Nachhaltigkeit in der Migrationsgovernance

Die Migrationspolitik und insbesondere die Unterbringung geflüchteter Menschen ist derzeit in aller Munde. Doch wie werden Menschen, die in Geflüchtetenunterkünften leben, geschützt? Dr. Alina Bergedieck, Prof. Dr. Kerstin Rosenow-Williams, die beide an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tätig sind, und Dr. Katharina Behmer-Prinz von der Ruhr-Universität Bochum analysieren, wie Mindeststandards bei der Unterbringung Geflüchteter in Deutschland umgesetzt werden.

Migrationspolitik in Deutschland polarisiert derzeit wie kaum ein anderes Thema. Einen zentralen Kritikpunkt aus der menschenrechtlichen Perspektive stellen hierbei fehlende gesetzlich verbindliche und einheitliche Standards in der Unterbringung von geflüchteten Menschen in Deutschland dar. Das Ausbleiben verbindlicher bundesweiter Vorgaben hat weitreichende negative Folgen insbesondere für vulnerable Gruppen unter den geflüchteten Menschen, wie Frauen, Kinder, Senior:innen, chronisch Kranke oder LGBTQ+ Personen

Nachhaltigkeit in der Migrationsgovernance

Die Rolle der „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften

Autorinnen

Dr. Alina Bergedieck ist Lehrbeauftragte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Zuvor leitete sie ein Jahr lang stellvertretend eine Notunterkunft für geflüchtete Ukrainer:innen in Ahlen. Ihre Promotion analysierte Flucht- und Migrationsgründe anhand von 26 biographischen Interviews geflüchteter Menschen.

 

Prof. Dr. habil. Kerstin Rosenow-Williams ist Professorin für Soziale Nachhaltigkeit, insbesondere Soziologie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Zuvor arbeitete sie fünf Jahre für das Deutsche Komitee für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) e.V., u.a. als Forschungsreferentin in der Advocacy Stabsabteilung.

 

Dr. Katharina Behmer-Prinz ist Senior Researcher und Co-Institutsmanagerin am Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum. 2022-2023 hat sie im Rahmen der Co-Leitung der Flüchtlingshilfe beim DRK-Kreisverband u.a. eine Notunterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine sowie den Aufbau eines Pilotprojekts in der mobilen Gesundheitsversorgung von geflüchteten Menschen im Main-Kinzig-Kreis verantwortet.

1. Einleitung

Migrationspolitik in Deutschland polarisiert derzeit wie kaum ein anderes Thema (Engler 2023, o. S.; Krause 2023, o. S.; Pichl 2023, o. S.). Einen zentralen Kritikpunkt aus der menschenrechtlichen Perspektive stellen hierbei fehlende gesetzlich verbindliche und einheitliche Standards in der Unterbringung von geflüchteten Menschen in Deutschland dar. Das Ausbleiben verbindlicher bundesweiter Vorgaben hat weitreichende negative Folgen insbesondere für vulnerable Gruppen unter den geflüchteten Menschen, wie Frauen, Kinder, Senior:innen, chronisch Kranke oder LGBTQ+ Personen (Behmer-Prinz et al. 2021; Kleist et al. 2022; Klopf 2023; UNICEF Deutschland/Deutsches Institut für Menschenrechte (DIMR) 2020).

Für die Unterbringung von geflüchteten Menschen sind in Deutschland die Bundesländer zuständig. Diese geben die Verantwortung der Ausführung meist an die Kommunen ab.1 Nach der Asylgesetzänderung von 2019, sind die Länder laut § 44 (2a) AsylG und die Kommunen laut § 53 (3) AsylG verpflichtet worden, Schutzstandards einzuführen. Die im Gesetz angemahnten „geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen” (BMJ 2022, o. S.) sind jedoch unspezifiziert und geben keine konkreten Handlungsparameter für die Praxis vor, was zu unterschiedlichen Regelungen in den 16 Bundesländer führt (UNICEF/DIMR 2020). Zusätzlich zu den existierenden Unterschieden auf der Ebene der Bundesländer erschwert die Vergabe der Unterkunftsverwaltung von Seiten der Kommunen an freie Träger, auf Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung gem. Artikel 28 Abs. 2 GG, und die damit einhergehende Verlagerung der Verantwortung für die Einhaltung von Schutzstandards in Gemeinschaftsunterkünften, die flächendeckende Etablierung, Umsetzung und das Monitoring von Schutzstandards.

