Die politische Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation: partizipativ und ökologisch?

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Bürgerbeteiligung in der Nachhaltigkeitstransformation ist zwar wichtig, jedoch nicht ohne Folgen. Wie gestalten sich die ökologischen Folgen der Beteiligung? Jun.-Prof. Dr. Tobias Escher, der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrt und forscht, wirft einen Blick auf den ökologischen Fußabdruck verschiedener Formen der Bürgerbeteiligung. Welche Faktoren lassen sich beachten, um die Beteiligung möglichst klima- und umweltfreundlich zu gestalten?

Die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist die zentrale gesellschaftliche Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Die Politik hat sich diese Transformation zur Aufgabe gemacht und sie nicht zuletzt im Jahr 2021 in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgeschrieben. Als Ziel wird dort der mittlerweile etablierte Dreiklang aus ökologisch verträglicher, sozial gerechter und ökonomisch leistungsfähiger Entwicklung formuliert.

Die politische Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation: partizipativ und ökologisch?1

Autor

Tobias Escher ist Juniorprofessor für Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Politische Partizipation, Legitimität, Nachhaltigkeit und Mobilität. Er leitet eine Nachwuchsforschungsgruppe, die die Rolle von Beteiligungsprozessen bei der Transformation zu nachhaltiger Mobilität im lokalen Kontext erforscht. Sie wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Schwerpunkt Sozial-ökologische Forschung gefördert (FKZ 01UU1904).

Die Rolle von Partizipation für die Nachhaltigkeitstransformation

Die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist die zentrale gesellschaftliche Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Die Politik hat sich diese Transformation zur Aufgabe gemacht und sie nicht zuletzt im Jahr 2021 in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgeschrieben. Als Ziel wird dort der mittlerweile etablierte Dreiklang aus ökologisch verträglicher, sozial gerechter und ökonomisch leistungsfähiger Entwicklung formuliert (Bundesregierung, 2021, S. 14). Jenseits der abstrakten Vision steht jedoch die Frage, wann genau das Ziel einer „nachhaltigen Gesellschaft“ tatsächlich erreicht ist und auf welchem Weg diese erreicht werden soll. Darüber gibt es bisher keinen gesellschaftlichen Konsens. In den zahlreichen politischen Auseinandersetzungen (Politics) um die einzuschlagende Politik (Policy) und entsprechenden konkreten Maßnahmen kommen daher grundlegende gesellschaftliche Interessenkonflikte zum Tragen, wie sie Diskussionen um die Rolle der Atomkraft, der Einführung eines Tempolimits oder der energetischen Gebäudesanierung veranschaulichen.

Um in diesem herausfordernden Umfeld trotzdem zu akzeptablen Lösungen zu kommen, wird von Politik und Verwaltung genauso wie Zivilgesellschaft, Bürger*innen und auch der Wissenschaft die Notwendigkeit betont, diese Transformationsprozesse partizipativ zu gestalten und insbesondere die Bürger*innen bei der Politikentwicklung einzubinden. So empfiehlt zum Beispiel der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltfragen (WBGU) ausdrücklich die substantielle Teilhabe (WBGU, 2019, S. 40). Umgesetzt wurde diese kürzlich zum Beispiel im Rahmen des ersten Bürgerrates des Deutschen Bundestags zu „Ernährung im Wandel“ (Deutscher Bundestag, 2024). Auch die Nachhaltigkeitsstrategie selbst war Gegenstand einer umfassenden Beteiligung im Rahmen mehrerer Regionalkonferenzen mit insgesamt 1.400 Bürger*innen sowie einer Online-Beteiligung (Bundesregierung, 2021, S. 121). Es sind solche Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit denen den Herausforderungen der Transformationsprozesse begegnet werden soll, die im Zentrum dieses Artikels stehen. Es handelt sich dabei um öffentliche Konsultationsverfahren, d.h. von öffentlichen Institutionen organisierte Formate, in denen die (organisierte und nicht-organisierte) Öffentlichkeit eingeladen wird, zu politischen Themen Stellung zu nehmen. Sie gehen dabei über reine Informationsveranstaltungen hinaus, da sie einen Rückkanal von Öffentlichkeit zur Politik schaffen. Gleichzeitig verbleiben diese Formate aber in einem konsultativen Bereich, da sie den Bürger*innen keine formale Entscheidungsmacht zugestehen (Fung, 2006). Die an solche Beteiligungsformate geknüpften Erwartungen reichen von einer Verbesserung der Entscheidung über die Erhöhung der Akzeptanz von Entscheidungen bis hin zur Vermittlung von umweltrelevantem Wissen (Dietz & Stern, 2008).

