Trump in Trouble? Die Halbzeitwahlen („Midterms“) zum US Kongress am 6. November 2018 als Zwischenzeugnis für Präsident Donald Trump

Dr. habil. Martin Thunert, der am Heidelberg Center for American Studies forscht, analysiert die möglichen Szenarien und deren Erklärungen zum Ausgang der sogenannten Midterms in den USA. Wie stehen die Chancen, dass Präsident Trump den Rückhalt durch eine Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern behält? Ein anderes Szenario wäre, dass die Demokraten die Mandatsmehrheit in der unteren Kammer, dem Repräsentantenhaus erobern.

Der Wahlkampf in den USA im Jahr 2018 geht in den Endspurt. Am 6. November 2018 werden das gesamte US-Repräsentantenhaus (435 Abgeordnete) sowie 35 der 100 Senatssitze neu gewählt. Dazu kommen Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten und drei Territorien, 87 Wahlen der Einzelstaatslegislaturen (vergleichbar den Landtagen in Deutschland), Kommunalwahlen sowie zahlreiche Volks-Abstimmungen zu Sachfragen (ballot initiatives). Selten haben diese ‚Halbzeitwahlen‘, die jeweils zur Mitte der ersten oder zweiten Amtszeit eines US-Präsidenten stattfinden, so viel nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie in diesem Jahr.

Trump in Trouble?

Die Halbzeitwahlen („Midterms“) zum US Kongress am 6. November 2018 als Zwischenzeugnis für Präsident Donald Trump

Autor

Dr. habil. Martin Thunert ist Senior Research Lecturer (Forschungsdozent) für Politikwissenschaft am Heidelberg Center for American Studies der Universität Heidelberg. mthunert@hca.uni-heidelberg.de.

Der Wahlkampf in den USA im Jahr 2018 geht in den Endspurt. Am 6. November 2018 werden das gesamte US-Repräsentantenhaus (435 Abgeordnete) sowie 35 der 100 Senatssitze neu gewählt. Dazu kommen Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten und drei Territorien, 87 Wahlen der Einzelstaatslegislaturen (vergleichbar den Landtagen in Deutschland), Kommunalwahlen sowie zahlreiche Volks-Abstimmungen zu Sachfragen (ballot initiatives). Selten haben diese ‚Halbzeitwahlen‘, die jeweils zur Mitte der ersten oder zweiten Amtszeit eines US-Präsidenten stattfinden, so viel nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie in diesem Jahr. Warum ist dies so? Obwohl der US-Präsident selbst nicht auf dem Wahlzettel steht und weiterregieren wird, ganz gleich, wie die Wahl ausgeht, geht es am 6. November um ein nationales Referendum über die beiden ersten Jahre der Trump-Administration.

Ohne die Ergebnisse dieser Wahlen zu kennen, ist jetzt schon klar, dass die Republikanische Partei, welche in der Ära Obama die Politik einer klaren Mehrheit der Bundesstaaten kontrollierte, Verluste wird hinnehmen müssen – Verluste an Gouverneursposten und an Landtagsmandaten. Doch das internationale Interesse konzentriert sich nahezu ausschließlich auf die Kongresswahlen. Ein gut möglicher Ausgang dieser Wahlen könnte sein, dass die Demokraten die Mandatsmehrheit in der unteren Kammer, dem Repräsentantenhaus erobern, wofür die Partei netto 23 Sitze gewinnen müsste, während die Republikaner ihre derzeit knappe Senatsmehrheit von 51 zu 49 Sitzen behalten oder ausbauen werden. Da es in den USA in einigen Bundesstaaten die Möglichkeit des Wählens vor dem Wahltag (early voting) gibt, deuten erste Ergebnisse auf eine für US-Zwischenwahlen hohe Wahlbeteiligung von deutlich mehr als 40% der Wahlberechtigten hin.