In Reaktion auf mangelnde Standards in der Unterbringung für geflüchtete Menschen wurde in Deutschland im Frühjahr 2016 ein innovativer Prozess angestoßen, in dem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und zunächst 13 und später insgesamt 30 Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereich der Flüchtlingshilfe, kooperierte. Ziel dieses Prozesses war die Entwicklung der „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ (BMFSFJ/UNICEF 2021).

Dieser Beitrag analysiert den aktuellen Stand der Umsetzung, insbesondere mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in der deutschen und europäischen Migrationspolitik und unter Einbeziehung eigener empirischer Forschungsergebnisse (Behmer et al. 2022; Bergedieck et al. 2019). So kann der Prozess der Entwicklung der Mindeststandards 2016 als Baustein der Professionalisierung im organisationalen Feld2 der lokalen Flüchtlingshilfe und als Reaktion auf die 2015/16 erlebte Überforderung durch den ad hoc-Anstieg der Zuwanderung bezeichnet werden. Neueste Entwicklungen, insbesondere die kriegsbedingte Fluchtbewegung von Menschen aus der Ukraine nach Deutschland, führen jedoch zu der Frage, wie die Ergebnisse dieser Professionalisierung in Form einer Verstetigung längerfristig genutzt werden können.

Alisch und Westphal argumentieren in diesem Kontext:

„Transformation im Kontext von Migration und Flucht würde vor allem bedeuten, Migrationsbewegungen als dauerhaften und nachhaltigen Bestandteil bzw. als strukturelle Kategorie von Gesellschaft und ihrer Entwicklung zu verstehen und so nachhaltig gestaltbar zu machen“ (Alisch/Westphal 2023, S. 14f.).

Der Gewaltschutz in Gemeinschaftsunterkünften (Kleist et. al. 2022), das zivilgesellschaftliche Engagement (UNICEF Deutschland/Deutsches Rotes Kreuz/Der Paritätische Gesamtverband 2023) und auch die verantwortlichen Akteure (Bund, Land, Kommune) (Schammann/Kühn 2016; Schammann et al. 2020), standen zuletzt stärker im Fokus der Forschung. Es fehlt aber bisher eine auf Nachhaltigkeit basierende Analyse, sowie die Berücksichtigung von Migrationsgovernance3 im Mehrebenensystem, in dem die Etablierung lokaler Schutzstandards in der Unterbringung von geflüchteten Menschen verhandelt wird. Der Beitrag schließt diese Lücke und ergänzt dabei unsere vorangegangenen Forschungsarbeiten in dreierlei Hinsicht: erstens durch Einbezug neuester Entwicklungen und Gesetzesänderungen in der Folge der kriegsbedingten Fluchtbewegung aus der Ukraine seit April 2022; zweitens durch die Analyse von Gewaltschutz als Teil der Migrationsgovernance im Mehrebenensystem; und drittens durch Integration der Dimension der Nachhaltigkeit. Das Forschungspapier beinhaltet dabei eine Sekundärdatenanalyse basierend auf vorangegangenen Forschungsarbeiten, und Sekundärliteratur. Es wurden zudem Gesetzestexte, Pressestatements und Strategiepapiere ausgewertet. Der Artikel zeichnet aktuelle Entwicklungen nach, zeigt Handlungsbedarfe und weitere Forschungsdesiderate auf und benennt im Fazit konkrete Handlungsempfehlungen.

