Zuwanderung als Finanzmarkargument

Die Kritik an den Kosten der Zuwanderung nach Deutschland, hat durch eine heute veröffentlichte Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, einen herben Dämpfer erhalten. Im Auftrag der Bertelsmannstiftung ermittelte Prof. Holger Bonin, welche finanzpolitischen Auswirkungen Zuwanderung nach Deutschland hatten, haben und haben werden. Bemerkenswert ist die mediale Resonanz der Studie, die binnen kürzester Zeit durch die maßgeblichen medialen Kanäle aufgegriffen und kommentiert wurden. Das Interesse an den Kosten einer liberalen Gesellschaft scheint dabei besonders groß.

Nun können wir endlich beziffern, was unsere Offenheit und Toleranz kostet. Denn auf den ersten Blick erscheint die Studie als weltoffene Kritik an Denjenigen, die Zuwanderung nicht zuletzt ob der immensen Belastung der öffentlichen Haushalte bremsen, deckeln, am liebsten aber beenden wollen. Es scheint, als hätten nun alle endlich ein monetäres Argument an der Hand, um die AfD, die bereits in den verschiedensten Wahlkämpfen auf die finanzielle Last der Zuwanderung abzielte, oder die  CSU, die schon vor einem Jahr mit dem Wahlspruch „Wer betrügt, der fliegt“ warb, in ihre Schranken zu verweisen.

Doch wird für eine liberale und weltoffene Einwanderungspolitik wirklich ein solches finanzpolitisches Argument benötigt? Oder ist es vielmehr ein zynischer Auswuchs, einer dem Fetisch der ausgeglichenen Haushalte hinterher hechelnden Gesellschaft? Sollten die Argumente für ein Mehr an Zuwanderung wenn schon nicht humanitärer oder ethischer, dann doch wenigsten generationenpolitischer Natur sein?

Klar ist, dass eine solche Studie keine zufriedenstellenden Antworten auf die Zuwanderungsprobleme moderner Gesellschaften geben kann. Sie ist in der Lage fiskalpolitische Microdaten auszuwerten und damit eine Annäherung an die Sachlage zu liefern. Dass diese Ergebnisse aber immer interpretationsbedürftig bleiben, zeigt die Medienresonaz: Während die WELT titelt „Nur gut gebildete Migranten stützen Sozialkassen“ und aus der Studie ableitet „Der Migrantennachwuchs müsste besser ausgebildet werden“, sieht die überschreibt SPIEGELonline „Mehr Einnahmen als Ausgaben: Ausländer bringen Deutschland Milliarden“. Die Wirtschaftsredaktion WELT hier verschweigt hier nicht nur, dass ihre Urteile ebenso über deutsche Bürger, ohne den sogenannten Migrationshintergrund, zu fällen sind und somit keine wirksame Kategorisierung darstellen, sondern geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter und verkehrt unter dem Verweis auf die Komplexität des Gegenstandes den Grundtenor der Studie ins Negative. Dabei zielt das dann folgende, vermeintliche Mehr an analytischer Tiefe, einzig auf eine weitere Distinktion zwischen Ausländern und Deutschen. Die Gründe dafür werden nicht im Ansatz thematisiert.

Dies ist eigenartig, denn die Studie des ZEW ist von einem positiven Tonfall geprägt. Hier werden die Chancen betont und sogar Versäumnisse in der Integrationsarbeit als maßgeblicher Faktor für ein mögliches besseres Ergebnis genannt (S. 53). Warum die WELT hier aus dem breiten positiven Medienecho ausbricht, bleibt fraglich.

Pragmatisch gewendet, kann die Annahme der Ergebnisse einen positiven Einfluss auf die öffentliche Meinung und deren Einstellung zu Zuwanderung haben. Es bleibt jedoch die Frage im Raum, warum dies nur über das liebe Geld zu funktionieren scheint.

Teile diesen Inhalt:

Artikel kommentieren

* Pflichtfeld