Daniel Faustus hat mit seinem Buch Schattenpolitik und Informalität, Eine Fallstudie zur WestLB in der Ära Rau nicht nur eine fundierte wissenschaftliche Studie vorgelegt. Das Buch ist eine Polit-Geschichte über Korruption, extreme Interessenverflechtungen und fehlende Transparenz, so Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Mit Konzepten der Regierungsforschung und von Machtmaklern gelingt es Faustus, wichtige wechselseitig Akteurskonstellationen im Fall der WestLB sichtbar zu machen.
„Schattenpolitik“ und „Informalität“ beziehen sich auf zwei verschiedene Konzepte, die jedoch beide auf informelle und nicht offizielle Aspekte politischer oder gesellschaftlicher Prozesse hinweisen. Schattenpolitik meint in der Regel politische Aktivitäten oder Entscheidungen, die außerhalb der offiziellen politischen Strukturen und Prozesse stattfinden. Dies kann beispielsweise informelle Absprachen, Hinterzimmerdeals oder nicht öffentliche Entscheidungsfindungen umfassen.
Regieren im Schatten. Oder: Wie verhindert man Korruption?
Daniel Faustus: Schattenpolitik und Informalität, Eine Fallstudie zur WestLB in der Ära Rau, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2023, 374 Seiten, ISBN: 978-3-7560-0738-7, 84 Euro
Autor
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs-, Parteien- und Wahlforschung. Seine aktuelle Publikation „Wählermärkte – Wahlverhalten und Regierungspolitik in der Berliner Republik“ ist am 17. Januar 2024 im Campus Verlag erschienen.
„Schattenpolitik“ und „Informalität“ beziehen sich auf zwei verschiedene Konzepte, die jedoch beide auf informelle und nicht offizielle Aspekte politischer oder gesellschaftlicher Prozesse hinweisen. Schattenpolitik meint in der Regel politische Aktivitäten oder Entscheidungen, die außerhalb der offiziellen politischen Strukturen und Prozesse stattfinden. Dies kann beispielsweise informelle Absprachen, Hinterzimmerdeals oder nicht öffentliche Entscheidungsfindungen umfassen. Schattenpolitik kann dazu dienen, politische Ziele zu erreichen, ohne sich an die formalen demokratischen oder rechtlichen Verfahren zu halten. Das Konzept kann auch auf nicht transparente oder undemokratische Praktiken in der Politik verweisen. Ulrich von Alemann führte den Begriff zu Beginn der 90er-Jahre in die Politikwissenschaft ein. Daniel Faustus promovierte mit der Arbeit über Schattenpolitik an der Universität Düsseldorf.
Informalität – der zweite zentrale Begriff – bezieht sich auf soziale, wirtschaftliche oder politische Aktivitäten, die außerhalb formeller Strukturen, Regeln oder Institutionen stattfinden. In Bezug auf Wirtschaft kann informelle Arbeit beispielsweise Schwarzarbeit oder Tätigkeiten ohne formelle Arbeitsverträge umfassen. Im gesellschaftlichen Kontext kann Informalität bedeuten, dass soziale Beziehungen oder Vereinbarungen nicht durch formale Institutionen geregelt sind. Im politischen Kontext könnte Informalität darauf hindeuten, dass politische Macht oder Entscheidungen außerhalb der offiziellen politischen Prozesse ausgeübt werden.
Beide Konzepte betonen die Bedeutung von nicht offiziellen, informellen oder im Schatten ablaufenden Aktivitäten, sei es in der Politik, der Wirtschaft oder der Gesellschaft. Diese Phänomene können in verschiedenen Kulturen und politischen Systemen unterschiedlich ausgeprägt sein und haben oft komplexe Auswirkungen auf die Stabilität und die Funktionsweise einer Gesellschaft.