2. Fragmentierte globale Schutzstandards für geflüchtete Menschen

Historisch basiert der internationale völkerrechtlich verbindliche Rahmen des globalen Flüchtlingsregimes auf dem 1951 verabschiedeten “Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge”, auch die Genfer Flüchtlingskonvention genannt, und dem dazugehörigen Protokoll von 1967 (UNHCR, o. D.). Zuletzt setzte im September 2016 der von den Vereinten Nationen in New York veranstaltete Sondergipfel zu großen Wanderungsbewegungen einen wichtigen inhaltlichen Impuls auf internationaler Ebene. Die Abschlusserklärung, die „New York Declaration“, wird als „Meilenstein der internationalen Migrationspolitik“ (Angenendt 2017a, S. 2) bezeichnet. Diese nicht-bindende Absichtserklärung enthält einen „starken Appell zur globalen Verantwortungsteilung im Umgang mit Flucht- und Migrationsbewegungen“ (Braunsdorf 2019, S. 175) und umfasst grundsätzliche Themen, wie die Pflicht, das Leben von geflüchteten und migrierten Menschen zu retten, gegen erzwungene Migration vorzugehen und das Recht der Menschen auf Gleichheit vor dem Gesetz (ebd.).

Dennoch bezeichnen Angenendt und Koch die „internationale flüchtlings- und migrationspolitische Zusammenarbeit […] [als] fragmentiert […] [und] einen Flickenteppich an regionalen oder bilateralen Abkommen und Koordinationsmechanismen“ (ebd. 2017, S. 15). Autoren wie Bretts und Collier (2017, S. 18) kritisieren, dass die nationale Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention unterschiedlich erfolgt, was dazu führt, dass “Flüchtlinge mit den gleichen Schicksalen […] in manchen Ländern das Recht auf Asyl [erhalten] und in anderen nicht“. Auch die Verteilung der geflüchteten Menschen zwischen den Nationalstaaten ist international umstritten und Dick et al. (2017) kritisieren das Fehlen von globalen “normativen Standards”, wodurch eine „institutionelle Fragmentierung“ entsteht.

„Daher bedarf es in Ergänzung zu regionaler Migrationsgovernance auf globaler Ebene verbindliche, universelle Mindeststandards in Form völkerrechtlich verankerter Rechte und Schutznormen für Flüchtlinge und Migranten. Gleichzeitig sollte die regionale Ebene gestärkt werden. Denn sie kann wichtige Impulse für die Ausweitung von Schutznormen und die Umsetzung geordneter, sicherer und regulärer Migrationsbedingungen liefern“ (Dick et al. 2017, S. 1).

2.1. Angefochtene europäische Schutzstandards

In Europa werden sichere Zugangswege und hohe Zuzugszahlen4 politisch und gesellschaftlich kontrovers diskutiert. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) steht seit 1999 auf der politischen Agenda der EU (BAMF 2019, o. S.). In diesem Zusammenhang wurden bisher die Asylverfahrensrichtlinie5 , die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen6 , die Qualifikationsrichtlinie7 , die Dublin-III-Verordnung8 und die Eurodac-Verordnung9 erlassen.

Im September 2020 wurde von der EU-Kommission das Paket für Migration und Asyl vorgestellt. Dem Beschluss war die humanitäre Katastrophe des Brandes des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos vorausgegangen (Kohlenberger et al. 2023, S. 4). In diesem Paket wurden drei Grundpfeiler der Europäischen Asylpolitik formuliert: effiziente Asyl- und Rückführungsverfahren, Solidarität und gerechte Aufteilung der Verantwortung und verstärkte Partnerschaften mit Drittländern (Europäische Kommission 2023, o. S.). Da dieses Richtlinienpaket nicht die Zustimmung aller EU-Partner erhielt, sollte ein Reformprozess angeschoben werden, der sich jedoch aufgrund der Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verzögerte. Währenddessen etablierten einige Länder illegale Push-Back-Vorgehen10 (u.a. Polen an der polnisch-belarussischen Grenze oder Griechenland in der Ägäis), ohne dass Brüssel dagegen vorging (Kohlenberger et al. 2023, S. 4). So sehen Kohlenberger et al. diese „mangelnde Rechtsdurchsetzung und das Ausbleiben von Sanktionen gegenüber jenen Staaten, die EU-Asylregeln brechen“ (ebd., S. 5) als Grundprobleme der angestrebten Reform

