Verhandlungspositionen im Bundesrat

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Auf Bundesebene regiert seit der letzten Bundestagswahl die Ampel-Koalition. Dennoch kann es der Union aktuell gelingen, bestimmte Vorhaben der Regierung über den Bundesrat zu blockieren. Doch das kann sich mit den kommenden Landtagswahlen in vier Bundesländern ändern. Dr. Knut Bergmann und Dr. Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) analysieren spieltheoretisch, wie diese Wahlen ausgehen müssten, damit die Ampel-Koalition durchregieren kann bzw. die Union weiterhin über Blockadepotenzial verfügt.

Mit der Vereidigung der sogenannten Ampelregierung aus SPD, GRÜNE und FDP unter Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember 2021 konnte erstmals seit 2005 die CDU aus der Bundesregierung verdrängt werden. Dennoch hat die Union aus CDU und CSU weiterhin eine Möglichkeit über ihre Mehrheit im Bundesrat Einfluss auszuüben. Der Bundesrat stellt dabei die zweite wichtige Säule der Legislative der Bundesrepublik dar und ermöglicht es, die Interessen der Bundesländer auf Bundesebene einzubringen. Doch die anstehenden vier Wahlen auf Ebene der Bundesländer im Jahr 2022 haben durchaus das Potenzial, die Position der Ampelregierung auch im Bundesrat deutlich zu stärken.

Verhandlungspositionen im Bundesrat

Eine politökonomische Analyse

Autoren

Dr. Knut Bergmann leitet das Hauptstadtbüro des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und ist Fellow der NRW School of Governance. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Parteien, politische Kommunikation und Kulturgeschichte.

 

 

Dr. Christian Rusche ist Senior Economist am IW. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen digitale Plattformen, Daten und die Spieltheorie in der praktischen Anwendung. 

 

 

Zusammenfassung

Mit der Vereidigung der sogenannten Ampelregierung aus SPD, GRÜNE und FDP unter Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember 2021 konnte erstmals seit 2005 die CDU aus der Bundesregierung verdrängt werden. Dennoch hat die Union aus CDU und CSU weiterhin eine Möglichkeit über ihre Mehrheit im Bundesrat Einfluss auszuüben. Der Bundesrat stellt dabei die zweite wichtige Säule der Legislative der Bundesrepublik dar und ermöglicht es, die Interessen der Bundesländer auf Bundesebene einzubringen. Doch die anstehenden vier Wahlen auf Ebene der Bundesländer im Jahr 2022 haben durchaus das Potenzial, die Position der Ampelregierung auch im Bundesrat deutlich zu stärken.

Wird dazu nur die Möglichkeit zur Blockade von Vorhaben anhand der reinen Stimmenanzahl der Unionsparteien im Bundesrat betrachtet, wäre jedoch ein Ausscheiden der CDU aus allen vier Landesregierungen notwendig, die 2022 neu gewählt werden. Die momentan zumindest in der Theorie starke Position der Union resultiert daraus, dass sie in den verschiedensten Koalitionskonstellationen an vielen Landesregierungen beteiligt ist. Besteht innerhalb einer Landesregierung keine Einigkeit, ist Enthaltung im Bundesrat die Folge. Diese hat bei zustimmungspflichtigen Gesetzen die Wirkung einer Nein-Stimme, weshalb zumindest eine Veto-Position einfach aufzubauen wäre. Wird jedoch die konkrete politische Ausrichtung der 16 Bundesländer in die Analyse einbezogen, um die Aussagekraft der Betrachtung zu erhöhen, würde es der eher linken Ampel-Regierung auf Bundesebene bereits reichen, wenn die SPD die CDU lediglich in zwei der anstehenden vier Wahlen aus der Regierung verdrängt. Aktuelle Umfragen und die politische Dynamik sprechen dafür, dass dies durchaus gelingen könnte. Das Hauptargument hierfür ist, dass die Ampelparteien SPD, GRÜNE und FDP in den jeweiligen Landesverbänden kaum an einer CDU-Beteiligung an der jeweiligen Landesregierung interessiert sein dürften, solange es linke oder eher linke Alternativen dazu gibt.

1. Einleitung

Seit der Bundestagswahl am 26. September 2021 stand insbesondere der Bundestag und die Regierungsbildung auf Basis des Wahlergebnisses im Fokus der Öffentlichkeit. Doch der Bundestag ist nur ein Teil der Legislative der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik. Der Bundesrat bildet den zweiten wichtigen Bestandteil. Während jedoch die Zusammensetzung des Bundestags und die daraus resultierenden Mehrheitsverhältnisse sowie die damit verbundene Verhandlungsmacht der Parteien bereits untersucht wurden (vgl. Bergmann/Rusche, 2021), fehlt eine solche Analyse für den Bundesrat. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler im Bundestag und die damit verbundene Amtsübernahme der neuen Regierung am 8. Dezember 2021 (Bundesregierung, 2021) sind die Untersuchung der Rolle des Bundesrats und die von seiner Zusammensetzung ausgehenden Konsequenzen für die neue Regierung von Bedeutung.

Der vorliegende Report hat sich somit zum Ziel gesetzt, den Bundesrat in die Analyse der gegenwärtigen politischen Situation einzuführen. Dazu wird zunächst die Rolle und Zusammensetzung des Bundesrats in Kapitel 2 beschrieben. Dies beinhaltet ebenfalls eine Beschreibung der Stimmabgabe und Mehrheitsregel. Auf Basis dieser Beschreibung wird mit Hilfe eines spieltheoretischen Modells in Kapitel 3 versucht, die Verhandlungsposition der im Bundesrat vertretenen Akteure zu analysieren. Dadurch wird es ermöglicht, Rückschlüsse auf die Machtposition der neuen Bundesregierung zu ziehen. Es werden zusätzlich die möglichen Konsequenzen der vier Wahlen in Bundesländern im Jahr 2022 auf diese Machtposition untersucht. Die spieltheoretische Analyse wird in Kapitel 4 durch eine Einordnung der politischen Situation ergänzt. Kapitel 5 zieht ein Fazit aus diesen theoretischen und politischen Analysesträngen und leitet Schlussfolgerungen ab.

2. Der Bundesrat

Für die Analyse der Rolle des Bundesrats müssen zunächst die wesentlichen Grundlagen gelegt werden. Dazu wird im folgenden Abschnitt die generelle Rolle des Bundesrats gemäß Grundgesetz (GG) genannt und seine Aufgaben im Gesetzgebungsverfahren erläutert. Im Abschnitt 2.2 wird darauf aufbauend die aktuelle Zusammensetzung des Bundesrats beschrieben und beleuchtet, wie im Bundesrat Beschlüsse gefasst werden.