Gleichzeitig bedeutet nachhaltige Regierungsführung aber nicht nur, Policies für die Transformation zu entwickeln, sondern auch Politics, d.h. das politische Handeln selbst, der Maxime der Nachhaltigkeit zu unterwerfen. Mit anderen Worten, auch die politisch-administrativen Prozesse selbst, die am Ende zu entsprechenden Entscheidungen führen, sollen sozial gerecht, wirtschaftlich vernünftig und vor allem, ökologisch möglichst wenige Kosten verursachen. So findet sich das Ziel des „nachhaltigen Verwaltungshandelns“ entsprechend auch in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wieder (Bundesregierung, 2021, S. 20). Darin verpflichtet sich die Bundesregierung, dass Verwaltungshandeln insgesamt ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig zu gestalten, z. B. durch höhere Diversität, Förderung gleichberechtigter Teilhabe und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Bundesregierung, 2021, S. 20). Ökologische Aspekte spielen dabei eine wesentliche Rolle. Für Bundeseinrichtungen gilt beispielsweise die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen (AVV-EnEff). Damit müssen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) das Umweltzeichen Blauer Engel tragen, das z. B. den energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb sicherstellt (Köhn et al., 2020, S. 10). Auch wenn sich die hier beispielhaft genannten Ziele und Maßnahmen zunächst „nur“ auf die Bundesverwaltung beziehen, so finden sich vergleichbare Entwicklungen auch auf Ebene der Länder und Kommunen wieder. Beispielhaft sei dafür die von mittlerweile rund 250 Kommunen unterzeichnete Musterresolution zur Agenda 2030 genannt (Engagement Global, 2024). Die Bundesverwaltung fungiert sowohl als Vorbild und Unterstützer für nachhaltiges Handeln, als auch als Treiber für die Nachfrage nach entsprechenden Produkten und Dienstleistungen.

Wenn aber nicht nur die daraus resultierende Politik, sondern auch die Regierungsführung und das politisch-administrative Handeln selbst nachhaltig sein soll, dann stellt sich die Frage, inwieweit die eingangs erwähnten dazu notwendigen Beteiligungsprozesse ebenfalls nachhaltig umgesetzt werden können. Zu beleuchten ist also, wie sich der Anspruch an nachhaltiges Regierungshandeln im demokratisch so wichtigen Bereich der öffentlichen politischen Mitbestimmung gewährleisten lässt. Dabei fallen z. B. die ökologischen Kosten von Beteiligungsverfahren unter Umständen nicht auf den ersten Blick auf. Doch allein die Reisetätigkeiten, die im Zusammenhang mit großen und komplexen Partizipationsverfahren anfallen, können beträchtliche Umweltfolgen mit sich bringen. Allerdings ist die Abschätzung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen von (politischem) Handeln komplex. Für diesen Beitrag konzentriert sich die Diskussion daher auf die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit und dort konkret auf die Reduktion von Treibhausgasen (bzw. CO2-Äquivalenten2 ), die letztlich auch im Maßnahmenprogramm „Nachhaltige Verwaltung“ im Mittelpunkt steht. Bislang allerdings fehlen systematische Betrachtungen der möglichen Umweltfolgen von Beteiligung sowie deren Relevanz für den tatsächlichen Einsatz. Diese Lücke will der Beitrag schließen. Dazu wird hier zunächst eine Systematik möglicher Umweltfolgen von Beteiligung entworfen und deren Ausmaß anhand von zwei idealtypischen Beteiligungsformaten (Präsenzformate und digitale Beteiligung) detailliert diskutiert. Auf dieser Basis wird dargelegt, warum die nicht zu vernachlässigenden Umweltfolgen von Beteiligung in der Regel gerechtfertigt sind und entsprechend nicht im Widerspruch zum Anspruch an nachhaltiges demokratisches Regieren stehen.

Systematisierung der Umweltfolgen von Beteiligung

Direkte und indirekte Umwelteffekte

Menschliches Handeln hat immer Auswirkungen auf die Umwelt, die hier als biologische und physische Natur verstanden wird (Kropp & Sonnberger, 2021). Als negativ werden dabei solche Effekte bewertet, die dafür sorgen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur eingeschränkt werden. Ein Beispiel dafür ist die (namensgebende) Abholzung von Bäumen ohne ausreichende Wiederaufforstung. Die grundsätzlichen negativen Folgen umfassen dabei die Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) und Methan, die in der Atmosphäre zum Treibhauseffekt und damit zur Erderwärmung beitragen. Diesen kommt im Rahmen der umfangreichen Verpflichtungen zur Herstellung von Klimaneutralität die wesentliche Rolle zu. Negative Umwelteffekte gehen aber deutlich über diese Klimagase hinaus, die vor allem bei der Erzeugung von Energie durch fossile Energieträger in der Industrie (z. B. Stahl) sowie in der Landwirtschaft entstehen. Dazu gehören weitere Emissionen in Form von Lärm, Umweltgiften oder Feinstaub, Zerstörung von Lebensräumen, z. B. durch Versiegelung, Landwirtschaft oder Rohstoffgewinnung.

Die Bewertung von Umweltfolgen einzelner Handlungen stellt sich dabei als komplexes Problem dar, zum einen aufgrund der Vielfältigkeit der Effekte, die verschiedene systemische Ebenen betreffen, zum anderen aufgrund der Schwierigkeit, diese Effekte zu erfassen und zu quantifizieren. Zur systematischen Annäherung lassen sich direkte und indirekte Umwelteffekte unterscheiden (Bieser & Coroamă, 2021; Williams, 2011). Direkte Umwelteffekte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Produkt oder einer Dienstleistung. Zu den Effekten, die allein durch die Nutzung entstehen, zählen z. B. bei einem Produkt wie dem Auto Lärm, Treibhausgase oder Schadstoffemissionen, oder bei einer Dienstleistung wie dem Videostreaming Emissionen durch die für den Betrieb notwendige Energie. Darüber hinaus versuchen moderne Ansätze zur Bewertung von Umweltfolgen zusätzliche Aspekte zu erfassen, auch wenn diese naturgemäß vor der Herausforderung stehen, dass nicht alle Daten verfügbar sind oder einzelnen Komponenten dezidierte Wirkungen zuzuschreiben. So erfassen Lebenszyklusanalysen (eng. Life-Cycle Assessment / LCA) auch die bei Produktion und ggf. Entsorgung entstehenden Umweltkosten. So wird z. B. bei manchen Computerchips für die Herstellung weitaus mehr Energie aufgewendet als für den anschließenden Betrieb mit entsprechenden hohen Emissionen (Williams, 2011, S. 355).