Als Reaktion plant die EU-Kommission, die seit 2015 diskutierte Asylreform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu verabschieden, um Streitthemen der europäischen Länder, wie unter anderem irreguläre Migration, zu verringern (Europäische Kommission 2023, o. S.). GEAS sieht einen Solidaritätsmechanismus zur Aufnahme und Verteilung von geflüchteten Menschen vor, die Installation von Grenzverfahren und die Sicherung der europäischen Außengrenzen. Der Solidaritätsmechanismus beispielsweise hält verschiedene Vorgehensweisen für die europäischen Länder bereit, sodass EU-Länder wählen können:

„Staaten können wählen, ob sie Schutzsuchende aus anderen EU-Staaten aufnehmen oder andere Beiträge leisten, wie finanzielle Unterstützung, Entsendung von Personal oder technische Ausrüstung. Auch Finanzierungen von Grenzschutz- oder Migrationskontrollpolitiken in Staaten außerhalb der EU sollen angerechnet werden können. Der Beschluss sieht zudem vor, zunächst mindestens 30.000 Geflüchtete pro Jahr umzuverteilen“ (Engler 2023, o. S.).

Mithilfe der geplanten Asylverfahrensordnung soll der Kreis der Personen vergrößert werden, über deren Asylanträge in sogenannten „Grenzverfahren“ (Kießling/Kienzle 2023, o. S.) entschieden wird. Das Asyl-Grenzverfahren bezieht sich auf Personen, deren Chancen auf einen positiven Asylbescheid als kritisch angesehen werden, unter anderem aufgrund der Herkunft aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ (ebd.). Das Grenzverfahren soll unter „verkürzten Rechtsmittelfristen“ (ebd.) entschieden werden, was einen Zeitraum von bis zu 12 Wochen umfasst.

Sowohl Wissenschaftler:innen als auch Jurist:innen befürchten, dass durch das beschleunigte Verfahren geflüchtete Menschen mit eigentlich triftigen Asyl-Gründen durch „das Raster fallen“ (Pichl 2023, o. S.). Asylanträge könnten aus zeitlichen Gründen nicht ausführlich geprüft werden, wodurch individuelle Situationen ausgeblendet werden. Ferner besteht die Sorge, dass die juristische Unterstützung, auf die die Asylsuchenden einen Anspruch haben, an den Grenzen nicht gewährleistet werden kann (ebd.). Diese Grenzverfahren sollen in „Asylzentren an EU-Außengrenzen“ (Krause 2023, o. S.) entschieden werden, die „haftähnliche Einrichtungen darstellen“ (ebd.). Diese Asylzentren, die Krause als „Lager“ (ebd.) bezeichnet, sind ein „politisches Vehikel zur Abschreckung“ (ebd.). Globale Beispiele solcher Lager dokumentieren prekäre Zustände, ausgeprägte Gewalt, insbesondere genderbasiert, „restriktive Verhältnisse“ (ebd.) für die Lager-Bewohner:innen und eine Aufenthaltsdauer, die sich bis auf Jahrzehnte ausdehnen kann. Mittels einer zusätzlich installierten europäischen „Krisenverordnung“ kann der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter „haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden“ (taz 2023, o. S.).

Braunsdorf (2019) fasst zusammen, dass es insgesamt eher um Fragen des „Management[s] von Migranten“ (ebd., S. 171) gehe, die mit Zielen der Steuerung und Kontrolle grenzüberschreitender Mobilität von Menschen verbunden werden, als um humanitäre Ziele, wie den (Gewalt)Schutz der geflüchteten Menschen und ihre nachhaltige Versorgung und Integration.