„Halbzeitwahlen“ in der jüngeren Vergangenheit

Es ist durchaus üblich, dass die Partei des Präsidenten, also derzeit die Republikaner, bei den ‚Zwischenwahlen‘ (midterms) Mandate im Kongress einbüßt. In der jüngeren Vergangenheit ist dies nur zwei Mal nicht geschehen – 1998 und 2002. Die politisch relevante Frage lautet indes, wie dramatisch die Verluste sein werden.  Werden sie so groß sein, dass die Partei des Präsidenten ihre Mehrheit in einem oder beiden Häusern des Kongresses verliert? Genau dies wiederfuhr 1994 und 2010 den damaligen Präsidenten Bill Clinton bzw. Barack Obama. Nach nur zwei Jahren im Amt verlor ihre Demokratische Partei die Kontrolle über mindestens eine Kammer des Kongresses. Auch George W. Bush verlor zur Mitte seiner zweiten Amtszeit seine Mehrheit in beiden Häusern. Seit Monaten gehen die meisten Umfrageinstitute davon aus, dass in diesem Jahr auch Präsident Donald Trump mit dem Mehrheitsverlust der Republikanischen Partei in mindestens einer Kammer, dem Repräsentantenhaus, rechnen muss. Die Halbzeitwahlen 2018, daran besteht fast kein Zweifel, werden ein Referendum über die beiden ersten Amtsjahre von Donald Trump. Mit dieser ‚Nationalisierung‘ der Halbzeitwahlen verfolgen die Parteien das Ziel, ihre Anhänger verstärkt zu mobilisieren und an die Wahlurnen zu bringen, da die Wahlbeteiligung an den Midterms die 40% Marke selten übersteigt. In der Regel gelingt die Wählermobilisierung der in Opposition zum Präsidenten stehenden Partei besser als der ‚Regierungspartei‘. Besonders schmerzlich musste dies Barack Obama erfahren: er gewann die Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 mit sehr deutlichen Wählermehrheiten bei für US-Verhältnisse hoher Wahlbeteiligung von ca. 60%, seine Partei verlor zwischen 2010 und 2016 aber nahezu alle Wahlen für den Kongress und in den Einzelstaaten in zum Teil dramatischer Weise. Einige von Obamas treuesten Anhänger, junge Minderheitenwähler blieben immer dann zuhause, wenn der erste schwarze Präsident nicht selbst zu Wahl stand. Das ist auch der Grund, weshalb Barack Obama und die Demokraten in diesem Wahlkampf gerade ihre jungen Anhänger fast verzweifelt auffordern, sich nicht nur an den Kampagnen der sozialen Medien zu beteiligen, sondern den Kandidaten der Demokraten ihre Stimme zu geben.

Die Ausgangslage im Herbst 2018

Die Ausgangslage ist für die Republikaner im Senat deutlich besser als im Repräsentantenhaus. Dies klingt zunächst paradox, da deren Mehrheit im Senat mit 51 zu 49 Senatoren derzeit deutlich knapper ausfällt als die 24 Sitze-Mehrheit in der unteren Kammer. Doch der Vorteil der Republikaner bei den Senatswahlen wird dann ersichtlich, wenn wir auf die zur Wahl stehenden 35 Sitze schauen: alleine 25 dieser Sitze werden von den Demokraten gehalten und müssen verteidigt werden. Selbst wenn dies gelingt, müssen zwei weitere Sitze, die derzeit von Republikanern eingenommen werden, erobert werden. Einige der amtsinhabenden Demokraten gelten als verwundbar, da sie ihren Sitz in Bundesstaaten erkämpfen oder verteidigen müssen, die bei der Präsidentenwahl 2016 für Trump stimmten. Es bleibt sogar im Bereich des Möglichen, dass die Republikaner ihre Senatsmehrheit leicht ausbauen können. Im Repräsentantenhaus gelten hingegen mindestens 60 Mandate als umkämpft, manche Demoskopen sprechen sogar von 100 Sitzen. Eine Reihe dieser umkämpften Wahlkreise liegen in Bundesstaaten wie Kalifornien, Illinois, New York oder New Jersey, in denen der Präsident besonders unbeliebt ist – insbesondere bei gut ausgebildeten weißen Frauen in den Vorstädten, die eigentlich den Republikanern zuneigen, aber von Trumps Politikstil abgestoßen werden. Die republikanischen Amtsinhaber sind hier zweifellos verwundbar. Irren sich die Umfrageinstitute nicht, so tendieren schon jetzt knapp über 200 Wahlkreise zu den Demokraten, mit 218 Sitzen hat man die Schwelle zur Sitzmehrheit überschritten. Der Wahlkampfführung der Demokraten ist es zudem gelungen, maßgeschneiderte Kandidaten für unterschiedliche Arten von Wahlkreisen aufzustellen: in den als sicher geltenden Wahlkreisen gelang es jüngeren progressiven Aktivisten, oft weiblichen Geschlechts und/oder Angehörigen von ethnischen Minderheiten, alteingesessene und etablierte Abgeordnete in den Vorwahlen zu besiegen. Der bekannteste Fall ist die ‚demokratischen Sozialistin‘ Alexandria Ocasio-Cortez in einem New Yorker Wahlkreis, den sie in den Vorwahlen einem alteingesessenen Mitglied der Fraktionsführung der Demokraten abnahm. Gleichzeitig stehen in vielen umkämpften Wahlkreisen im konservativeren Landesinneren politisch gemäßigt auftretende Kandidaten mit hohem lokalem Sozialprestige zur Verfügung.