Zusätzlich haben die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen aber auch weitergehende Konsequenzen, indem sie auch Veränderungen im Verhalten und auf weitergehender systemischer Ebene bewirken können. Zu solchen indirekten Umwelteffektenzählen z. B. veränderte Nutzungsgewohnheiten oder Konsummuster, wie sie prominent unter dem Phänomen der Rebound-Effekte diskutiert werden (Dütschke & Blöbaum, 2022): Hier führen effizientere Produkte nicht zu geringeren, sondern zu größeren Umwelteffekten, weil sie stärker genutzt werden. Solche paradoxen Effekte lassen sich z. B. im Autoverkehr beobachten, wo es trotz deutlich effizienterer Verbrenner nicht zu einer Reduktion in Treibhausgasemissionen kommt, weil Kunden stattdessen leistungsstärkere und schwere Autos kaufen.

Mit zunehmendem Abstraktionsgrad können sich auch auf systemischer Ebene Effekte ergeben. Diskutiert werden diese z. B. im Zusammenhang mit digitalen Kommunikationstechnologien, die neue Geschäftsmodelle (z. B. Mobilitätsdienstleistungen) oder Homeoffice ermöglichen, mit weitreichenden Folgen für das individuelle Handeln. Diese können sowohl positiver als auch negativer Natur sein. Die Vorhersage solcher Veränderungen und die (bilanzierende) Abschätzung der sich daraus ergebenen Umwelteffekte ist selbstverständlich mit großer Unsicherheit behaftet (Williams, 2011). Im Folgenden wird sich die Diskussion daher ausschließlich auf direkte Effekte beziehen, da weitergehende systemische Effekte spekulativ bleiben müssen. So wäre zwar zum Beispiel denkbar, dass Beteiligungsformate zu einer Beschleunigung oder eine Behinderung der Entwicklung von nachhaltiger Policy führen, mit entsprechenden Folgen für die Umwelteffekte.

Innerhalb dieser Gruppe von (noch relativ leicht attribuierbaren) Umwelteffekten wird sich die Diskussion hier auf Treibhausgasemissionen konzentrieren, denn dafür sind vergleichsweise gute Daten verfügbar. Außerdem kommen jenseits einzelner Zielkonflikte zwischen Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgas und dem Erhalt der Biodiversität (siehe dafür beispielsweise die Flächennutzung von Solar oder den möglichen Vogelschlag durch Windräder) die meisten Maßnahmen zur CO2-Reduktion auch dem Schutz der natürlichen Umwelt zugute. Auch wird nachhaltiges Regierungshandeln in erster Linie über Ziele zur Verminderung von Treibhausgasemissionen definiert. So hat die Bundesregierung bereits 2019 ein Klimaschutzprogramm für sich beschlossen, das unter anderem vorsieht, dass die Bundesverwaltung bis 2030 klimaneutral ist. Konkret heißt das, dass die Emission von Treibhausgasen reduziert wird bzw. kompensiert wird, wenn sie nicht zu vermeiden ist (Bundesregierung, 2023, S. 3).

Umweltfolgen von Öffentlichkeitsbeteiligung

Inwieweit entstehen durch Beteiligung überhaupt negative Umweltwirkungen? Zur Systematisierung der verschiedenen möglichen Quellen solcher negativen Effekte für die Umwelt kann man sich in einem ersten Schritt gut am Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen orientieren, der vom Bundesumweltministerium herausgegeben wurde und für die Bundesverwaltung verpflichtend ist (BMU, 2020). Dieser definiert insgesamt zwölf Handlungsfelder für die nachhaltige Organisation von Vor-Ort-Veranstaltungen, von denen neun direkt mögliche Klimafolgen betreffen:3 Mobilität, Veranstaltungsort und Unterbringung der Teilnehmenden, Energie und Klima, Temporäre Bauten und Messestände, Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen, Catering, Abfallmanagement, Umgang mit Wasser sowie Gastgeschenke und Give-aways. Diese lassen sich zu drei Quellen von Umwelteffekten verdichten:4

  • Energie und Klima, z. B. für den Betrieb des Veranstaltungsortes oder der notwendigen Kommunikationsinfrastruktur
  • Mobilität, z. B. für die Anreise zum Ort der Veranstaltung
  • Versorgung der Teilnehmenden, einschließlich Catering, Unterbringung sowie Ver- und Entsorgung

Diese drei Bereiche sind die maßgeblichen Quellen möglicher Treibhausgasemissionen durch Beteiligungsverfahren. Allerdings sind nicht alle Beteiligungsformate gleichermaßen betroffen, wie im Folgenden weiter auszuführen ist.

Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung und ihre Umweltfolgen

Im Zentrum der Betrachtung steht hier die Öffentlichkeitsbeteiligung als ein Partizipationsmodus, bei dem öffentliche Institutionen zu konsultativer Beteiligung an politischen Entscheidungen bzw. deren Vorbereitung einladen. Zielgruppe solcher Öffentlichkeitsbeteiligungsformate sind Bürger*innen sowie organisierte Interessen (z. B. als Träger öffentlicher Belange). Um diese Konsultationsfunktion zu gewährleisten kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Beteiligungsformaten zum Einsatz kommen (Alcántara et al., 2016, S. 16). Für die Betrachtung der Umweltfolgen ist aber letztlich weniger relevant, ob es sich z. B. um einen Workshop, ein World-Café oder einen Bürger*innenrat handelt (Nanz & Fritsche, 2012).

Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, sind es weniger die einzelnen Formate, die über die Umweltfolgen bestimmen, sondern wie diese „technisch vermittelt“ werden. Konkret ist damit gemeint, ob die Formate die Präsenz der Teilnehmenden erfordern oder ob diese digital partizipieren können. So ist unmittelbar ersichtlich, dass bei Präsenzbeteiligung z. B. Emissionen durch die Anreise sowie mögliche Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmenden anfallen, die bei digitaler Beteiligung entfallen. Gleichzeitig verursacht digitale Beteiligung Emissionen durch den Betrieb der notwendigen Technik. Die Betrachtung der Treibhausgasemissionen erfolgt daher nun im Vergleich dieser beiden idealtypischen Formate. Die Umweltfolgen hybrider Formate, die Präsenz vor Ort mit digitaler Beteiligung (synchron oder asynchron) kombinieren, lassen sich daraus ableiten.

Präsenzformate

Präsenzformate (auch: Vor-Ort Beteiligung) sind Beteiligungsformate, die ein Zusammenkommen der Teilnehmenden im physischen Raum erfordern. Neben der Art der Interaktion, die diese ermöglichen, unterscheiden sie sich vor allem in der Dauer sowie der Anzahl der Teilnehmenden. So stehen z. B. auf der einen Seite Planungszellen, in denen i. d. R. eine niedrige zweistellige Zahl an vorab rekrutierten Personen über mehrere Tage intensiv miteinander diskutiert. Auf der anderen Seite gibt es für alle Interessierten offene klassische Bürger*innenversammlungen, bei denen durchaus eine dreistellige Anzahl an Personen zusammenkommt, jedoch nur für den Zeitraum von wenigen Stunden. Beim erwähnten Bürgerrat Ernährung wiederum haben sich 160 zufällig in ganz Deutschland ausgewählte Personen über einen Zeitraum von knapp sechs Monaten insgesamt drei Mal vor Ort in Berlin (und bei zusätzlichen Treffen auch digital) ausgetauscht. In Anbetracht der oben genannten möglichen Quellen von Umwelteffekten bei der Öffentlichkeitsbeteiligung sollte unmittelbar ersichtlich sein, dass es für die Bewertung der möglichen Wirkungen relevant ist, wie viele Personen teilnehmen, wie weit deren Anreise ist, wie lange eine solche Veranstaltung dauert und ob eine Unterbringung nötig ist. Es erscheint sinnvoll, hier vereinfachend zwischen lokalen Präsenzformaten und regionalen bzw. überregionalen Präsenzformatenzu unterscheiden. Auch wenn es im Detail Variation geben mag, so sind letztere in der Regel mit weiter Anreise und längerer Dauer verbunden.

Alle Präsenzformate benötigen einen Veranstaltungsort, der beleuchtet und beheizt (oder gekühlt) werden muss, wobei Treibhausgasemissionen anfallen. Zusätzlich müssen die Teilnehmenden anreisen. Dabei fallen Emissionen an, sobald die Anreise nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad erfolgt. Sobald also fossil betriebene Verkehrsmittel im Spiel sind, steigen die Umweltkosten, und zwar mehr oder weniger linear mit der zurückzulegenden Entfernung. Damit ergibt sich eine höhere Umweltbelastung durch (über)regionale Formate. Darüber hinaus verursachen diese (über)regionalen Formate ggf. weitere Kosten, weil Teilnehmende am Veranstaltungsort übernachten müssen mit entsprechenden Emissionen z. B. aus der Energieversorgung der Übernachtungsstätten. Werden die Teilnehmenden vor Ort verpflegt, dann entstehen durch die eingesetzten Produkte und deren Zubereitung ebenfalls Emissionen. Allerdings ist zu diskutieren, inwieweit Emissionen aus der Versorgung der Teilnehmenden überhaupt ursächlich dem Beteiligungsformat zuzuordnen sind, denn auch wenn die Personen nicht an der Veranstaltung teilnehmen würden, müssten diese sich in irgendeiner mit Emissionen verbundenen Form versorgen und ihren persönlichen Wohnraum heizen.

Doch wie viele Emissionen fallen nun bei solchen Präsenzveranstaltung an, und wie teilen sich diese auf die drei Quellen Mobilität, Energie und Versorgung auf? Beispielhaft wurden dazu auf Basis eines vom Umweltbundesamtes (2024a) zur Verfügung gestellten CO2-Rechners für Veranstaltungen5 zwei Szenarien berechnet. Die Berechnung berücksichtigt nicht nur die Emissionen aus der Nutzung, sondern auch aus der Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen. Zum Beispiel wird bei der Emissionsermittlung eines Verkehrsmittels nicht nur der verbrauchte Treibstoff, sondern auch dessen Herstellung und Transport berücksichtigt. Für die beiden Szenarien wurde jeweils von 50 Teilnehmenden ausgegangen, die sich für zwei Stunden an einem Veranstaltungsort mit 250 m² Größe treffen. Einmal findet die Veranstaltung allerdings lokal vor Ort statt, sodass die meisten Personen nur eine kurze Strecke von 5 km anreisen müssen und sich nur 40 % für die Anreise mit dem Auto entscheiden und 40 % mit dem ÖPNV. Das zweite Szenario geht von einer überregionalen Veranstaltung aus, für die die Mehrzahl der Teilnehmenden 100 km anreisen muss, davon wiederum 40 % mit dem Auto und 40 % mit dem Regionalverkehr. In beiden Szenarien wird davon ausgegangen, dass 20 % der Personen umweltfreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad anreisen. Abbildung 1 stellt die Emissionen aus Energie und Klima am Veranstaltungsort, der Mobilität der Teilnehmenden sowie möglicher Versorgung durch Übernachtung und Catering dar.

