Netto-Null – reine Glaubenssache?!

Das Netto-Null Ziel ist klar, doch der Weg dorthin ist undeutlich. Wie erreichen wir, dass Staaten nicht mehr Emissionen freisetzen, als sie der Atmosphäre entziehen können? Durch eine glaubwürdige Klimapolitik!  Dr. Mirjam Kosch, die als Energieökonomin unter anderem in der Verwaltung, als Abgeordnete und Beraterin tätig ist, erläutert an der Hand verschiedener Beispiele, wie eine glaubwürdige Klimapolitik aussehen könnte.

Glauben Sie noch an den Weihnachtsmann? Oder glauben Sie schon an Netto-Null?

Kürzlich nahm ich an einer Veranstaltung teil, bei der rund 100 Unternehmer:innen die zweite Frage beantworten mussten. Ich war ernüchtert. Nur rund die Hälfte ist überzeugt, dass ihr Unternehmen bis 2050 klimaneutral sein wird. Natürlich: Es war keine repräsentative Umfrage. Beängstigend: Es waren alles Personen, die freiwillig einen Workshop zum Thema «Klimaschutz im Unternehmen» besuchten und sich somit vermutlich mehr für das Thema interessierten als viele andere Unternehmer:innen.

Netto-Null – reine Glaubenssache?!1

Autorin

Mirjam Kosch arbeitet als Klimaökonomin in der Verwaltung des Kantons Zürich, politisiert als Abgeordnete im Parlament des Kantons Aargau und berät als Expertin die luxemburgische Regierung zu ihrer Klimapolitik. Sie ist begeisterte Umweltwissenschaftlerin und promovierte Energieökonomin der ETH Zürich. Als Wissenschaftlerin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat sie sich mit dem Zusammenspiel verschiedener Politikinstrumente und glaubwürdiger Klimapolitik beschäftigt. In all ihren Rollen engagiert sich Mirjam Kosch aus Überzeugung für den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik.

Glauben Sie noch an den Weihnachtsmann? Oder glauben Sie schon an Netto-Null?

Kürzlich nahm ich an einer Veranstaltung teil, bei der rund 100 Unternehmer:innen die zweite Frage beantworten mussten. Ich war ernüchtert. Nur rund die Hälfte ist überzeugt, dass ihr Unternehmen bis 2050 klimaneutral sein wird. Natürlich: Es war keine repräsentative Umfrage. Beängstigend: Es waren alles Personen, die freiwillig einen Workshop zum Thema «Klimaschutz im Unternehmen» besuchten und sich somit vermutlich mehr für das Thema interessierten als viele andere Unternehmer:innen.

Diese kurze Episode ist sinnbildlich für eine der größten Herausforderungen im Bereich Klimaschutz: Die Klimapolitik ist nicht (genügend) glaubwürdig. Zwar haben sich zahlreiche Staaten dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen spätestens bis ins Jahr 2050 auf Netto-Null zu senken. Das bedeutet sie dürfen pro Jahr nicht mehr Emissionen freisetzen als sie der Atmosphäre entziehen können. Und grundsätzlich sind die Technologien bereits vorhanden, die es dazu braucht. Trotzdem glauben erst wenige, dass wir das Ziel erreichen und der Weg zum Ziel ist unklar.

Wie schaffen wir es also, dass wir das Netto-Null Ziel auch tatsächlich erreichen? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit beschreibe ich die Herausforderungen der Klimapolitik wie folgt:

  1. Es braucht massive private Investitionen in den Umbau des Energiesystems.
  2. Hohe Investitionen sind mit Risiken verbunden. Deshalb braucht es eine glaubwürdige Klimapolitik.
  3. Momentan ist die Klimapolitik noch nicht genügend glaubwürdig.

Die Frage, die wir uns also stellen müssen, lautet: Wie machen wir Klimapolitik glaubwürdiger? Oder: Was braucht es, damit nächstes Mal nicht nur 50 Prozent, sondern möglichst 100 Prozent der Unternehmer:innen davon überzeugt sind, das Ziel zu erreichen? Eine einfache Lösung gibt es leider nicht, doch wir können von bisherigen Erfahrungen lernen und auf guten Beispielen aufbauen:

  • CO₂-Preise brauchen flankierende Maßnahmen, um glaubwürdig zu sein.
  • Verständlich kommunizierbare Maßnahmen schaffen eine positive Spirale aus Klimapolitik, Technologiefortschritt und klimafreundlichen Geschäftsmodellen.
  • Infrastrukturinvestitionen schaffen Tatsachen.