2.1. Die Rolle des Bundesrats in der Gesetzgebung

Gemäß Artikel (Art.) 50 des Grundgesetzes „wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union“ durch den Bundesrat mit. Auf diesem Weg kann somit die Sichtweise der Bundesländer auf Bundesebene sowie auf europäischer Ebene eingebracht werden. Dies gilt insbesondere für die Gesetzgebung in der Bundesrepublik, weil der Bundesrat neben der Bundesregierung und dem Bundestag eine von lediglich drei Institutionen ist, die Gesetze einbringen kann (Art. 76 Absatz (Abs.) 1 GG). Des Weiteren muss der Bundesrat bestimmten Gesetzen zustimmen, wenn sie den im GG festgeschriebenen Kriterien genügen. Ohne die Zustimmung des Bundesrats können diese Gesetze nicht in Kraft treten (Bundesrat, 2022b). In so einem Fall handelt es sich um ein sogenanntes Zustimmungsgesetz. Die Kriterien für ein solches Gesetz sind erfüllt,

  • wenn es sich um ein Gesetz handelt, welches die Verfassung ändert;
  • falls Gesetze die Finanzen der Bundesländer in bestimmter Weise beeinflussen. Dies ist der Fall, wenn die Einnahmen der Bundesländer aus Steuereinnahmen beeinträchtigt werden oder Zahlungsverpflichtungen der Bundesländer determiniert werden;
  • wenn für die Umsetzung von Gesetzen „in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingegriffen wird“ (ebenda). Generell haben die Bundesländer das Recht, von bundesgesetzlichen Regelungen abzuweichen. Wird ihnen durch ein Gesetz diese Möglichkeit genommen, müssen sie dieser entsprechenden Regelung zustimmen.

Bei Gesetzen, die nicht in diese drei Kategorien fallen, handelt es sich um Einspruchsgesetze (ebenda). Hier kann der Bundesrat lediglich Einspruch einlegen. Dieser kann jedoch durch den Bundestag überstimmt werden. Für die Beilegung von Konflikten zwischen Bundestag und Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren existiert zusätzlich noch ein „parlamentarisches ‚Hilfsorgan‘“ (Vermittlungsausschuss, 2022): Der Vermittlungsausschuss. Gemäß Art. 77 Abs. 2 GG kann dieser vom Bundesrat, vom Bundestag sowie von der Bundesregierung angerufen werden, um Unstimmigkeiten bei Gesetzen beizulegen. Der Vermittlungsausschuss besteht zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Bundesrats und des Bundestags und er konstituiert sich für jede Wahlperiode des Bundestags neu (Vermittlungsausschuss, 2022). Während mögliche Konflikte zwischen Bundesrat und Bundestag bei Gesetzen aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen generell möglich sind, können diese mit Hilfe des gemeinsamen Vermittlungsausschusses ausgeglichen werden. Bevor untersucht werden kann, wie wahrscheinlich das Auftreten von Spannungen zwischen Bundesregierung und Bundestag sowie Bundesrat aktuell ist und wie sich dies durch Landtagswahlen verändern kann, ist jedoch zunächst zu analysieren, wie sich der Bundesrat zusammensetzt und wie dort Entscheidungen gefällt werden.

2.2. Mehrheitsregel und Zusammensetzung des Bundesrats

Wie bereits in Abschnitt 2.1 dargelegt, soll die Position der Bundesländer über den Bundesrat auf Bundesebene eingebracht werden. Zu diesem Zweck entsenden die Regierungen der Bundesländer Vertreter in den Bundesrat (Art. 51 Abs. 1 GG). Den Bundesländern werden dabei Stimmen für Abstimmungen im Bundesrat zugeteilt. Die Anzahl an Stimmen richtet sich nach der Bevölkerungszahl (Art. 51 Abs. 2 GG). Dabei hat jedes Bundesland zumindest drei Stimmen. Ein Bundesland mit mehr als zwei Millionen Einwohnern hat vier Stimmen. Fünf Stimmen bekommt ein Bundesland, wenn es mehr als sechs Millionen Einwohner hat. Das Maximum von sechs Stimmen wird an Bundesländer vergeben, die mindestens sieben Millionen Einwohner haben. Die Verteilung an Stimmen nach Bundesländern sowie die in den Bundesländern Ende 2021 vorherrschende Parteienkonstellation in der Regierung sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei Abstimmungen kann jedes Bundesland nur einheitlich abstimmen (Art. 51 Abs. 3 GG). Entsprechend können die Stimmen eines Bundelands nur vollständig genutzt werden, um beispielsweise einem Gesetz zuzustimmen, sich zu enthalten oder ein Gesetz abzulehnen. Die Stimmen werden somit nicht aufgeteilt. Generell müssen für die Zustimmung die Mehrheit der 69 Stimmen entsprechend abgegeben werden (Art. 52 Abs. 3 GG). Das heißt, ein Vorschlag wird angenommen, wenn mindestens 35 Stimmen auf ihn entfallen. Eine Ausnahme gilt für Gesetze, die das Grundgesetz ändern. Hier ist eine Mehrheit von 46 Stimmen notwendig (Zweidrittelmehrheit; Art. 79 Abs. 2 GG).

Tabelle 1: Anzahl Stimmen der Bundesländer im Bundesrat und die konkreten Regierungsparteien im jeweiligen Bundesland; Stand: Februar 2022;
* Parteien absteigend nach Anzahl Abgeordneter im jeweiligen Landesparlament;
Quelle: Bundesrat (2022a); eigene Darstellung.

Eine erste Analyse der Konsequenzen der Stimmenverteilung im Bundesrat nach Parteien in den jeweiligen Landesregierungen auf die neue Bundesregierung zeigt ein gemischtes Resultat. Die im Dezember 2021 vereidigte Bundesregierung aus SPD, GRÜNE und FDP („Ampel“) findet sich lediglich in Rheinland-Pfalz mit seinen vier Stimmen auf Bundeslandebene. Sicher sind der Bundesregierung zudem die drei Stimmen der rot-grün regierten Hansestadt Hamburg. Die Abkürzungen der Parteien in diesem Report orientieren sich dabei an den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters.1 Die geringe Verbreitung des Ampelbündnisses auf Ebene der Bundesländer deutet einerseits auf eine hohe Zahl möglicher Konfliktfelder zwischen Bundesrat und Bundesregierung und Bundestag hin. Andererseits deutet der Fakt, dass lediglich in Bayern (6 Stimmen) keine der sogenannten Ampelparteien an der Regierung beteiligt ist, eine geringe Zahl möglicher Konflikte an, weil die Sichtweise zumindest einer Regierungspartei auch in den Landesregierungen vertreten ist.

