Wie reagieren die Fraktionen im Bundestag auf die Fridays for Future Bewegung?

Pauline Büsken, die im Master „European Culture and Economy“ an der Ruhr-Universität Bochum studiert, analysiert die Reaktionen der Bundestagsfraktionen auf die Protestbewegung Fridays for Future. Wie reagiert die Politik auf die Medienaufmerksamkeit für diese Bewegung? Verglichen mit der Berichterstattung in der FAZ scheint der Bundestag auf die Bewegung zu reagieren. Hierbei zeigen sich jedoch Fraktionsunterschiede: Während Grüne und Linke das Thema positiv besetzen, reagieren die CDU/CSU, die FDP und die SPD eher zurückhaltend. Die AfD hingegen besetzt die Bewegung negativ.

Der Klimawandel als „eine der größten Herausforderungen des 21.Jahrhunderts“ (Ranke 2019: V) ist nicht zu leugnen. Aufgrund der unabsehbaren Konsequenzen, die ein Nichtaufhalten der globalen Erderwärmung zur Folge haben würde, hat sich eine Protestbewegung aus Schüler*innen formiert, die freitags dafür auf die Straße gehen, dass die globale Erderwärmung begrenzt wird. Die Fridays for Future Demonstrationen „finden großen Zulauf und ein großes Echo in [den] Medien“ (Reinhardt 2019: 1), aber wie hoch ist ihre politische Wirksamkeit?

Wie reagieren die Fraktionen im Bundestag auf die Fridays for Future Bewegung?

Autorin

Pauline Büsken ist Studierende im Master „European Culture and Economy“ an der Ruhr-Universität Bochum. Zu ihren Forschungsinteressen zählen die Europäische Union, Interessenvermittlung sowie Interessengruppen und Recht.

1. Einleitung

Der Klimawandel als „eine der größten Herausforderungen des 21.Jahrhunderts“ (Ranke 2019: V) ist nicht zu leugnen. Aufgrund der unabsehbaren Konsequenzen, die ein Nichtaufhalten der globalen Erderwärmung zur Folge haben würde, hat sich eine Protestbewegung aus Schüler*innen formiert, die freitags dafür auf die Straße gehen, dass die globale Erderwärmung begrenzt wird (vgl. Fridays for Future 2019). Die Fridays for Future Demonstrationen „finden großen Zulauf und ein großes Echo in [den] Medien“ (Reinhardt 2019: 1), aber wie hoch ist ihre politische Wirksamkeit? Wird in der Politik auf besagte Medienaufmerksamkeit reagiert und wenn ja, wie? Die folgende Kurzanalyse untersucht, ob die Politik auf die Medienaufmerksamkeit für die Fridays for Future Bewegung reagiert und wie die einzelnen Fraktionen sich zu der Bewegung positionieren.

Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst die Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) analysiert. Dabei wird untersucht, wie oft das Thema Klima vor und nach Aufkommen der Bewegung im August 2018 in der FAZ erwähnt, und wie häufig seit Gründung von Fridays for Future über die Bewegung berichtet wird. Um zu analysieren, ob die Bundestagsabgeordneten auf Fridays for Future reagieren, werden die Plenarprotokolle der Bundestagssitzungen für den Zeitraum nach Entstehen der Bewegung hinsichtlich ihrer Erwähnungen der Bewegung untersucht. Überdies werden die Erwähnungen der Abgeordneten im Parlament in „positiv“, „neutral“ und „negativ“ unterteilt, sodass untersucht werden kann, wie die einzelnen Fraktionen auf die Bewegung reagieren. Um der Frage nachzugehen, ob die Politik auf die Medien reagiert, wird die Berichterstattung der FAZ in zeitliche Relation zu den Reden im Bundestag gesetzt.

2. Energie- und Umweltpolitik, Fridays for Future

Die Umweltpolitik ist ein relativ junges politisches Thema, das sich erst in den letzten fünf Jahr­zehnten „von einer weitgehend belächelten Nischenexistenz über ein wichtiges Mobili­sie­rungs­thema […] zum anerkannten Politikfeld“ (Roose 2009: 109) etabliert hat. Wurden Umweltthe­men früher sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik selbst als wenig relevant betrachtet, sind sie heute fester Bestandteil der politischen Agenda und ihre Wahrnehmung hat sich grund­legend gewandelt (vgl. ebd.: 110 f.).

