Parlament und Kommunikation – Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis oder: Befindet sich der Bundestag in der Kommunikationsfalle? Von Stefan Vorderstraße

Stefan VorderstraßeIm Fokus stehen der spannungsreiche Komplex parlamentarischer Kommunikation und die Frage, wie der Bundestag seine multiplen kommunikativen Aufgaben erfüllen kann.

Um der Vielschichtigkeit der parlamentarischen Politikvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit gerecht zu werden, wird die systematische Betrachtung mittels eines analytischen Dreischritts angeleitet. Die parlamentarische Kommunikation beeinflussenden Entwicklungen werden auf der Makroebene anhand des Trends zur Mediengesellschaft nachvollzogen. Auf der Mesoebene wird das Spannungsfeld zwischen parlamentarischer und massenmedialer Arena betrachtet, bevor auf der Mikroebene die Auswirkungen dieser Entwicklungen anhand der Rolle des Bundestagspräsidenten erörtert werden.

 

Abstract

Im Fokus stehen der spannungsreiche Komplex parlamentarischer Kommunikation und die Frage, wie der Bundestag seine multiplen kommunikativen Aufgaben erfüllen kann. Um der Vielschichtigkeit der parlamentarischen Politikvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit gerecht zu werden, wird die systematische Betrachtung mittels eines analytischen Dreischritts angeleitet. Die parlamentarische Kommunikation beeinflussenden Entwicklungen werden auf der Makroebene anhand des Trends zur Mediengesellschaft nachvollzogen. Auf der Mesoebene wird das Spannungsfeld zwischen parlamentarischer und massenmedialer Arena betrachtet, bevor auf der Mikroebene die Auswirkungen dieser Entwicklungen anhand der Rolle des Bundestagspräsidenten erörtert werden. Die Einordnung des Verhältnisses von Parlament und Kommunikation geschieht auf der Folie der Debatte um postparlamentarische Trends, die den dynamischen Charakter parlamentarischer Öffentlichkeit als unter Legitimationsgesichtspunkten problematisch aufgreift.

 

Abstract (english)

The Paper focuses on the strained complex of parliamentary communication and on the question how the German Bundestag can fulfill its multiple communicative tasks. In order to systematically analyze the multifacetedness of parliamentary communication an analytical triad is introduced: Firstly, on the macro-level, the effects on parliamentary communication by the ongoing trend towards a media society are analyzed. On the meso-level, secondly, the tension between the parliamentary arena and mass media are being observed. Finally and thirdly the effects of these developments will be illustrated on a micro-level by examining the communicative role of the President of the Bundestag (‚Bundestagspräsident’). The classification of the relationship between parliament and communication is constructed on the basis of the debate around post-parliamentarism, which assesses the dynamic character of parliamentary communication as legitimately “problematic”.

 

Parlament und Kommunikation – Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis

oder: Befindet sich der Bundestag in der Kommunikationsfalle?

Von Stefan Vorderstraße

Stefan VorderstraßeDr. Stefan Vorderstraße ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Kürzlich ist seine Dissertationsschrift mit dem Titel “Zeit und Politikberatung. Eine systemtheoretische Analyse” bei Springer VS erschienen.

 

1) Parlament und Kommunikation – Ein schwieriges Verhältnis

„Dass Politik in hohem Maße ein kommunikationsabhängiges Geschäft ist, ist unbestritten und im Grundsatz nicht neu“ (Kamps 2003: 198, Hervorhebung i.O.). Öffentlichkeitsarbeit gehört seit jeher zum Tagesgeschäft der Politik; das wird nicht erst seit der attestierten Professionalisierung des politischen Kommunikationsmanagements1 politischer Akteure deutlich (ebd.: 200). Parlamente sind gesellschaftliche Organisationen, die mit ihrer Umwelt in Kontakt treten müssen (Marschall 1999a: 703), sind sie doch, aus normativ angeleiteter Perspektive, das wichtigste Organ im demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess (Ismayr 2012: 17f.) und laufen in ihnen, empirisch betrachtet, letztendlich alle politischen Kommunikationsstränge einer Gesellschaft zusammen (Patzelt 1998: 431).2

Erst mit der Herstellung von Öffentlichkeit wird ein Parlament zur Repräsentativversammlung (Sarcinelli 2011: 247). Werden die Ziele der parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit oder Außenkommunikation ins Visier genommen, fallen unweigerlich die Funktionen von Parlamenten in den Blick (auch Marschall 1999a: 704). Unbeachtet des fehlenden politikwissenschaftlichen Konsenses hinsichtlich der analytischen Kategorien zur Einordnung3 der Funktionen4 von Volksvertretungen ist die Feststellung von Bedeutung, dass sämtliche parlamentarischen Funktionen nicht zuletzt als Kommunikationsfunktionen verstanden werden können (insb. Patzelt 1998: 433, auch Ders. 2003: 22; Ismayr 2012: 40ff.; Marschall 2001a: 168; Ders. 2001: 390). Parlamente sind deshalb, wie Sarcinelli (2011: 247) formuliert, herausgehobene Orte demokratischer Öffentlichkeit.

Jedoch muss bei nüchterner Betrachtung konstatiert werden, dass sie diese Stellung ganz offenbar einzubüßen drohen. Doch woran liegt das und warum befindet sich das Parlament nun in der ‚Kommunikationsfalle’?

