Bedrohte Kommunalpolitiker:innen

Gabriel Kurz und Silvia Mommertz vom Lehrstuhl für Public Policy und Landespolitik an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen thematisieren im Kontext der Ergebnisse der Großstadtbefragung “Kommunale Repräsentation und gesellschaftliche Vielfalt” die Konfrontation von Kommunalpolitiker:innen in Deutschland mit Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen. Während in ihrem Erfahrungsbericht zur Erreichbarkeit und Interaktion kommunaler Amts- und Mandatsträger:innen bereits umfassende Einblicke in das Themenfeld responsiver Kommunalpolitik gegeben wurden, skizzieren die beiden Autor:innen in ihrem Essay die Bedrohungslage von Kommunalpolitiker:innen und betonen die Notwendigkeit, dem Thema Sicherheit in der Kommunalpolitik mehr Aufmerksamkeit zu widmen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

In einem Land wie Deutschland ist es ohne große Bedenken möglich, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Während man arbeitet, einkaufen geht oder sich mit Freund:innen in der Öffentlichkeit trifft, hat man grundsätzlich die zweifelsfreie Gewissheit von Sicherheit und Schutz. Diese Selbstverständlichkeit ist für viele Ehrenamtliche, die sich in der Kommunalpolitik engagieren, leider nicht gegeben. Erfahrungen, die von simplen Beleidigungen über zerstörte Wahlkampfmittel bis hin zu Vorfällen reichen, bei denen man aufgrund einer gewaltbereiten Gruppe das eigene Haus nur unter Polizeischutz verlassen konnte, wurden uns von Kommunalpolitiker:innen, die an der Großstadtbefragung 2022 teilgenommen haben, anonymisiert geschildert.

Welche Finalität für die EU-Außenpolitik?

© FIIA

Niklas Helwig vom Finnish Institute of International Affairs und der Universität Tampere analysiert die Reformdebatte zur EU-Außenpolitik angesichts der aktuellen geopolitischen Lage. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um die zwischenstaatlich organisierte und auf dem Einstimmigkeitsprinzip basierende EU-Außenpolitik werden verschiedene Reformvorschläge beleuchtet. Es gelte, die langfristige Handlungsfähigkeit der EU im Auge zu behalten, so Helwig, der ein schrittweises Vorgehen bei der GASP-Reform vorschlägt.

Die aktuelle geopolitische Lage erhöht den Reformdruck auf die EU-Außenpolitik. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg überraschte die EU manche Beobachter:in mit weitreichenden Entscheidungen in der Sanktionspolitik und der Militärhilfe für die Ukraine. Gleichzeitig hat die Krise altbekannte Debatten neu entfacht: Ist die weitgehend zwischenstaatlich organisierte EU-Außenpolitik in einer Ära des internationalen strategischen Wettbewerbs noch zeitgemäß? Oder sollte das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten einer stärker zentralisierten, genuin europäischen Außenpolitik aufgegeben werden?

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AfD Kompakt – über Volksbelauscher und Zumutungsmut

“Was ist neu und was ist alt am Phänomen der AfD? Was verspricht Auswege?” – Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen untersucht die Zustimmung zur AfD und gibt einen umfassenden Überblick über die Unterstützer-Allianz, die Mobilisierung der Partei als „Profiteur der Angst“ und die Angebotslücken anderer Parteien, die die AfD als Defizitpartei nutzt. Doch es gibt hoffnungsvolle Auswege aus diesem Phänomen, unter anderem die Schaffung einer zuversichtlichen Zukunftserzählung, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte.

Die Zustimmung zur AfD übersteigt in den seriösen Wahlumfragen seit Juni 2023 die Zustimmung zur Kanzlerpartei SPD. Wenngleich dies nur politische Stimmungsmessungen und keine Wählerstimmen sind, verändert die politische Symbolik die Wahrnehmung des Parteienwettbewerbs. Nie zuvor in der Geschichte unserer parlamentarischen Demokratie hat eine Protestpartei die regierende Kanzlerpartei in Umfragen überflügelt. Daher der neue Alarmismus.

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Asyl- und Migrationspolitik der EU: Wann ist die Krise vorbei und wann wird sie zur Normalität?

