Alan Weismann: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?

Countdown - Piper VerlagDerzeit leben auf der Welt etwa sieben Milliarden Menschen. Im Jahr 2050 werden es etwa 10 Milliarden sein, im Jahr 2100 11 Milliarden. Danach, so die Erwartungen der Bevölkerungswissenschaften, soll sich das Wachstum verlangsamen bzw. sogar zum Stillstand kommen. Bis dahin aber wird die Erde und ihre Menschheit mit dem Anschwellen seiner Bevölkerung ökologisch zurechtkommen müssen.

Für den amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Alan Weismann gehen Bevölkerungswachstum und wirtschaftliches Wachstum alter Art jedoch nicht mehr zusammen. Selbst wenn in 25 bis 75 Jahren das Bevölkerungswachstum sukzessive stagniert, hält die Tragfähigkeit des ökologischen Systems unseres Planeten diese Entwicklung nicht aus. Eine Rezension von Jürgen Turek.

Alan Weismann: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?

Pieper 2013, 572 Seiten, 24,99 €, ISBN 978-3-492-05431-7

Rezension von Jürgen Turek

Jürgen TurekJürgen Turek, M. A., ist Inhaber der TC Turek Consultant in München (http://www.turek-consulting.de/ ) und Senior Fellow am Centrum für angewandte Politikforschung (C•A•P) der Ludwig-Maximilians-Universität München (http://www.cap-lmu.de/cap/fellows/turek.php).

 

Derzeit leben auf der Welt etwa sieben Milliarden Menschen. Im Jahr 2050 werden es etwa 10 Milliarden sein, im Jahr 2100 11 Milliarden. Danach, so die Erwartungen der Bevölkerungswissenschaften, soll sich das Wachstum verlangsamen bzw. sogar zum Stillstand kommen. Bis dahin aber wird die Erde und ihre Menschheit mit dem Anschwellen seiner Bevölkerung ökologisch zurechtkommen müssen. Für den amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Alan Weismann gehen Bevölkerungswachstum und wirtschaftliches Wachstum alter Art jedoch nicht mehr zusammen. Selbst wenn in 25 bis 75 Jahren das Bevölkerungswachstum sukzessive stagniert, hält die Tragfähigkeit des ökologischen Systems unseres Planeten diese Entwicklung nicht aus. Entgegen all der anderen Studien und Untersuchungen zu einem Bewusstseinswandel des Homo Oeconomicus, zu den technologischen Möglichkeiten einer ökologisch nachhaltigen Lebensweise und einer wirksamen globalen Governance verbindet er das Problem des Bevölkerungswachstums mit der Ressourcenverschwendung und der ökologischen Zerstörungen der Welt. Er rollt diesen Sachverhalt von der demographischen Seite auf und schlägt vor, dass dieses ungehemmte Bevölkerungswachstum schlicht und ergreifend nicht geschieht. Denn sonst breche das System Erde endgültig zusammen. Auf den ersten Blick, eine fast tollkühne Idee.

Wie wäre eine Welt ohne uns?

In einem vorher veröffentlichten, anderen Werk unternahm Weismann ein bemerkenswertes Gedankenexperiment.1 Darin beschäftigte er sich mit der hypothetischen Frage, was auf der Erde passiert, wenn die Gattung Mensch von einem Augenblick auf den anderen verschwinden würde. Dieser zuerst in den USA und später auch in Europa publizierte Bestseller beschrieb, wie sich die Welt ohne Menschen ökologisch entwickeln könnte oder würde und der Befund verwundert nicht: der Planet würde die Demütigungen durch den Menschen erstaunlich gut und, gemessen in planetaren Zeiträumen, sehr rasch überwinden. Die Kritiker würdigten dieses Werk als einen erfrischend phantasievollen Essay, der uns darauf hinweist, dass die Erde uns eigentlich nicht braucht. Nun existiert der Mensch aber nun einmal und die Frage ist, welche Konsequenzen sich aus diesem kleinen Gedankenexperiment mit Blick auf die zerstörerischen Aktivitäten des Homo Oeconomicus ergeben. Für Alan Weisman war klar: nur eine Geburtenkontrolle, eine Kinder- und Frauenpolitik und eine allgemeine Anhebung der Bildungsstandards könnten den Globus vor dem Kollaps bewahren. Diesen Gedanken greift der Autor in der hier besprochenen Publikation auf und legt dieses Mal kein phantasievolles Gedankenexperiment vor. Vielmehr versucht er, eine rationale Antwort auf die Problematik eines ungehemmten Bevölkerungswachstums mit Blick auf die zuständigen Disziplinen der Wissenschaften, die regionalen sozio-ökonomischen Systeme und die politischen Regime, die spirituellen Einstellungen und die Weltreligionen zu finden.