Im Folgenden gilt es, diesen Fragen systematisch nachzuspüren. Dazu werden zunächst die parlamentarische Kommunikation beeinflussenden Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene in Richtung Mediengesellschaft in den Blick genommen (2.1), bevor das Spannungsfeld zwischen parlamentarischer und (massen-)medialer Arena abgesteckt und zudem zwischen Herstellungs- und Darstellungspolitik differenziert wird (2.2). In der Folge werden die Kommunikation(en) des Parlaments (2.3) sowie der Strukturwandel der parlamentarischen Öffentlichkeit (3) in den Blick gerückt, um erstens die parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit am Beispiel des Kommunikationsmanagements des Deutschen Bundestages (4) sowie zweitens die Rolle des Bundestagespräsidenten in exemplarischer Prägnanz zu diskutieren (5). Abschließend werden (6) die Überlegungen zum Verhältnis von Parlament und Kommunikation auf der Folie der Debatte um postparlamentarische Entwicklungen in der bundesrepublikanischen Demokratie knapp reflektiert.

2) Analytische Perspektiven

Um das vielschichtige Verhältnis von Parlament und Kommunikation angemessen diskutieren zu können, ist es zunächst zu systematisieren. Zu diesem Zweck erfolgt die diagnostische Einfassung unterschiedlichster Symptome mittels eines analytischen Dreischritts. Der spannungsreiche Komplex parlamentarischer Kommunikation wird auf drei Analyseebenen konturiert, so dass schließlich verschiedene Beobachtungen aufeinander bezogen werden können.

2.1) Die Gesellschaft des Parlaments – Makroanalytische Perspektiven

Ein erster Hinweis ergibt sich bei der Betrachtung der makroanalytischen Ebene, auf der ein fortlaufender gesellschaftlicher Wandel in Richtung Mediengesellschaft evident ist. Diese Entwicklung, die von Ulrich Saxer im Anschluss an Marcel Mauss gar als soziales Totalphänomen umschrieben wird, das eine „alle Sphären des gesellschaftlichen Seins durchwirkende Prägekraft entfaltet“ (Saxer 1998: 53), äußert sich in mehrerlei Hinsicht sowohl auf der Makro-, der Meso- als auch der Mikroebene ganz konkret: Publizistische Medien haben sich quantitativ und qualitativ immer weiter ausgebreitet, neben den herkömmlichen Massenmedien haben sich neue Medienformen herausgebildet, die Vermittlungsleistung und -geschwindigkeit von Informationen durch Medien nimmt zu, die Medien durchdringen immer weiter und stärker alle gesellschaftlichen Bereiche, sie werden immer mehr Voraussetzung für die (politische) Informations- und Kommunikationspraxis (Jarren 2001: 11; Kamps 2003: 202ff.).

Werden diese Beobachtungen systematisiert, wird deutlich, dass der Begriff der Mediengesellschaft eng mit der funktionalen Differenzierung der (spät-)modernen Gesellschaft verknüpft ist (Vorderstraße 2014: 54ff., 325ff.). Er verweist auf die Ausbildung eines eigenlogischen Handlungssystems der Massenmedien und beschreibt die vielfältigen mit dieser Entwicklung einhergehenden sozialen Wandlungsprozesse (Kamber 2004: 80, 91; Eisenegger 2004: 262). Saxer (2007: 26) beschreibt die Mediengesellschaft als von Medialisierung durchprägten Typus von moderner, funktional differenzierter Gesellschaft: „Deren gesellschaftliches Gestaltungsvermögen gründet in der Ausdifferenzierung des Elements Medialität in Kommunikationsprozessen und der Emanzipation der Mediensysteme aus institutionellen Bindungen“.

Es versteht sich fast von selbst, dass dieser Wandel auch Auswirkungen auf die Parlamente zeitigt (auch Marschall 2001a: 168), die hinsichtlich ihrer demokratischen Legitimation stark auf Kommunikationsleistungen angewiesen sind. Zu diesen tief greifenden Veränderungen der Gesellschaftsstruktur gesellt sich die schon seit längerer Zeit beobachtbare Verschiebung politischer Handlungsräume, die sich anhand der Grundlinien temporären Regierens festmachen lässt. Dazu gehört neben der Informalisierung von Entscheidungsprozessen und Prozessen der Inter- und Europäisierung auch die Auslagerung von (Vor-)Entscheidungen in Policy-Netzwerke, so dass die politischen Akteure gezwungen sind, ihr Verhalten verschiedenen Spielarten von ‚Governance‘ anzupassen. Auf diese Weise entstehen verhandlungsdemokratische Arrangements bzw. komplexe Interaktionsgeflechte von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, die den Aktionsrahmen der Parlamente regelrecht (auf)sprengen (Kropp 2005: 131, 145f. und Marschall 2001: 388, Ders. 2003: 423).

All diese Ausprägungen werden seit den neunziger Jahren mit Hilfe des umstrittenen Bildes einer postparlamentarischen Epoche bzw. Demokratie einzufangen versucht und kontrovers diskutiert. Es wird angeführt, dass unter den geschilderten Veränderungen der Strukturen der Gesellschaft, der Politik und des Regierens die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie angegriffen sei. Im Rahmen eines grundlegenden Strukturwandels würden die normativen Grundlagen repräsentativer Demokratie in Frage gestellt. So könnten Parlamente ihre alt angestammten Funktionen und vor allem ihre Gesetzgebungs- und Kontrollfunktionen nur noch eingeschränkt erfüllen. Durch die vielfältigen kooperativen Zwänge moderner Staatlichkeit würde ihre Souveränität leiden, das politische System insgesamt beschädigt (Benz 2001: 263ff.). Sowohl die – hier nur stichwortartig benannten – Entwicklungen als auch die Folgen für die parlamentarische Arbeit sowie repräsentativ-demokratische Systeme finden sich in der politikwissenschaftlichen Debatte ambivalent bis kontrovers diskutiert (vgl. Ders. 2001: 204ff.).