Die Umweltpolitik kann als ein heterogenes Feld der Interessenvermittlung mit wech­seln­den Al­lianzen charakterisiert werden, in dem Umweltverbände teilweise Einfluss­möglichkeiten haben, je­doch mit dem Einfluss von Wirtschaftsinteressen nicht mithalten können (ebd.: 112). Die hohe Anzahl an Verbänden innerhalb der Umweltpolitik sowie die „unterschiedlichen Interessenkons­tellationen“ (ebd.) sind typisch für ein pluralisti­sches Politikfeld. Mit der Vielzahl von Akteuren geht eine Vielfalt in den Formen der Interessenvertretung einher, wobei vor allem zwischen Pro­test und Lobbying unterschieden wird (ebd.). Die Fridays for Future Bewegung ist ein Beispiel für eine Protest­bewegung.

Bereits die Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2015 prophezeite, dass Umweltthemen bei Ju­gend­lichen in näherer Zukunft eine zentrale Rolle spielen würden (Shell 2015: 38-39). Tat­sächlich begannen Schüler*innen in vielen Ländern Europas ab August 2018 nach einem Aufruf durch die schwedischen Schülerin Greta Thunberg freitags während der Schulzeit „für den Erhalt der Welt durch Klimaschutz“ (Reinhardt 2019: 1) zu demonstrieren. In Deutschland begannen die De­monstrationen im Dezember 2018 in einzelnen Städten, im Januar 2019 wurde bereits an 50 ver­schiedenen Orten in der Bundesrepublik protestiert (Sommer et. al. 2019: 2). Im März 2019 gin­gen weltweit 1,6 Millionen Menschen unter dem Slogan von Fridays for Future auf die Straße (Wahlström et. al. 2019: 6), was verdeutlicht, wie groß die Bewegung in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum geworden ist.

Da Protestakteure nach unkonventionellen Wegen der Politikbeeinflussung suchen und daher öf­fentliche Aufmerk­samkeit für ihr Anliegen benötigen, sind Medien für sie entscheidend (Baring­horst 2014. 94). Der Zugang zur Medienöffentlichkeit gestaltet sich jedoch häufig schwie­rig und bedarf genauer Kenntnis und virtuoser Verwendung journalistischer Ei­genlogiken, darunter „die Konzentration auf starke Bilder, […] die Konzentration auf Personen statt auf Institutionen und Ideen, besondere Aufmerksamkeit für Konflikte und Nor­mabweichungen“ (Marcinkowski 2015: 73) sowie die Provokation von Konflikten, um wahr­ge­nommen zu werden. Dies scheint der Fridays for Future Bewegung zu gelingen: Sie schafft eine Personalisierung in Form von Greta Thunberg und provoziert Konflikte bzw. Normab­weichungen, indem die Jugendlichen der Schule fernbleiben. Insbesondere ressourcen­arme Gruppen können „bei geschickter Ausnut­zung der vi­ralen Verbreitungs­logik sozialer Netz­werke im Netz erfolgreich massenhafte Re­sonanz erzeu­gen“ (Baringhorst 2014: 96) und somit auch ohne viele Ressourcen in Form von Kapital, Ange­stellten oder Expertise Zugang zu Medien erhalten. Öffentliche Aufmerksamkeit kann Zugang zu Parlament oder Regierung verschaffen, denn die Politik reagiert „zunehmend responsiv gegen­über der veröffentlichten Meinung und media­lem Druck“ (Marcinkowski 2015: 89). Laut Bin­derkrantz et. al. (2015: 100-101) treten insbesondere Spillover Effekte von den Medien zum Par­lament auf. Parlamentarier*innen, die Aufmerksamkeit auf sich und ihre Ziele lenken wollen, könnten die mediale Aufmerksamkeit der Fridays for Future Bewe­gung somit nutzen. Von daher lautet die erste Hypothese dieser Analyse (H1), dass das Parlament auf die Medienberichterstat­tung über Fridays for Future reagiert.