10 – 9 – 8 – 7 – 6 … die Zeit läuft

Der Grund für die Verlangsamung und schließlich Beendigung des globalen Bevölkerungsanstiegs ab 2100 sind Wachstums- und Wohlstandseffekte besonders in den Entwicklungsländern, welche die absolute Notwendigkeit von beschützenden und existenzsichernden Großfamilien relativieren. Wenn mittelständische Strukturen entstehen, die Gesellschaft insgesamt sicherer wird und allgemeine soziale Versicherungssysteme greifen, entfällt der Zwang, physische Sicherheit, Wohlstand und Alterung durch Großfamilien abzusichern. Die Notwendigkeit von komplexen Familienverbünden nimmt ab, falls nicht sozio-kulturelle oder politische Gründe dagegen sprechen. Im Nahen und Mittleren Osten hat die Großfamilie zum Beispiel einen enormen politischen Wert, der das Fortpflanzungsverhalten dort eher steuert als wirtschaftliche Überlegungen. Darauf weist Weisman mit Blick etwa auf den Nahen und Mittleren Osten hin. Die oftmals bettelarmen ultraorthodoxen Charedim in Israel setzen auf die Großfamilie, um Glaube und Tradition gegenüber einer wachsenden Zahl von Palästinensern auf der einen Seite und säkularen Israelis auf der anderen Seite zu behaupten; die palästinensische Gesellschaft setzt auf eine große Familie, um Überlebensfähigkeit zu sichern, aber auch um sich im Kampf gegen die Israelis zu behaupten und politische Macht über wachsende Mehrheiten zu generieren. Eine wissenschaftlich untermauerte Bevölkerungskontrolle ist in beiden Lagern undenkbar.

Auch dies sind Gründe, die neben den wirtschaftlichen Erwägungen von großen Familien in den Entwicklungs- oder Krisenländern der Welt eine Rolle spielen. In diesem Sinne braucht es noch wenigstens 100 Jahre für einen nachhaltigen Effekt für das Ökosystem der Erde durch eine Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung. Diese Zeit hat die Menschheit nach Weisman nicht. Deshalb stellt sich für ihn eine zentrale Frage: „wenn sich herausstellt, dass die Erde nur mit einer Bevölkerung von weniger als zehn Milliarden plus, auf die wir derzeit zusteuern oder sogar nur mit weniger als unseren bereits erreichten sieben Milliarden zukunftsfähig ist, wie gestalten wir dann eine Ökonomie für eine zunächst schrumpfende und danach stabile Bevölkerung – soll heißen eine Bevölkerung, die gedeihen kann, ohne auf ständiges Wachstum angewiesen zu sein“? (S.48). Eine komplizierte Frage, denn der Glaube, dass alleine eine steigende Bevölkerung auf der Erde zerstörerisch ist, sei falsch. Dies werde vielmehr ein steigender und besinnungsloser Konsum besorgen und die zentrale Frage sei, wie dieser zu steuern ist.