Im Folgenden führe ich die Herausforderungen aus und erläutere drei Vorschläge für eine glaubwürdige Klimapolitik.

1. Es braucht massive private Investitionen in den Umbau des Energie- und Wirtschaftssystems.

Nehmen wir an, wir würden alle in kleinere Wohnungen ziehen, weniger Fleisch essen und nicht mehr Auto, sondern nur noch mit der Bahn fahren. Wäre das Klimaproblem damit gelöst? Leider nein. Selbst wenn wir bescheidener leben, müssen wir das globale Energiesystem komplett umbauen. Konkret bedeutet Netto-Null nämlich: Öl- und Gasheizungen müssen durch Wärmepumpen und Fernwärme ersetzt werden, Strom muss durch Sonne-, Wind- und Wasserenergie erzeugt werden und Autos, Lastwagen und Flugzeuge müssen elektrisch oder mit erneuerbaren Treibstoffen betrieben werden. Dort wo treibhausgasneutrale Produktion nicht möglich ist,2 müssen die restlichen Emissionen durch negative Emissionstechnologien kompensiert werden. Es muss also CO₂ aus der Luft abgeschieden und langfristig beispielsweise in ehemaligen Gasfeldern gespeichert werden.

All diese Lösungen erfordern massive Investitionen. Die Internationale Energieagentur (IEA)3 spricht von rund 4 Billionen US-Dollar pro Jahr, das sind circa 500 US-Dollar pro Erdenbürger:in und Jahr. Die genaue Höhe dieser Zahl hängt auch von unserem Konsumverhalten ab: Je weniger Energie wir brauchen, desto weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt wird es geben und desto weniger wird uns die Transformation kosten. Doch auch wenn wir sparsam mit Energie umgehen, stellt sich die Frage: Wer tätigt diese Investitionen?

Einen Teil davon finanziert heute – und wohl auch in Zukunft – die öffentliche Hand, indem sie selbst klimaschonende Infrastruktur finanziert oder die Tätigkeiten von Privaten subventioniert. Doch der größere Teil der notwendigen Investitionen wird von Menschen wie Ihnen und mir sowie der Wirtschaft getragen werden müssen: Energieversorger:innen, die erneuerbare Strom und Wärme bereitstellen; Haushalte, die ihre Heizungen und Autos ersetzen; Firmen, die ihre Prozesse optimieren und elektrifizieren. Damit wir das Netto-Null Ziel erreichen, müssen die Regierungen also Firmen und Haushalte davon überzeugen, in grüne Technologien zu investieren. Und sie müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Wirtschaft klimafreundlich mehr verdient als mit der Emission von Treibhausgasen.

2. Hohe Investitionen sind mit Risiken verbunden. Deshalb braucht es eine glaubwürdige Klimapolitik.

«Grüne Investitionen sind doch derzeit im Trend? Lasst die Unternehmen nur arbeiten, die werden das Problem schon lösen.» Solche Argumente hört und liest man häufig, sie stimmen aber leider nur teilweise. Tatsächlich haben sich die Präferenzen vieler Anleger:innen verändert und immer mehr Investor:innen sind überzeugt, dass sich die heutigen Investitionen in klimafreundliche Technologien langfristig lohnen: Einerseits müssen Energiesysteme sowieso von Zeit zu Zeit ersetzt werden, andererseits stellen erneuerbare Ersatzinvestitionen schon heute oftmals die günstigere Alternative dar, da die Ausgaben für Öl, Gas und Kohle eingespart werden können und die Wertschöpfung vermehrt in der Region bleibt.

Doch trotz allen guten Nachrichten: Die Transformation kommt zu langsam voran – viel zu langsam. Die Treibhausgasemissionen steigen weiterhin Jahr für Jahr, und mit ihnen auch die Temperatur und der Meeresspiegel. Die Herausforderung ist, dass es sehr viele Investition in sehr kurzer Zeit braucht und teilweise bestehende Assets vor ihrem Lebensende abgeschrieben werden müssen, so beispielsweise vor kurzem installierte Gasheizungen und verlegte Gasleitungen. Auch sind alle notwendigen Investitionen nicht mit Sicherheit rentabel, sondern teilweise mit hohen finanziellen Risiken verbunden: Zum Beispiel hängt der Bau eines Windparks in vielen Ländern von langwierigen Bewilligungsprozessen ab. Und wer ein Fernwärmenetz baut, kann nicht überall davon ausgehen, dass er genügend Abnehmer:innen findet und sich die Investition lohnt. Den Fachkräftemangel erwähne ich dabei noch nicht einmal.