Abbildung 1: Emissionen (in kg CO2-Äquivalente) von Präsenzveranstaltungen; Quelle: CO2-Rechner für Veranstaltungen des Umweltbundesamtes (2024a), für zu Grunde liegende Szenarien und detaillierte Emissionen siehe Tabelle 2.

Der Vergleich verdeutlicht mehrere Aspekte: Zunächst ist offenkundig, dass überregionale Veranstaltungen um Größenordnungen mehr Treibhausgase emittieren. Selbst im einfachsten Szenario, bei dem auch überregional keine Verpflegung und Übernachtung notwendig wird, betragen die Emissionen für die überregionale Veranstaltung bereits mehr als das 12-fache der lokalen Präsenzveranstaltung. Zweitens wird deutlich, dass die Mobilität die wesentliche Quelle der Treibhausgasemissionen darstellt. Schon im lokalen Fall übersteigen diese die Umweltfolgen aus der Klimatisierung des Veranstaltungsortes, aber im überregionalen Fall machen diese im einfachsten Szenario (ohne Übernachtung und Verpflegung) ganze 97 % der Gesamtemissionen aus! Wird im überregionalen Fall eine Übernachtung notwendig, dann steigen die Emissionen deutlich (hier um rund 50 %), doch selbst dann ist die Mobilität noch für rund zwei Drittel der Gesamtemissionen verantwortlich. Im Vergleich dazu trägt eine einzelne Mahlzeit zwar nur einen kleinen Teil zu den Emissionen bei, doch für lokale Präsenzveranstaltung ändert sich das Bild. Entscheidet man sich hier für ein nicht-vegetarisches Catering aus konventioneller Landwirtschaft und will man dieses tatsächlich ursächlich der Beteiligung zurechnen, dann würden sich die Emissionen fast vervierfachen und drei Viertel entfielen dann auf die Versorgung. Die Emissionen aus dem Betrieb des Veranstaltungsortes fallen hingegen kaum ins Gewicht. Drittens wird ersichtlich, dass die Emissionen relativ direkt von der Anzahl der Teilnehmenden sowie der Entfernung des Veranstaltungsortes abhängen. Je mehr Personen teilnehmen, umso mehr müssen anreisen sowie ggf. verpflegt und untergebracht werden. Die Emissionen aus der Anreise steigen wiederum direkt mit der Länge der Anreise.

Digitale Beteiligungsformate

Mit digitaler Beteiligung wird hier politische Beteiligung bezeichnet, für die ausschließlich oder zumindest größtenteils das Internet genutzt wird. Mit der durch die Pandemie zwangsweise notwendig gewordenen Digitalisierung von Beteiligungsverfahren sind diese nun in der Breite angekommen (bipar, 2022). Im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung lassen sich dabei im Wesentlichen zwei Arten von Formaten unterscheiden: asynchrone und synchrone digitale Beteiligung. Lange Zeit fand die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung asynchron statt, da nicht zuletzt hier eine der Stärken der Online-Formate begründet ist, nämlich einen zeit- und ortsunabhängigen Zugang zur Beteiligung zu bieten. Klassischerweise werden diese über Online-Plattformen realisiert, auf denen Teilnehmende schriftliche Beiträge verfassen. Beispiele hierfür sind Online-Dialoge oder Bürgerhaushalte. Mit der Corona-Pandemie haben sich zusätzlich stärker auch synchrone Formate in Form von Videokonferenzen durchgesetzt. Dabei findet die Interaktion über Audio und ggf. Video statt, wobei sich alle Teilnehmenden zur selben Zeit einwählen müssen. Dabei kommen überwiegend etablierte Videokonferenzanbieter zum Einsatz (Allianz vielfältige Demokratie, 2021; Bertelsmann Stiftung, 2021)

Grundsätzlich entfallen für alle digitalen Formate die Emissionen, die mit einem Veranstaltungsort sowie einer möglichen Anreise und Unterbringung verbunden sind. Man kann einwenden, dass im Gegensatz dazu die Wohnungen der Teilnehmenden weiter mit Energie für Licht und Heizung versorgt werden müssen. In der Tat war dies ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der zunehmenden Home-Office Nutzung zu berücksichtigen war und einige der Einsparungen durch den reduzierten Pendelverkehr konterkariert hat (Marz, 2022; Öko-Institut, 2022). Im Gegensatz zur täglichen Erwerbsarbeit handelt es sich bei Beteiligungsformaten aber um seltene und zeitlich begrenzte Veranstaltungen. Dabei werden zur digitalen Beteiligung die Räumlichkeiten zu Hause genutzt, die ohnehin geheizt würden. Doch selbst wenn man die zweistündige Beheizung und Beleuchtung eines Arbeitsraumes in die Betrachtung aufnimmt, so ergeben sich zusätzliche Emissionen von lediglich rund 0,2 kg pro Person bzw. 10 kg für 50 Personen.6