Zahlen, Daten, Fakten – Geschichten, Schicksale, Begebenheiten

Hiernach weist Weisman auf die bekannten Fakten und ihren historischen Ursprung hin. Das wird hoch interessant und facettenreich erzählt: Die Ursachen des Bevölkerungswachstums in den letzten Jahrhunderten, der wachsende Verbrauch an Lebensmitteln, Energie und Wasser. Schließlich ein hemmungsloser Konsum. Die Entwicklungsschübe der großen Kondratieff-Zyklen im Rahmen der industriellen Revolution: Dampfkraft, Chemie, Maschinenbau und Elektronik, Informatik, Medizintechnik und Gesundheit. Dann die technologischen Bemühungen, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen, die aufholende Entwicklung zuerst in den Schwellenländern und dann in der restlichen vormals Dritten Welt, die Familienprogramme in Mexiko, Indien, China und anderswo, um das wilde Bevölkerungswachstum nachhaltig zu zähmen. Die grünen parteipolitischen Bewegungen, welche sich den Folgen der Industrialisierung entgegenstellten und staatliche Maßnahmen, den CO2 – Ausstoß zu reduzieren und eine energiepolitische Wendung einzuleiten. Der Club of Rome, der Weltgipfel, der Brundtland-Report, die Weltbevölkerungskonferenzen der UNO, die Nachhaltigkeitsstrategien – ein endloses intellektuelles und bürokratisches Ringen, um die Bedürfnisse einer wachsenden, konsumhungrigen, ungeduldigen und vorwärts strebenden Weltbevölkerung mit den Grenzen des Planeten irgendwie in Einklang zu bringen. Weismann bringt dies alles nicht im Stile eines nüchternen Wissenschaftlers auf den Tisch; vielmehr erzählt er in unzähligen konkreten Geschichten, mit Blick auf Schicksale und Begebenheiten die Story der Verwüstung eines Planeten und ihrer Konsequenzen für das Schicksal der Menschheit. Er rekurriert auf einzelne Forscher wie David Willey, der eigentlich in ganz Europa Sprachschulen gegründet hatte, und dann aus Sorge um die Menschheit 1993 die World Population Conference in Cambridge gründete, um über eine optimale Bevölkerungsstruktur auf der Welt zu beraten; oder auf Familienprogramme in China und Indien, wo die Ein-Kind-Politik geboren wurde (China) oder während der Amtszeit von Indira Ghandi die Zwangssterilisation angeordnet worden war (Indien). Oder die Haltung des Vatikans mit Blick auf strategische Vorgehensweisen beim Unterlaufen von Programmen zur Familienplanung und Verhütung (S.153 ff.). Er erzählt die Geschichten von einzelnen Personen, die zum Anfang des 21. Jahrhunderts in die schwierige Situation kamen zu entscheiden, ob sie Karriere machen oder Kinder haben wollten, und die gute Gründe hatten, sich für das eine oder das andere zu entscheiden.

Für Europa entwickelt er über diese Erzählungen dann ein facettenreiches Bild, das sich statistisch belegen lässt. Länder wie Deutschland, Italien oder Spanien schrumpfen; Länder wie Irland, Frankreich oder England wachsen – was das Verhältnis von Geburten und Sterbefällen betrifft. Selbst im reichen und wachstumsmüde geltenden Europa wächst die Zahl der Bevölkerung insgesamt deshalb an. Nach den Angaben des statistischen Amtes der Europäischen Kommission Eurostat lebten EU-weit Anfang 2013 gut 505 Millionen Menschen. Ein Jahr zuvor waren es nur etwa 504 Millionen Menschen. Das entspricht einer Zuwachsrate um 2,2 Prozent je 1.000 Einwohner. Insgesamt ist die Bevölkerung der EU also um 1,1 Millionen Menschen in diesem Zeitraum gewachsen.2 Für den Rest der Welt gilt ohnehin: das Wachstum der Menschen schwillt vorerst unaufhaltsam weiter an. So weitet er dann den Blick auf Südamerika, Südostasien, oder Afrika. Zum Beispiel auf die Philippinen, wo Bevölkerungsprogramme entwickelt worden sind, um das Bevölkerungswachstum mit den wachsenden sozio-ökonomischen Problemen und den Folgen des Klimawandels zu synchronisieren. Oder Nigeria, wo sich die Bevölkerung bis 2040 auf etwa 333 Millionen Menschen trotz aller staatlichen und gesellschaftlichen Bemühungen, das Bevölkerungswachstum irgendwie in den Griff zu kriegen, verdoppeln wird. Und überall stellt sich vor Ort die drängende Frage: wie wird die Bevölkerung geschützt, ernährt, erzogen, gewärmt oder gekühlt, gekleidet und familienpolitisch unterstützt. Und wie hängt dies alles miteinander zusammen? Ein notwendiges Unterfangen, aber es gleicht oftmals dem Tropfen auf dem heißen Stein. So wird das Bild einer Globalisierung Punkt für Punkt plastisch konturiert, die über die zunehmende Besiedlung und Ausbeutung der Erde auf einen Punkt zusteuert, der im 21. Jahrhundert selbstzerstörerisch werden kann. Und alles führt auf den einen Punkt hin: wie lässt sich das Wachstum der Weltbevölkerung so regulieren, dass es der Bevölkerung und dem Planeten auch im 22. Jahrhundert noch gut gehen kann.

Was ist zu tun?