Welche Faktoren sprechen dafür, dass der 45. Präsident der USA, Donald J. Trump, seine Mehrheit im Kongress einbüßen wird, wie dies insbesondere seinen Vorgängern Obama, Bush und Clinton widerfuhr? Trump gewann die Wahl 2016 nur aufgrund des US-Wahlsystems im Electoral College, bei der direkten Stimmenauszählung kam Hillary Clinton auf eine Mehrheit von fast 3 Millionen Stimmen. Wichtiger: die Zustimmung zur Amtsführung des Präsidenten verharrt im Falle Donald Trumps seit Amtsantritt meist leicht unterhalb der 40%-Marke und nur selten darüber. Eine Mehrheit der befragten Wähler ist mit Trumps Amtsführung nicht zufrieden. Wichtiger noch: nach einer kurzen Schockstarre versetzte die völlig unerwartete Wahlniederlage Hillary Clintons die unterlegene Demokratische Partei und noch mehr eine konsternierte linksliberale und progressive Öffentlichkeit in einen ‚Jetzt-erst-Recht‘ Modus. Zumindest das Aktivistenumfeld der Demokratischen Partei ist durch Trumps Überraschungssieg und seine bisherige Amtsführung elektrisiert und motiviert wie selten zuvor. Die Enthüllungen über Trumps zum Teil chaotische und erratische Regierungsführung, seine Herabsetzung politischer Gegner und Kritiker in den Medien sowie die seit Mitte 2017 andauernden Ermittlungen des Sonderermittlers Robert Mueller über die Einmischung der russischen Regierung in den US-Wahlkampf 2016 und mögliche geheime Absprachen zwischen russischen Regierungsstellen und Mitgliedern der Trump-Kampagne belasten die Akzeptanzwerte Trumps und fügen seiner Präsidentschaft derzeit auch dann Schaden zu, sollten sich die Verdachtsmomente gegen den Präsidenten am Ende als haltlos herausstellen. Bei einer Standardfrage der Umfrageinstitute, ob sie unabhängig von der Person eher einen Demokraten oder einen Republikaner in den Kongress wählen würden, nennt eine Mehrheit der Amerikaner seit 2016 konstant die Kandidaten der Demokraten. Ein Teil der GOP-Abgeordneten in umkämpften Wahlkreisen hat sich bei den Wählern unbeliebt gemacht, da sie gegen populäre Teile der Gesundheitsreform Obamas gekämpft haben.

Die angesichts der Umfragedaten und Prognosen nicht ganz unbegründete Hoffnung der Demokraten besteht darin, auch wenn sie es mit anderen Worten formulieren würden, dass 2018 eine ‚Tea Party von links‘ die Mobilisierungseffekte erzielen wird, welche die konservativ-marktradikale Tea Party 2010 und 2014 für die Republikaner erreicht hat und damit maßgeblich zur Mehrheitsgewinnung erst im Repräsentantenhaus und später im Senat beitrug. 2018 sprechen die Anhänger der Demokraten von einer ‚blauen Welle‘ im Land, die den Demokraten erst die Mehrheit in Teilen des Kongresses einbringen wird und 2020 dann Trump aus dem Weißen Haus vertreiben wird. Dass die Hoffnung auf einen vielleicht sogar erdrutschartigen Wahlsieg mehr sein könnte als Wunschdenken zeigt sich auch am überraschenden Vorsprung der Demokraten beim Einsammeln von Wahlkampfspenden. Auch in der Intensität des Internetwahlkampfs haben die Demokraten im Jahr 2018 die Nase vorn.