In jedem Fall steht eine neue Unübersichtlichkeit zur Beobachtung, die sich in Klagen über komplexe und nur noch schwer nachvollziehbare Entscheidungs- und Verantwortungszuweisungen bahnbricht. Die kooperativen Problemlösungsmuster moderner Mehrebenengovernance sind schwer vermittelbar, nur sehr bedingt medial darstellbar. In besonderem Maße hat dies Auswirkungen auf die hohen Legitimitäts- und Transparenzanforderungen parlamentarischer Versammlungen wie des Deutschen Bundestages. Sie stehen vor der Herausforderung, diesen Funktionswandel anzunehmen, ihn sorgsam mit ihren Funktionen in Einklang zu bringen, und zugleich ihrer Pflicht zur Herstellung von Öffentlichkeit nachzukommen. Das Problem besteht darin, diese überaus voraussetzungsvollen Vorgänge öffentlichkeitswirksam und damit massenmedial präsentabel aufzubereiten. Die Effektivität des angezeigten kooperativen Handelns steht dem Öffentlichkeitsprinzip diametral gegenüber (Benz 2001: 207f.).

2.2) Die Arenen des Parlaments – Mesoanalytische Einsichten

Für das Verhältnis von Parlament und Öffentlichkeit bedeutet dies, dass sich zwischen Entscheidungs- und Darstellungslogik ein parlamentarisches Kommunikationsdilemma par excellence herauskristallisiert hat. Was Sarcinelli (2011: 273) als „Rollenschizophrenie zwischen den Regeln binnenparlamentarischer, nicht-öffentlicher Interessenaushandlungs- und Entscheidungskommunikation einerseits und außerparlamentarischer Darstellungskommunikation andererseits“ beschreibt, lässt sich mit dem Arenenbegriff auch analytisch präzise fassen: Sowohl die Massenmedien als auch das Parlament haben ein Handlungsgeflecht mit jeweils eigenen Rollenprofilen, einer eigenen Sprache und spezifischen strukturellen Gefügen, sprich Arenen, ausgebildet (Marschall 2001: 392; Korte/ Fröhlich 2009: 230ff.). Bestimmen auf der einen Seite notwendiger Weise mitunter sehr komplexe, langfristig angelegte und den Regeln der parlamentarischen Geschäftsordnung folgende Verfahrensmerkmale die Handlungslogik, sind es auf der anderen Seite die aktualitätsfixierten Aufmerksamkeits- und Wettbewerbsregeln der medialen Öffentlichkeit (Sarcinelli 2011: 273; Korte/ Fröhlich 2009: 16),5 die das Spannungsfeld parlamentarischer Kommunikation straff aufspannen. So muss parlamentarisches Handeln immer in beiden Arenen erfolgen, will es den hohen legitimatorischen Anforderungen eines demokratischen Gemeinwesens gerecht werden. Entsprechend haben sich innerhalb der parlamentarischen Arena die beiden eigenständigen, aber sich überlappenden Sphären der Politikherstellung und -darstellung herausgebildet (Sarcinelli 2011: 269f.).

Auf die angesprochenen Funktionen von Parlamenten bezogen, kann nach Patzelt (2003: 22ff., 42ff.) weitergehend zwischen regierungsbezogenen und repräsentiertenbezogenen Parlamentsfunktionen unterschieden werden.6 Als regierungsbezogene Parlamentsfunktionen sind jene Funktionen rubriziert, welche Fragen der Regierungsbildung und der gouvernementalen Handlungsfähigkeit, im Einzelnen der Regierungskontrolle, der Gesetzgebung und der Wahl bzw. Kreation, betreffen. Repräsentiertenbezogene Funktionen sind die auf die Repräsentierten bezogenen, grundlegenden Funktionen aller Vertretungskörperschaften; der doppelseitige Charakter dieser Kommunikationsfunktionen äußert sich exemplarisch in den Termini der Vernetzung, Responsivität, Darstellung und Führung (Patzelt 2003: 22ff., 25ff.). Auch die hier idealtypisch katalogisierten Parlamentsfunktionen überschneiden und bedingen sich in praxi in vielerlei Hinsicht, die zuvor referierten Sphären der Politikherstellung und -darstellung scheinen darüber hinaus quer zu ihnen zu liegen.

Diese mesoanalytische Skizzierung der beiden Arenen und Sphären hilft zwar hinsichtlich der Erfassung des Kommunikationsdilemmas weiter, reicht für den Zweck der Beantwortung der Leitfrage, ob der Deutsche Bundestag sich in der – zumal postparlamentarischen – Kommunikationsfalle befindet, aber nicht aus. Angesichts der hoch komplexen und variablen Binnenstruktur des Parlaments heißt es, weiter zu differenzieren (Jarren/ Donges 2011: 243).