Bevor eine spieltheoretische Analyse der Verhandlungspositionen erfolgt, muss jedoch noch auf einen interessanten Fakt hingewiesen werden. Bei der Betrachtung der vorhandenen Regierungsbündnisse auf Bundeslandebene (Tabelle 1) wird deutlich, dass lediglich die Kombination SPD-GRÜNE-DIE LINKE (R2G) mehr als einmal vorkommt (in den Stadtstaaten Berlin und Bremen). Alle weiteren Kombinationen sind zumindest der Reihenfolge der Stärke der jeweiligen Regierungspartner nach einmalig. Auch diese Diversität der Bündnisse muss für die Analyse eine Berücksichtigung finden. Rein kombinatorisch betrachtet ist diese Diversität dabei keine Ausnahmeerscheinung. Wird zur Veranschaulichung davon ausgegangen, dass fünf regierungsfähige Parteien in einem Parlament vertreten sind und dass drei von ihnen eine Regierung bilden sollen, dann existieren rein mathematisch bereits 60 verschiedene Möglichkeiten.2 Einerseits gibt es zehn verschiedene Möglichkeiten, wie aus fünf Elementen drei ausgewählt werden. Andererseits gibt es für jede der zehn Möglichkeiten jeweils sechs verschiedene Reihenfolgen, wie diese drei Elemente angeordnet sind. Da in neun von 16 Bundesländern eine Konstellation aus drei Parteien die Regierung bildet und in diesen Dreierkonstellationen insgesamt fünf Parteien vertreten sind, ist diese Annahme nicht ganz unrealistisch. Die Wahrscheinlichkeit, rein mathematisch betrachtet, dass bei diesen Annahmen in jedem Bundesland die gleiche Regierung regiert, ist nahe Null ( ). Existiert noch eine sechste Partei, die für eine Dreierkonstellation zur Verfügung steht, gibt es sogar 120 verschiedene Kombinationen. Die zusätzliche Möglichkeit von Zweierbündnissen und Bündnisse mit mehr als drei Parteien erhöhen die Anzahl Möglichkeiten nochmal zusätzlich. Der Ausschluss von Koalitionen zwischen Parteien, wie beispielsweise der zwischen CDU und DIE LINKE oder der bisher übliche Ausschluss von Koalitionen mit der AfD durch alle Parteien, verringert die Anzahl an Möglichkeiten allerdings wiederum (Bytzek 2021). Eine Folge der enormen Diversität an Landesregierungen ist, dass die viele Jahre die übersichtserleichternde parteipolitische Kategorisierung in sogenannte A-Länder für SPD-geführte linke Landesregierungen und B-Länder, die entweder von der Union allein oder gemeinsam mit der FDP regiert werden, weiter „an Prägnanz verloren“ (Schmedes 2019, 49) hat.

3. Bundesrat spieltheoretisch

Die spieltheoretische Analyse in diesem Abschnitt erfolgt auf zwei Wegen. Einerseits kann die Machtposition der aktuellen Bundesregierung über die reine Anzahl an potenziell gegensätzlichen Stimmen abgeschätzt werden, die eine Blockadehaltung ermöglichen (Abschnitt 3.1). Gerade im Bundesrat ist dies eine relevante Möglichkeit, da Differenzen innerhalb einer Landesregierung dazu führen können, dass sich das Bundesland mit allen seinen Stimmen enthält. Dadurch kann eine starke Veto-Position einzelner Koalitionspartner, die im Bund in der Opposition sind, entstehen, da eine Enthaltung bei zustimmungspflichtigen Gesetzen wie ein „Nein“ wirkt. Bei ihnen müssen mindestens 35 Ja-Stimmen zusammenkommen. Andererseits kann mit Hilfe der Stimmenverteilung zwischen verschiedenen Ausrichtungen mit Hilfe des Shapley-Wertes die grobe Verhandlungsposition politischer Lager abgeschätzt werden (Abschnitt 3.2).

Beide Analysewege werden durch die Annahme in ihrer Aussagekraft bestärkt, dass zwischen Bundesregierung und Bundestag einerseits und Bundesrat andererseits keine klare Frontstellung existiert. Diese Annahme kann auf Basis der Stimmenverteilung in Tabelle 1 abgeleitet werden. Aufgrund der Tatsache, dass außer in Bayern mindestens eine der Parteien der „Ampelregierung“ in jeder Landesregierung vertreten ist, dürfte die Sichtweisen der Ampelregierung durchaus auch in den Landesregierungen vertreten sein. Dadurch sollte das Abstimmungsverhalten nahezu vollständig auf Basis der Mehrheiten in der jeweiligen Landesregierung determiniert werden, weil kaum grundsätzlich abzulehnende Gesetze eingebracht werden dürften, die entsprechend eine Regierungspartei und damit das gesamte Bundesland zur Blockade veranlassen („Fundamentalopposition“).

In Tabelle 2 sind zusätzlich die Termine der Wahlen in Bundesländern 2022 aufgeführt. Entsprechend der zeitlichen Reihenfolge werden die Auswirkungen von Veränderungen in der Zusammensetzung von Landesregierungen auf die Ergebnisse der Analysestränge ebenfalls untersucht.

Tabelle 2: Bundesländer mit Wahlterminen im Jahr 2022 nach absteigender Fälligkeit der Wahl; Quelle: Bundesrat (2022c); eigene Darstellung.

3.1. Das Blockadepotenzial der Union

Da SPD, GRÜNE und FDP bereits an der Bundesregierung beteiligt sind, dürften diese Parteien nicht an einer Blockade entsprechender Vorhaben im Bundesrat interessiert sein. Die Partei DIE LINKE verfügt im Bundestag über eine sehr schwache Position (Bergmann/Rusche, 2021) und auch im Bundesrat ist sie lediglich an 14 Stimmen beteiligt und damit weit von den notwendigen 35 Stimmen entfernt. Auch die Freien Wähler können lediglich sechs Stimmen beeinflussen, wodurch der Bundesregierung auch von dieser Seite keine Blockadegefahr droht. Lediglich die Unionsparteien CDU und CSU verfügen bei zustimmungspflichtigen Gesetzen über ein Blockadepotenzial. Da diese Parteien im Bundestag die größte Oppositionsfraktion bilden und in den anstehenden vier Landtagswahlen (Tabelle 2) an der Regierung beteiligt sind (drei Mal stellt die CDU sogar den Ministerpräsidenten), könnten CDU und CSU versucht sein, ihr Profil gegenüber den politischen Konkurrenten in Bundesland und Bund zu schärfen. Allerdings spielt das Blockadepotenzial der im Bund in der Opposition befindlichen Parteien vor allem dann eine Rolle, wenn im Bundestag und Bundesrat gegenläufige Mehrheiten bestehen, wie sie zuletzt in den Monaten vor der Bundestagswahl 2013 zu verzeichnen waren. Damals verfügte nach der rot-grünen Regierungsbildung im Zuge der Landtagswahl in Niedersachsen die Opposition gegenüber der schwarz-gelben Bundesregierung über eine Mehrheit im Bundesrat. Dies ist jedoch momentan nicht der Fall.

Im Moment entfallen 32 Stimmen auf Bundesländer, die von CDU oder CSU geführt werden (vgl. Tabelle 1). Zusätzlich ist die CDU an der Regierung von Bundesländern mit insgesamt 16 Stimmen beteiligt. Diese 48 Stimmen reichen somit zur Überschreitung der Mehrheit von 35 Stimmen aus. Die 35 Stimmen könnten zudem erreicht werden, wenn sich den Bundesländern unter Unionsführung lediglich ein Bundesland mit Unionsbeteiligung anschließt. Es bedarf somit keiner Einheit aller Bundesländer mit Unionsbeteiligung. Dabei bedeutet die Möglichkeit zur Blockade nicht, dass diese Option auch zur Anwendung kommen muss. Aber allein die Möglichkeit sowie die Drohung mit dieser Möglichkeit könnte die Position der Unionsparteien im Bundesrat stärken und die Verhandlungsposition verbessern. Dadurch können eventuell entsprechende Anpassungen im Vermittlungsausschuss oder sogar der Verzicht auf konfliktträchtige Regelungen seitens der Bundesregierung erreicht werden.

