„,E pluribus unum’, ‚Aus vielem eines’“ – mit diesem Treppenwitz der Skandalgeschichte eröffnet Karl-Theodor zu Guttenberg seine Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“. Der stünde die Entlehnung des Staatsmottos der USA noch gut zu Gesicht, wäre sie nicht auch Sinnbild dessen, was sich sogleich auf rund 400 Seiten entfaltet: schon der erste Absatz – die Schrift einer Anderen, entnommen einem über zwölf Jahre alten FAZ-Artikel der Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig. Man möchte Freud bemühen.
Dabei hatte alles so gewöhnlich angefangen. Als die Süddeutsche Zeitung am 16. Februar 2011 meldet, der Bremer Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano habe in einer Rezension in der Arbeit zu Guttenbergs ganze Passagen gefunden, die der Freiherr offenbar nicht selbst verfasst habe, stellen sich die üblichen Reflexe ein: In einer schriftlichen Stellungnahme nennt der Minister die Vorwürfe „abstrus“; natürlich habe er den Text ohne fremde Hilfe angefertigt. Dreizehn Tage später, am 1. März, tritt zu Guttenberg nach „siebenjährige[r] Dauervergesslichkeit“ vor die Berliner Presse – „Grüß Gott“ – und erklärt seinen Rücktritt.
Was in diesen knapp zwei Wochen geschieht, hebt die Causa Guttenberg in eine neue Liga deutscher Skandalkultur, unerreicht von den Köhler- oder Koch-Demissionen, entrückt den mäßig attraktiven Flugmeilen- oder Spesen-„Affären“. Selbst Helmut Kohls Sündenfall in Form schwarzer Kassen sieht – gemessen an Vehemenz und Dichte des „Selbstgesprächs der Gesellschaft“ – aus wie ein lässlicher Betriebsunfall. Die letzten Jahre betrachtet, hält wohl nur Sarrazin mit. Das Internet brodelt über. Die Nachrichtenlage homogen wie selten; Schlagzeile, Kommentar und Talkshow sehen sich auf Dauer schlicht alternativlos.
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Dreizehn Tage Guttenberg. Oder: Die Schriften der Anderen. Ein Essay.
Zitationshinweis
Kamps, Klaus (2011): Dreizehn Tage Guttenberg. Oder: Die Schriften der Anderen. Ein Essay. Erschienen in: Regierungsforschung.de, Politische Kommunikation. Online verfügbar unter: http://www.regierungsforschung.de/dx/public/article.html?id=138