Aus dieser intensiven Befassung mit dem Problem der wachsenden Erdbevölkerung und der Reaktionen darauf entwickelt Weisman eine klare Antwort: das Bevölkerungswachstum muss einer bevölkerungspolitischen Kontrolle und Steuerung unterzogen werden. Und dies sei auch (relativ entspannt) möglich. Als Beispiel dafür nennt er – erstaunlicher Weise – den Iran: nach der islamischen Revolution des Ajatollah Khomeini, predigte das Regime noch das Heil der Großfamilie im Bestreben, eine 20-Millionen-Armee von heiligen Gotteskriegern zu züchten. Nachdem klar geworden war, dass das Land diesem Anspruch einer gewaltig wachsenden Bevölkerung einfach nicht gerecht werden konnte, legte das Land ein bevölkerungspolitisches Programm auf ‚Freiwilligkeit’ auf. Was niemand gedacht hatte: im Rahmen einer großen Anstrengung gelang ausgerechnet in einem religiös geprägten Land mit traditionellen Familienbildern das bevölkerungspolitische Experiment einer Kontrolle der Bevölkerungsentwicklung (S.322 ff.). Nach vielen ergriffenen Maßnahmen und vielen Programmen erreichte die Fruchtbarkeitsrate im Iran im Jahr 2000 mit 2,1 Prozent den Wert für den Bestandserhalt, ein Jahr früher als in China mit seiner gesetzlich erzwungenen ‚Ein-Kind-Politik’. 2012 lag die Rate dann bei 1,7 Prozent.

Ein anderes Beispiel sei Japan. Nippon hat die älteste Bevölkerung der Welt und die Pyramide der Bevölkerung hat sich seit langem schon auf die Spitze gestellt: es gibt immer mehr alte Menschen und immer weniger junge Menschen, die im erwerbsfähigen Alter sind und das soziale Sicherungssystem bedienen. Aber, so die japanische Bevölkerungswissenschaft, dieser Zustand werde sich in etwa 100 Jahren stabilisieren, wenn die äußerst gebärfreudige Generation der 1950 und 1960er Jahre gestorben sei und sich ein relatives Gleichgewicht zwischen den geborenen und sterbenden Menschen einzustellen begänne. Aus der Pyramide werde ein Würfel, der eine stabile Situation der Bevölkerung abbilde (S.357 ff.). Weismann nennt diesen Prozess dann „schrumpfen und gedeihen“ und weist darauf hin, dass eine ‚stationäre Wirtschaft’, die auf das Postulat eines ständigen Wachstums verzichtet, dem dann erreichten Entwicklungsstand der Menschheit entsprechen wird. Wohlstand ohne Wachstum und der Einklang mit den natürlichen planetaren Gegebenheiten sind dann das Entwicklungsziel.

Als drittes Beispiel führt Alan Weisman Indien an. Dort sagen Experten voraus, dass die Bevölkerung bis etwa 2060 auf etwa 1,65 Milliarden Menschen wachsen werde, wenn nichts geschieht. Doch auch in diesem Land gibt es Entwicklungen, die den weiteren (unkontrollierten) Anstieg des Bevölkerungswachstums bremsen. Als Musterbeispiel dafür dient etwa der Bundesstaat Kerala, der gezeigt habe, wie eine arme Bevölkerung einen hohen Lebensstandard entwickeln kann, wenn als Maßstab nicht Reichtum sondern Lebensqualität diene, eine Philosophie und Methode, die im übrigen auch dem Ansatz des Human Development Index der Vereinten Nationen entspricht. Das Land hat seit den 1970er Jahren die niedrigste Fruchtbarkeitsrate in Indien – eine Kehrtwende im Vergleich zu 1947, als das Bevölkerungswachstum hier das höchste in dem seit Kurzem unabhängigen Staat war (S.408 f.). Deshalb wurden der Staat und die Zivilgesellschaft aktiv. Es gab Familienprogramme, die Empfängnisverhütung und Bildung für Mädchen und Kinder so kombinierten, dass Familieneffekte erzielt wurden. Kerala war Ende der 1990er Jahre der erste Bundestaat Indiens – und die erste Einheit in ganz Südasien – in dem die Fruchtbarkeitsrate auf den Bestanderhalt sank. Aber auch wenn Kerala lange Jahre als bevölkerungspolitscher und regionalpolitischer Musterknabe galt: insgesamt hat die durch Bildung und Entwicklung angetrieben positive wirtschaftliche Entwicklung das Bundesland nicht nur relativ reich gemacht, sondern im Rahmen von ökologischen Folgen eines ungezügelten Wirtschaftswachstums schließlich nach dem Motto Ghandis demoliert: „es ist genug da für die Bedürfnisse aller Menschen, aber nicht genug für die allgemeine Gier“ (S.414). Das ökologische Resultat war kein allgemeiner Frieden mit dem Planeten, noch nicht einmal ein Waffenstillstand, sondern im Rahmen eines wild flutenden Konsumtsunami ein Desaster, in dem der Fluch des Mammon viele soziale Errungenschaften und Lichtblicke auf eine nachhaltige Entwicklung einfach hinweg gerissen hat.