Bei einer Analyse der möglichen Konsequenzen der anstehenden Wahlen wird deutlich, dass die CDU alle Regierungsbeteiligungen verlieren muss, um die Möglichkeit zur Blockade zu verlieren:

  • Saarland: Bei einem Verlust der Regierungsbeteiligung wären immer noch 45 Stimmen des Bundesrats mit Unionsbeteiligung vorhanden. 29 Stimmen davon sogar unter Führung einer der beiden Parteien.
  • Schleswig-Holstein: Bei einer politischen Niederlage verblieben 41 Stimmen mit Beteiligung von CDU und CSU (25 mit Unionsführung).
  • Nordrhein-Westfalen: Sollte die CDU die Regierung verlassen müssen, würden 35 Stimmen verbleiben, davon 19 unter Führung von CDU oder CSU.
  • Niedersachsen: Weiterhin wären Bundesländer mit 19 Stimmen unter Unions-Führung. Jedoch verblieben nur noch zehn weitere Stimmen mit CDU-Beteiligung. Diese insgesamt 29 Stimmen wären somit nicht mehr ausreichend, um die notwendigen 35 Stimmen zu erreichen.

Es muss betont werden, dass an dieser Stelle lediglich eine Wenn-Dann Analyse erfolgt ist. Ob das Ausscheiden der CDU aus den jeweiligen Landesregierungen bei den 2022 anstehenden Landtagswahlen tatsächlich das realistischste Szenario darstellt, bleibt für den Moment außen vor. Eine entsprechende politische Einordnung erfolgt erst in Kapitel 4. Es kann jedoch auf Basis des Blockadepotenzials festgehalten werden, dass die Ampelparteien als Ganzes oder zumindest die SPD die anstehenden Wahlen gewinnen müssen, um eine verbesserte Verhandlungsposition in der Legislative zu gewinnen und nicht mehr mit einer Blockademöglichkeit im Bundesrat konfrontiert zu sein. Ein weiteres Ergebnis ist, dass die CSU eine verbesserte Position in der Union hat, sollten das Saarland, Schleswig-Holstein und entweder Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verloren gehen. In diesem Fall wäre das CSU regierte Bayern zwingend zum Erreichen der 35 Stimmen erforderlich. Obwohl die CSU lediglich in Bayern antritt, könnte sie der größeren Schwesterpartei somit auf Augenhöhe begegnen und ihre Belange müssten entsprechend Berücksichtigung finden.

Diese Betrachtung einer oppositionellen Blockademehrheit basiert jedoch auf der Annahme, dass ein geschlossenes Abstimmungsverhalten aller Regierungen mit Unions-Beteiligung möglich ist. Insbesondere wenn dies zur Folge haben könnte, dass eine Entscheidung im Sinne des jeweiligen Bundeslands blockiert wird oder die CDU lediglich als kleiner Partner mitregiert, erscheint diese Annahme zu idealtypisch. Aus diesem Grund wird die Analyse im folgenden Abschnitt um eine Betrachtung der jeweiligen Ausrichtung der Landesregierungen zusammen mit einem spieltheoretischen Modell ergänzt.

3.2. Analyse mit Hilfe des Shapley-Werts

Auf Basis des Modells von Shapley (1953) und Wiese (2004) wurde bereits von Rusche (2017) untersucht, welche Machtverteilung zwischen den politischen Parteien aus einem Wahlergebnis in einem Bundesland folgt. Die Autoren der vorliegenden Studie haben (Bergmann / Rusche, 2021) dieses Verfahren auch auf die Bundestagswahl angewendet. Diese Analyse lässt sich jedoch nur schwer auf den Bundesrat übertragen. Während bei Wahlen in Bundesländern und auf Bundesebene Parteien gemäß der Stimmenverteilung eine Regierung bilden, besteht der Bundesrat einerseits bereits aus 16 solchen Regierungen, die gemäß Tabelle 1 sehr unterschiedlich sind, und andererseits findet keine eigentliche Koalitionsbildung statt. Lediglich je nach konkretem Abstimmungsgegenstand können sich gegebenenfalls kurzzeitig Koalitionen aus verschiedenen Bundesländern zusammenfinden. Es kommt somit nicht zu Koalitionen, die die Agenda über mehrere Jahre bestimmen. Dies wird zudem dadurch erschwert, dass sich die Zusammensetzung mit den Wahlen in Bundesländern durchaus häufig ändern kann. Dies wird allein an den vier Landtagswahlen deutlich, die 2022 anstehen und die entsprechend zu Veränderungen führen können.

Um dennoch Aussagen ableiten zu können, wurden die Landesregierungen in vier Kategorien eingeteilt (Tabelle 3). Diese vier Kategorien orientieren sich an der politischen Ausrichtung der jeweiligen Landesregierung. Konkret kann ein Bundesland links (L), eher links (l), eher rechts (r) oder rechts (R) regiert werden. Diese Kategorisierung in einem Rechts-Links-Schema soll auf der Sitzordnung in der französischen Abgeordnetenkammer von 1814 basieren (Thurich, 2011, 103). Rechts vom Präsidenten saßen diejenigen Parteien, die eher die gegenwärtigen Verhältnisse beibehalten wollten. Links hingegen diejenigen, welche Veränderungen anstrebten. Auch auf die heutige Parteienlandschaft wird dieses Rechts-Links-Schema angewendet (ebenda). Für die Kategorisierung der politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland in dieses Rechts-Links Schema wird auf Decker (2018) zurückgegriffen (Abbildung 1).

Decker (2018) baut auf dem Rechts-Links-Schema auf und ergänzt dieses um zwei Konfliktachsen. Grundsätzlich auf der linken Seite einzuordnen wären demnach die GRÜNEN, die SPD und DIE LINKE. Grundsätzlich rechts einzuordnen sind die FDP, CDU, CSU und die AfD. Die Freien Wähler in Bayern werden nicht genannt. Obwohl diese sich nicht grundsätzlich in das Rechts-Links-Schema einsortieren lassen wollen, lässt die eher konservative Ausrichtung (Zeit online, 2018) ebenfalls auf eine Einordnung in das rechte Parteienspektrum schließen.

Die sogenannte soziokulturelle Konfliktachse von Decker (2018) verläuft zwischen dem Extrem „liberal/libertär“ einerseits und dem Extrem „konservativ/autoritär“ andererseits. Die Partei, die dem Extrem einer autoritären Ausrichtung im soziokulturellen Bereich am nächsten ist, ist die AfD. Die GRÜNEN setzen in diesem Bereich hingegen verstärkt auf Freiheit und kommen damit dem anderen Extrem sehr nah.

Die sozioökonomische Konfliktachse verläuft zwischen der Einbindung des Marktes, dem die FDP am nächsten steht und der Koordinierung über den Staat, welche am ehesten von der Partei DIE LINKE favorisiert wird.

Zur Vereinfachung wird im Folgenden vor allem auf die Rechts-Links-Einordnung zurückgegriffen.

Abbildung 1: Einteilung der politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland ins Rechts-Links-Schema; Quelle: Decker (2018, 24); eigene Darstellung.