Doch es gibt auch Gründe, die für einen Erfolg der Republikaner, das heißt für Begrenzung des Schadens durch eher geringe Mandatsverluste, sprechen: in erster Linie spräche die bis zum jüngsten Einbruch der Börsen gute bis sehr gute Wirtschaftslage der USA für einen allenfalls moderaten Mandatsverlust der Präsidentenpartei. Unabhängig von der Frage, ob die vorteilhafte Wirtschaftsentwicklung des Landes bereits in der späten Obama-Ära begann und wessen Verdienst sie ist, kann die Präsidentenpartei daraus gewöhnlich mehr Nutzen ziehen als die Oppositionspartei. Ginge es nach den Kongress-Republikanern, würden sie den Zwischenwahlkampf allein mit den guten Wirtschaftsnachrichten bestreiten. In den USA herrscht gebietsweise Vollbeschäftigung – gerade in den Teilen des Landesinneren, die 2016 Trump unterstützt haben. Das Wirtschaftswachstum bewegt sich auf dem für alte Industrienationen fast unglaublichen Niveau von nahezu 4%. Auch Zeitungen, die jeglicher Sympathien für Trump unverdächtig sind, wie die Londoner Financial Times, berichten, dass Industriearbeitsplätze in die einst von der De-Industrialisierung gebeutelten Landesteile um die Großen Seen zurückkehren, dass der von Trump insbesondere angezettelte Handelskrieg mit China die US-Wirtschaft bisher kaum negativ belastet und, dass das neuverhandelte Abkommen mit Mexiko und Kanada tatsächlich vorteilhaft für amerikanische Industriearbeiter sei. Die dezidiert kritischen Bewertungen der US-Wirtschaft, welche die Nachhaltig des Aufschwungs bezweifeln und insbesondere auf die immens steigende Staatsverschuldung des Landes hinweisen, dürften in ihren Auswirkungen erst in den nächsten Jahren zu messen sein und für den 6. November 2018 eine untergeordnete Rolle spielen.

Doch zum Leidwesen der Republikanischen Partei ist es der Präsident selbst, der seine eigenen wirtschaftlichen Erfolge durch seine erratische Amtsführung – meist ausgelöst durch irritierende Meldungen im Kurznachrichtendienst Twitter oder durch überzogene und abstruse Behauptungen, die er oftmals bei wahlkampfartigen Auftritten vor seinen Kernanhängern äußert, unterminiert. Präsident Trump ist eine hochgradig polarisierende Figur, welche die Fokussierung des Republikaner-Wahlkampfs auf die guten Wirtschaftsdaten nahezu unmöglich macht. Es ist Trumps hochgradig umstrittene Person, welche riskiert, gut ausgebildete weiße Amerikanerinnen, die 2016 noch zu einem beachtlichen Maßen für ihn als Präsidenten gestimmt hatten, zu verprellen und von einer Wahl der republikanischen Kongresskandidaten abzuhalten. Obgleich Trumps Umfragewerte seit Amtsantritt eher unterdurchschnittlich bis schlecht ausfallen, ist die Loyalität seiner Kernanhänger bzw. der Wähler der Republikanischen Partei zu Trump nach wie vor sehr hoch. Etwa 80% der Anhänger der Partei sind mit seiner Politik zufrieden. Damit dies so bleibt und in eine hohe Mobilisierung der eigenen Leute umgemünzt werden kann, war für Trump und die Republikaner die Senatsbestätigung des von Trump für den Supreme Court nominierten konservativen Richter Brett Kavanaugh von solch zentraler Bedeutung. Nichts beflügelt insbesondere den evangelikalen und religiösen Teil der Republikaner-Basis so sehr, wie die Aussicht auf eine konservative Richtermehrheit im Obersten Gericht der USA. Trump kann den Republikanern nach 20 Monaten im Amt schon die zweite erfolgreiche Ernennung eines konservativen obersten Richters präsentieren. Ein weiteres für die Republikaner mobilisierendes Thema ist die Zuwanderung, insbesondere die ungeregelte und irregulär verlaufende Zuwanderung über die mexikanisch-amerikanische Grenze. Noch wissen wir nicht, ob und wann der Marsch mittelamerikanischer Migranten vom Süden Mexikos die amerikanische Grenze erreichen wird und wie die Trump-Regierung politisch und administrativ reagieren wird, aber alleine die Bilder der von den US-Medien als ‚Karawane‘ bezeichneten 4000-5000 Latinos dürfte Trumps Argumentation, dass eine Grenzmauer zu Mexiko unabdingbar sei, neuen Schub verleihen und für die Republikaner mobilisierend wirken. Die Chance der Republikaner und Trumps besteht in diesem Kontext darin, auf die z.T. ‚radikal‘ anmutenden Positionen der progressiven Kandidaten aus dem Fundus der Demokraten hinzuweisen, welche die Programmatik der Gesamtpartei zunehmend dominieren, z.B. auf die Forderung der Progressiven, die Einwanderungspolizei ICE abzuschaffen oder weiterhin die Familienzusammenführung großzügig zu handhaben. Im derzeitigen politischen Klima der USA glauben immer mehr Republikaner, die Wahlen nur durch Zuspitzung der Polarisierung gewinnen zu können, Trump also Trump sein zu lassen, statt Einhegungsversuche zu unternehmen. Am Ende des Tages werden die Zwischenwahlen durch Sachthemen wie Gesundheitsreform, Wirtschaftslage, insbesondere auch Einwanderung entschieden werden, die politische Rhetorik des Präsidenten spielt auch eine Rolle, aber vielleicht keine zentrale.

