15. April 2016 – auf der Bundespressekonferenz trat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor die versammelte Presse um zu erklären, dass sie die Ermächtigung zur Ermittlung gegen den Satiriker Jan Böhmermann erteilen wird.
Die Türkei sei ein verlässlicher und wichtiger Partner der Bundesrepublik, deren Anliegen dementsprechend geachtet werden müssten. Gleichzeitig werde die Bundesregierung jedoch weiterhin die Presse- und Meinungsfreiheit verteidigen. Für einen Moment schien es, dass etwas miteinander Unvereinbares unter einen Hut gepresst werden sollte.
Was war passiert? Grundlage für das Ermittlungsverfahren war eine „Schmähkritik“ von Böhmermann. In seiner im ZDFneo ausgestrahlten TV-Sendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März 2016 trug er ein Gedicht über den türkischen Präsidenten vor, welches ein bewusst gewähltes Beispiel für die Grenzen von Satire seien sollte: Erdoğan wurde darin u.a. als „sackdoof, feige und verklemmt“ betitelt. Als Frauenschläger mache er Jagd auf Minderheiten und würde auch vor Zoophilie keinen Halt machen. Darüber hinaus fanden sich noch weitere, sich weniger ‚anmutig‘ lesende Passagen in dem Gedicht. Nach der Veröffentlichung dieses Gedichts entbrannte in Deutschland eine scharfe Debatte über die Grenzen von Satire und Meinungsfreiheit.
Anstoß für Böhmermanns Gedicht war ein Fernsehbeitrag des NDR Satiremagazins „Extra 3“ vom 17. März 2016. In dem Beitrag wurde der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf humoristische Art und Weise kritisiert. Gegenstand der Kritik waren Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie das gewalttätige Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Minderheiten und Oppositionelle in der Türkei. Die Türkei protestierte vehement gegen diesen Beitrag des Satiremagazins und bestellte den deutschen Botschafter in Ankara ein. Die Bundeskanzlerin äußerte sich nicht zu den Vorgängen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hingegen wies die türkische Kritik zurück und stellte klar, dass Presse- und Meinungsfreiheit unverhandelbare Grundwerte seien.
Autoren
Johannes Bongardt ist Masterstudent an der NRW School of Governance im Studiengang Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“. Seine thematischen Schwerpunkte sind das politische System Deutschlands, Parteien- und Wahlforschung.
Ilka Rasch ist Masterstudentin an der NRW School of Governance im Studiengang „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“. Ihre bisherigen Forschungsschwerpunkte sind Parteienforschung sowie das politische System Deutschlands.
Sören Witt ist Masterstudent an der NRW School of Governance im Studiengang „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“. Seine thematischen Schwerpunkte sind Politische Narrative und Parteienforschung.
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Zitationshinweis
Johannes Bongardt, Ilka Rasch und Sören Witt (2016): „Ist das Kunst, oder kann das weg? Die Causa Böhmermann – Von Satire zum Politikum“, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Fälle. Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/ist-das-kunst-oder-kann-das-weg-die-causa-boehmermann-von-satire-zum-politikum/