Doch diese Überlegung trifft nicht nur auf das Parlament im Allgemeinen, sondern auch auf Parteien im Besonderen zu, gerade aufgrund ihres Interesses, gewählt zu werden. In der aktu­ellen Legislaturperiode (19. Deutscher Bundestag) befinden sich sechs Fraktionen im deutschen Bun­destag: die Union (CDU/CSU), die SPD, die AfD, die FDP, die Linke und Bündnis 90/die Grü­nen (Reihenfolge nach Anzahl der Sitze). Diese werden im Folgen­den anhand ihrer im Wahl­programm dargestellten Position zum Umweltschutz verglichen. Dazu wird das Manifesto Pro­ject Dataset herangezogen, worin Umweltschutz als „general policies in favour of protecting the environment, fighting climate change and other ‚green’ policies“ (Vol­kens 2015a: 16) verstan­den wird.

Tabelle 1: Anteil Sätze mit Bezug zum Umweltschutz im Wahlprogramm, Quelle: Volkens 2015, eigene Darstellung

Die christlich-konservative CDU verfügt mit insgesamt 3,428% der Sätze im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 mit Bezug zum Umweltschutz (Volkens 2015) über den zweithöchsten Wert aller Fraktionen, ein Blick in das Programm zeigt jedoch, dass die CDU Umwelt, Wachs­tum und Wohlstand als „zwei Seiten derselben Medaille“ (CDU-Wahlprogramm 2017: 6) be­trachtet, was ver­deutlicht, dass aus Sicht der Union Umweltziele nicht zulasten von Wachstum verfolgt werden dürfen. Die Union steht hier in einem Zielkonflikt: Einerseits möchte sie Um­weltinteressen betonen, andererseits vertritt sie auch die Wirtschaft, deren Interessen sich häufig nicht mit Umweltschutz vereinen lassen.

Die SPD hingegen betont mehrfach den Zusammenhang zwischen Umweltbelastungen und so­zialer Ungleichheit (vgl. SPD-Wahlprogramm 2017: 32 & 48). In ihrem Wahlprogramm von 2017 haben 2,949% der Sätze einen Bezug zum Umweltschutz (Volkens 2015), was der dritt­niedrigste Wert aller heute im Bundestag vertretenen Fraktionen ist. Unter den Wähler*innen der SPD sind traditionell vor allem Arbeiter*innen (Alemann 2018: 144), so­dass auch die SPD sich in einem Zielkonflikt befindet: Da sie die Interessen von Industrie und Arbei­ter*innen ver­tritt, ist es für sie schwieriger, Umweltinteressen stark zu betonen, denn diese stehen häufig in Konflikt mit Interessen der Industrie.

Die AfD ist rechts der Union zu verorten (vgl. ebd.: 97) und hat mit 1,494% der Sätze im Wahlprogramm 2017 mit Bezug zum Umweltschutz den geringsten Anteil an Umweltschutz­programmatik aller im Bundestag vertretenen Parteien (Volkens 2015). Unter anderem wurde in dem Programm angegeben, dass das Pariser Klimaabkommen gekündigt werden solle (vgl. AfD-Wahlprogramm 2017: 65). Die liberale und wirtschaftsnahe FDP beharrt gegenüber Regulierun­gen und Verboten im Umweltschutz „auf markt­wirtschaftlichen Instrumenten“ (Rudzio 2015: 133). Mit 1,733% der Sätze im Wahlprogramm 2017 in Bezug zum Umweltschutz (Volkens 2015) liegt sie zwischen AfD und SPD.

Die Linke hat mit 3,275% der Sätze des Wahlprogrammes 2017 mit Bezug zum Umweltschutz (Volkens 2015) einen vergleichsweise geringen Anteil an Umweltprogrammatik vorzuweisen, positioniert sich jedoch klar für den Umweltschutz (vgl. Die LINKE-Wahlprogramm 2017: 11). Bei Bündnis 90/die Grünen ist Umweltschutz die „parteibe­gründende Kraft“ (Rudzio 2015: 137). Im Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2019 stehen 8,903% der Sätze in Be­zug zum Umweltschutz (Volkens 2015), was von allen momentan im Bundestag vertrete­nen Fraktionen der mit großem Abstand höchste Wert ist. Anders als Union und die FDP fordern die Grünen eine Entkopplung von Wachstum und Umweltverbrauch (Bündnis 90/die Grünen Wahl­programm 2017: 44). Entsprechend der in den Wahlprogrammen dargelegten Positionen lautet die zweite Hypothese (H2), dass Linke und Grüne positiv, FDP und AfD negativ und die beiden Regierungsparteien zurückhaltend auf Fridays for Future reagieren.

