Strukturen begrenzt und bestimmt.

Die extern-prozessualen Faktoren zeichnen die Interaktionen der nationalen Bewegung und der staatlichen Akteure nach. Aus diesem Blickfeld erlangt die nationale Bewegung, losgelöst von ihrer Ausgangssituation, eine gewisse Eigendynamik. Ausgehend davon, dass die nationale Bewegung versucht, institutionelle Strukturen zu verändern und die staatlichen Akteure darauf reagieren, misst Lammert (2004: 25) dieser daraus resultierenden Eigendynamik einen hohen Stellenwert zu, da sie maßgeblich die weitere Entwicklung mitbestimmt.

In Anlehnung an Lammert (2004: 24) können die Faktoren für die Erklärung der Entwicklung nationalistischer Bewegungen fruchtbar betrachtet werden. Sie werden in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt.

Tabelle 1: Faktoren für die Erklärung der Entwicklung nationalistischer Bewegung in Anlehnung an Lammert 2004: 24, eigene Darstellung.

Die ausgearbeiteten Faktoren zur Erklärung der Entwicklung nationalistischer Bewegungen müssen im Kontext des Nationenbildungsprozesses betrachtet werden und bekommen dadurch eine dimensionale Ausprägung. Die sich im Kontext des Nationenbildungsprozesses stetig verändernden Ausprägungen ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Aspekte können durch das zu Grunde liegende dynamische Konzept Keatings (2001: 65-76) erfasst werden.

Die zuvor dargestellten Faktoren und Dimensionen des Nationenbildungsprozesses werden nachfolgend in einem Schaubild zusammengefügt. Es wird eine Synthese der zuvor diskutierten Ansätze vorgenommen. An diesem Analyserahmen kann sich die Untersuchung nationalistischer Bewegungen orientieren.

Abbildung 1: Der Nationenbildungsprozess, eigene Darstellung.
– Kulturelle, soziale, ökonomische und politische Dimensionen des Nationenbildungsprozesses (Keating 2001: 65-76).
– Relevante Faktoren für die Erklärung der Entwicklung der nationalistischen Bewegung (des Nationalismus) können in intern-systemische, extern-systemische, intern-prozessuale und extern-prozessuale Faktoren unterschieden werden (Lammert 2004: 24-26).

Bei der Analyse nationalistischer Bewegungen sollte in der Regel historisch chronologisch vorgegangen werden. In einem ersten Schritt wird die Entstehung des Nationalismus erarbeitet. In einem zweiten werden jeweilige Ereignisse, die den Nationalismus wesentlich katalysiert haben, aufgearbeitet. So können beispielsweise beim Nationalismus im Baskenland als Katalysator die Zeit des Franquismus und in Quebec die der Stillen Revolution genannt werden. Hierbei werden vornehmlich die systemischen Faktoren dargestellt. Bei Erläuterung der Entstehung des Nationalismus werden die intern-systemischen Faktoren, die den (ethnischen) Zusammenhalt, also die Großgruppenidentität einer Bewegung darstellen, fokussiert. Der Zusammenhalt, der eine Mobilisierung, basierend auf z. B. kulturellen oder sprachlichen Gegebenheiten, möglich macht, wird untersucht. Mittels intern-systemischer Faktoren wird analysiert, welche Basis für die Interessenformulierung nach beispielsweise ethnischen Gesichtspunkten besteht.

Außerdem werden die extern-systemischen Faktoren der – jeweils zu untersuchenden – nationalistischen Bewegung herausgearbeitet. Zu diesen zählen die Zentrum-Peripherie-Beziehung, die Formen der politischen Integration, die Interessenvermittlung und die unterschiedlichen Wege der sozioökonomischen Modernisierung (Lammert 2004: 31). Die extern-systemischen Faktoren legen die Partizipationsmöglichkeiten der neuen nationalistischen Bewegungen am politischen System fest. Folglich werden die bestehenden institutionellen Strukturen und Akteurskonstellationen erarbeitet. Sie bestimmen auch die Aktionsdimensionen des Konflikts (Lammert 2004: 25). Es müssen Prozesse herausgearbeitet werden, welche die Formierung der nationalistischen Bewegung begünstigt haben.

Im ersten Schritt werden in der Regel insbesondere kulturelle und soziale Aspekte herausgearbeitet, während im zweiten die politischen sowie ökonomischen Aspekte an Bedeutung gewinnen. Im zweiten Schritt werden besonders die wechselseitigen Akkommodationsprozesse zwischen staatlichen und nationalistischen Akteuren analysiert.