2.2. Restriktivere deutsche Asylpolitik

Aufgrund der erneut hohen Zuzugszahlen von Asylbewerber:innen 202311 wurden auch in Deutschland die politischen und gesellschaftlichen Forderungen nach einer Reform der Asyl- und Flüchtlingspolitik lauter. So veranlasste Innenministerin Nancy Faeser eine temporäre und mobile Kontrolle der deutschen Außengrenzen zu Tschechien und Polen, um Schleusertätigkeiten zu ahnden (Zeit Online 2023b, o. S.). Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, im Zusammenhang mit der Diskussion über ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS), dass auch auf nationaler Ebene Veränderungen geplant sind, wie ein Musterabkommen für Mobilitätsabkommen zur schnelleren Rückführung abgelehnter Asylbewerber:innen,12 die Digitalisierung der Ausländerbehörden, weitere „sichere Herkunftsländer“ und ein geplantes Gesetzespaket für die Bundesländer, auf dessen Grundlage die Zahl der Rückführungen in Heimatländer erhöht werden soll (Zeit Online 2023a, o. S.). Darüber hinaus plant Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein Programm für Migrant:innen mit Bleibeperspektive, insbesondere Ukrainer:innen, die mithilfe der Bundesagentur für Arbeit schneller in eine Erwerbstätigkeit vermittelt werden sollen (Tagesschau 2023a, o. S.).

2.3. Schutzstandards unter Druck

Vor dem Hintergrund dieser europäischen und nationalen Entwicklungen lässt sich beobachten, dass die nachhaltige Versorgung und Integration von geflüchteten Menschen und deren Schutz innerhalb Deutschlands, in den Hintergrund der öffentlichen Debatten geraten. Zwischen Bund und Ländern wird über die Finanzierung der Unterbringung und Integrationsleistungen gerungen, wobei die Aufnahmekapazitäten der Kommunen oft im Zentrum der Debatten stehen (Tagesschau 2023b, c, o. S.). Ein Appell von UNICEF, der zum Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern am 06.11.2023 erschien, ermahnt, dass die politischen Debatten sich derzeit auf Themen der „Abschottung und Abschiebung“ (UNICEF 2023a, S. 1) fokussieren und nicht auf die Frage, wie eine bessere Integration gelingt. Darüber hinaus geraten vor allem vulnerable Gruppen bei der Debatte in Vergessenheit, wie geflüchtete Menschen in Deutschland, die unter 18 Jahre alt sind und ein Drittel der Geflüchteten ausmachen.“ (ebd.).

3. Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften

Um der fehlenden Standards in Unterkünften für geflüchtete Menschen entgegenzuwirken und Schutzlücken zu schließen, wurde bereits im Juli 2016 das Konzept „Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften“ (BMFSFJ/UNICEF 2016), später „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ (BMFSFJ/UNICEF 2021), vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und zahlreichen NROs erstellt.13 Mithilfe zivilgesellschaftlicher Organisationen wollte die Initiative  fehlende konzeptionelle Lücken im Gewaltschutz schließen und die Etablierung von Schutzstandards in deutschen Geflüchtetenunterkünften unterstützen (Bergedieck 2020, S. 96f.; UNICEF/DIMR 2020).

3.1. Umsetzung der Mindeststandards

Um die Umsetzung der Mindeststandards in der Praxis zu fördern, wurde das Bundesprogramm „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ initiiert und zwischen dem 01.06.2016 bis zum 31.12.2018 durchgeführt (Bundesinitiative 2023a, o. S.). Das vom BMFSFJ finanzierte Interessenbekundungsverfahren „Koordinationsstellen für Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften“ beinhaltete die Förderung von insgesamt 100 Vollzeitstellen mit einem Gehalt von 40.000 Euro je Stelle für den Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften (BMFSFJ 2017, o. S.). Zunächst wurde das Programm in einer Pilotphase, die in der zweiten Hälfte 2016 begann, in 25 Geflüchtetenunterkünften getestet. Nach der erfolgreichen Pilotphase kamen 2017 insgesamt 75 weitere Geflüchtetenunterkünfte hinzu. Die Vollzeitstellen wurden zu 67 Prozent in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften installiert und zu 25 Prozent in Landeserstaufnahmeeinrichtungen. Der übrige Teil wurde auf Notunterkünfte und dezentrale Unterkunftsprojekte aufgeteilt (Bundesinitiative 2023, o. S.). Um eine gleichmäßige Verteilung der Vollzeitstellen unter den Bundesländern zu gewährleisten, orientierte sich das Programm am Königsteiner Schlüssel14 (ebd.).