3. Analyse

Um Hypothese 1 zu überprüfen, soll die Berichterstattung über das Klima und über Fridays for Future untersucht werden. Dazu wird das Zeitungsarchiv der FAZ herangezogen und zwei Zeit­räume miteinander verglichen: der 01.09.2018 bis 31.05.2019 (Zeitraum 2) und der 01.11.2017 bis 31.08.2018 (Zeitraum 1). Zeitraum 2 umfasst die 9 Monate seit Beginn der Fridays for Future Bewegung, Zeitraum 1 als Vergleichszeitraum die 9 Monate vor ihrer Gründung.

Für beide Zeiträume wurde das Archiv der FAZ nach dem Stichwort „Klima“ in Titeln und Un­terüberschriften durchsucht, wobei alle Artikel, die nicht das Klima im Sinne von Umwelt behan­deln, nicht berücksichtigt wurden. Für den Zeitraum 1 bleiben 43 Artikel übrig, für den zweiten Zeitraum 73. Diese Zahlen unterstreichen, dass in den neun Monaten seit Gründung der Fridays for Future Bewegung deutlich mehr über das Klima berichtet wurde, als in den neun Monaten zuvor.

Aber auch innerhalb des Zeitraums 2 lässt sich eine Entwicklung feststellen. Grafik 1 ver­deut­licht, wie häufig in jedem Monat über das Klima berichtet wurde und wie viele dieser Artikel sich auf Fridays for Future beziehen. Das erste Mal wird die Bewegung im Dezember 2018 erwähnt, als darüber berichtet wird, dass Greta Thunberg eine Rede beim Klimagipfel 2018 hielt. Bis März 2019 steigt die Berichterstattung über Fridays for Future kontinuierlich an, der März selbst ist dann der Monat, in dem sie insgesamt am häufigsten erwähnt wird (neun Mal) und in dem auch am meisten über das Klima berichtet wird. Im April 2019 nimmt die Berichterstattung ab, bevor sie im Mai 2019 wieder ansteigt. Diese Zahlen unterstreichen die Medienwirksamkeit von Fridays for Future: Nicht nur über die Bewegung selbst wird berichtet, auch die Berichterstattung über das Klima hat ge­genüber Zeitraum 1 zugenommen.

Grafik 1: Entwicklung der Berichterstattung in der FAZ; eigene Darstellung

Im Zeitraum 01.09.2018 bis 31.05.2019 fanden 56 Plenarsitzungen statt, deren Protokolle nach dem Stich­wort „Fridays for Future“ durchsucht wurden. Insgesamt wurde die Bewegung 58 Mal erwähnt.

Grafik 2: Erwähnungen Fridays for Future in Bundestag und FAZ; eigene Darstellung

Im zeitlichen Verlauf verhält es sich mit den Erwähnungen im Bundestag ähnlich wie mit den Berichten in der FAZ über Fridays for Future. Zwar wird die Bewegung anders als in der Zeitung, wo die Berichterstattung im Dezember 2018 beginnt, das erste Mal im Januar 2019 erwähnt, doch auch hier steigen die Erwähnungen bis März 2019, wo sie ihren Höhepunkt erreichen (32 Erwähnungen), immer weiter an, nehmen dann im April 2019 etwas ab, um im Mai 2019 wieder anzusteigen. Die Tatsache, dass Fridays for Future im März mit Abstand am häufigs­ten erwähnt wird, hängt auch damit zusammen, dass in diesem Monat eine aktuelle Stunde zu dem Thema stattgefunden hat. Somit lässt sich in Bezug auf Hypothese 1 feststellen, dass die Politik auf die Medienberichterstattung über Fridays for Future reagiert, die Hypothese sich also bestätigt hat.