2.3) Die Kommunikation(en) des Parlaments – mikroanalytische Aussichten

Politische Akteure stehen vor der Herausforderung, in einem multipel beschleunigten gesellschaftlichen Umfeld und angesichts zunehmend komplexer wie verflochtener Problemlagen immer rascher (re-)agieren zu müssen (Vorderstraße 2014: 187ff., 274ff.). Während die Anzahl notwendiger Entscheidungen zunimmt, schrumpfen der Zeitraum für die Entscheidungsfindung sowie der Horizont der Berechenbarkeit ihrer Folgen (Rosa 2005: 407ff.).

Dieses so genannte Entscheidungsdilemma gehört schon seit geraumer Zeit zu den etablierten Erkenntnissen der Regierungsforschung. Es wird beispielweise von Novy, Schwickert und Fischer (2008: 171) beschrieben: „In einem Umfeld globaler Verflechtung und zunehmender grenzüberschreitender Herausforderungen scheinen ihre Handlungsspielräume kontinuierlich abzunehmen. Gleichzeitig steigen die Leistungsanforderungen und die Komplexität politischer Gestaltungsaufgaben“.7 Die Ansprüche an politische Steuerungsfähigkeit steigen – und mit ihnen die Anforderung an die Herstellung und die Darstellung von Politik. Es stellen sich Fragen der Legitimation und Transparenz ein, die regierungs- und repräsentiertenbezoge Parlamentsfunktionen und damit Kernfragen des Parlamentarismus berühren.

Ausgehend von der These eines grundlegenden Funktionswandels parlamentarischer Demokratien im Rahmen der Entwicklung in Richtung des ‚kooperativen Staates‘ (vgl. Benz 2001) wirkt die mit dem klassisch-liberalen Modell des Parlamentarismus einhergehende Vorstellung einer homogenen Öffentlichkeit geradezu anachronistisch. Die vielfältig diversifizierte Medienlandschaft sowie die fluide und permanent (re-)aktualisierte (massen-)mediale Berichterstattung stützen die These eindrücklich. Es liegt deshalb nahe, für ein mehrschichtiges Modell parlamentarischer Öffentlichkeit zu plädieren.

An den Arenenbegriff anknüpfend können mit Sarcinelli vier Arenen parlamentarischer Öffentlichkeit bestimmt werden, die sich hinsichtlich des Grades außerparlamentarischer Kommunikation unterscheiden und die Grundlage für die nähere Befassung mit dem Verhältnis von Parlament und Kommunikation (auf der Mikroebene) sind (zum Folgenden vgl. Sarcinelli 2011: 271ff.). Die Arena der parlamentarischen Nichtöffentlichkeit umfasst die vertraulich bis geheimen Arbeitskreis-, Fraktions- und Ausschusssitzungen. Hier ist der Kern binnenparlamentarischer Politikherstellung zu verorten. Es folgen die zwei, den beiden parlamentarischen Sphären zuortbaren, mittelbaren Foren der Erklärungs- und Berichterstattungsöffentlichkeit, wie nichtöffentliche Fraktionssitzungen, sowie die unmittelbare Sitzungsöffentlichkeit der Plenumsdebatten und öffentlichen Fraktions- und Ausschusssitzungen. Die Medienöffentlichkeit außerparlamentarischer Ereignisse ist schließlich gänzlich an der Politikdarstellung ausgerichtet.

Schon die kurze Vorstellung der Arenen parlamentarischer Öffentlichkeit scheint Klaus von Beyme (1997: 87) Recht zu geben, wenn er schlicht zusammenfasst, dass ein Maximum an Entscheidungsbefugnissen eines Gremiums stets mit einem Minimum an Öffentlichkeit einhergeht und andersherum. Diesen für die parlamentarische Öffentlichkeitspflicht und -arbeit paradoxen Zusammenhang betont auch Sarcinelli (2006: 63), wenn er feststellt: „Während also steigende Komplexität politischer Probleme eher diskrete und kooperative Kommunikationsprozesse in verhandlungsdemokratischen Strukturen erforderlich macht, gewinnen in modernen Mediengesellschaften medial vermittelte Informationen für die Bewertung von politischem Führungspersonal an Bedeutung“.

Wird diese Beobachtung mit dem durch die zunehmende Komplexität des Kommunikationsgefüges immer stärker werdenden Druck der Handlungslogik der Medienarena (u. a. Kamps 2003: 206f.) ins Benehmen gesetzt, können langsam aber sicher die Ursachen der parlamentarischen Kommunikationsfalle konturiert werden. Das Verhältnis von Parlament und Kommunikation läuft unweigerlich auf ein Paradox, bei dem spektakuläre Konflikte auf sachpolitische Detailarbeit treffen, zu, auf eine „nicht aufzulösende Spannung zwischen der Binnenkomplexität parlamentarischer Arbeit und der Notwendigkeit vereinfachender Darstellung“ (Sarcinelli 1994: 30, auch Ders. 2011: 255).

3) Strukturwandel der parlamentarischen Öffentlichkeit

Politische Kommunikation im Sinne von Darstellungspolitik ist in demokratisch verfassten politischen Systemen allein schon aus Legitimationsgründen unerlässlich. Die Transparenz insbesondere der parlamentarischen Meinungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse ist unverzichtbar. Darstellungspolitik ist ein geradezu essentieller Bestandteil nicht nur für den Erfolg von Politikerkarrieren, sondern auch für die Funktionstüchtigkeit einer parlamentarischen Demokratie im Zeitalter einer sich stetig ausdifferenzierenden Mediengesellschaft: „Politische Kommunikation macht Politik publik und öffnet auf diesem Wege die Möglichkeit, geprüft, unterstützt, verworfen oder abgelehnt zu werden“ (Korte/ Fröhlich 2009: 273). Die Formel ‚Legitimation durch Effizienz und Kommunikation‘ bringt es auf den Punkt (Patzelt 1998: 436; Marschall 2001: 390; Sarcinelli 2011: Kap. 5 und 255). Politikherstellung und Politikdarstellung sind zwei Seiten derselben Medaille.