Damit die notwendigen Investitionen rechtzeitig getätigt werden, muss die öffentliche Hand also aktiv werden. Erstens muss der Staat Rahmenbedingungen schaffen, damit es sich nicht mehr lohnt, in Technologien mit hohen Treibhausgasemissionen zu investieren. Allein schon der Stopp von Subventionen für fossile Energieträger würde helfen. Zweitens muss der Staat bereit sein, einen Teil der Investitionsrisiken der Privaten zu tragen. Drittens braucht es eine glaubwürdige und langfristig verbindliche Klimapolitik: Jede Firma und jede Privatperson muss überzeugt sein, dass die Politik alles daran setzt, das Netto-Null Ziel zu erreichen.

3. Momentan ist die Klimapolitik noch nicht genügend glaubwürdig.

Die derzeitige Klimapolitik ist nicht glaubwürdig genug, um die notwendigen Investitionen auszulösen: Immer noch wird in Kohlekraftwerke und die Erdölförderung investiert – auch dort wo es erneuerbare Alternativen gäbe. Das Energieeffizienzpotenzial bleibt bei weitem unausgeschöpft, noch immer können ineffiziente Kühlschränke und verschwenderische Umwälzpumpen gekauft und eingesetzt werden. Und – wie die eingangs erwähnte Umfrage zeigt – selbst für das Thema offene Unternehmer:innen glauben nicht genügend daran, dass sie das Ziel von Netto-Null erreichen. Bei Regierungen und Parlamenten sieht es wahrscheinlich kaum besser aus.

Daher gibt es auch das Wort Ziellücke. Fast überall findet sich eine Ziellücke zwischen ambitionierten langfristigen Zielen und wenig ambitionierten kurzfristigen Maßnahmen. Auf gut Deutsch: Es gelingt uns derzeit nicht, die Treibhausgasemissionen genügend zu senken.

Die nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) der EU-Länder bestehen aus seitenlangen schwer verständlichen Maßnahmenplänen. In jedem Land gibt es unzählige Subventionstöpfe, Standards, Preisinstrumente, Pilotprojekte und Informationsangebote. Selbst für Fachleute ist es praktisch unmöglich, den Überblick zu behalten. Häufig ist kaum erkennbar, welches die wichtigsten und wirklich wirksamen Maßnahmen sind. Es fehlt eine klare Kommunikation. Doch genau diese klare Kommunikation wäre notwendig, damit Firmen und Private die richtigen Investitionsentscheidungen treffen. Richtig für sie aus wirtschaftlicher Sicht, richtig für die Gesellschaft und effizient, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren.

Wie schaffen wir es also, dass Klimapolitik glaubwürdiger wird?

Drei Vorschläge für eine glaubwürdige Klimapolitik

Endlich kann ich etwas Positives berichten: Nicht nur aus technologischer sondern auch aus politischer und sozio-ökonomischer Sicht wissen wir bereits viel und können auf guten Beispielen aufbauen.

1. CO₂-Preise brauchen flankierende Maßnahmen, um glaubwürdig zu sein.

Ökonom:innen – und teilweise liberale Parteien – plädieren seit Jahren für einen einheitlichen CO₂-Preis und möchten gleichzeitig auf weitere Maßnahmen verzichten. Der «richtige» CO₂-Preis entspricht – so die Theorie – den Grenzvermeidungskosten des angestrebten Ziels und führt zu den kostengünstigsten Treibhausgasreduktionen. Für eine Volkswirtin wie mich klingt das gut, einfach umsetzbar und vernünftig. Doch wenn wir das Netto-Null Ziel ohne zusätzliche Maßnahmen erreichen wollen, muss der CO₂-Preis hoch sein; wahrscheinlich so hoch, dass er politisch kaum durchzusetzen ist. Das Preisinstrument wird somit unglaubwürdig, die gewünschten Investitionen bleiben aus.