Der Autor bezieht diese Konzepte auf das Fallbeispiel der Westdeutschen Landesbank (WestLB). Die WestLB war eine deutsche Landesbank mit Sitz in Düsseldorf. Sie wurde 1969 gegründet und fungierte als Zentralinstitut für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen. Die WestLB hatte darüber hinaus internationale Geschäftsaktivitäten und beteiligte sich an verschiedenen Finanzmärkten weltweit.
Die Bank war eine der größten Landesbanken in Deutschland und war in den Bereichen Corporate Banking, Investment Banking und Asset Management tätig. Sie spielte eine wichtige Rolle in der deutschen Finanzlandschaft und war an zahlreichen internationalen Finanztransaktionen beteiligt.
Im Zuge der Finanzkrise, insbesondere in den Jahren 2007 und 2008, geriet die WestLB wie viele andere Finanzinstitutionen in Schwierigkeiten. Sie musste staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern. Aufgrund der Probleme und der Unsicherheiten in Bezug auf ihre Zukunft wurde die WestLB im Jahr 2012 aufgelöst.
Die Vermögenswerte und Geschäftsbereiche der WestLB wurden auf verschiedene Nachfolgegesellschaften übertragen. Dieser Prozess führte zur Gründung der Portigon AG, die die notleidenden Vermögenswerte übernahm, sowie zur Gründung der NRW.BANK, die die Förderbankfunktion für Nordrhein-Westfalen übernahm.
Regieren in NRW konnte man bis in die Ära Rau hinein, nicht ohne die WestLB beschreiben. Der Autor macht klar, dass es dennoch Zielkonflikte zwischen Landespolitik und Bankführung gab. Insofern schildert der Autor eine spannungsgeladene Geschichte, die man sehr verkürzt, wenn man nur die Skandalgeschichten der 90er-Jahre als Maßstab nimmt. Konzeptionell steuert Faustus mit den Mitteln der Regierungsforschung durch das sehr undurchsichtige Terrain. Mit mikroskopischen Praktiken arbeitet er sich durch viel bisher nicht gehobenes Archivmaterial, spricht mit Akteuren und scheut keine vergleichende Perspektive (hier insbesondere zur BayernLB). Es gelingt ihm mühelos, mit dem Konzept von Machtmaklern wichtige wechselseitige Akteurskonstellationen sichtbar zu machen.
Es lohnt besonders, das Kapitel über die sogenannte Flugaffäre nachzuarbeiten, um den Bezugsrahmen zu verstehen. Die Landesregierung und Mitglieder des Landtages waren über viele Jahre privat mit Flügen der WestLB, die über eine Schattenfirma zur Verfügung gestellt wurden, versorgt worden. Das flog alles zu einem Zeitpunkt auf, als Rau bereits Bundespräsident in Berlin war. Schlimmer hätte es kaum kommen können, legt man Maßstäbe von Legitimität und Transparenz für das Regieren an.
Der Autor hat nicht nur eine fundierte wissenschaftliche Studie vorgelegt. Das Buch ist eine Polit-Geschichte über Korruption, extreme Interessenverflechtungen und fehlende Transparenz. Hätten Regierungswechsel geholfen? Hätten Amtszeitbegrenzungen auf beiden Seiten die Demokratie gestärkt? Vermutlich ja, wenn man das Fazit interpretiert. Wie verhindern wir heute, dass solche Komplexe weiterhin entstehen? Haben wir die richtigen Instrumente, um so was zu verhindern?
Zitationshinweis:
Korte, Karl-Rudolf (2024): Regieren im Schatten. Oder: Wie verhindert man Korruption?, Daniel Faustus: Schattenpolitik und Informalität, Eine Fallstudie zur WestLB in der Ära Rau, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2023, 374 Seiten, ISBN: 978-3-7560-0738-7, 84 Euro, Rezension, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online verfügbar: https://regierungsforschung.de/regieren-im-schatten-oder-wie-verhindert-man-kor-ruption/
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