Die Möglichkeiten sowie die Art und Weise politischer Kommunikation hängen allerdings erstens von den gesellschaftlichen Bedingungen im Allgemeinen und zweitens von den jeweils vorherrschenden Medienstrukturen im Besonderen ab. Darauf hat mit seinen Ausführungen zum ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit’ schon Habermas (1980) grundsätzlich aufmerksam gemacht. Im Rückgriff auf diese Diagnose weist Jarren (2001: 13), die starke Stellung ökonomischer Akteure und die Grundsätze des Medienmarktes im Blick, explizit auf den weiteren Strukturwandel der Öffentlichkeit hin.8

Der oben schon ausgemachte Wandel auf gesellschaftlicher Ebene schlägt, so kann beobachtet werden, auf die parlamentarische Ebene durch und initiiert gleichsam einen kontinuierlichen Strukturwandel auch der parlamentarischen Öffentlichkeit9 (Marschall 1999a: 705; Schulz/ Wirsching 2012: 15f.). Dabei ist davon auszugehen, dass die parlamentarische Öffentlichkeit erstens an die Strukturen der allgemeinen Öffentlichkeit gekoppelt ist und diese miteinander verflochten sind. Aus diesem Grund liegt es zweitens nahe, dass sich die Parameter der parlamentarischen Öffentlichkeit entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel ausrichten, was drittens aus demokratietheoretischer Sicht ziemlich heikel erscheint (Marschall 2003: 424f.). Diesen Zusammenhang gilt es näher auszuführen.

Es liegt folglich auf der Hand, dass die darstellende Außenkommunikation des Parlaments der Eigenlogik der Medienarena folgen muss, um ihre Chancen auf kommunikative Präsenz in der von Massenmedien bestimmten öffentlichen Kommunikation zu wahren (Patzelt 1998: 437). Die damit unumgänglich einhergehende Verschiebung der politischen Zeitperspektive bringt allerdings ein Entscheidungstempo mit sich, das von der Politik bzw. dem Parlament in der geforderten Kurzfristigkeit nur unter sträflicher Vernachlässigung der Sorgfalt und thematischen Tiefe erreicht werden kann (Meyer 2001: 567). Ist doch, um mit Kranenpohl (2001: 193) ein Bild Max Webers aufzugreifen, das leidenschaftliche Bohren harter Bretter auch im Parlament eine nur mit größten Mühen „televisuell spannend darzustellende Tätigkeit“ (vgl. hierzu auch Korte/ Fröhlich 2009: 48f.).

Hinzu kommt, dass der Bundestag kein Monopol auf massenmediale Berichterstattung hat (Patzelt 1998: 437; Sarcinelli 2011: 247f.) und die besondere konstitutionelle und politische Stellung des Parlaments in der durch massenmediale Nachrichten(wert)faktoren geprägten medialen Berichterstattung kaum sichtbar wird (Sarcinelli 2011: 264). Der Wert einer Information für die Massenmedien bemisst sich anhand sogenannter Nachrichten(wert)faktoren. Diese stellen für die Massenmedien die wichtigsten Kriterien zur Selektion von berichtenswerten Informationen dar (Luhmann 2004: 57). Sie regeln und erleichtern die Auswahl von Themen und Ereignissen im alltäglichen Nachrichtengeschäft (Meckel/ Malik 2004: 98). Vor allem Neues, Überraschungen, Konflikte, Quantitäten, lokale Bezüge, Normverstöße (insbesondere Skandale und moralische Bewertungen), Interesse an Personen bzw. Personalisierung, Aktualität und Meinungsäußerungen machen Informationen berichtenswert (ausführlich Luhmann 2004: 58ff.; Schulz 1997: 68ff.). Ziemann (2006: 67) fasst die Erkenntnisse der Nachrichtenwertforschung zusammen, indem er festhält, dass die publizistische Behandlung und massenmediale Verbreitung umso wahrscheinlicher ist, je mehr Nachrichtenwerte in einem Ereignis zusammenfallen. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass mit diesen begünstigenden Bedingungen bestimmt wird, was nicht berichtet wird (Luhmann 1997: 1101). Die Massenmedien sind infolgedessen, so Pfetsch (1994: 12f.), als Wahrnehmungsfilter von Öffentlichkeit und als die kritische Variable bei Thematisierungsprozessen auszumachen. Sie entscheiden in weiten Teilen über den Zugang zur Öffentlichkeit.

Die Folge sind problematische und realitätsferne Verzerrungen in der Wahrnehmung des Parlaments und seiner Arbeit (Marschall 2003: 426). Der Bundestag wird aufgrund der plenumsfixierten Berichterstattung auf dieses reduziert und somit ein klassisch-liberales Bild parlamentarischer Arbeit nach Muster des britischen Redeparlaments transportiert (ebd. sowie Patzelt 1998: 439f.; Ismayr 2000: 300ff.; Marschall 2001a: 179ff.).

4) Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit im Fokus

Die spannende Frage lautet nun, wie der Bundestag mit diesen Entwicklungen (auf der Makro- und Mesoebene) umgeht. Kann er den beschriebenen Anforderungen gerecht werden und der Kommunikationsfalle entkommen? Die Ausgangslage ist klar: Der Bundestag steht vor der Herausforderung, wie es Jarren und Donges (2011: 246) ausdrücken, mit seiner Öffentlichkeitsarbeit sowohl den parlamentarischen Regeln als auch den Medienregeln entsprechen zu müssen. Dies stellt überaus große Ansprüche an das Kommunikationsmanagement des Bundestages, der mit seiner Öffentlichkeitsarbeit der ganzen Bandbreite der Parlamentsfunktionen gerecht werden muss. Im Folgenden interessiert daher die gesamtparlamentarische Ebene10 mit dem Parlament als Auftraggeber und der Parlamentsverwaltung als Auftragnehmer parlamentarischer Öffentlichkeit (Marschall 1999: 24f.).

Auf dieser Ebene kann der Bundestag vor allem durch den Einsatz von Public Relations (PR) auf die Strukturen der massenmedialen Öffentlichkeit reagieren und die parlamentarische Öffentlichkeit aktiv herstellen und gestalten. Als Parlaments-PR resp. Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments soll im Anschluss an Stefan Marschall das Kommunikationsmanagement „des Gesamtparlaments zur aktiven Gestaltung von Öffentlichkeit […], wie es im Auftrag des Plenums oder von interfraktionellen Gremien seitens der parlamentarischen Hilfsdienste durchgeführt wird“ (1999: 25), verstanden werden. Für den Bundestag sind dahingehend vielfältige Anpassungsprozesse an die Veränderungen auf der Makro- und Mesoebene hinsichtlich der Anforderungen an massenmediale Politikvermittlung festzustellen (Marschall 2001: 396). Der Bundestag greift bei seiner Öffentlichkeitsarbeit, wie die meisten anderen Parlamente auch, sowohl auf Eigen- wie auch auf Fremdmedien11 zurück und schafft damit den Spagat zwischen PR und Parlamentsdidaktik (vgl. auch Sarcinelli 1994).

Für das Management der parlamentarischen Kommunikation sind eine ganze Reihe von Verwaltungseinheiten des Bundestages zuständig. Während der Großteil der PR vom Referat ‚Öffentlichkeitsarbeit’ und anderen Einheiten der Unterabteilung ‚Information und Öffentlichkeitsarbeit‘ geleistet wird, ist das dem Bundestagspräsidenten direkt unterstellte Pressezentrum insbesondere für die Medienbetreuung zuständig. Auch sind die Referate der Wissenschaftlichen Dienste sowie mitunter die Ausschusssekretariate in die Außendarstellung des Bundestages mit eingebunden (Marschall 1999a: 709f., 2003: 431).

Im Zusammenspiel dieser organisatorischen Einheiten vermag es der Bundestag, eine ausdifferenzierte Vielkanalöffentlichkeit zu betreiben. Die Massenmedien werden in ihrer Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt, ihre Betreuung immer weiter ausgebaut. Journalisten erhalten vom Pressezentrum exklusive Informationen und können auf kommunikationstechnische Infrastruktur zurückgreifen, der Presse werden Maternseiten zur Verfügung gestellt und Hörfunk bzw. Fernsehen mit übernahmefertigen Ton- und/oder Bildsignalen versorgt. Über das Informationsmedium des Parlamentsfernsehens werden sämtliche Plenardebatten und eine Vielzahl öffentlicher Ausschusssitzungen und Anhörungen direkt ausgestrahlt (ebd. 1999a: 710, 2003: 431, ausführlich 1999: 111ff.; Ismayr 2012: 299ff., insb. 311ff.).

Über diese Angebote und Serviceleistungen hinaus wurde die Arbeitsorganisation des Bundestages mediengerecht reorganisiert. Die ‚Kleine Parlamentsreform‘ von 1969 und auch die Parlamentsreform von 1995 können etwa als exemplarisch gelten. Letztere zum Beispiel bewirkte die Einführung einer Kernzeit für Plenardebatten sowie des Verfahrens der erweiterten öffentlichen Ausschussberatung (vgl. detailliert ebd. 2001: 399ff.). Da jedoch gleichwohl aller Anstrengungen, „Parlamentarismus mit Hilfe der Massenmedien darzustellen und damit zu konstituieren“, dieser „[…] an die Aufmerksamkeitsgrenzen des Publikums stoßen“ (Marschall 2003: 436) wird, offenbart sich die Bedeutung der Eigenmedien mit einem Schlag. Mit ihrer Hilfe kann die Bevölkerung ohne den Umweg über die Massenmedien erreicht werden. So hat der Bundestag eine eigene Zeitschrift (‚Das Parlament‘), eine Schriftenreihe, verschiedene Datenträger, Broschüren, Faltblätter, etc. im Angebot. Hinzu kommen die Betreuung von Besuchern, die Durchführung von Veranstaltungen, Wanderausstellungen und Parlamentsseminare sowie ein sehr gut ausgebautes und qualitativ hochwertiges Online-Angebot (ebd.). Über das Web-Portal des Deutschen Bundestages werden umfangreiche Informationen und Serviceangebote wie etwa Liveübertragungen, Berichte oder Drucksachen bereit gestellt, die über eine Mediathek zum jederzeitigen Abruf verfügbar sind. In jüngster Zeit wurden insbesondere Social Media-Elemente integriert, um die interaktive Teilhabe an und die Transparenz von parlamentarischen Willensbildung- und Entscheidungsprozessen zu befördern und zu erhöhen (grundlegend Ismayr 2012: 314ff.).