Prognosen

Tatsächlich zeigen jüngste Umfragedaten von Mitte Oktober 2018, dass die Anhänger der Republikaner wieder deutlich optimistischer auf dieMidtermsblicken als vor einem Jahr. Mit 75% ist der Anteil der Optimisten fast so hoch wie auf der Seite der Demokraten, wo 77% optimistisch auf die Halbzeitwahlen schauen. Am Optimistischsten sind bei beiden Parteien die Anhänger über 65 Jahren und die sich als besonders konservativ bzw. besonders progressiv einschätzenden potenziellen Wähler. Während die Anhänger der Republikaner gut eine Woche vor der Wahl noch immer Optimismus ausstrahlen, bereiten sich die Parteimanager, aber vor allem die Parteistrategen im Umfeld des Weißen Haus auf einen Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus zugunsten der Demokraten vor. Nahziel ist es, eine Niederlage im Repräsentantenhaus nicht zu deutlich ausfallen zu lassen und sie vor allem nicht dem Präsidenten anzulasten, sondern systemischen Faktoren wie dem bereits genannten Midterm-Effektzu Ungunsten der Präsidentenpartei und den vielen offenen Sitzen aufgrund des Rückzugs zahlreicher prominenter Republikaner aus der Politik – allen voran das Ausscheiden des bisherigen Sprechers des Repräsentantenhauses Paul Ryan. Sollte es den Republikanern wiederum gelingen, ihre Senatsmehrheit nicht nur zu halten, sondern auszubauen, wird der Beitrag Trumps hierzu herausgestellt werden.