Den unbestreitbaren Einsparungen im Bereich Mobilität stehen jedoch zunächst einmal höhere Emissionen aus dem Einsatz der digitalen Infrastruktur gegenüber. So müssen Laptops oder Desktop-PCs hergestellt und dann betrieben werden, genauso wie die notwendige digitale Kommunikationsinfrastruktur im Sinne von Rechenzentren, Routern und Übertragungsnetzwerken (Gröger et al., 2021b). Bevor diese im Detail betrachtet werden, ist zunächst festzuhalten, dass es durch digitale Beteiligungsformate kaum zu einem Mehrbedarf an digitalen Endgeräten kommt. Wohl kaum jemand wird sich einen Laptop oder ein Tablett einzig und allein für die Teilnahme an einem Partizipationsverfahren anschaffen. Stattdessen kann auf Geräte zurückgegriffen werden, die ohnehin vorhanden sind, womit deren Emissionen für die Herstellung und Entsorgung nicht notwendigerweise der Beteiligung zuzuschreiben sind. Gleichwohl werden diese heutzutage durch das oben bereits diskutierte Life-Cycle Assessment bei den Emissionen pro Nutzungsstunde berücksichtigt. Weiterhin kommt eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes zu dem Schluss, dass bei Nutzung digitaler Dienste die Treibhausgasemissionen im Wesentlichen durch die Produktion, den Betrieb und die Entsorgung der Endgeräte der Nutzer*innen entstehen, wohingegen die Emissionen durch die in der Regel effizienter arbeitenden Rechenzentren und Datennetze kaum ins Gewicht fallen (Gröger et al., 2021b, S. 134). Die von den Initiator*innen beauftragte Dienstleistung eines Rechenzentrums zum Betrieb der Beteiligungsplattform verursacht im Vergleich zu den Teilnehmenden entsprechend kaum Umweltkosten.

Realistischerweise fallen damit bei den Umweltfolgen von digitaler Beteiligung überwiegend die Emissionen aus dem Betrieb der Endgeräte der Teilnehmenden ins Gewicht. Diese sind bei synchronen Formaten aufgrund der höheren Menge an zu übermittelnden Daten insgesamt etwas höher als bei asynchronen Formaten. Im Sinne eines realistischen Vergleichs werden hier daher solche synchronen Formate betrachtet, konkret Videokonferenzen. Asynchrone Formate würden hier entsprechend noch einmal weniger emittieren. Für eine zweistündige Videokonferenz mit 50 Personen gibt der CO2-Rechner insgesamt rund 6,2 kg Emissionen an bzw. 0,12 kg pro Person. Selbst wenn man die oben angenommenen Emissionen von 10 kg aus der Wohnraumenergie noch hinzunimmt, ergäben sich lediglich 0,32 kg pro Teilnehmenden und damit nur 17 % des zuvor diskutierten lokalen oder gut 1 % des simpelsten überregionalen Szenarios. Damit schneidet das digitale Beteiligungsformat in Sachen Treibhausgasemissionen ungleich besser ab als vergleichbare Präsenzformate.

Das gilt auch, wenn man in Betracht zieht, dass die tatsächlichen Emissionen stark von der genutzten Hardware der Teilnehmenden abhängen. So geht der CO2-Rechner von der Nutzung eines Laptops aus.7 Die Emissionen sind höher bei Nutzung größerer Monitore. Letztlich werden dadurch die Effizienzvorteile digitaler Formate gegenüber von Präsenzformaten aber kaum aufgehoben. Anschaulich unterstreicht das eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamts (Gröger et al., 2021b). Abbildung 2 zeigt für verschiedene technische Konfigurationen, welche Strecken man für eine Stunde Videokonferenz mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurücklegen kann. Ausgehend von der Nutzung eines Desktop-PCs und dem durchschnittlichen deutschen Strommix sieht man dabei zum Beispiel, dass eine Stunde Videokonferenz so viele Emissionen wie rund 1 km Fahrt mit dem ÖPNV oder 0,4 km Autofahrt verursacht. Deutlich wird: Sobald Teilnehmende auf fossil betriebene Verkehrsmittel angewiesen sind, um zum Ort der Präsenzveranstaltung zu kommen, ist die Treibhausgasbilanz der digitalen Beteiligung immer besser. Damit verursachen (über)regionale Präsenzverfahren immer mehr Emissionen als Online-Beteiligung und auch bei lokalen Formaten ist davon in der Regel auszugehen, wie das oben betrachtete Szenario deutlich gemacht hat.

Abbildung 2: Distanz (in km), die mit den Treibhausgasemissionen aus einer Stunde Videokonferenz mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden könnte. Eigene Darstellung nach Gröger et al. (Gröger et al., 2021a, S. 136).