5) Die Rolle des Präsidenten des Deutschen Bundestages im Fokus

In einem letzten Schritt seien die Auswirkungen der geschilderten Entwicklungen beispielhaft anhand der Rolle des Bundestagspräsidenten diskutiert. Hier kristallisiert die Frage danach, wie der Bundestag seine vielfältigen kommunikativen Aufgaben erfüllen kann, in mikroperspektivischer Klarheit aus.

Mediengewandtheit und Telegenität sind nur zwei Schlüsselbegriffe, wenn es darum geht, die notwendigen rhetorischen und darstellerischen Kompetenzen zu bestimmen, die ein Bestehen in der massenmedialen Berichterstattung wahrscheinlich machen (insb. Tenscher 2003: 106; Leif 2002: 141). Um sie kommt auch ein Bundestagspräsident nicht herum. Auch er muss sich, will er Politik bzw. die Arbeit des Parlamentes vermitteln oder Botschaften platzieren, an der Logik der Medienarena orientieren. Ob Politik nun infolge des beschriebenen Strukturwandels gar als ‚Starsystem’ (Sarcinelli 2006: 73f.) gesehen werden muss, sei dahingestellt, können doch gerade an der Rolle des Bundestagspräsidenten die strukturellen Beschränkungen auch mit einem Maximum an Charisma wohl nicht wettgemacht werden. Infolge der schon skizzierten binnenpluralen Organisation des Bundestages ist es für seinen Präsidenten nahezu unmöglich, die Personalisierungsbedürfnisse der Medien zu befriedigen. Die vielfältigen Strömungen und divergierenden Perspektiven der im und um den Bundestag wirkenden Akteure lassen sich nicht derart in einer Person bündeln, als dass sie zum Heilsbringer der vom Wandel geläuterten parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit stilisiert werden könnte. Der Parlamentspräsident muss den Anliegen des gesamten Bundestages zur Geltung verhelfen, die Anliegen also als solche der Gesamtheit formulieren (Marschall 1999: 70f.). Das verlangt von ihm eine hohe Disziplin gerade in den für die Massenmedien interessanten strittigen Themen. Für den Bundestagspräsidenten bleibt aber die Möglichkeit und Chance, so empfehlen Jarren und Donges (2011: 247), „sich zu allgemein Themen öffentlich und möglichst medienwirksam zu äußern“. Sprache ist dabei, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (bspw. 2010) wiederholt argumentiert, eine Schlüsselqualifikation, die zu beherrschen Grundlage jeden politischen Erfolges ist. Seine zu beobachtende Strategie der weitestgehenden Zurückhaltung gegenüber den Medien, um Gehör zu finden und Wirkung zu erzielen, wenn es wirklich darauf ankommt, scheint ein viel versprechender Weg durch das Labyrinth parlamentarischer Öffentlichkeit. Eine Garantie ist sie jedoch noch lange nicht.

6) Abschließende Anmerkungen zum Verhältnis von Parlament und Kommunikation

Es ist deutlich geworden, dass der Bundestag sich keineswegs in einer Kommunikationsfalle wähnen muss. Zwar kann der Bundestagspräsident nicht das Spiel der Akteure um Aufmerksamkeit gewinnen und ist der Deutsche Bundestag in seiner Außenkommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit längst nicht optimiert. Aber der Bundestag ist ganz offensichtlich eine lernende Organisation (grundlegend Csigó 2006), die ihre besondere demokratische Legitimation durch Kommunikation nicht verloren hat. Das beweisen die vielfältigen Anpassungsprozesse infolge des mit den Veränderungen auf gesellschaftlicher (Makro-)Ebene einhergehenden Strukturwandels der parlamentarischen Öffentlichkeit. Obwohl dem Kommunikationsmanagement des Bundestages, wie aufgezeigt, binnen- und außerorganisatorisch enge Grenzen gesetzt sind, kann er seinen Funktionen auch weiterhin gerecht werden.

Aus diesen Gründen kann, auch in Hinblick auf die strukturellen Veränderungen auf der Makroebene und der Verschiebungen auf der Mesoebene, allenfalls von einem gewandelten, statt von einem Post-Parlamentarismus gesprochen werden. Die parlamentarischen Funktionen, welche nicht zuletzt sämtlich als Kommunikationsfunktionen interpretiert werden können, geraten infolge gesellschaftlicher Ausdifferenzierungsprozesse keineswegs ins Abseits vermeintlicher post-parlamentarischer Legitimitätsdefizite.