Trotz der scheinbaren Eindeutigkeit der Prognosen zugunsten der Demokraten, ist der genaue Wahlausgang im Repräsentantenhaus aus mindestens zwei Gründen schwer vorherzusagen. Der erste Grund ist systemisch und hat mit dem Wahlsystem zu tun. Es gibt keine Parteilisten oder Zweitstimmen, die Zusammensetzung der Kammer geschieht in 435 Einzelrennen. Die Wahlkreise sind in etwa gleich groß, aber in diesem ‚in etwa‘ liegt politischer Zündstoff. Städtische Wahlkreise, die in der Regel Hochburgen der Demokraten sind, liegen meist am oberen Ende der zulässigen Größe, viele ländliche und kleinstädtische Distrikte, welche überwiegend den Republikanern zuneigen, befinden sich am unteren Ende des zulässigen Korridors. Im Klartext heißt dies, dass die Demokraten insgesamt eine deutliche Mehrheit der Gesamtstimmen benötigen, um in einer Mehrheit der Wahlkreise (Minimum 218) erfolgreich zu sein. Umfragen zeigen seit Wochen, dass der generelle Vorsprung der Demokraten auf die Republikaner zwischen 7 und 10% beträgt. Dies wird reichen, um den bisherigen Sitzvorsprung der Republikaner von 23 Sitzen schrumpfen zu lassen, ob es zur Mehrheit reicht, lässt sich seriös nicht prognostizieren. Andererseits können relativ kleine Ausschläge im Wahlverhalten, die von kurzfristigen Entwicklungen und Ereignissen wie den Bombenpaketen an hohe Repräsentanten der Demokraten oder der Amoklauf in einer Synagoge in Pittsburgh zu deutlichen Verschiebungen bei der Sitzmehrheit führen: vom Best-Case-Szenario für die Demokraten, wonach sie eine Mehrheit von 50-60 Sitzen einfahren, bis zum schlimmsten Fall, nachdem sie gar nichts oder nur 10-15 Sitze hinzugewinnen, ist also alles drin. Wahrscheinlich scheint ein relativ knapper Ausgang in die eine oder andere Richtung.

Der zweite Grund der Unsicherheit liegt darin begründet, dass alte Gewissheiten nicht mehr unbedingt gültig sind. Die gute bis sehr gute Wirtschaftslage hätte früher ausgereicht, um eine deutliche Niederlage der Trump-Partei zu verhindern. Gute Wirtschaftsdaten, wie die USA sie haben, begünstigen im Normalfall die Präsidentenpartei. Doch Trumps hochgradig umstrittene und polarisierende Persönlichkeit sowie schwer messbare Gefühlslagen wichtiger Gesellschaftsgruppen konterkarieren möglicherweise den Effekt der guten Wirtschaftslage.

Ausblicke und Szenarien

Ein möglicher Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus muss nicht notwendig das Ende der Trump-Präsidentschaft einläuten. Sowohl Bill Clinton als auch Barack Obama wurden nach ähnlichen Wahlniederlagen ihrer Partei wiedergewählt. Anders als in einer parlamentarischen Demokratie kann ein US-Präsident auch dann formal weiterregieren, wenn seine Partei über keine Mehrheit in der Legislative verfügt, da der Präsident nicht dem Parlament verantwortlich ist, sondern in einer direkten Wahl durch das Volk legitimiert wurde. Die Konstellation des ‚geteilten Regierens‘ (divided government) galt nach dem 2. Weltkriegs sogar als Regelfall. Die US-Präsidenten Dwight Eisenhower, Richard Nixon, Gerald Ford und George Herbert Walker Bush hatten zu keinem Zeitpunkt ihrer Amtszeiten eine Kongressmehrheit, die Präsidenten Ronald Reagan, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama nur für einen Teil ihrer Amtsdauer. Eine ‚gegnerische‘ Mehrheit in einer oder beiden Kammern des Kongresses macht das Weiterregieren für einen Präsidenten somit nicht unmöglich, aber es begrenzt den Handlungsspielraum der Person im Weißen Haus  – insbesondere in den inneren Angelegenheiten – da der Präsident z.B. in der Haushaltspolitik deutlich auf die ‚oppositionelle‘ Mehrheitsfraktion im Kongress zugehen muss. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war dies kein großes Problem, da es in beiden Parteien und Fraktionen genügend ‚gemäßigte‘ Abgeordnete gab, konservative Demokraten und liberale Republikaner, die sich in vielen Sachfragen im Grundsatz einig waren, immer wieder vom Mehrheitstrend in ihren Fraktionen abwichen und auf die ein Präsident seine überparteilichen Mehrheiten aufbauen konnte. In den 1990er Jahren und spätestens zum Ende der Ära George W. Bush begann sich dies zu ändern. Die Spaltungen in der US-Gesellschaft nahmen zu und wurden von einem nahezu ausschließlich privatwirtschaftlich verfassten medialen Umfeld befeuert, dem Zuspitzungen und mediale Brüllorgien mehr Einnahmen und Publikum einbrachten als nüchtern-ausgewogene Analysen. Abgeordnete und Senatoren, die kompromissfähige inhaltliche Positionen vertraten und den Umgang mit dem politischen Gegner suchten, gerieten zunächst bei den Republikanern, später auch bei den Demokraten, parteiintern unter Druck, mussten ihre Positionen revidieren oder wurden von Vertretern der ‚reinen Lehre‘ ersetzt.  Mit dem Aufkommen der sozialen Medien verschärfte sich der politische, wie auch der sozio-kulturelle Polarisierungsprozess der immer komplexer werdenden US-Gesellschaft, denn man gerät schnell in den Verdacht des Verrats, wenn man zu viel Umgang mit dem politischen Gegner pflegt, der zunehmend als Feind betrachtet wird und zu viel Verständnis gegenüber für von der eigenen Linie abweichende Positionen aufbringt. Ein kleines, aber vielleicht aussagekräftiges Beispiel: als der Autor dieser Zeilen in den 1990er Jahren selbst eine Zeit lang als Ausschussmitarbeiter im US-Senat arbeitete, gab es im US-Capitol, dem Sitz des Kongresses, einen nur für Senatoren zugänglichen, abgetrennten, aber einsehbaren Speisesaal, in dem man Senatoren beider Parteien im Austausch beim gemeinsamen Mittagessen zuschauen konnte. Heute ist dieser Raum mangels Nachfrage geschlossen, man will nicht mit Leuten der anderen Seite in vertrauter Atmosphäre gesehen werden, sondern isst auswärts in den jeweiligen Lokalen des eigenen politischen Stammes.

