Würselen ist überall: Schulz stärkt die NRW-SPD

Martin Schulz ist in Nordrhein-Westfalen als Kanzlerkandidat in der Wahlkabine mit der Zweitstimme direkt wählbar. Er wird die Landesliste der SPD in NRW auf Platz eins für den Deutschen Bundestag zieren. Den Namen der Kanzlerin sucht man vergeblich. Sie hat ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern und führt dort ebenfalls die Landesliste an.

Wer oben auf dem Papier steht, wird deutlich eher angekreuzt als weiter unten Platzierte. Das ist sicher nicht wahlentscheidend, aber ein Platz-Vorteil für die SPD in NRW. Welchen Einfluss Martin Schulz auf die SPD-NRW in der Landtagswahl hat und welche Stärken und Schwächen ihn als Kanzlerkandidaten ausmachen, legt Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte in seinem aktuellen Essay dar. 

Würselen ist überall:

Schulz stärkt die NRW-SPD

Autor

Prof. Dr. Karl‐Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg‐Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg‐Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs‐, Parteien‐ und Wahlforschung.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 30. Januar 2017 in der Rheinischen Post als Kolumne zu den Wahlen 2017 veröffentlicht.

Martin Schulz ist in Nordrhein-Westfalen als Kanzlerkandidat in der Wahlkabine mit der Zweitstimme direkt wählbar. Er wird die Landesliste der SPD in NRW auf Platz eins für den Deutschen Bundestag zieren. Den Namen der Kanzlerin sucht man vergeblich. Sie hat ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern und führt dort ebenfalls die Landesliste an. Das ist keine Randnotiz, denn mittlerweile kennen wir aus der Wahlforschung die sogenannten „Layout-Wähler“. Sie machen die Stimmabgabe auch von der Gestaltung des Wahlzettels abhängig: Wer oben auf dem Papier steht, wird deutlich eher angekreuzt als weiter unten Platzierte. Das ist sicher nicht wahlentscheidend, aber ein Platz-Vorteil für die SPD in NRW.

Normalerweise sind landsmannschaftliche Zugehörigkeiten nur in Ausnahmefällen wahlentscheidend. Auf der Bundesebene spielte dies nur bei den bayerischen Spitzenkandidaten Strauß (1980) und Stoiber (2002) eine Rolle, mit denen eine Mobilisierung im Norden der Republik nie gelang. Martin Schulz verschafft der NRW-SPD im Landtagswahlkampf starken Rückenwind. Ob er Hannelore Kraft als stärkste Fraktion über die Ziellinie bringt, ist unklar. Aber Personen machen gerade im Wahlkampf einen besonderen Unterschied. Wer ist Schulz? Die Neugierde führt zu besonderer Aufmerksamkeit. Sie ist die Machtprämie in einer Aufregungsdemokratie. Ohne Präsenz keine Mobilisierung. Anders wären die vielen Wahlplakate gar nicht zu erklären, die einige Wochen vor dem Wahltermin den öffentlichen Raum dominieren. Für Wähler vermischen sich immer mehr die Ebenen der Wahl. So wird auch in Düsseldorf viel stärker als früher im Bewusstsein der Wähler über Berlin oder auch internationale Ereignisse mitentschieden.

Der Kanzlerkandidat der SPD kommt gebürtig aus NRW.  Auch der letzte Kanzlerkandidat der SPD von 2013, Peer Steinbrück, hatte seinen Wahlkreis in NRW und war von 2002-2005 sogar Ministerpräsident. Bei der Bundestagswahl konnte kein Steinbrück-Bonus für die SPD in NRW gemessen werden. Auch Steinbrück startete mit überbordenden Erwartungen und sehr guten Umfragewerten, die er am Ende nicht einlösen konnte. Wiederholung? Im direkten Vergleich mit Schulz wird schnell erkennbar, dass spätestens am rheinischen Singsang des aktuellen SPD-Kanzlerkandidaten jedem Zuhörer der Unterschied zum hanseatisch geprägten Steinbrück auffällt. Schulz hat eine Aufsteiger-Biografie, die ihn im Labor des Ruhrgebiets zum Kumpel macht. Für Kraft ist Schulz ein ersehntes Bonbon. Zudem fremdelt sie weniger mit ihm als mit Sigmar Gabriel. Strauchelt Kraft, dann ist die Bundestagswahl für die SPD bereits im Mai verloren.

Martin Schulz wirkt auf Zuhörer wie ein vertrauter Nachbar. Würselen – seine Heimatstadt- ist überall. Das kommunale Basislager der Demokratie hat ihn geprägt. Mit Blick auf die Bundespolitik verfügt der Langzeit-EU-Parlamentarier über den Charme des Anti-Etablierten. Er hatte in der Berliner Republik nie einen politischen Job. Er kann konfrontieren, muss nicht kooperieren. Andererseits hat er alle wichtigen internationalen Entscheidungen mit der Türkei, in der Flüchtlingspolitik oder beim Euro zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel ausgehandelt und zu verantworten. Über welche Zukunfts-Kompetenz im Bereich der Innenpolitik und der sozialen Sicherheit verfügt Schulz? Darüber wissen wir bislang wenig. Als „Mister Europa“ hat er zudem alle gegen sich, die nicht mehr Europa wollen, sondern Halt im Nationalen suchen.

Zitationshinweis

Korte, Karl-Rudolf (2017): Würselen ist überall – Schulz stärkt die NRW-SPD, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de, Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/wuerselen-ist-ueberall-schulz-staerkt-die-nrw-spd/

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