Tobias Blasius/Moritz Küpper: Der Machtmenschliche. Armin Laschet. Die Biografie.

Beide Autoren haben nicht nur gut hingesehen, sondern intensiv zugehört, selbständig recherchiert und unterhaltsam beschrieben. So lobt Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen die Arbeit von Tobias Blasius und Moritz Küpper in ihrer Laschet-Biografie. Das Buch ist nicht nur für die moderne Regierungsforschung wichtig, sondern auch für andere Leserinnen und Leser eine interessante Lektüre, um Laschet besser kennenzulernen.

Ich bin neidisch – auf die beiden Autoren. Wer würde nicht gerne mal mit einem wichtigen Lieblingsautor zusammen essen gehen? Offenbar war einer der beiden Autoren beim Diner Laschets mit Louis Begley in Manhattan dabei. Das gemeinsame Mahl ist atmosphärisch präzise wiedergegeben. Laschet hatte sich beim USA-Besuch eine kurze Auszeit genommen, um mit dem Welt-Romancier Begley („Lügen in Zeiten des Krieges“) persönlich sprechen zu können.

Tobias Blasius/Moritz Küpper: Der Machtmenschliche. Armin Laschet. Die Biografie.

Klartext Verlag, Essen, 2020, 360 Seiten, ISBN: 978-3-8375-2335-5, 25,00 Euro

Autor

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universitä t Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs-, Parteien- und Wahlforschung.

 

Transfer von Charisma

Ich bin neidisch – auf die beiden Autoren. Wer würde nicht gerne mal mit einem wichtigen Lieblingsautor zusammen essen gehen? Offenbar war einer der beiden Autoren beim Diner Laschets mit Louis Begley in Manhattan dabei. Das gemeinsame Mahl ist atmosphärisch präzise wiedergegeben. Laschet hatte sich beim USA-Besuch eine kurze Auszeit genommen, um mit dem Welt-Romancier Begley („Lügen in Zeiten des Krieges“) persönlich sprechen zu können. In meinen Roman-Regalen finden sich zehn Werke von Begley, die ich vor vielen Jahren verschlungen habe. Der Protagonist in vielen Romanen ist der ehemalige Anwalt Albert Schmidt, dessen Lebenskrisen wir als Leser gebannt verfolgen. Eine durchgehend sympathische Figur, die Weisheit ausstrahlt und familiäre Rückschläge meistert. Laschet liebt offenbar diesen Plot und zugleich die beeindruckende Lebensgeschichte des jüdischen Autors, der selbst als Anwalt in New York tätig war. Ich wäre gerne beim gemeinsamen Essen hoch über Manhattan dabei gewesen und hätte versucht zu ergründen, woher der Autor seine literarische Kraft bezieht. Mein Neid reicht aber noch weiter.

Als Regierungsforscher, der sich immerwährend für Praktiken individueller politischer Macht interessiert, kann man schnell erkennen, ob die Biografen primär mit Sekundärtexten gearbeitet haben oder ob sie sich die politische Lebenswelt von Laschet selber erschlossen haben. Dazu sind letztlich jahrelange persönliche Begegnungen erforderlich, was beiden ganz offensichtlich gelungen ist.

Die sehr erfahrenen Politik-Journalisten konnten Armin Laschet (CDU) über lange Zeit intensiv begleiten. Wie bei guten teilnehmenden Beobachtungen führten sie nicht nur Zufalls-Gespräche am Rande von Terminen, sondern erschlossen sich das Gesamt-Ensemble der machtpolitischen Aura des Ministerpräsidenten. Für Regierungsforscher, die aus systematischen Befunden, politische Entscheidungen ableiten bzw. authentisch versuchen Entscheidungen zu rekonstruieren, sind teilnehmende Methoden extrem wichtig. Umso textexegetischer widmet man sich dem voluminösen Werk. Denn Blasius und Küpper formulieren einen Anspruch, der im Titel steht: „Die Biografie“. Der Regierungsforscher blickt dabei weniger auf lebensbiografische Eckdaten und Werdegänge, als auf Stile, Techniken, Instrumente und Praktiken der Macht. Beide Autoren hoffen naturgemäß, dass sie mit dem Buch zu den Kanzlerbiografen aufsteigen. Sie setzen auf das Laschet-Potential: Machtgebrauch ohne Machtdemonstration. Der „Machtmenschliche“ hat zudem gelernt, mit Rückschlägen und Misserfolgen umzugehen. Keineswegs zeichnen die Autoren eine politische Erfolgslinie, sondern eher die mühsamen Versuche, auch erfolgreich zu scheitern.

