Tim Engelhardt, der an der Universität Leipzig studiert, wirft einen Blick auf Minderheitsregierungen, insbesondere in Sachsen. Eine stärkere Fragmentierung des Parteisystems, hohe, generationenübergreifende Zustimmungswerte für die AfD und ein schlechteres Abschneiden anderer Parteien bei Wahlen erschweren die Bildung von Koalitionen in Sachsen. Um in Zukunft regieren zu können, wird demnach die Option einer Minderheitsregierung nicht nur sinnvoll, sondern eventuell auch notwendig werden, so Engelhardt.
Die Entwicklungen nach der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag weisen nachdrücklich darauf hin, dass auch andere Alternativen Beachtung finden müssen: Hierzu zählt die Möglichkeit einer Minderheitsregierung, unabhängig vom Kontext einer Landes- oder der Bundesregierung. Denn auch auf Landesebene – beispielweise im Freistaat Sachsen – führt die Transformation des Parteiensystems zunehmend zu erschwerten Koalitionsverhandlungen.
Bewegungsnähe – ein Strukturmerkmal von neuen, erfolgreich etablierten Parteien?
Tanja Arnold, die den Master “Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung” an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert, analysiert das Wechselverhältnis von Parteien und sozialen Bewegungen in Deutschland und zieht exemplarisch dazu die Grünen und die AfD heran. Wie viel soziale Bewegung steckt in diesen Parteien, als diese sich neu gründeten? Stellt Bewegungsnähe ein Strukturmerkmal von neuen Parteien dar?
Politische Parteien sind in der repräsentativen Demokratie von besonderer Bedeutung. Sie agieren formell in der parlamentarischen Arena und streben nach parlamentarischem Einfluss, um die von ihnen getragenen politischen Wertevorstellungen als Repräsentant*innen des Volkes im demokratischen Wettbewerb institutionell durch- und umzusetzen. Die etablierten Parteien verzeichnen jedoch seit geraumer Zeit überwiegend Mitgliederschwund, der mit zeitgleichem Verlust ihrer gesellschaftlichen Verankerung einhergeht.
MERA25 – Für Vision und Verantwortung
Ana Alba Schmidt, die den Master “Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung” an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert, wirft einen Blick auf die Bewegungspartei MERA25, deren Parteimitglieder sich stets als Aktivist*innen begreifen. Wie lässt sich die Wahlpolitik von MERA25 aus demokratietheoretischer und -praktischer Perspektive einordnen?
Anhand dieses Appells wird für Leser:innen und Zuhörer:innen schnell deutlich, mit welchem Selbstverständnis sich die Gründung der Partei MERA25 – als deutscher Wahlflügel der europäischen Bewegung Democracy in Europe Movement (im Folgenden DiEM25) – vollzog: MERA25 will ab sofort Teil des nationalen Parteiensystems sein, um ihre Ziele für Europa rebellisch, realistisch und radikal zu erreichen. Gleichzeitig betonen die Parteimitglieder von MERA25, die sich stets als Aktivist:innen verstehen, dass der Einzug in die Wahlarena dem alleinigen Ziel vorausgeht, Teil des Einflusses nationaler Parlamente werden zu wollen.
Ein Wahlkampf in der „Zwischenzeit“ und ein historischer Wahlsieg der CDU
Vor fast 100 Tagen präsentierte und unterzeichnete die schwarz-grüne Koalition mit Daniel Günther als Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein ihren Koalitionsvertrag. Prof. Dr. Wilhelm Knelangen von der Christian-Albrechts-Universität Kiel wirft einen Blick zurück auf den Wahlkampf, das Wahlergebnis und den Koalitionsvertrag und wagt einen Ausblick auf die künftigen Herausforderungen für die Arbeit der neuen Koalition.
Die CDU erreichte bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl am 8. Mai 2022 mit 43,4 Prozent der Zweitstimmen ein herausragendes Wahlergebnis, das noch zu Beginn des Wahljahres nicht hätte erwartet werden können. Grundlage dafür war zum einen die sehr große Zufriedenheit der Wählerschaft mit der Arbeit der 2017 aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen sowie FDP gebildeten „Jamaika“-Koalitionsregierung und zum anderen die außerordentlich hohen persönlichen Zustimmungsraten für den Ministerpräsidenten und CDU-Spitzenkandidaten Daniel Günther.
Karl-Rudolf Korte, Gert Scobel und Taylan Yildiz (Hrsg.): Heuristiken des politischen Entscheidens
Prof. Dr. Dr. Manfred Brocker, der Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie und Philosophie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ist, beschreibt den Band Heuristiken des politischen Entscheidens von Karl-Rudolf Korte, Gert Scobel und Taylan Yildiz als einen facettenreichen Band mit großem Spannungsbogen und originellen Beiträgen zu einem anspruchsvollen Thema.
Entscheiden Sie sich! Eine Aufforderung, die unser aller Leben durchzieht. Als Einzelne wie als Gesellschaft müssen wir täglich Entscheidungen treffen. Aber oft wissen wir nicht, wie wir uns entscheiden sollen oder warum wir uns für eine bestimmte Option entschieden haben. Wissenschaftlich erforscht sind Entscheidungen nur wenig.