Transformationsprozesse partizipativ und nachhaltig gestalten

Der Beitrag hat am Beispiel der Treibhausgasemissionen deutlich gemacht, dass auch Öffentlichkeitsbeteiligung mit relevanten Folgen für die Umwelt verbunden ist. Dafür wurden zwei idealtypische Beteiligungsformate mit jeweils zwei Differenzierungen betrachtet: zum einen lokale und (über)regionale Präsenzformate, zum anderen asynchrone und synchrone digitale Formate. Wie die Diskussion gezeigt hat, entfällt der Hauptteil der Emissionen auf die Mobilität der Teilnehmenden, was damit im Wesentlichen bei (über)regionaler Präsenzbeteiligung zu einem Problem wird, bei der ggf. zusätzlich noch Unterbringung und Verpflegung notwendig ist. Im Gegensatz dazu sind die Emissionen durch die für digitale Beteiligung notwendige Energie zum Betrieb der digitalen Infrastruktur sehr klein. Die Szenarien basieren auf einer Reihe von Annahmen, die nicht berücksichtigen, ob Teilnehmende mit dem E-Auto anreisen, der Veranstaltungsort mit regenerativen Energien klimatisiert wird, oder das Essen aus nachhaltigem Anbau bezogen wird. Auch ist es möglich, dass die Emissionen digitaler Beteiligungsformate in Zukunft durch den verstärkten Einsatz von energieintensiven Anwendungen Künstlicher Intelligenzen oder virtueller Realität steigen werden. Doch auch wenn die konkreten Emissionswerte im Detail aufgrund unterschiedlicher Annahmen schwanken, so machen sie die Größenordnungen und wesentlichen Quellen von Treibhausgasemissionen deutlich. Tabelle 1 vergleicht die Emissionen aus den drei verschiedenen Quellen noch einmal schematisch für die hier dargestellten Fälle.

Tabelle 1: Direkte Umweltfolgen verschiedener Beteiligungsformate; Hinweis: Je dunkler die Farbe, desto größer sind die jeweiligen Emissionen aus dieser Quelle. Die Emissionen steigen grundsätzlich mit Anzahl der Teilnehmenden sowie Dauer des Beteiligungsformats.

Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für nachhaltiges Regierungshandeln? Lassen sich Transformationsprozesse gleichzeitig partizipativ und ökologisch gestalten, oder schließen sich diese Ansprüche gegenseitig aus? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt es sich als erstes, die Größenordnung der Emissionen einzuordnen, die bei Beteiligungsverfahren anfallen. Nimmt man als Basis die oben diskutierte überregionale Veranstaltung (ohne Unterkunft und Verpflegung), dann ergeben sich im Durchschnitt für jede teilnehmende Person Emissionen von rund 24 kg CO2-Äquivalenten. Unter den hier getroffenen Annahmen entspräche das einer Strecke von rund 100 km in einem durchschnittlichen PKW oder knapp 60 kWh im Strommix deutscher Haushalte (Umweltbundesamt, 2024b) und damit rund 1,5 Wochen Stromversorgung eines durchschnittlichen 1-Personen-Haushalts in Deutschland. Die durchschnittlichen pro Kopf Emissionen lagen in Deutschland zuletzt bei rund 9.000 kg pro Jahr (Umweltbundesamt, 2023), und damit deutlich über dem als global noch verträglichen angesehenen 1.000 kg pro Person (Umweltbundesamt, 2021). Damit wird deutlich, dass die Umweltfolgen aus Beteiligungsverfahren zwar nicht dramatisch, jedoch auch nicht zu vernachlässigen sind.

Zweitens gilt es eine Güterabwägung zu treffen. Zum einen betrifft das die Emissionen selbst, denn zumindest die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen von Transformationsprozessen hat den Zweck Entscheidungen vorzubereiten, die emissionsmindernde Politik ermöglichen sollen. So stehen den kurzfristig anfallenden Emissionen durch Beteiligungsformate die durch diese ermöglichten Entscheidungen langfristig eingesparten Emissionen gegenüber. Nicht in jedem Fall wird eine Beteiligung am Ende tatsächlich zu solchen Einsparungen führen, doch grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass diese positiven (indirekten) Umwelteffekte durch langfristige Einsparung die negativen (direkten) Effekte durch Emissionen aus der Beteiligung überwiegen. Letztlich spielt das bei der Güterabwägung aber auch nur eine untergeordnete Rolle, denn Beteiligungsprozesse erfüllen eben nicht nur eine funktionale Rolle zur Unterstützung von Entscheidungen, sondern ebenfalls eine normative Rolle, indem sie den demokratischen Anspruch an Mitbestimmung einlösen sollen sowie zur Wissensvermittlung und Meinungsbildung sowie Identifikation mit der politischen Gemeinschaft beitragen (Stark, 2019, S. 53; Steinbrecher, 2009, S. 30). Damit wäre ein vollständiger Verzicht auf Beteiligung in der Regel nicht nur aus ökologischen Gründen kontraproduktiv, sondern er verbietet sich auch, weil es dem Wesenskern der Demokratie widersprechen würde.