Für die Einordnung einer Landesregierung in die Kategorien links (L), eher links (l), eher rechts (r) und rechts (R) wird die Ausrichtung der beteiligten Parteien herangezogen. Sind lediglich Parteien aus dem linken Spektrum vertreten, wird eine linke Ausrichtung angenommen. Eine solche Regierung wird entsprechend in die Spalte L in Tabelle 3 eingeordnet. Als Ausnahme von dieser Regelung wird Hamburg gesehen, wo SPD und GRÜNE regieren. Dieses Bundesland wird dennoch nur als „eher links“ (klassifiziert). Dies beruht auf der mittlerweile tief im Hamburger Bürgertum verankerten SPD (Horst, 2020) und der Tatsache, dass Die GRÜNEN in Hamburg (bis 2012: Grün-Alternative-Liste, seit dem Bündnis 90/Die GRÜNEN Hamburg) trotz ihrer linksorientierten Genese von Anfang 2008 bis Herbst 2010 gemeinsam mit der CDU die damals erste schwarz-grüne Regierung auf Landesebene gebildet hatten (Sturm 2016; Gross, 2019, 210ff.).

Tabelle 3: Einteilung der Bundesländer mit ihren jeweiligen Stimmen im Bundesrat in links (L), eher links (l), eher rechts (k) und rechts (R) regierte Bundesländer; Stand: Ende Dezember 2021; Quelle: eigene Darstellung.

Entsprechend gilt eine Regierung als rechts (R), wenn nur Parteien aus dem rechten Spektrum vertreten sind. Einzige Ausnahme in diesem Fall ist die CDU-FDP Regierung in Nordrhein-Westfalen, die lediglich als eher rechts (r) eingeordnet wird. Dies beruht auf der Tatsache, dass der CDU-Landesverband heterogene Strömungen vereint und die von Union und FDP gebildete Landesregierung auf vielen Politikfeldern eher „mittig“ regiert hat (Bajohr 2017, Blasius/Küpper 2020).

Sind an einer Landesregierung sowohl linke wie rechte Parteien vertreten, wird das Bundesland grundsätzlich in die Kategorien eher rechts (r) und eher links (l) eingeordnet. Welche von diesen tatsächlich einschlägig ist, dafür wird die Einteilung der größten Regierungspartei herangezogen. Wird ein Bundesland somit von einer Regierung unter Führung einer linken Partei regiert, handelt es sich tendenziell um eine eher linke Ausrichtung. Die Stimmen dieses Bundeslands werden somit in die Spalte l eingeordnet. Baden-Württemberg stellt in dieser Sicht einen Spezialfall dar. Hier wird aufgrund der bürgerlichen Ausrichtung des GRÜNEN-Ministerpräsidenten und der von ihm angestrebten Verzahnung zwischen Ökonomie und Ökologie (Eith, 2021) eine eher bürgerlich-konservative Orientierung angenommen. Dies hat die Einordnung in die Spalte r zur Folge. Des Weiteren finden sich Bundesländer unter rechter Führung, jedoch mit Beteiligung mindestens einer linken Partei, ebenfalls in der Spalte r wieder.

Wird diese Einteilung der Bundeslandregierungen vorgenommen und die Stimmen entsprechend verteilt (Tabelle 3), wird deutlich, dass linke und eher linke Regierungen lediglich auf 31 Stimmen kommen. Eher rechte kommen auf 32 Stimmen und rechte auf sechs Stimmen. Somit haben rechte und eher rechte Regierungen eine Mehrheit im Bundesrat.

Die Ampelregierung des Bundes kann mit demselben Vorgehen als eher links klassifiziert werden. Analog zu der Analyse des Blockadepotenzials der Opposition in Abschnitt 3.1 deutet dies auf eine tendenziell konfliktreiche Situation zwischen Bundesregierung/Bundestag und Bundesrat hin. Um zusätzlich weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wird nun das Model von Shapley (1953) und Wiese (2004) auf die Verteilung im Bundesrat bezogen. Dabei wird analysiert, welche Form der politischen Ausrichtung (links, eher links, eher rechts oder rechts) auf Basis der Stimmenverteilung die beste Verhandlungsposition aufweist (vgl. Rusche, 2017, 7). Dazu wird angenommen, dass mindestens 35 Stimmen erreicht werden müssen, um auf eine Mehrheit zu kommen. Somit werden keine Entscheidungen betrachtet, die auf eine Änderung des Grundgesetzes abzielen. Zusätzlich wird angenommen, dass Bundesländer mit einer gleichen Ausrichtung, sich bei Abstimmungen auch tendenziell ähnlich verhalten.

Zur Analyse der Bedeutung der jeweiligen Ausrichtung im Bundesrat wird untersucht, wie bedeutend eine jeweilige Ausrichtung für das Erreichen der Mehrheit von 35 Stimmen ist beziehungsweise sein kann. Ist es beispielsweise nur unter Einbindung einer bestimmten Ausrichtung möglich, um auf eine Mehrheit zu kommen, hat diese Ausrichtung eine günstige Verhandlungsposition. Diese Position kann auch dazu dienen, die Gesetzgebung seitens Bundesregierung und Bundestag zu beeinflussen, da die Belange der jeweiligen Bundesländer für eine Zustimmung zwingend berücksichtigt werden müssen. Der Shapley-Wert bietet sich in dieser Beziehung an, da er anhand einer Zahl darstellt, wie gut die Verhandlungsposition ist. Ist der Wert 1 beziehungsweise 100 Prozent, handelt es sich um die beste Position, da für jede Mehrheitsbildung die jeweilige Gruppe notwendig ist. Entsprechend viel der eigenen Interessen kann umgesetzt werden. Bei 0 beziehungsweise 0 Prozent kann in jedem Fall auf den jeweiligen Akteur verzichtet werden, wodurch die Verhandlungsposition sehr schlecht ist.

Zur Ermittlung des Shapley-Werts wird ein Gedankenexperiment durchgeführt: Im Fall des Bundesrats kommt jeweils ein Verhandlungsführer der vier Ausrichtungen in einen Verhandlungsraum. Wird durch den Eintritt in den Raum die Bildung einer Mehrheit mit den bereits dort vertretenen Akteuren möglich, erhalten der eintretende Verhandlungsführer und damit seine Gruppe mit der entsprechenden Ausrichtung eine „1“. Die anderen erhalten den Wert „0“. Dieser Vorgang wird für alle möglichen Reihenfolgen durchgeführt. Derjenige Akteur, der erstmalig die Bildung einer Mehrheit ermöglicht, bekommt jeweils die „1“, während alle anderen die „0“ zugewiesen bekommen. Anschließend wird für jeden Akteur die Summe über alle Reihenfolgen gebildet und durch die Anzahl Reihenfolgen geteilt. Das Ergebnis ist der Shapley-Wert.