In einem solch aufgeheizten politischen Klima ist parteiübergreifendes Regieren, wie es etwa Bill Clinton und selbst Georg W. Bush in seiner Anfangszeit noch meisterlich demonstriert haben, nur noch sehr eingeschränkt möglich. Spätestens seit der Ära Obama geht es der Mehrheitspartei in einer oder beiden Kongresskammern primär darum, den Präsidenten der anderen Partei schlecht aussehen zu lassen, ihm Erfolge zu verweigern und seine Wiederwahl um nahezu jeden Preis zu verhindern. Wenn dann der Präsident wie Donald Trump – und etwas weniger ausgeprägt Barack Obama – selbst eine polarisierende Figur ist, dominiert im gegnerischen politischen Lager die Verweigerungshaltung erst recht. Bei Trump kommt hinzu: Trump ist ein Profiteur des polarisierten politischen Klimas, er ist ein Symptom, nicht die Ursache, der mehrdimensionalen Spaltung der US-Gesellschaft und er kann kein Interesse haben, die Gräben wirklich zuzuschütten, zumal ihm seine Gegner ein solches Bemühen auch nicht abnehmen würden.

Als neue Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus würden den Demokraten nicht nur das Amt der ‚Sprecherin‘ der Kammer, sondern sämtliche Ausschussvorsitze zufallen. Damit erhielten die Demokraten zahlreiche Instrumente zur Regierungsaufsicht in die Hand, welche Untersuchungen zum Gebaren der Trump-Administration in die Wege leiten bzw. bestehende Untersuchungen zu Russlandverwicklungen intensivieren könnten. Eine Demokraten-Mehrheit im Repräsentantenhaus wäre zudem in der Lage, ein Amtsenthebungsverfahren (impeachment) einzuleiten – mit ungewissem Ausgang. Für eine Verurteilung des im Amt angeklagten Präsidenten und eine Entfernung aus dem Amt wären indes 67 Senatorenstimmen notwendig, somit auch 15-20 Stimmen aus der Fraktion der Republikaner. Ohne erdrückende Beweise für geheime Absprachen zwischen der Trump-Kampagne und russischen Regierungsstellen während des Wahlkampfes 2016 oder handfesten Belege für eine Justizbehinderung durch den Präsidenten wird es eine solche Zweidrittelmehrheit im Senat kaum geben.