Die Gesamtschau der Bevölkerungsentwicklung zeigt also auf: die Gründe für das Bevölkerungswachstum der Menschen im 20. und 21. Jahrhundert sind klar, sie liegen mit Blick auf die gewaltigen technologischen Fortschritte und humanen Innovationen, die Babyboomer der 1950er Jahre, die gewachsene Hygiene, die bessere Ernährung und Gesundheitsvorsorge und eine stärkere soziale Absicherung auf der Hand. Gleichzeitig wird mit dem Traktat von Weisman klar, wo wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Betablocker für eine aktive Bevölkerungspolitik zu finden waren und sind. Und schließlich wird auch klar, wo Ansätze einer sozio-ökonomischen aber auch kulturellen Katharsis zu finden sind: in der Abkehr von der Wachstumsgläubigkeit der Vergangenheit, in der Abkehr vom Kreislauf von mehr Konsum, mehr Verbrauch und mehr Verfall/Abfall, in der Hinwendung zu Bildung und Geburtenkontrolle in der Entwicklungswelt. Letztendlich predigt Alan Weisman eine weitere Episode der großen Erzählung der Nachhaltigkeit, diesem so abstrakten aber richtigen Prinzip der Menschheitsentwicklung. Allerdings nicht nur mit Blick auf die Statistik, die eindeutig aber auch irgendwie klinisch-technokratisch bleibt, sondern mit Blick auf zum Teil Jahrhunderte alte Geschichte, Traditionen, Begebenheiten, aber auch Verhaltensänderungen im Kleinen und im Großen. Ganz neu ist das natürlich nicht. Allerdings hinterlässt diese gewaltige Tour d‘Horizon über die Kontinente und über die Zeit hinweg schon ein stimmiges und sehr beeindruckendes Bild. Insofern bietet uns Alan Weisman einen zusätzlichen Erkenntnisweg, nämlich den Sachverhalt auch intuitiv zu erfassen und nicht nur strikt wissenschaftlich zu verstehen. Das ist eine gute Art und Weise, um, ähnlich wie in dem Film ‚Cloud Atlas’, über die verschiedenen Einzelsituationen in den verschiedenen Gesellschaften zu einem Bild der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu gelangen. Das ist mit Blick auf die Datenlage hinsichtlich der Entwicklung der Menschheit in diesem Jahrhundert notwendig. Alle Daten hinsichtlich des Wachstums der Population, ihrer Ernährung, ihrer Gesundheit oder ihres friedlichen Miteinanders stehen erst einmal auf Sturm. Aber mit Blick auf Lösungsmöglichkeiten und Veränderungen zeichnet sich dennoch ein Bild ab, in dem die Menschheit – zumindest theoretisch – alle Möglichkeiten in der Hand hat, um die globale Entwicklung der Bevölkerungsentwicklung in den Griff zu kriegen. Heraus gekommen ist damit eine nicht pessimistisch stimmende Geschichte der Zukunft, die mit ihrer Länge von über 500 Seiten allerdings etwas Zeit und Geduld bei der Rezeption erfordert. Aber mit Blick auf das Verstehen eines ganz wichtigen Entwicklungspfads des 21. Jahrhundert, erscheint dieser Aufwand dann doch ergiebig.

Ein gutes Buch, oder besser gesagt, ein faszinierendes Buch.

Zitationshinweis

Turek, Jürgen (2014): Alan Weismann: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft? Erschienen in: regierungsforschung.de, Rezensionen / Buchbesprechungen. Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/alan-weismann-countdown-hat-die-erde-eine-zukunft/

Fußnoten / Endnoten

  1. Weismann, Alan, Die Welt ohne uns. Reise über eine unbevölkerte Erde, München 2007 []
  2. Vgl. http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/statistik-deutschland-hat-niedrigste-geburtenrate-in-der-eu-a-934659.html, aufgerufen am 8.8.2014. []

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