Alezini Loxa von der juristischen Fakultät der Universität Lund analysiert umfassend die Asyl- und Migrationspolitik der EU seit 2015/16 und stellt dar, wie diese in den letzten Jahren davon geprägt war, dass die Rolle des Rechts minimiert und der Grundrechtsschutz zurückgebaut wurde. Statt den Rechtsrahmen zu stärken, sei vermehrt auf unverbindliche Instrumente zurückgegriffen worden, um demokratische Rechenschaftspflicht und gerichtliche Kontrolle zu umgehen, so Alezini Loxa. Auch die Rolle der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge sei geschwächt worden, und der Europäische Gerichtshof habe sich bei der Überprüfung von Maßnahmen im Bereich Migration und Asyl als formalistisch und wenig entschlossen erwiesen. Auch mit Blick auf den jüngsten Asylkompromiss befasst sich Alezini Loxa mit einem der am meisten kritisierten Bereiche des EU-Rechts.

Die Migrations- und Asylpolitik der EU ist seit ihrer Gründung einer der meistkritisierten Bereiche des EU-Rechts. Die intergouvernementalen Ursprünge des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, seine widersprüchlichen Ziele und die Politisierung der von ihm betroffenen Fragen haben sich auf seine Konstitutionalisierung ausgewirkt (siehe Walker). Bis heute fällt es der EU schwer, im Bereich Asyl und Migration ein Gleichgewicht zwischen Sicherheitserwägungen und dem souveränen Anspruch auf Bevölkerungskontrolle einerseits und dem Schutz der Grundrechte sowie der Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher Prozesse andererseits zu finden. Ersteres ging immer auf Kosten des Letzteren.

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Flucht vor dem Frust – Interview mit Karl-Rudolf Korte in DIE ZEIT

Enttäuschte Wähler, steigende Umfragewerte und die Sorgen um Regierungshandeln, Klimawandel und Migration – all das prägt die wachsende Popularität der AfD in Deutschland.

In einem Interview mit Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen, erschienen in DIE ZEIT (6. Juni 2023, aus der Zeit Nr. 25/2023), werden die Gründe für den Erfolg der Partei diskutiert, Wege aufgezeigt, wie die etablierten Parteien das Vertrauen der Wähler:innen zurückgewinnen können und welche Herausforderungen sich etwa der SPD und Olaf Scholz in diesem Zusammenhang stellen.

Karl-Rudolf Korte benennt in seinem Interview mit Tina Hildebrandt relevante Komponenten, die eine Rückgewinnung von Wähler:innen ermöglichen: Eine klare Zukunftsperspektive, das Anbieten von Veränderungszuversicht und das Vertrauen in politische Lösungen sind dabei der Schlüssel.

Weiter so mit “deutlichen Kursänderungen” oder – wer gewinnt und verliert bei der Bürgerschaftswahl in Bremen?

© Bürgerschaft Bremen

Am 14. Mai 2023 fand die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft statt. Prof. Dr. Andreas Klee und Dr. Matthias Güldner von der Universität Bremen werfen einen Blick auf die Ergebnisse der Wahl zur 21. Bremischen Bürgerschaft, ordnen die sich daraus ergebenden Koalitionsoptionen theoretisch ein und verknüpfen dies mit der tatsächlich getroffenen und am 25. Mai verkündeten Entscheidung zur Aufnahme der Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90 / Die Grünen und der Partei Die Linke durch die Bremer SPD. Landesspezifische Charakteristika der Wahl werden abschließend mit übergreifenden Erkenntnissen verknüpft, um “über den landespolitischen Kontext Bremens hinaus zum Nachdenken anzuregen”, so Andreas Klee und Matthias Güldner.

11 Tage nach der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft, am 25. Mai 2023, verkündete der Landesvorstand der Bremer SPD die Entscheidung, erneut Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90 / Die Grünen und der Partei Die Linke aufzunehmen. Damit kommt es in Bremen sehr wahrscheinlich zu einer Fortsetzung der bisherigen Rot-Grün-Roten Regierungskoalition. Zuvor wurden seitens der SPD, als Siegerin der Bürgerschaftswahl (BW), auch mit der CDU Gespräche über eine gemeinsame Regierungsbildung geführt. Um den Bremer Bürger:innen die im Wahlergebnis erkennbare Sorge eines reinen “Weiter so” in der bremischen Landespolitik bei dennoch gleichbleibender Parteienkonstellation zu nehmen, wurde die Entscheidung der SPD mit der Ankündigung einer “deutlichen Kursänderung” der künftigen Regierungspolitik öffentlich kommuniziert.

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Call for Papers: Regieren und Nachhaltigkeit – Potenziale und Herausforderungen des nachhaltigen demokratischen Regierens

Nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene steht im Mittelpunkt der globalen politischen Ziele für nachhaltige Entwicklung, die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden – die Sustainable Development Goals. Die Umsetzung dieser Ziele erfordert eine transformative Anpassung von Politik- und Governance-Konzepten an die Prinzipien der Nachhaltigkeit. Daran orientiert sich seit 2016 die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, deren Weiterentwicklung die Bundesregierung am 10. März 2021 beschlossen hat. Auf Grundlage der Nachhaltigkeitsstrategie soll die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung für die Politik der Bundesregierung verdeutlicht und die Verbindlichkeit von Nachhaltigkeitsstrategien, -zielen und -programmen im konkreten Regierungshandeln gestärkt werden.

