Oppositionslose Zeiten im Saarland? Einschätzungen zum Wahlausgang am Freitag vor der Wahl

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs-, Parteien- und Wahlforschung.

 

Die Landtagswahlen im Saarland erfolgen im Schatten des Krieges. Knapp eine Million Wahlberechtigte degradieren das Ereignis eher zur Kommunalwahl. Doch das täuscht. Denn in der Freiheit wird sichtbar, wie sich die Politikerinnen und Politiker um jeden einzelnen Wähler werbend bemühen müssen. Und das ist nicht abhängig davon, wie viele gerade wahlberechtigt sind. Wahlen befristen in der Demokratie Macht auf Zeit.

Oppositionslose Zeiten im Saarland? Einschätzungen zum Wahlausgang am Freitag vor der Wahl

 

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Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Regierungs-, Parteien- und Wahlforschung.

 

Die Landtagswahlen im Saarland erfolgen im Schatten des Krieges. Knapp eine Million Wahlberechtigte degradieren das Ereignis eher zur Kommunalwahl. Doch das täuscht.  Denn in der Freiheit wird sichtbar, wie sich die Politikerinnen und Politiker um jeden einzelnen Wähler werbend bemühen müssen. Und das ist nicht abhängig davon, wie viele gerade wahlberechtigt sind. Wahlen befristen in der Demokratie Macht auf Zeit. Machtkonzentration führt letztlich zum Kriegsgeschehen durch den totalitären Herrscher im Kreml. Insofern erkennen wir den Wert der Freiheit auch am Wahlgang in Saarbrücken. Jeder kennt dort jeden, was den parteipolitischen Wettbewerb vollkommen entideologisiert. Personen dominieren dort alles, nicht Wahlprogramme, nicht Berliner Koalitionsgebilde, nicht parteipolitische Konstellationen. Wer als Person überzeugt – vor allem jetzt mit neuem Macherimage, weniger Kümmerer – gewinnt. In Zeiten von Vielfachkrisen steigt die Sehnsucht nach verlässlicher Autorität, nach überraschungsfester Entschlossenheit, nach umsichtigem, vorsorgendem Tatendrang. Natürlich spielen indirekt Kriegsfolgen eine Rolle: gestiegene Preise, Energiesicherung und der Umgang mit den Geflüchteten im Saarland.

Folgende Besonderheiten könnten am Sonntag eintreten:

Eine Umkehrung mit vertauschten Rollen. Anders als 2017 wächst die SPD mit über 40 Prozent über sich hinaus und marginalisiert die Union, die diesmal unter die 30 Prozentmarke kommen könnte. Verkehrte Welten oder extreme Personenwahl, bei der Anke Rehlinger (SPD) mit Kramp-Karrenbauer (CDU)-Siegeraura antritt?

Ein Landtag ohne Opposition? Vielleicht gelingt der SPD die absolute Mehrheit, dann wäre die CDU in der Opposition, vermutlich von der AfD begleitet. Aber es könnte auch möglich sein, dass die Groko einzig von der AfD in der Opposition kontrolliert würde.

Außergewöhnlich sieht es nach einem Zwei-Parteien-System in Saarbücken aus. Die kleinen Parteien haben sich selbst zerlegt. Da jeder jeden kennt, liegen alle Probleme des parteiinternen Haders offen. Und AfD Wähler sind immer schon enttäuschungsresistent. Sie wählen nicht Programm oder Personen, sondern nur den Protest als zukunftsängstliche Empörungsbewegung – einfach gegen die etablierten Anderen. So könnte es die AfD mit sehr geringem Erfolg zum Wiedereinzug schaffen.

Rehlinger profitiert sicher davon, dass sie in der Wahrnehmung der Saarländer direkten Zugang zu Olaf Scholz hat. Hans unterstützte den neuen Bundesvorsitzenden Merz. Doch seltsam weggeduckt trat die Bundes-CDU im Saarland auf. Eine Mobilisierung von Berlin war nicht erkennbar.

Ein Rollentausch aus der Groko heraus, hat es noch nicht gegeben. In der Regel verlieren Juniorpartner bei der nachfolgenden Wahl. Bei der Bundestagswahl gelang Scholz der Sieg nur dadurch, dass Merkel nicht mehr antrat. Absolut ungewöhnlich sind die Umfragewerte für die Stellvertretende Ministerpräsidentin im Vergleich zum Ministerpräsidenten. Sie ist in den Augen der Saarländer beliebter, kompetenter und im Direktvergleich mit dem Ministerpräsidenten offenbar viel wählbarer. Solche Konstellationen gab es noch nicht in anderen Bundesländern. Hier fehlt nicht nur der Amtsbonus von Hans, hier scheint sich eine unmittelbare Abwahl abzuzeichnen.

Seit 22 Jahren liegt die SPD erstmals in den Umfragen  vor der Wahl wieder vor der CDU. Da allerdings diese Wahl sehr kleinräumig-kleinteilig personalisiert daherkommt, sollten Ableitungen für die Fortsetzung des sozialdemokratischen Siegeszugs vorsichtig erfolgen. Zwar triumphiert auch in neuen Kriegszeiten die Staatsbedürftigkeit, was die SPD automatisch in Startpositionen bringt. Aber die Bekanntheit von Rehlinger schafft das primäre Vertrauen, weniger der Schub aus Berlin.

 

Karl-Rudolf Korte

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