Die Suche nach einem neuen Gleichgewicht der Erfüllung der parlamentarischen Funktionen auf der einen und der kooperativen Modi der Entscheidungsfindung auf der anderen Seite ist längst nicht abgeschlossen und bedeutet sowohl neue Chancen für die Gestaltung mediengerechter Präsentation parlamentarischen Handelns als auch für die parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit. Zu denken ist hier insbesondere an interaktive wie institutionalisierte Partizipationsmuster, an die Schaffung von Möglichkeiten der direkten Interaktion und Beteiligung. Ein Strukturwandel im Sinne der Ausweitung der parlamentarischen Beteiligungs- und Mitwirkungspossibilitäten mit dem Ziel einer praktikablen und dynamisch-interaktiven Darstellung komplexer gewordener Entscheidungsfindungsprozesse birgt (zumindest) die Chance, (alte) Öffentlichkeitspotentiale zu (re-)generieren. Im Mittelpunkt sollte eine der neuen informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten angemessene Öffentlichkeitsarbeit stehen, welche sich durch vielfältige wie unkomplizierte und themenoffene Partizipationsmöglichkeiten für ein breites Publikum auszeichnet. Gefragt sind, mit anderen Worten, neue und dynamische, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und die damit einhergehenden Verwerfungen auf der Mesoebene parlamentarischer Strukturen und Kommunikationen abgestimmte Formen der Responsivität.

 

Literatur

  • Bagehot, Walter (2001): The English constitution, New “Cambridge texts” ed., Cambridge u.a.: Cambridge University Press.
  • Benz, Arthur (1998): Postparlamentarische Demokratie? Demokratische Legitimation im kooperativen Staat, in: Greven, Michael (1998) (Hrsg.): Demokratie – Eine Kultur des Westens?, 20. Wissenschaftlicher Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Opladen: Leske + Budrich, S. 201-222.
  • Benz, Arthur (2001): Postparlamentarische Demokratie und kooperativer Staat, in: Leggewie, Claus/ Münch, Richard (2001) (Hrsg.): Politik im 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 263-280.
  • Beyme, Klaus von (1997): Der Gesetzgeber. Der Bundestag als Entscheidungszentrum, Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Csigó, Monika (2006): Institutioneller Wandel durch Lernprozesse. Eine neo-institutionalistische Perspektive, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Czerwick, Edwin (1998): Parlamentarische Politikvermittlung – zwischen ‚Basisbezug’ und ‚Systembezug’, in: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.) (1998): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 253-272.
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Zitationshinweis

Vorderstraße, Stefan (2014): Parlament und Kommunikation – Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis oder: Befindet sich der Bundestag in der Kommunikationsfalle? Von Stefan Vorderstraße. Erschienen in: Regierungsforschung.de, Forschung. Online verfügbar unter: https://regierungsforschung.de/parlament-und-kommunikation-anmerkungen-zu-einem-schwierigen-verhaeltnis-oder-befindet-sich-der-bundestag-in-der-kommunikationsfalle-von-stefan-vorderstrasse/

Anmerkungen / Endnoten

  1.  „Politisches Kommunikationsmanagement meint, die Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle, die strategische Planung und den operativen Einsatz politischer Kommunikation durch politische Akteure mit dem Anspruch und Ziel, eigene Vorstellungen und Interessen allgemein verbindlich durchzusetzen“ (Kamps 2003: 201). []
  2. Vgl. zur Doppelrolle der Parlamente in demokratietheoretischer Hinsicht auf der einen und politisch-praktischer Hinsicht auf der anderen Seite auch Sarcinelli (2011: 255) sowie Czerwicks (1998: 268ff.) auf der Unterscheidung von Basisbezug und Systembezug fußende Differenzierung von Volkswillensbildung und Staatswillensbildung. []
  3. Für eine Einordnung des Kategorienstreits hinsichtlich einer sinnvollen Systematisierung der Parlamentsfunktionen siehe stellvertretend für Viele Patzelt (2003: 16ff.). []
  4. Für eine Diskussion der Funktionen bzw. Besprechung von Funktionskatalogen siehe klassisch Bagehot (2001), für eine neuere Ismayr (1992: 28ff.) und für eine aktuelle Bestandsaufnahme etwa Patzelt (2003). []
  5. Zu den unterschiedlichen Zeithorizonten bzw. dem Spannungsverhältnis von Politik und Massenmedien in der Zeitdimension siehe grundlegend Vorderstraße (2014: 187ff., 230ff., 325ff.). []
  6. Die dritte von Patzelt (2003: 43ff.) ausgemachte Gruppe von Parlamentsaufgaben, die der auf das Parlament selbst bezogenen Parlamentsleistungen, soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden, ist aber für den Gang der Argumentation nicht von Belang. []
  7. Eine aufschlussreiche temporal- bzw. beschleunigungstheoretische Fassung des Dilemmas findet sich unter dem Stichwort ‚Paradoxien politischer Zeit‘ bei Rosa (2005: 406ff.). []
  8. Zu den praktischen Auswirkungen und Gewichtsverschiebungen im politischen Prozess siehe bspw. Korte/ Fröhlich (2009: 280ff.). []
  9. Parlamentarische Öffentlichkeit soll heißen „der Raum, in dem die wechselseitigen Kommunikationsprozesse zwischen Repräsentanten und Repräsentierten stattfinden (sollen)“ (Marschall 2003: 424). []
  10. Neben den vier Arenen parlamentarischer Öffentlichkeit, die die arbeitsteilige Organisation des Bundestages widerspiegeln, sind zudem die verschiedenen Akteure auf gesamtparlamentarischer Ebene, Fraktionsebene und auf der Ebene einzelner Abgeordneter zu differenzieren (Sarcinelli 2011: 275 und Marschall 2001a: 171). []
  11. Diese Differenzierung entspricht den beiden Oekl’schen Vermittlungskanälen bzw. Zweiteilung von PR-Instrumenten (unter Vielen Marschall 2001a: 176). []

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