Die interdisziplinär ausgerichteten Beiträge des Schwerpunkts sollen verschiedene Aspekte im Kontext der gesellschaftlichen Relevanz nachhaltigen demokratischen Regierens, der Einflüsse von Nachhaltigkeit auf zentrale Governance- und Politikkonzepte sowie von Nachhaltigkeit als Handlungsmaxime in verschiedenen Politikbereichen beleuchten und dabei theoretische Überlegungen, praktische Beispiele, alternative Perspektiven und umfassende Lösungsansätze zusammenführen. Der Schwerpunkt startet im Oktober 2023.

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Warum die EU einen permanenten Klimainvestitionsfonds braucht

Arno Mikkor (EU2017EE)

Eine gemeinsame Lösung für eine grenzüberschreitende Herausforderung: Philipp Heimberger und Andreas Lichtenberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) präsentieren die Ergebnisse einer von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegebenen Studie, die im November 2022 im Forschungsbericht des wiiw erschienen ist und darlegt, warum die Einrichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima- und Energieinvestitionen notwendig ist, um die zur Erreichung der international vereinbarten Klimaziele notwendige Erhöhung der öffentlichen Investitionen der EU-Mitgliedstaaten zu ermöglichen.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen ihre öffentlichen Investitionen erhöhen, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Die bestehenden Fiskalregeln erschweren dies durch unzureichende Investitionsanreize. Die in Aussicht gestellte Reform der EU-Fiskalregeln wird die öffentlichen Investitionen aller Voraussicht nach nicht ausreichend verbessern.

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Die Dilemmata des Spitzenkandidaten-Verfahrens: Erfolgreich gescheitert?

© Hoffotografen

Die Stärkung der demokratischen Stimme der Bürger:innen in der EU – dieses Ziel lag der Einführung des Spitzenkandidatenverfahrens explizit zugrunde. Prof. Dr. Eva G. Heidbreder des Jean-Monnet-Lehrstuhls an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erläutert, warum die beiden bisherigen Wahlgänge mit Spitzenkandidat:innen dieses Versprechen bestenfalls in Ansätzen einlösen konnten und inwiefern es eines umfassenderen europäischen Parteienbildungsprozesses zur Einbettung des Verfahrens bedarf.

Wie und ob die Europäische Union hinreichend demokratisch ist, wird immer wieder in Zweifel gezogen. Hinter diesem Zweifel steht die Frage, was für ein politisches System die EU ist und, nicht weniger wichtig, sein sollte. Die zugrundeliegenden konkurrierenden Vorstellungen über die demokratischen Grundsätze der EU sind wichtig, um zu verstehen, was die Einführung der Spitzenkandidat:innen durch das Europäische Parlament bei den Wahlen 2014 motivierte und wie das Spitzenkandidatenverfahren wirkt.

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Responsive Kommunalpolitik?

Die Erreichbarkeit und Interaktion von kommunalen Amts- und Mandatsträger*innen im Kontext der Responsivität von Kommunalpolitik steht im Mittelpunkt der Kurzanalyse von Gabriel Kurz und Silvia Mommertz, die beide als studentische Mitarbeiter*innen am Lehrstuhl für Public Policy und Landespolitik an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen an der Großstadtbefragung „Kommunale Repräsentation und gesellschaftliche Vielfalt“ mitgewirkt haben. Im Rahmen ihres Erfahrungsberichts stellen die Autor*innen umfassend dar, welche Rolle die Interaktionsbereitschaft seitens der Kommunalpolitik für die bürgerliche Wahrnehmung von Responsivität spielt.

Wie wird gesellschaftliche Vielfalt auf kommunaler Ebene repräsentiert? Welchen Bedrohungen sind kommunale Repräsentant*innen ausgesetzt? Und wie wirkt sich beides auf die kommunale Repräsentation aus? Unter anderem diesen Fragen ging das Team der Professur für Landespolitik und Public Policy der Universität Duisburg-Essen unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Blätte in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung nach. Mittels der digitalen Großstadtbefragung 2022, adressiert an alle Personen, die ein kommunales politisches Amt oder Mandat in einer deutschen Großstadt ausüben, konnten neue Erkenntnisse zu diesen Fragestellungen gewonnen werden.

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