Demokratie im Lichte direkter und repräsentativer politischer Partizipation
PD Dr. Markus Reiners, der an der Leibniz Universität Hannover zu politischen Institutionen lehrt und forscht, wirft einen normativen Blick auf repräsentative und direktdemokratische Partizipationsformen. Sind unsere systematischen Rahmenbedingungen angesichts gesellschaftlicher Transformationen, Problemen der Repräsentation und eines möglichen Demokratiedefizits noch hinreichend? Welche Rolle spielen Mittel der direkten Demokratie – wie Referenden – bei der Lösung bestehender Probleme?
Wartet eine Phase auf uns, bei der es um Aspekte der politischen Repräsentation und Legitimation, um Politikvermittlung oder -gestaltung geht, um Fragen, ob wir repräsentative Systeme nicht mehr hin zu direktdemokratischen Formen verschieben sollten? Man könnte es annehmen, denn mehr und mehr wird deutlich, dass sich Bevölkerungsteile nicht mehr richtig von etablierten Parteien vertreten fühlen. Diese scheinen immer weniger in der Lage, die sozialen Probleme politisch zu verarbeiten.
Der Forschungsschwerpunkt Parteitagsforschung an der NRW School of Governance: Motive und Impulse für eine moderne Parteitagsforschung
Dr. Ray Hebestreit ist Forschungskoordinator an der NRW School of Governance und Koordinator des Studiengangs Bachelor Politikwissenschaft am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Die Bundesrepublik Deutschland wird oft als Parteiendemokratie bezeichnet. Diese Bezeichnung deutet auf die besondere Bedeutung und die zentrale Stellung von Parteien im politischen System der Bundesrepublik hin. Dies unterscheidet Deutschland von vielen anderen Staaten, auch aus der Reihe westlicher Demokratien, in denen Parteien keine solch hervorgehobene Rolle spielen. Ein augenfälliges Beispiel sind etwa die USA. (mehr …)
Vincent Fröhlich und Michael Mertes: #Der neue Konspirationismus – Wie digitale Plattformen und Fangemeinschaften Verschwörungserzählungen schaffen und verbreiten
Interpretationen des Weltgeschehens als Ergebnis einer großen Verschwörung sind nicht neu, aber noch nie zuvor entwickelten sie ein so intensives Eigenleben. Ihr Nährboden sind neuartige mediale Bedingungen. Der 7. Band der ›Kritischen Reflexionen‹ stellt nicht verschwörerische Inhalte in den Vordergrund, sondern betrachtet den Konspirationismus in drei großen Dimensionen als Denkstil, als Erzählstil und als Lebensstil. Als ein Fallbeispiel wird QAnon analysiert. Es zeigt, dass der neue Konspirationismus nicht nur Erzählkomplexe hervorbringt, sondern zugleich Bewegungen mit politischer Durchschlagskraft. Die niederschwellige Machart und der große Erfolg von QAnon könnten Vorboten künftiger Entwicklungen sein.
Mit adäquater Krisenkommunikation hat jede Regierung ein zentrales Instrument Stimmungen im Land zu steuern. Das ist nicht manipulativ gemeint. Vielmehr kann aufklärerisch kommuniziert werden, um das Machen problemlösend einzuordnen. Wer verständlich spricht, ist verstehbar. Wer die politischen Akteure nicht versteht, hört nicht nur nicht mehr hin. Die Nicht-Verstehenden distanzieren sich. Responsivität kann sich nicht entwickeln. Sprache schafft Wirklichkeit oder engt sie ein. Politik ist in Demokratien immer begründungspflichtig, legitimationsabhängig und zustimmungssensibel. Sprache ist damit in der Politik die Bedingung ihrer Möglichkeit.
Auffällig und unauffällig durch die Transformation?
Dr. Matthias Diermeier, der am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) das Kooperationscluster Demokratie, Gesellschaft, Marktwirtschaft leitet, wirft einen Blick auf das Ruhrgebiet und die Landtagswahl 2022 in Nordrhein-Westfalen, denn hier türmen sich die Stolpersteine einer erfolgreichen Bewältigung der parallellaufenden Transformationen. Welche Auswirkungen dessen gibt es im Ruhrgebiet und wie kann die Zukunftskoalition den Herausforderungen begegnen?
Die großen Transformationen unserer Wirtschaft und Gesellschaft haben auch die vergangene Landtagswahl in Nordrhein-Westfahlen dominiert. Erstmalig wurde das Parlament in Düsseldorf gewählt, ohne dass sich die Kandidierenden vor einer aktiv betriebenen Zeche im Ruhrgebiet hätten in Szene setzen können. Schließlich hatte der langatmige Steinkohleausstieg die letzte heimische Kohleproduktion in Bottrop im Jahr 2018 beendet.
Frischer Wind für neue Perspektiven
Prof. Dr. Nicolai Dose vom Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung e.V. an der Universität Duisburg-Essen sowie Dr. Nils Beier und Sophie Evers mit ihren Kolleg:innen von Accenture geben in ihrer Studie Einblicke in Talentaustauschprogramme zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft. Die aktuelle Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele zur Modernisierung der Verwaltung gesetzt. Um diese Ziele zu erreichen, können Talentaustauschprogramme einen wertvollen Beitrag leisten. Welche Chancen bieten sie und welche Herausforderungen gilt es zu beachten?
Gewachsene politische, gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen der letzten Jahre haben den Stellenwert der Transformation der öffentlichen Verwaltung erhöht und gezeigt, dass es zur Bewältigung der Herausforderungen resilienter Institutionen bedarf. Neben einer robusten und zeitgemäßen technischen Infrastruktur ist dafür vor allem eines von immenser Bedeutung: handlungsfähige Verwaltungsmitarbeitende.