Ein anschauliches Beispiel soll dieses Vorgehen verständlicher darstellen: Bei einer Hauptversammlung sind drei Aktionärsvertreter (A, B und C) anwesend. A steht für einen vertretenen Stimmenanteil von 40 Prozent, B und C stehen jeweils für 30 Prozent. Alle drei Vertreter sind gerade am Buffet und sind kurz davor, sich in den Abstimmungssaal zu begeben. Die drei Vertreter kommen nun nacheinander in den Saal. Insgesamt können sich die drei Vertreter in sechs verschiedenen Reihenfolgen in den Saal begeben: ABC, ACB, CAB, CBA, BAC, BCA. Für jede dieser Reihenfolgen wird untersucht, durch welchen Eintritt die Annahmeschwelle von 50 Prozent des vertretenen Stimmrechtsanteils zumindest möglich erscheint. Der jeweilige Akteur erhält entsprechend den Wert 1 für diese Reihenfolge, weil er ausschlaggebend für das Überschreiten der Annahmeschwelle ist. Bei der Reihenfolge ABC ist dies Vertreter B, weil A und B nun auf 70 Prozent der Stimmen kommen, während die 40 Prozent von A allein noch nicht ausreichend waren. Bei der Reihenfolge BCA wäre es C, weil sie zusammen auf 60 Prozent kämen und C für das Überschreiten der 50-Prozent ausschlaggebend war. Bei den sechs Reihenfolgen bekommt jeder Akteur zwei Mal den Wert 1: A bei CAB und BAC, B bei ABC und CBA sowie C bei ACB und BCA. Somit ist jeder Akteur in zwei von sechs Reihenfolgen ausschlaggebend, wodurch alle jeweils einen Shapley Wert von 33,3 Prozent beziehungsweise 1/3 erhalten. A kann somit keinen gesteigerten Nutzen aus seinem höheren Stimmanteil ziehen, weil er weiterhin auf die Teilnahme eines weiteren Akteurs angewiesen ist. Dies gilt analog auch für B und C, da diese auch einen weiteren Akteur benötigen.

Für den Bundesrat heißt dies, dass mit den vier vertretenen Ausrichtungen insgesamt 24 Reihenfolgen (4! = 24) möglich sind. In Tabelle 1 im Anhang sind die Reihenfolgen und die Ermittlung des Shapley-Werts für die Ist-Situation im Bundesrat dargestellt. Bereits in Tabelle 3 wurde deutlich, dass eher rechte Landesregierungen auf 32 Stimmen kommen und es somit zum Erreichen der 35 Stimmen lediglich einen weiteren Partner braucht. Entsprechend ist es nur schwer, gegen diese Gruppe eine Mehrheit zu bekommen. Aus diesem Grund hat diese Gruppe an Bundesländern mit 50 Prozent den höchsten Shapley-Wert. Da das Vorhandensein aller drei anderen Ausrichtungen notwendig ist, um gegen die eher rechten Regierungen eine Mehrheit zu erlangen sowie die Kooperation einer beliebigen dieser Ausrichtungen mit den eher rechten zu einer Mehrheit führt, haben sie jeweils auch den gleichen Shapley-Wert. Dieser beträgt 16,7 Prozent beziehungsweise 0,167. Somit hat die bayerische Landesregierung im Moment eine vergleichbare Verhandlungsposition wie alle linken beziehungsweise die eher linken Landesregierungen, obwohl sie auf lediglich sechs Stimmen kommt. Dabei kommen die linken bereits auf 14 und die eher linken sogar auf 17. Dennoch brauchen entweder die eher rechten Parteien zusätzlich die Zustimmung Bayerns, während auch die linken und eher linken zusammen auf mindestens ein weiteres Bundesland angewiesen sind. Dabei dürfte es jedoch eher schwerfallen, sich eine Kooperation zwischen dem von DIE LINKE geführten Thüringen und der konservativen CSU-Führung in Bayern vorzustellen.

Generell kann jedoch festgehalten werden, dass der Shapley-Wert ebenfalls die gute Verhandlungsposition der Unions-Parteien, analog zur Analyse im Abschnitt 3.1, bestätigt. Im Moment müsste die Bundesregierung auch laut diesem Modell die Belange der oppositionsgeführten Bundesländer bei ihren Vorhaben zumindest berücksichtigen, wenn die Belange der Länder gemäß Abschnitt 2 tangiert werden. Nun bleibt noch zu analysieren, wie die Wahlergebnisse bei den anstehenden Landtagswahlen diese Situation verändern können. Dazu wird angenommen, dass analog zu Abschnitt 3.1 die CDU die jeweilige Landesregierung verlassen muss – die politische Argumentation, auf der diese Annahme fußt, wird in Kapitel 4 dargestellt.

Die Ergebnisse dieser Analyse für die Machtverteilung gemäß Shapley-Wert sind in Tabelle 4 dargestellt. Es wird deutlich, dass ein Regierungswechsel im Saarland keine Veränderungen nach sich zöge. Trotz des Verlusts von drei Stimmen bräuchten die eher rechten Landesregierungen weiterhin lediglich einen weiteren Partner, den insbesondere Bayern darstellen kann. Und auch die linken und eher linken könnten zusammen nicht auf 35 Stimmen kommen.

Einen fundamentalen Unterschied könnte jedoch die Wahl in Schleswig-Holstein machen. Durch das Ausscheiden des CDU-Ministerpräsidenten und der Verlust der Regierungsbeteiligung könnten linke und eher linke Landesregierungen die Mehrheit von 35 Stimmen erreichen. Des Weiteren könnte die Schwelle von 35 Stimmen überschritten werden, wenn entweder die Linken oder die eher linken Landesregierungen sich jeweils mit den eher rechten Regierungen abstimmen. Die komfortable Verhandlungsposition der eher rechten Regierungen ist somit verloren gegangen. Die Landesregierung in Bayern würde zusätzlich ihre gute Verhandlungsposition einbüßen, da sie keiner Gruppierung eine Mehrheit verschaffen könnte. Entweder sind die Stimmen der CSU geführten Regierung nicht ausreichend oder sind bereits ohne Bayern genügend Stimmen erreicht worden.

Sollten auch noch Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aus CDU-Sicht verloren gehen, wären die politischen Konsequenzen zwar noch spürbar, aber würde dies an der relativ schlechten Verhandlungsposition der Union nichts mehr ändern. Es wären weiterhin immer zwei Partner für die Mehrheit von 35 Stimmen notwendig. Demnach hätten alle die gleiche Verhandlungsposition. Dabei hätte das linke Lager jedoch mit zusammen 2/3 die Nase vorn. Die Einflussmöglichkeiten Bayerns wären weiterhin sehr begrenzt, da die sechs Stimmen niemandem eine Mehrheit verschaffen würden, die er nicht eh schon hat.

Sollte jedoch Schleswig-Holstein weiterhin unter CDU-Führung verbleiben, wäre die SPD darauf angewiesen, entweder die CDU in Nordrhein-Westfalen abzulösen oder in Niedersachsen durch einen oder mehrere Koalitionspartner zu ersetzen, um die gute Verhandlungsposition der eher rechten Landesregierungen und Bayerns zu brechen. Es kann festgehalten werden, dass abweichend zur Betrachtung in Abschnitt 3.1 aus Sicht der Ampel-Regierung bereits zwei Siege in den vier 2022 anstehenden Landtagswahlen ausreichen, um die Einflussmöglichkeiten der oppositionellen Union über den Bundesrat drastisch zu reduzieren. Inwieweit dies auch aus politischer Betrachtung möglich und realistisch erscheint, wird im folgenden Kapitel untersucht.

Tabelle 4: Shapley-Wert für die Landesregierungen mit der jeweiligen Ausrichtung, wenn die CDU jeweils die Landesregierung in Folge der Wahlen verlassen muss; Bundesländer nach absteigender Fälligkeit der Wahl; Quelle: eigene Berechnung.