Statt zusätzliche Maßnahmen abzulehnen, sollten wir sie gezielt nutzen, um die Dekarbonisierung für Unternehmen und Haushalte zu vereinfachen und sozial verträglich zu machen. Beispiele dafür sind Subventionsprogramme, die die erneuerbare Stromproduktion erschwinglich machen, und Gebäudestandards, die dafür sorgen, dass nicht nur bei Wohneigentum, sondern auch bei Mietwohnungen die Heizungen ersetzt und die Gebäude gut isoliert werden. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass der notwendige CO₂-Preis langfristig politisch durchsetzbar bleibt. Setzt man die zusätzlichen Maßnahmen gezielt ein, bereiten sie den Weg für einen wirksamen CO₂-Preis.

2. Verständlich kommunizierbare Maßnahmen schaffen eine positive Spirale aus Klimapolitik, Technologiefortschritt und klimafreundlichen Geschäftsmodellen.

In der EU haben die Emissionsstandards für Fahrzeuge sowie das kürzlich beschlossene Verbot für Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 dazu geführt, dass immer mehr Fahrzeughersteller schon in wenigen Jahren ganz vom Verbrenner abrücken und nur noch Elektroautos produzieren wollen. Das mag zwar kein einziges Verkehrsproblem lösen, ist für das Klima aber enorm hilfreich. Und es ist ein gutes Beispiel für erfolgreiche Wechselwirkungen zwischen politischen Maßnahmen, technologischem Fortschritt und klimafreundlichen Businessmodellen.

Dank diesem erfolgreichen Zusammenspiel wurde zuerst mit den kleiner werdenden CO₂-Grenzwerten und schlussendlich mit dem Verbot des Verbrennungsmotors bei Neuwagen ein eigentlich politisch unbeliebtes Instrument mehrheitsfähig: Denn mit dem Elektroauto ist eine technologisch mindestens so gute und wirtschaftlich inzwischen in vielen Fällen erschwingliche Alternative zum Verbrenner vorhanden; und die Elektrofahrzeuge werden im Verhältnis noch billiger werden. Die Branche glaubt also daran, dass sie die politische Vorgabe erreichen kann und die Widerstände dagegen halten sich (inzwischen) in Grenzen. Somit wurde das Verbot mehrheitsfähig und ist voraussichtlich genügend glaubwürdig, dass es auch umgesetzt wird.

3. Infrastrukturinvestitionen schaffen Tatsachen.

Infrastrukturprogramme – wie beispielsweise der «Inflation Reduction Act» in den USA – subventionieren Investitionen in grüne Technologien. Diese werden durch zusätzliche in der Wirtschaft ausgelöste Investitionen vervielfacht. Dadurch wird Ladeinfrastruktur für Elektromobilität geschaffen, erneuerbare Heizsysteme werden installiert und Windparks werden gebaut. Diese neu gebaute Infrastruktur ist für Unternehmen und Bevölkerung sicht- und nutzbar. Sie kann nicht rückgängig gemacht werden – selbst wenn sich der politische Wind wieder dreht. Infrastrukturinvestitionen schaffen somit Tatsachen auf dem Weg Richtung Netto-Null. Sie stärken die Glaubwürdigkeit der Klimapolitik und ebnen den Weg für weitere Investitionen.

Fazit: Was haben der Nikolaus und das Netto-Null Ziel gemeinsam?

Damit wir das Netto-Null Ziel erreichen, dürfen wir nicht auf die eine Lösung setzen. Weder die Technologie noch der CO₂-Preis, nicht die Unternehmen und auch nicht der Staat können das Problem allein lösen. Es braucht ein Zusammenspiel von internationalen Abkommen, die den Rahmen vorgeben; technologischem Fortschritt, der die Transformation erschwinglich macht; innovativen Unternehmen, die investieren; gesellschaftlichem Wandel, damit die Bevölkerung die Transformation mitträgt und staatlichen Maßnahmen, die Klimapolitik glaubwürdig machen.