Könnte Präsident Trump dennoch vielleicht sogar für 2020 gestärkt aus einer knappen Wahlniederlage seiner Partei am 6. November 2018 hervorgehen? Auch das ist nicht unmöglich und das Weiße Haus plant möglicherweise schon heute für genau dieses Szenario. Trump könnte und wird für eine mögliche Wahlniederlage die innerparteiliche Opposition gegen seine Politikinhalte und seinen Politikstil verantwortlich machen, also diejenigen Kräfte, welche der selbsternannte ‚Nationalist‘ Trump die ‚Globalisten‘ oder die ‚Partei von Davos‘ nennt, die sich weiterhin für eine Politik des Freihandels, der Masseneinwanderung und der internationalen Verantwortung, aber auch der Interventionspolitik der USA stark machen. Es spricht einiges dafür, dass die neuen Fraktionen der Republikaner im Senat und vor allem im Repräsentantenhaus näher an der ‚Amerika-Zuerst‘- Politik Trumps orientiert sein werden als die Abgeordneten des bisherigen Kongresses. Trumps Ziel, die GOP zu einer Partei Trumpscher nationalpopulistischer Ausrichtung zu machen und die Internationalisten und ‚Globalisten‘ weiter zu schwächen, dürfte auch eine moderate Wahlniederlage in der unteren Kammer nicht im Wege stehen. Die Konstellation der ‚geteilten Regierung‘ (divided government) ermöglicht es dem Präsidenten, sich einerseits die Erfolge seiner Partei anzuheften und andererseits Misserfolge der Blockadehaltung der Demokraten im Repräsentantenhaus anzulasten oder innerparteilich Gegner für Niederlagen verantwortlich zu machen. Seine dann neue Gegenspielerin, die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, ist außerhalb der Kernanhänger der Demokraten sehr unpopulär und eignet sich hervorragend als Feindbild für die Twitter-Tiraden des Präsidenten. Ein noch schärferer Wettbewerb um das Weiße Haus im Jahr 2020 könnte Trump entgegenkommen. Ähnlich wie Bill Clinton in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft könnte sich Trump aber auch parteiübergreifend populäre Positionen zu Eigen machen, wie etwa eine deutliche Erhöhung des Mindestlohnes auf Bundesebene oder eine höhere Besteuerung der sehr reichen Amerikaner. Für seine einstige Ankündigung, viel Geld in die Verbesserung der größtenteils maroden Infrastruktur der USA zu investieren, könnte Trump sogar auf die Unterstützung vieler Demokraten rechnen. Ferner könnte sich Trump die innere Zerrissenheit der Demokraten – insbesondere den Konflikt zwischen Anhängern einer identitätspolitischen und einer klassenorientierten Politik zunutze machen, welche aufgrund der gemeinsamen Ablehnung Trumps momentan leicht verdeckt ist, aber spätestens bei der innerparteilichen Kandidatenauswahl für die Präsidentschaftswahl 2020 offen ausbrechen wird. Gleichwohl bestehen ernsthafte Zweifel, ob die erratische und narzisstische Führungsfigur Donald Trump, den seine clevere Instinktpolitik überraschend ins Weiße Haus geführt hat, zu einem solch strategischen Politikansatz in der Lage wäre. Sein ehemaliger Chefstratege Steven K. Bannon, der sein Glück nun bei der Koordinierung europäischer Rechtspopulisten sucht, wollte Trump in genau diese parteiübergreifende populistische Richtung drängen, konnte sich damit aber im ersten Amtsjahr Trumps nicht durchsetzen. Die Halbzeitwahlen 2018 liefern das erste offizielle Maß dafür, ob die Summe der Zuneigung zu Trump von der Summe des Hasses auf Trump übertroffen wird. Das politische Zwischenzeugnis für Donald Trump dürfte nicht sonderlich gut ausfallen. Ob es so vernichtend ausfallen wird, wie seine Gegner hoffen, ist zweifelhaft. Es sieht eher danach aus, als bekäme am Wahlabend des 6. Novembers 2018 jeder etwas von dem, was er sich wünscht, aber eben nicht alles.

Zitationshinweis:

Thunert, Martin (2018): Trump in Trouble? Die Halbzeitwahlen (‚Midterms‘) zum US Kongress am 6. November 2018 als Zwischenzeugnis für Präsident Donald Trump, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/trump-in-trouble-die-halbzeitwahlen-midterms-zum-us-kongress-am-6-november-2018-als-zwischen-zeugnis-fuer-praesident-donald-trump/

 

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