Die Ergebnisse der Analyse der Plenarprotokolle sind in Tabelle 2 vermerkt. Die Zahlen zeigen, dass die Fraktion Bündnis 90/die Grünen sich nicht nur als erstes zu der Fridays for Future Be­wegung äußert, sondern auch am häufigsten. Die meisten dieser Erwähnungen sind positiv, ei­nige neutrale sind darauf zurückzuführen, dass die Bewegung in verschiedenen Kontexten als Beispiel angeführt wird. Am 15. März 2019 hat überdies eine aktuelle Stunde zum Thema Fridays for Future auf Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stattgefunden (87. Sitzung, 15. März 2019: 10353).

Tabelle 2: Erwähnungen von Fridays for Future im Bundestag; eigene Darstellung

Dies kann als eine positive Reaktion auf die Bewegung verstanden werden: Die Fraktion führt diese immer wieder an, bringt sie in Debatten ein und setzt sie sogar auf die Tagesordnung in Form einer aktuellen Stunde, sodass auch die anderen Fraktionen sich zu der Bewegung äußern müssen und das auch ausnahmslos tun. Darüber hinaus haben drei Abgeordnete der Grünen in der Fragestunde Fragen zu der Bewegung an die Bundesregierung gestellt (Oliver Krischer, 85. Sitzung, Lisa Badum, 85. Sitzung, 13. März 2019, Canan Bayram, 91. Sitzung, 3. April 2019), was ebenfalls verdeutlicht, dass die Fraktion Fridays for Future thematisiert.

Auch die Linke reagiert gemäß der Hypothese positiv auf die Fridays for Future Bewegung. Nach den Grünen sind sie nicht nur die Fraktion, die die Bewegung zeitlich gesehen als zweites er­wähnt, sondern auch diejenige, die Fridays for Future am zweithäufigsten im Plenum an­spricht. Zudem wurde auch hier die Relevanz der Bewegung vergleichsweise früh erkannt (Feb­ruar 2019). Bei der Linken sind ebenfalls alle Bemerkun­gen entweder neutral oder positiv, wobei die positiven überwiegen.

Die AfD äußert sich insgesamt sieben Mal, fünf dieser Erwähnungen sind jedoch negativ, was klar für die eingangs aufgestellte Hypothese spricht. Zwar ist eine positive Bemerkung durch die Fraktion zu vermerken, dennoch besetzt die AfD das Thema Fridays for Future überwiegend negativ, was mit ihrer allgemeinen Positionierung zum Thema Klima einhergeht.

Für die FDP wird wiederum eine negative Reaktion auf Fridays for Future prognostiziert. In diesem Falle ist die Datengrundlage deutlich kleiner als bei den bisherigen Fraktionen, da es insgesamt nur zwei Er­wähnungen im Bundestag gibt, die beide von demselben Abgeordneten stammen und neutral sind. Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, da der Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, sich am 10.03.2019 auf Twitter zu der Bewegung geäußert und dabei angemerkt hat, Klimaschutz sei etwas für Profis und nichts für Kinder und Jugendliche. Da er für diesen Tweet heftige Kritik geerntet hat, kann die Tatsache, dass sich im Bundestag nur der klimapolitische Sprecher der Fraktion äußert und das auch nur zwei Mal im Rahmen der aktuel­len Stunde, so gedeutet werden, dass die FDP nach der Blamage durch den Tweet von Christian Lindner keine klare Position mehr im Bundestag beziehen wollte. Berücksichtigt man den Tweet auf der einen und die neutrale Natur der zwei Bemerkungen zu Fridays for Future im Bundestag auf der anderen Seite, so lässt sich der Schluss ziehen, dass die FDP zurückhaltend auf die Be­wegung reagiert.

Bei CDU/CSU wurde im Rahmen der Hypothese davon ausgegangen, dass sie ambivalent auf Fridays for Future reagieren. Ähnlich wie bei der FDP lässt sich hier eine Diskrepanz zwischen Äußerungen innerhalb und außerhalb des Bundestages feststellen: Im Parlament hat es insgesamt nur drei Äußerungen gegeben, zwei davon negativ, was auf eine insgesamt negative Reaktion durch die Fraktion hindeutet. Im März stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in ihrem Po­dcast jedoch klar hinter die Bewegung. Dieser Unterschied kann als eine nicht einheitliche Re­aktion auf Fridays for Future interpretiert werden.

