Mit dem Band „Die Kunst guten Führens“ legt Thomas de Mazière – nun gemeinsam mit Ko-Autor Karl-Ludwig Kley – schon das zweite wichtige Buch zur Regierungskunst vor, so Prof. Dr. Karl- Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Mit reflektierten und systematischen Zugängen liefert de Mazière Einblicke in die Innensicht der Macht, die Forschende für die Regierungsforschung benötigen.
Thomas de Maizière legt nun schon das zweite wichtige Buch zur Regierungskunst vor. Seine Monografie „Regieren“ (2019) setzt er mit diesem neuen Buch in einen komparativen Kontext, konkret der Fragestellung des Führens in der Wirtschaft. Erneut kann er mit seinen sehr reflektierten und systematischen Zugängen – angereichert mit praktischen Beispielen aus der Politik und seinen vielen Regierungsämtern – eine Innensicht der Macht skizzieren, die wir als Spiegelung für unsere Analysen zur Regierungsforschung in theoretischer und methodischer Weise benötigen.
Thomas de Maizière, Karl-Ludwig Kley: Die Kunst guten Führens. Macht in Wirtschaft und Politik.
Herder Verlag, Freiburg, 2021, 288 Seiten, ISBN: 978-3-451-38715-9, 25,00 Euro
Autor
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs‑, Parteien- und Wahlforschung.
Gutes Regieren – gute Führung
Thomas de Maizière legt nun schon das zweite wichtige Buch zur Regierungskunst vor. Seine Monografie „Regieren“ (2019) setzt er mit diesem neuen Buch in einen komparativen Kontext, konkret der Fragestellung des Führens in der Wirtschaft. Erneut kann er mit seinen sehr reflektierten und systematischen Zugängen – angereichert mit praktischen Beispielen aus der Politik und seinen vielen Regierungsämtern – eine Innensicht der Macht skizzieren, die wir als Spiegelung für unsere Analysen zur Regierungsforschung in theoretischer und methodischer Weise benötigen. Karl-Ludwig Kley, der Ko-Autor, ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der E.On SE und der Deutschen Lufthansa AG.
Zuerst skizziert der Politiker auf rund 100 Seiten, dann der Wirtschaftslenker. Am Ende kann man auf rund 30 Seiten Überschneidungen und Unterschiede zwischen ökonomischer und politischer Führungsrationalität erkennen. Wie in einem Managerbuch schließen sich 10 goldene Regeln guter Führung an, die allerdings nicht der Komplexität der vorangestellten Analyse Rechnung tragen.
In der Politik muss man versuchen, Machtkonstellationen zu verstehen, dann kann man auch Bündnisse schmieden. Der Streit, das Ringen um unterschiedliche Problemlösungen ist dabei der Anfang einer Machtbeziehung. De Maizière schreibt an einer Stelle: „Politische Erfahrung in ein Ministeramt mitzubringen ist wichtiger als reine Fachkenntnis.“ Solche Sätze widersprechen vollständig der öffentlichen Meinung und auch der öffentlichen Erwartung. Das spürt man auch gerade an den Auseinandersetzungen zur Kanzlerkandidatin Baerbock. Aber die Erfahrung nutzt für Gestaltungs- und Führungsaufgaben. Die Fachkenntnisse sind dem unterzuordnen. Denn die kann man sich – auch eine Führungsaufgabe – systematisch, intensiv und zügig aneignen. Das gilt für einen selbst im Hinblick auf das Eintauchen in Fachmaterien und Fachbegriffe. Aber es gilt vor allem auch immer in Richtung einer personellen Beratung im Hause, durch die einem das Fachwissen vermittelt wird.
Man kann das Buch auch jedem anraten, der in ein hohes politisches Amt gewählt wird. Es eignet sich als Regieplan für die ersten Monate. Vor allem, wenn man aus der Wirtschaft in die Politik kommt, erkennt man die Logiken der Politik, die mit den Logiken der Ökonomie zunächst nichts zu tun haben.
Politik ist die Durchsetzung kollektiv verbindlicher Handlungsnormen. Dies geschieht durch die Organisation des gesellschaftlichen Miteinanders durch gemeinschaftliche Regeln. Die Lösung bzw. Bewältigung von Problemen sollte idealerweise politisch rational die Chancen zur Wiederwahl erhöhen. Politische Macht entscheidet über Form und Inhalte dieser kollektiv verbindlichen Entscheidungen. Sach- und Machtfragen sind dabei im Sinne von entscheidungsgetriebenem Politikmanagement in Übereinstimmung zu bringen.
Zum Stoff der Politik gehört ferner, dass alle politischen Akteure zweckgerichtet handeln. Sie sind sich ihrer Interdependenz bewusst. Die Handlungen der Akteure sind miteinander verknüpft. Das Ergebnis der Entscheidung eines Akteurs hängt von den Entscheidungen der anderen Akteure ab. Das kann im eigenen parteipolitischen Lager zu funktionalen Freundschaften führen. Do ut des – ich gebe, damit du gibst – beschreibt den Kern von Beziehungen unter Parteifreunden. Dahinter stecken politische Netzwerke, die auf Verbindlichkeit und andauernde Gegenseitigkeit zum wechselseitigen Nutzen angelegt sind.
Sie agieren und reagieren reziprok, versuchen mithin, die Schritte anderer Spitzenakteure bereits zu antizipieren. Sie gestalten stets absichtsvoll. Das Absichtsvolle bezieht sich dabei auf den politischen Kontext der Aktion, in der jede politische Entscheidung – auch die Nicht-Handlung – das Abwarten, die fehlende, die aufschiebende, die verweigerte Entscheidung – als intentionale und zugleich antizipierende Interaktion interpretiert werden kann. Das macht die Essenz des politischen Raumes aus. Jede Entscheidung (verbal, non-verbal, visuell, analog, digital), mithin jede Gestaltung, wird interpretiert. Der immerwährende und professionelle Umgang mit Ambiguität (prinzipiell mehrdeutig) und Kontingenz (alles was ist, könnte aus Sicht des Akteurs auch anders sein) bleibt der Maßstab für gelingende Machtambitionen individueller Akteure. Ohne das Bewusstsein für beides gelingt keinem Entscheidungsträger eine eigene komplexe Form der Realitätsverarbeitung. Das macht das Spezifische der Politik aus und liefert das Material für den Stoff des Politischen. Politische Macht verändert sich je nach Konstellation. Sie ist in der Regel nicht von formalen Kriterien der Organigramme abhängig, sondern weitgehend von Projektionen, von Mutmaßungen, vom – wie oben erläutert – Handeln mit anderen. Politische Macht ist deshalb oft auch eine von Dritten unterstellte und konstruierte Macht des Augenblicks. Latent und potenziell zugleich. Der französische Schriftsteller André Malroux formulierte zu diesem interaktionistischen Machtverständnis treffend: „Mit der Macht kann man nicht flirten, man muss sie heiraten.“ Thomas de Maizière lädt im übertragenen Sinne zur Hochzeit ein, wenn man sich auf die Lektüre einlässt.
Zitationshinweis:
Korte, Karl-Rudolf (2021): Thomas de Maizière, Karl-Ludwig Kley: Die Kunst guten Führens. Macht in Wirtschaft und Politik, Rezension, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/thomas-de-maiziere-karl-ludwig-kley-die-kunst-guten-fuehrens/
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