13 Kapitel – von der Herkunft und Heimat bis zum Amt des Ministerpräsidenten – betonen den familiären und herkunftsgeprägten Wertekanon als Handlungsmaßstab des Politikers. Der Prolog pointiert: „Laschet ist lange die Unbedingtheit abgesprochen worden. Seine Karriere ist eine gegen jede Wahrscheinlichkeit.“ Und im Epilog agiert Laschet aktuell als Corona-Manager in einer neuen Bewährungsrolle des Krisen-Lotsen. Das ist eine für Laschet besonders schwierige Konstellation. Denn ihn zeichnet ein besonders Verhältnis zur Vorsicht aus. Vorpreschen oder schneidig-breitbeinig verkünden liegt ihm nicht. Er lebt die Ministerpräsidenten-Demokratie: Präsidentielles Steuern mit Bürgermeister-Charme und gut inszenierten repräsentativen Auftritten. Das gelingt aber eher mit der Macht durch Moderation, nicht durch polarisierende Ansagen. Notwendiges kuratiertes Regieren, was im Kontext der Corona-Politik auf große öffentliche Resonanz stößt, muss Laschet erst noch erproben. Richtungsvorgaben erfolgen weniger von ihm persönlich als vom Arrangement mit anderen. Charisma-Transfer gehört dabei zum Erfolgsrezept: Er umgibt sich gerne mit Widersachern, Gegnern, Konkurrenten, Andersdenkenden, wie die Autoren eindrucksvoll belegen. Er bindet sie wirkungsvoll ein und nutzt ihr Charisma, um Widersprüche auf einer höheren Stufe der Integration zu überbrücken.

Das erkennt man auch aktuell an der politisch-genialen Idee, mit Jens Spahn zusammen im Tandem für den Vorsitz der CDU zu kandidieren. Tagesintegrationsweltmeisterschaften kann man so als Vorsitzender gewinnen. Unklar bleibt das persönliche Profil, was im Buch eher durch den katholisch-europäischen und sozialen Wertekontext angereichert wird. Die Kärrnerarbeit an der Basis im großen CDU Bundesland NRW spielt dabei auch eine große Rolle, wie die Autoren mit vielen Beispielen gut dokumentieren.

Eindrucksvoll ist das System Laschet mit seinen Machtmaklerinnen und Machtmaklern beschrieben. Wer hat wann und welche vermittelnde Beratungsmacht? Wer wissen will, welches machtpolitische Arrangement Laschet antreibt, der kann dies nach der Lektüre fast schon szenisch bei Auftritten zuschauend ableiten.

Beide Autoren haben nicht nur gut hingesehen, sondern intensiv zugehört, selbständig recherchiert und unterhaltsam beschrieben. Nur in einem Kapitel konfrontieren sie den Leser mit negativen Seiten des Protagonisten, der offenbar auch aufbrausend, laut sein kann.

Für die 1001 Delegierten, die im Dezember auf dem Parteitag der CDU in Stuttgart über den neuen Vorsitzenden zu entscheiden haben, eignen sich die fast 400 Seiten als Bewerbungsunterlagen. Laschet ist nach diesem Buch nicht nur ein rheinischer Bauchmensch mit changierendem Image, sondern viel klarer politisch zu verorten. Das Buch hilft bei politischen Projektionen. Wie Laschet inhaltlich und personell eine Koalition im Babylon Berlin führen würde, erschließt sich deutlich nach der Lektüre. Das Buch ist für die moderne Regierungsforschung wichtig, ohne damit andere Leserinnen und Leser abzuschrecken, die „ihren Armin“ aus der Nähe kennenlernen möchten.

Zitationshinweis:

Korte, Karl-Rudolf (2020): Tobias Blasius/Moritz Küpper: Der Machtmenschliche. Armin Laschet. Die Biografie, Rezension, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/tobias-blasius-moritz-kuepper-der-machtmenschliche-armin-laschet-die-biografie/

 

This work by Karl-Rudolf Korte is licensed under a CC BY-NC-SA license.

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