In einem dritten Schritt werden weitere Entwicklungswege betrachtet und analysiert. Um bei den Beispielen der nationalistischen Bewegungen im Baskenland und in Quebec zu bleiben: Hier würde man im dritten Schritt die Zeit nach dem Franquismus und nach der Stillen Revolution untersuchen. Hierbei werden vor allen Dingen die prozessualen Faktoren Beachtung finden. Der Grad der Fokussierung einzelner Faktoren ist dabei abhängig von der jeweiligen zu untersuchenden Bewegung. Im Baskenland spielen die extern-systemischen Faktoren eine große Rolle, da nach dem Franco-Regime ein Demokratisierungsprozess einsetzt und damit verbunden die Zentrum-Peripherie-Beziehung neugestaltet wird. Dementsprechend verändern sich die Handlungskorridore der nationalistischen Bewegung nach dem Ende der dortigen Diktatur erheblich. Die Interaktionen zwischen den Akteuren der nationalistischen Bewegungen und den staatlichen Eliten sowie den sich daraus ergebenden institutionellen Reformen stehen im Mittelpunkt der Analyse der extern-prozessualen Faktoren. So führen die Interaktionen und institutionellen Reformen im Baskenland und in Quebec zu einer gewissen Eigendynamik der beiden Konflikte. Die ursprünglichen Konfliktbedingungen in beiden Regionen verändern sich und treten mehr und mehr in den Hintergrund. Hinzu kommen bei Betrachtung der intern-prozessualen Faktoren die Mobilisierungsstrategien, das soziale und ideologische Spektrum, die Fragmentierung sowie die Solidarität innerhalb der Bewegung (vgl. Lammert 2004: 139).

Nachdem Nationalismen kontextualistisch dargestellt worden sind, bietet es sich unter Umständen an, in einem nächsten Arbeitsgang im Zuge einer komparativen Analyse Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Bewegungen herauszuarbeiten. So konstatieren auch McAdam, Tarrow und Tilly, „[that] we can learn more about all of them by comparing their dynamics than by looking at each on its own. Finally, it explores several combinations of mechanisms and processes with the aim of discovering recurring causal sequences (…)“ (2001: 4). Dementsprechend erhofft man sich durch den Vergleich wiederkehrende Kausalverhältnisse hinsichtlich der dynamischen Entwicklungen von Bewegungen herauszufinden.

Ökonomische, kulturelle, soziale und politische Dimensionen der Faktoren in den jeweiligen Regionen sollten erschlossen werden. Daraus ergeben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf deren Entwicklung. Auf Grundlage der Synthese von Faktoren und Dimensionen können eine umfassende Betrachtung erfolgen und die Frage nach den Ursachen für die teilweise unterschiedlichen und ähnlichen Entwicklungswege der nationalistischen Bewegungen beantwortet werden. Ziel dabei ist es, mehr über die dynamischen Entwicklungen nationalistischer Bestrebungen herauszuarbeiten. Ferner können Kriterien, die über eine Kritik oder Unterstützung des politischen Systems entscheiden, abgeleitet und Fragen der Legitimität, des Konsenses und des Diskurses im Kontext politischer Prozesse betrachtet werden. Je mehr man über Nationalismen weiß, desto besser kann man Entwicklungen einordnen, präventiv einem Aufkeimen entgegenwirken, Ausgrenzungsmechanismen begegnen, Identitätsprobleme reduzieren und demokratische Strukturen stärken.

Literatur

Barth, Frederik (Hrsg.) (1998): Introduction. In: Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference: Waveland Press: Long Grove: S. 9-38.

Bohleber, Werner (Hrsg.) (1996): Identität und Selbst. Die Bedeutung der neueren Entwicklungsforschung für die psychoanalytische Theorie des Selbst. In: Adoleszenz und Identität: Verlag Internationale Psychoanalyse: Stuttgart: S. 268-302.

Breuilly, John (1999): Nationalismus und moderner Staat. Deutschland und Europa: SH Verlag: Köln.

Buchstein, Hubertus (2017): Einleitung. In: Massing, Peter; Breit, Gotthard; Buchstein, Hubertus (Hrsg.): Demokratietheorien. Von der Antike bis zur Gegenwart: Wochenschau Verlag: Schwalbach.

Cohen, Abner (1974): Two-Dimensional Man. An essay on the anthropology of power and Symbolism in complex society: University of California Press: Berkeley.

Connor, Walker (1994): Ethnonationalism. The Quest for Understanding: Princeton University Press: Princeton, Chichester.

Deutsch, Karl W. (1972): Nationenbildung – Nationalstaat – Integration: Bertelsmann Universitätsverlag: Düsseldorf.

Deutsch, Karl W. (1978): Nationalism and Social Communication: The Massachusetts Institute of Technology Press: Cambridge, Massachusetts, London.