Doch auch das Netto-Null Ziel selbst ist hilfreich: Es zwingt uns, vom Ziel her zu denken. Wir wissen, wohin wir müssen, und die Unsicherheit der Zieldefinition fällt weg; das Ziel ist ja bereits definiert. Das Netto-Null Ziel lässt sich auch leicht kommunizieren. Statt, du musst deine Emissionen um 30 Prozent senken, heißt es nun: Du darfst keine fossilen Energieträger mehr nutzen. Der Nikolaus wird einem Kind auch nicht erklären: Du darfst nur 70 % deines Eises vor dem Abendessen essen. Er wird das Kind ermahnen, nichts Süßes vor dem Essen zu naschen. Das wird das Kind verstehen und (vielleicht) auch umsetzen – sofern es denn noch an den Nikolaus glaubt.

Welche Rolle können Sozial- und Geisteswissenschaftler:innen dabei spielen?

Vielerorts ist der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik inzwischen etabliert. So gibt es heute zahlreiche wissenschaftliche Klimaräte für Regierungen und unzählige politische Begleitgruppen für Forschungsprojekte. Richtiger Dialog findet aber weiterhin wenig statt. Will man sich gegenseitig wirklich verstehen, braucht es mehr als einen Inputvortrag gefolgt von einer kurzen Fragerunde. Erst mit genügend Zeit versteht man sich genügend gut, um für die andere Seite hilfreich zu sein. Es braucht Zeit, um in einen fruchtbaren Dialog zu treten; mehr Zeit als sich Forschung und Politik heute nehmen wollen oder können. Dieser Zeitmangel hat zur Folge, dass auch angewandte Wissenschaftler:innen häufig nicht wissen, wo die effektiven Probleme bei der Ausgestaltung der Klimapolitik liegen. Gleichzeitig beschäftigen sich Politik und Verwaltung zu wenig mit den Argumenten der Wissenschaft und sind selten offen für neue Ideen.

Um diesen Dialog zu stärken, braucht es mehr «Vermittler:innen», die beide Welten gut kennen – die beide Sprachen und auch die jeweiligen «ungeschriebenen Gesetze» verstehen. Wir müssen uns vermehrt fragen: Was sind für die Politik relevante Forschungsfragen? Was sagen uns die Forschungsergebnisse für die Ausgestaltung von konkreten Maßnahmen? Gleichzeitig ist aber auch klar: Von der Wissenschaft kommen Denkanstöße und Argumente, keine maßgefertigten Lösungen. Insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften spricht «die Wissenschaft» auch nicht mit einer Stimme. Es gibt zahlreiche Meinungen und Perspektiven. Und zu guter Letzt: Schlussendlich entscheidet die Politik – und nicht die Wissenschaft. Es ist die Politik, welche die notwendige Interessenabwägung vornimmt. Doch: Die Politik würde gut daran tun, auf diesem Weg mehr auf die Argumente der Wissenschaft und weniger auf ihr Bauchgefühl zu hören.

In diesem Kontext ist die Rolle der «Vermittler:innen zwischen Politik und Wissenschaft», die wissenschaftlichen Argumente in den jeweiligen Politikkontext und die Sprache von Verwaltung und Politik zu übersetzen – und zurück: Es braucht einen echten Dialog zwischen Wissenschaft und Politik/Verwaltung, und es braucht den Wunsch, die andere Seite zu verstehen!

Literatur

Dolphin, G., Pahle, M., Burtraw, D. et al. A net-zero target compels a backward induction approach to climate policy. Nat. Clim. Chang. 13, 1033–1041 (2023). https://doi.org/10.1038/s41558-023-01798-y

Zitationshinweis:

Kosch, Mirjam (2023): Netto-Null – reine Glaubenssache?!, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online verfügbar: https://regierungsforschung.de/netto-null-reine-glaubenssache/

This work by Mirjam Kosch is licensed under a CC BY-NC-SA license.

  1. Dieser Essay basiert auf dem kürzlich veröffentlichten Artikel «A net-zero target compels a backward induction approach to climate policy» (Dolphin et al. 2023), unzähligen Diskussionen mit meinen Co-Autor:innen sowie meinen Erfahrungen als Beraterin der Luxemburgischen Regierung zu Klimapolitik und als Klimaökonomin in der Verwaltung des Kantons Zürich (CH). []
  2. Beispielsweise können die Treibhausgasemissionen in der Zementherstellung oder in der Landwirtschaft voraussichtlich nicht vollständig vermieden werden. []
  3. https://iea.blob.core.windows.net/assets/66b8f989-971c-4a8d-82b0-4735834de594/WorldEnergyOutlook2023.pdf []

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