Für die SPD prognostiziert die Hypothese, dass diese zurückhaltend auf die Fridays for Future Be­wegung reagiert. Zwar erwähnt die SPD die Bewegung von allen Fraktionen am dritthäufigs­ten mit ins­gesamt elf Bemerkungen, von denen sechs positiv sind, doch die Tatsache, dass ins­gesamt nur sieben von 152 Abgeordneten der SPD die Bewegung erwähnen und die SPD sich darüber hinaus erst am 14. März äußert, zeigt, dass die Reaktion nicht als so positiv wie bei Grünen und Linken eingestuft werden kann: Die Fraktion reagiert erst, als der Druck durch die Medienbe­richterstattung so stark wird, dass ein Ignorieren von Fridays for Future kaum noch möglich ist. Die Reaktion kann also auch als zurückhaltend eingestuft werden.

4. Fazit

Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass der Bundestag insgesamt auf die Medienaufmerk­samkeit reagiert. Dies offenbart sich insbesondere in der sehr ähnlichen Entwicklung der Be­richterstat­tung in der FAZ und der Erwähnungen im Parlament. Auch wenn nicht alle Fraktio­nen die Bewegung häufig erwähnen, stimmt die allgemeine Tendenz der Bemerkungen zu Fridays for Future doch mit der Anzahl der Erwähnungen in der FAZ überein. Die Reaktionen unterschieden sich hierbei: Linke und Grüne besetzen Fridays for Future positiv, während die AfD das Thema ebenfalls aufnimmt, es jedoch negativ besetzt. Interessanterweise reagieren die Abgeordneten der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der FDP zurückhaltend auf Fridays for Future, was darauf hindeutet, dass sie damit überfordert sind, eine einheitliche Po­sition zu den Zielen und Forderungen der Bewegung zu formulieren.

Die erhobenen Daten zeigen ein breites Spektrum an möglichen Reaktionen im Bundestag auf und verdeutlichen, wie unterschiedlich die Reaktionen ausfallen und wie verschieden das Ple­num von den einzelnen Fraktionen in Bezug auf die Bewegung genutzt wird. Bei der Interpre­ta­tion der Ergebnisse ist entscheidend zu beachten, dass es sich lediglich um einen zeitlichen Rah­men von wenigen Monaten handelt. Es ist durchaus möglich, dass sich die Reaktionen der Frak­tionen auf die Bewegung in Zukunft anders entwickelt, auch abhängig davon, wie es mit Fridays for Future selbst und der Berichterstattung in den Medien weitergeht. Für den Untersu­chungs­zeitraum ist jedoch deutlich, dass die Reaktionen der Fraktionen derart unterschiedlich ausfallen, dass eine Unterstützung des Bundestages beim Erreichen der Forderungen von Fridays for Future in nächster Zeit nicht wahrscheinlich zu sein scheint. Insbesondere die Fraktionen, die der Be­wegung positiv gegenüberstehen, haben keine Mehrheit im Parlament. Dies wird auch an Hand der Reaktionen auf das zuletzt von der Mehrheit der Regierungsfraktionen verabschiedete Klimapaket deutlich: Linke und Grüne kritisierten das Klimapaket scharf und Fridays for Future selbst bezeichnete es in einem offenen Brief an die Bundesregierung als „politische Bankrotterklärung“ (Fridays for Future 2019a).

Literatur:

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Rudzio, Wolfgang (2015) Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. (9. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

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Volkens, Andrea [et al.] (2015): The Manifesto Data Collection. Manifesto Project (MRG/CMP/MARPOR). Version 2015a. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Volkens, Andrea [et al.] (2015a): The Manifesto Data Project Dataset – Codebook. Manifesto Project (MRG/CMP/MARPOR). Version 2015a. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

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Zitationshinweis:

Büsken, Pauline (2019): Wie reagieren die Fraktionen im Bundestag auf die Fridays for Future Bewegung?, Kurzanalyse, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/wie-reagieren-die-fraktionen-im-bundestag-auf-die-fridays-for-future-bewegung/

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