Gellner, Ernst (1991): Nationalismus und Moderne: Rotbuch Verlag: Berlin.

Gellner, Ernst (1999): Nationalismus: Kultur und Macht: Wolf Jobst Siedler Verlag: Berlin.

Guibernau, Monserrat (2005): Nationalism. The Nation-State and Nationalism in the Twentieth Century: Polity Press: Oxford.

Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats: Suhrkamp: Frankfurt am Main.

Heckmann, Friedrich (1992): Ethnische Minderheiten, Volk und Nation; Soziologie inter-ethnischer Beziehungen: Ferdinand Enke Verlag: Stuttgart.

Keating, Michael (2001): Nations Against the State: The New Politics of Nationalism in Quebec, Catalonia and Scotland: Palgrave: Basingstoke, New York.

Lammert, Christian (2004): Nationale Bewegungen in Québec und Korsika 1960-2000: Campus Verlag: Frankfurt am Main.

McAdam, Doug; Tarrow, Sidney; Tilly, Charles (Hrsg.) (2001): Dynamics of Contention: Cambridge University Press: Cambridge.

Renan, Ernest (1995): Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften: Folio Verlag: Wien, Bozen.

Smith, Anthony D. (1981): The Ethnic Revival: Cambridge University Press: Cambridge, New York, Melbourne.

Smith, Anthony D. (1998): The Ethnic Origins of Nations: Blackwell Publishers: Oxford, Malden

Smith, Anthony D. (2006): Ethnicity and Nationalism. In Delanty, Gerard; Kumar, Krishan: The Sage Handbook of Nations and Nationalism: SAGE Publications: London, Thousans Oaks, New Delhi: S. 169-181.

Volkan, Vamik D. (1999): Das Versagen der Diplomatie: zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte: Psychosozial-Verlag: Gießen.

Wehler, Hans-Ulrich (1994): Nationalismus als fremdenfeindliche Integrationsideologie. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Das Gewalt-Dilemma: Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main: S. 73-90.

Zitationshinweis:

Legrand, Philipp (2021): Nationalismus – Implikationen zur Einordung von Genese und Entwicklungswegen, Forschungspapier, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/nationalismus-implikationen-zur-einordung-von-genese-und-entwicklungswegen/

This work by Philipp Legrand is licensed under a CC BY-NC-SA license.

  1. Die Nationalismustheorie Gellners (1991; 1999) beispielsweise erläutert die Entstehung des Nationalismus anhand von Modernisierungsprozessen. Für Gellner ist die Nation ein modernes Phänomen und das Resultat sozialer Verhältnisse. Die Ursprünge der Nation finden sich nach Gellner im Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. In den Agrargesellschaften entwickeln sich viele heterogene Kulturen, die nicht von großem Interesse waren. Zur Zeit der Industrialisierung durchdringt eine neue Hochkultur die Gesellschaft. Diese Hochkultur kennzeichnet Gellner (1991: 33) durch eine unaufhaltsame soziale Mobilisierung und Homogenisierung. „Eine Hochkultur durchdringt jetzt die gesamte Gesellschaft, definiert sie und muss vom Gemeinwesen aufrechterhalten werden. Das ist das Geheimnis des Nationalismus“ (Gellner 1991: 33). Solche Homogenisierungsprozesse sind Voraussetzungen für die Entstehung von Nationalismustendenzen (Gellner 1991: 64). Letztlich versteht er den aufkeimenden Nationalismus als Reaktion einer kulturellen Gruppe auf ökonomische oder politische Benachteiligungen. Gellner stellt in seiner Theorie die Bedeutung der Industrialisierung in Bezug auf den Nationalismus heraus. Die anpassende Wechselwirkung zwischen der Intensität von nationalistischen Gemeinschaftsvorstellungen (Traditionen) und dem sozialen, ökonomischen und politischen Umfeld bleiben defizitär in ihrer Darstellung (Douglas 1988: 196). Außerdem werden wesentliche Aspekte auf ökonomische Gegebenheiten reduziert (vgl. Smith 1981: 44 Kritik am ökonomischen Reduktionismus). []
  2. Ähnlich wie Smith bewertet Connor den ökonomischen Einfluss (Connor 1994: 145-164). []
  3. Der Historiker Wehler (1994: 85, 86) unterscheidet zwischen einer Volksnation (Abstammungsgemeinschaft), einer Kulturnation, die auf einer gemeinsamen kulturellen Tradition, vornehmlich auf einer gemeinsamen Sprache, beruht und einer Staatsnation. []

Teile diesen Inhalt:

Artikel kommentieren

* Pflichtfeld