Gleichwohl sind die Emissionen aus Beteiligungsprozessen nicht zu vernachlässigen. Drittens ist daher immer eine Abwägung über die einzusetzenden Formate erforderlich, wie dies im von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit auch eingefordert wird: „Zu Beginn der Planung ist abzuwägen welche Argumente für die Durchführung der Veranstaltung virtuell, als Hybridveranstaltung oder als Präsenzveranstaltung sprechen“ (Bundesregierung, 2023, S. 19). Wie aber ist nun eine solche Abwägung zu treffen? In der Gesamtschau der hier betrachteten vier idealtypischen Beteiligungsformate zeigt sich, dass die digitalen Formate in der Regel deutlich weniger Treibhausgasemissionen verursachen. Das gilt insbesondere, je weiter die Strecken zur Anreise zu Präsenzveranstaltungen sind. Darüber hinaus sind die bei digitaler Beteiligung entstehenden Emissionen auch relativ einfach zu kompensieren, z. B. durch die Nutzung besonders energieeffizienter Rechenzentren oder die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien (Gröger et al., 2021b, S. 22). Gleichwohl darf bei der Wahl des angemessenen Beteiligungsformats der ökologische Fußabdruck nicht der wichtigste und sicherlich nicht der alleinige Auswahlgrund sein. Stattdessen leitet sich aus der angesprochenen normativen Rolle von Partizipation ab, dass sich die Gestaltung der Beteiligungsprozesse in erster Linie an demokratischen Prinzipien orientieren muss. Beispielhaft sei hierfür der gleichberechtigte Zugang zur Beteiligung genannt, d. h. es muss sichergestellt sein, dass alle relevanten Zielgruppen teilnehmen und sich einbringen können. Die umfassend dokumentierten Unterschiede in Zugangsvoraussetzungen zwischen Präsenz- und digitalen Formaten machen deutlich, dass es inklusive und gleichberechtigte Teilhabe einer Kombination von Präsenzformaten und digitaler Beteiligung bedarf (Lütters et al., 2024). Nur wenn die Ansprüche an demokratische Partizipation erfüllt sind, sollten die Umweltaspekte eine Rolle spielen.

Insgesamt zeigt sich also, dass Beteiligung zwar einen ökologischen Fußabdruck hat, dieser aber in aller Regel aus funktionalen und normativen Erwägungen gerechtfertigt ist. Nichtsdestotrotz gilt es bei der Planung und Durchführung von Vor-Ort-Veranstaltungen, die damit verbundenen Emissionen in den Blick zu nehmen und bestmöglich zu vermeiden. Für die Gestaltung von Beteiligungsverfahren kann deren Umweltbilanz aber nicht das entscheidende Kriterium sein. Die hier dargestellten Erkenntnisse rechtfertigen jedenfalls nicht, auf Beteiligung zur Nachhaltigkeitstransformation zu verzichten, um die Umwelt und das Klima zu schützen. Regieren soll eben nicht nur nachhaltig, sondern vor allem demokratisch sein!

Der Anhang zu diesem Beitrag kann in der PDF-Form abgerufen werden.

Literaturverzeichnis

Alcántara, S., Bach, N., Kuhn, R. & Ullrich, P. (2016). Demokratietheorie und Partizipationspraxis. Springer Fachmedien Wiesbaden. http://link.springer.com/10.1007/978-3-658-11221-9 https://doi.org/10.1007/978-3-658-11221-9

Allianz vielfältige Demokratie. (2021). Demokratie 4.0: Bürgerbeteiligung und Mitverantwortung im Zeichen der Digitalisierung.

Bertelsmann Stiftung. (2021). Digitale Bürgerdialoge – Eine Chance für die lokale Demokratie: Eine Handreichung zur Durchführung digitaler Bürgerdialoge. https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/digitale-buergerdialoge

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Zitationshinweis:

Escher, Tobias (2024): Die politische Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation: partizipativ und ökologisch?, Essay, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online Verfügbar: https://regierungsforschung.de/die-politische-gestaltung-der-nachhaltigkeitstransformation-partizipativ-und-oekologisch/

This work by Tobias Escher is licensed under a CC BY-NC-SA license.

  1. Dieser Artikel stellt eine umfassende Erweiterung und vertiefende Diskussion einer Perspektive dar, die durch den Autor erstmalig in einem Gutachten für das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE, FKZ: 4721E03260) entwickelt wurde. Für weitere Informationen siehe Lütters et al. (2024, S. 100–103). []
  2. Die Emissionen an Treibhausgasen werden üblicherweise in sogenannten CO2-Äquivalenten angegeben. Dabei wird die unterschiedliche starke Klimawirkung der Treibhausgase (neben Kohlendioxid z. B. auch Methan oder Lachgas) berücksichtigt. Angegeben wird dabei die Menge an CO2, deren Wirkung äquivalent ist zur Wirkung aller emittierten Treibhausgase. []
  3. Die weiteren drei lauten: „Organisation, Kommunikation und Evaluation“, „Barrierefreiheit“ sowie „Gender-Mainstreaming“. Diese spielen für den Anspruch an eine umfassend verstandene Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, jedoch weniger für die hier im Fokus stehende ökologische als für die soziale Dimension. []
  4. Produkte und Dienstleistungen sind in den anderen Komponenten enthalten. Gastgeschenke und Give-aways sollen laut Leitfaden des BMU ohnehin vermieden werden und sind hier daher nicht berücksichtigt. []
  5. https://uba-event-free.co2-rechner.pro/de_DE/ [15.02.2024]. []
  6. Basis der Berechnung: 12 qm Raum Gesamtemissionen pro Jahr (208 Arbeitstage mit je 8h) von 39 kg für Beleuchtung und 121 kg für Heizung (Öko-Institut 2022, S. 31). []
  7. Konkret heißt es: „Treibhausgasemissionen der Teilnahme an Webkonferenzen aus Internetnutzung und Stromverbrauch von Laptop, Monitor und Router. Berechnung auf Basis des durchschnittlichen Datenvolumens für Videokonferenzen und Strombedarfs für Laptop, Bildschirm, Router und Internetnutzung“. []

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