4. Politische Einordnung

Die vorliegende Studie geht davon aus, dass die CDU wenig Chancen hat, bei den kommenden Landtagswahlen zu gewinnen beziehungsweise weiter den Regierungschef zu stellen. Zwar haben nicht zuletzt die beiden zurückliegenden Bundestagswahlen gezeigt, dass sich Stimmungen schnell drehen können, Umfrageergebnisse nicht Wahlergebnisse sind und die Wählerinnen und Wähler sich immer später und weniger berechenbar entscheiden – der entgleiste „Schulz-Zug“ aus dem Frühjahr 2017 steht genauso dafür, wie der Wahlsieg von Olaf Scholz, nachdem die SPD jahrelang im Umfrage- und Stimmungskeller verharrte. Trotzdem dürften die Chancen der SPD, bei den kommenden Landtagswahlen gut abzuschneiden, selbst bei einem sich verschlechternden Bundestrend besser sein als die der CDU. Hinzu kommt, dass die Sozialdemokraten aufgrund der politischen Gemengelage sogar dann die Möglichkeit haben dürften, nach dem Amt des Ministerpräsidenten zu greifen, wenn sie nicht stärkste Partei werden. Die jeweilige Begründung folgt in der Reihenfolge der anstehenden Wahltermine – wobei ein Argument für alle kommenden Termine gilt, solange nicht die Ampel-Koalition im Bund zerbricht: Der Druck auf die jeweiligen Landesverbände aller an der Bundesregierung beteiligten Parteien, nicht in Koalitionen mit der Union einzutreten, dürfte hoch sein, solange machtarithmetisch eine linke oder eher linke Regierungsoption besteht.

Dies gilt trotz der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der jeweiligen Landesverbände mindestens für die SPD und die GRÜNEN. Etwas abzuschwächen ist diese Aussage für die FDP, wobei zusätzlich die Sondersituation einer Zweier-Koalition mit der CDU in NRW und die besondere personelle Konstellation in Schleswig-Holstein berücksichtigt werden muss. Überdies wird der Druck, linke Landesregierungen zu bilden für die Ampel-Parteien umso stärker, je mehr die Bundesregierung – und in ihr insbesondere die GRÜNEN – in Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihrer – insbesondere in der Klimapolitik – sehr anspruchsvollen Vorhaben kommt. Je unzufriedener die traditionell linke grüne Basis und das von Gruppen wie Fridays for Future geprägte politische Vorfeld wird, desto weniger wahrscheinlich ist, dass grüne Landesverbände in Koalitionen mit der Union eintreten – was auch Jamaika-Bündnisse einschließt.

Dass die SPD im Saarland, wo am 27. März gewählt wird, wieder in eine Große Koalition eintritt, solange es für eine Ampel reicht, dürfte unwahrscheinlich sein. Für grün wie gelb ist der Eintritt in eine Regierung attraktiv, was auch für Jamaika gelten würde – momentan liegt die SPD in Umfragen allerdings deutlich vor der CDU. In NRW (Wahltermin Anfang Mai) liegen SPD und CDU in Umfragen gleichauf – entscheidend ist also der nächststärkere Partner. Die GRÜNEN liegen dort so weit vor der FDP, dass es sogar knapp für ein klassisches rot-grünes Bündnis reichen könnte. Falls das nicht langt, ist die Ampel aus bundespolitischen Erwägungen trotzdem wahrscheinlicher als eine ebenfalls arithmetisch mögliche Jamaika-Koalition. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Schleswig-Holstein: Dort könnte im Ergebnis der Wahl Mitte Mai eine rot-grüne Koalition stehen, obwohl die CDU mittlerweile wieder vor der SPD liegt. Nötigenfalls könnte der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist, ein solches Bündnis ergänzen. Auch wenn die Umfragen eine Zweier-Koalition aus Union und GRÜNEN hergeben, scheint eine solche Kombination aus bundespolitischen Erwägungen eher unwahrscheinlich – da Robert Habeck aus dem Landesverband stammt, würde ein Plädoyer zugunsten der Union als ein Misstrauensvotum gegen die eigene Bundesregierung verstanden werden. Mit der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden gilt das umso mehr. Die Argumentation kann analog auf die Chancen eines Jamaika-Bündnisses übertragen werden. Die Umfragen für den letzten Wahltermin im laufenden Jahr, Niedersachsen im Oktober, versprechen stabil eine klare Mehrheit für eine rot-grüne Koalition, die Union dürfte als Juniorpartner aus der momentan bestehenden Regierung ausscheiden.

Auch der Blick voraus verheißt für die Union – bei allen Unwägbarkeiten und dem sogenannten „mid-term-effect“, dem zufolge sich im Verlauf einer Legislatur die Stimmung einer U-Kurve gleich gegen die im Bund regierenden Parteien wendet (Bergmann, 2002, 228) – nicht nur Gutes: In Bremen verblieb die Union nach der Wahl im Mai 2019 in der Opposition, obwohl sie stärkste Partei geworden war – die SPD riskierte dort die erste R2G-Koalition in einem westdeutschen Bundesland. Insofern bräuchte es dort ein deutlich anderes Ergebnis zugunsten der Mitte-rechts-Parteien, um zu anderen Mehrheiten zu kommen. In Hessen steht im Herbst 2023 die Zukunft des schwarz-grünen Bündnisses wegen der noch ungeklärten Nachfolgefrage des amtierenden Ministerpräsidenten Bouffier und des auf Seite der Grünen rein instrumentellen Zugangs zum Thema Regieren in den Sternen (Hetrodt, 2021). Einen Sonderfall bildet Bayern, wo ebenfalls im Herbst gewählt wird: In diesem Bundesland, das momentan als einziges nur von Parteien regiert wird, von denen keine der Bundesregierung angehört, ist die SPD traditionell schwach. Ob es aber für die CSU zu einer Neuauflage mit den Freien Wählern reichen wird, ist ungewiss. Gewiss ist aber: Sobald eine der Ampel-Parteien an Stelle der schwächelnden Freien Wähler tritt, lautet das Ergebnis im Bundesrat: Enthaltung.

Politisch muss bei den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat berücksichtigt werden, dass die Bundesländer selbstverständlich auch eigene Interessen verfolgen. Hier gilt die Formel, dass Landesinteresse nicht gleich Bundesparteiinteresse sein muss. Die Länder, die im Bundesrat agieren, können kein Interesse daran haben, die Zweite Kammer auf Dauer als Blockadeinstrument zu etablieren. Grundsätzlich sind die Länder auf die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bund bedacht – Stichwort: kooperativer Föderalismus, der für das bundesdeutsche System prägend ist (Sturm2018, 699f.) –, zumal durch die Verflechtungen im föderalen System diverse Möglichkeiten bestehen, bundesseitig kooperationsunwillige Länder zur Zustimmung zu bewegen oder gar durch Zugeständnisse an spezifische Landesinteressen regelrecht zu erkaufen.

In der politischen Praxis macht es einen Unterschied, ob eine Landesregierung im Bundesrat aus koalitionsarithmetischen Gründen nicht zustimmen kann – oder wirklich dagegen ist. Weiterhin spielt die Machtbalance innerhalb einer Landesregierung eine Rolle. Genauso müssen die Interessen der im Bund in der Opposition befindlichen Partei nicht zwingend kongruent mit denen der in einzelnen Ländern mitregierenden Landesverbänden sein. Einen großen Hebel besitzen die Landesregierungen im Bundesrat insbesondere bei symbolträchtigen Themen – manchmal einhergehend mit der entsprechenden Inszenierung. Ein Beispiel dafür lieferte die Empörung des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch im März 2002 im Zuge der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes, die sein Unions-Ministerpräsidentenkollege kurz danach als „legitimes Theater“ einordnete (Müller 2002). Auch die sogenannte Blockadepolitik der SPD im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 ist unvergessen, als der Parteivorsitzende und saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine es vermochte, die von Union und FDP angestrebte Steuerreform im Bundesrat scheitern zu lassen – und das gegen den vermuteten Willen der SPD-Ministerpräsidenten-Riege (Bergmann, 54). Dass es sich um ein rein wahltaktisches Manöver gehandelt hatte, belegt der Umstand, dass die unter der rot-grünen Bundesregierung – der Oskar Lafontaine allerdings da schon nicht mehr angehörte – vorgenommene Steuerreform im Jahr 2000 weitreichender war als die von schwarz-gelb konzeptionierte drei Jahre zuvor (Wagschal 2007, 249).

Doch dies sind eher Ausnahmen; die meisten Streitfälle lassen sich im Verfahren beilegen (vgl. hierzu grundlegend Schmedes, 2019). Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Anteil an zustimmungsbedürftigen Gesetzen seit der 2006 vorgenommenen Föderalismusreform 1 auf 38 Prozent (gegenüber 49 Prozent im Gesamtzeitraum von 1949-2021) abgenommen hat (Bundesrat, 2022b) – wobei der gesunkene Anteil kein Indikator für die Bedeutung der Regelungsmaterie sein muss. Mit anderen Worten: Es nutzt einer Bundesregierung nichts, wenn alle politisch eher unwichtigen Gesetze die Länderkammer problemlos passieren, ein kleiner Teil von Gesetzen dagegen, nämlich die politisch bedeutsamen, die in aller Regel zustimmungspflichtig sind, dagegen im Bundesrat aufgehalten werden.

Für die Beschlussfassung von zustimmungspflichtigen Gesetzen ist die absolute Mehrheit von 35 Stimmen nötig; Enthaltungen wirken wie Nein-Stimmen. Da sich die Länder enthalten, wenn innerhalb der jeweiligen Regierungskoalition keine Einigkeit besteht, können Vetopositionen von Parteien aufgebaut werden, die zwar an Landesregierungen, aber nicht an der Bundesregierung beteiligt sind. Insgesamt betrug der Prozentsatz der gescheiterten Zustimmungsgesetze allerdings selbst in den konfliktreichsten Legislaturperioden mit einer klaren Frontstellung zwischen der Bundesregierung und den dort in der Opposition befindlichen Parteien über den Bundesrat nie über 6 Prozent (Grotz / Schröder, 314 ff.; vgl. zudem für die 17. Legislaturperiode, wo der Anteil deutlich darunter lag: Schmedes, 80ff.). Trotzdem: Die aktuelle Bundesregierung kann nicht „durchregieren“; sie benötigt bei Zustimmungsgesetzen Stimmen aus Bundesländern, in denen die Union an der Regierung beteiligt ist – noch.

5. Fazit

Mit der Vereidigung von Olaf Scholz im Dezember 2021 regiert nach 16 Jahren Pause wieder eine SPD-geführte Bundesregierung. Zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik handelt es sich dabei auf Bundesebene um eine sogenannte Ampelkoalition aus SPD, GRÜNEN und FDP. Aus spieltheoretischer Sicht ist die Position dieser neuen Koalition jedoch schwach, sofern sie zustimmungspflichtige Gesetze in den Bundesrat einbringt. Einerseits finden sich auf Ebene der Bundesländer eine bunte Schar an unterschiedlichen Koalitionen, wobei lediglich in Rheinland-Pfalz wie auf Bundesebene eine „Ampel“ regiert. Andererseits ist die oppositionelle Union aus CDU und CSU an der Mehrheit der Stimmen im Bundesrat beteiligt. Da dort ein Bundesland lediglich einheitlich abstimmen kann und sich bei Meinungsverschiedenheiten in der Landesregierung enthält, könnten – zumindest in der Theorie – die unions(mit)regierten Länder bei hinreichender Einigkeit zustimmungspflichtige Vorhaben der Bundesregierung und des Bundestags in der Länderkammer blockieren. Dieser Befund mag ob der lange unerwarteten, und für die Partei schmerzlichen Niederlage der Union bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 etwas überraschen.

Dieser Umstand ist ein Erbe des vorvergangenen Bundestagswahljahrs 2017, wo überraschenderweise die CDU in den Bundesländern Saarland, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hintereinander den Ministerpräsidenten stellen konnte. Doch diese potentiell starke Position droht jetzt verloren zu gehen. Denn im Jahr 2022 stehen vier Landtagswahlen an, deren Ausgang die Situation zugunsten der neuen Bundesregierung verändern kann. Wird dabei nur betrachtet, ob alle Bundesländer mit Unionsbeteiligung zusammen die (theoretische) Blockadepotenzial im Bundesrat bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen von 35 Stimmen erreichen, bräuchte es dafür jedoch das Ausscheiden der CDU aus allen Regierungen in den vier Bundesländern, die 2022 ein neues Landesparlament wählen. Bei dieser Betrachtung werden jedoch Unterschiede zwischen den Unions-Landesverbänden und die unterschiedlichen Machtpositionen der CDU in den Regierungen der entsprechenden Bundesländer nicht berücksichtigt.

Wird die konkrete politische Ausrichtung der 16 Bundesländer in die Analyse einbezogen, um die Aussagekraft der Betrachtung zu erhöhen, würde es der eher linken Ampel-Regierung auf Bundesebene bereits reichen, wenn die SPD die CDU lediglich in zwei der anstehenden vier Wahlen aus der Regierung verdrängen könnte. Umfragen wie der politischen Dynamik zufolge stehen zum jetzigen Zeitpunkt die Chancen, dass dies gelingen könnte, einigermaßen günstig. Das Hauptargument hierfür lautet, dass die jeweiligen Landesverbände aller an der Bundesregierung beteiligten Parteien kaum an einer CDU-Beteiligung bei der Regierungsbildung auf Landesebene interessiert sein dürften, solange eine linke oder eher linke Regierungsoption vorhanden ist.

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Anhang

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Bergmann, Knut / Rusche, Christian (2022): Verhandlungspositionen im Bundesrat, Eine politökonomische Analyse, Forschungspapier, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/verhandlungspositionen-im-bundesrat/

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  1. https://www.bundeswahlleiter.de/ []
  2. Dies folgt der mathematischen Formel zur Anzahl Variationen, wenn es sich um Variationen ohne Wiederholung, also jedes Element lediglich einmal vorkommt, handelt. Bei der Anordnung von drei aus fünf Elementen ergibt sich somit: 5! / (5-3)! = 1*2*3*4*5/1*2 = 60. []

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