Die Ausbildung der Gewaltschutzkoordinator:innen erfolgte mit Hilfe von UNICEF-Schulungen, Prozessbegleitungen und Austauschtreffen. Gewaltschutzkoordinator:innen waren dafür zuständig, die „partizipative Entwicklung und Umsetzung von einrichtungsspezifischen Schutzkonzepten sowie kinderfreundlichen Orten“ (ebd.) umzusetzen. Eigene Forschungsergebnisse zeigen, dass Gewaltschutzkoordinator:innen darüber hinaus sowohl für Bewohner:innen (u.a. zu rechtlichen Fragen und Anliegen) als auch für Mitarbeiter:innen in der Unterkunft hinsichtlich ihres Fachwissen bezüglich Kinderschutzmaßnahmen, standardisierten Abläufen bei Gewaltvorkommen und Maßnahmen zur Gewaltprävention als Ansprechpersonen fungierten (Zimmermeier et al. 2019, S.20). Für die Finanzierung von baulichen Veränderungen, u.a. die Einrichtung kinderfreundlicher Räume, wurden vom BMFSFJ „vergünstigte Investitionskredite bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)“ (BMFSFJ 2017, o. S.) bereitgestellt.

Die nach 2018 fehlende Präsenz von Gewaltschutzkoordinator:innen in Unterkünften für Geflüchtete soll durch Anschlussprojekte des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aufgefangen werden. Das 2019 gestartete Projekt „Dezentrale Beratungs- und Unterstützungsstruktur für Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften“ (DeBuG), finanziert vom BMFSFJ und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, beschäftigt erfahrene Multiplikator:innen für Gewaltschutz. Diese agieren an sieben Standorten im gesamten Bundesgebiet, wo sie Organisationen in der Flüchtlingshilfe (freie Träger, Kommunen, Landesbehörden) in Fragen zum Gewaltschutz und der Erstellung und Implementierung von einrichtungsspezifischen Schutzkonzepten, beratend zur Seite stehen. Das bis Ende 2023 finanzierte Projekt bietet ferner kostenlose Online-Seminare (Bundesinitiative 2023a, o. S.) an, um Themen wie Gewaltschutz und die Umsetzung der Mindeststandards zu vermitteln.

3.2. Eigene Forschungsergebnisse zur Unterbringungssituation von geflüchteten Menschen

Eigene Forschungsergebnisse15, sowie Bewohner:innen von Geflüchtetenunterkünften. Darüber hinaus wurden 2017 in Unterbringungseinrichtungen für geflüchtete Menschen mehrere teilnehmende Beobachtungen (u.a. bei Deutschkursen, Frauentreffs, Mitarbeiter:innen-besprechungen) durchgeführt. Ferner wurden Dokumente der Kooperationspartner:innen (u. a. kommunale Beschlüsse, Verordnungen, Leistungsbeschreibungen, sowie Sicherheits- und Handlungskonzepten von Seiten der kommunalen Verwaltung als auch der freien Träger) analysiert und ausgewertet. Die folgenden Artikel wurden bereits veröffentlicht: Rosenow-Williams/Behmer-Prinz/Bergedieck (2023): Die kommunale Unterbringung von geflüchteten Menschen. In: Neue Caritas – Migration und Integration Info, 2/Juni 2023; Rosenow-Williams/Behmer-Prinz/Bergedieck (2023): Unterbringung von geflüchteten Menschen: Kommunale Realitäten. In: Blaupause – der Blog der UNO Flüchtlingshilfe; Behmer-Prinz/Bergedieck/Rosenow-Williams (2022): Die Praxis der kommunalen Unterbringung von geflüchteten Menschen zwischen 2015 und 2019: Eine akteurszentrierte Analyse der Umsetzung von Schutzstandards. In: The Journal of International Law of Peace and Armed Conflict/ Humanitäres Völkerrecht (JULPAC / HuV), Heft 1 – 2; Weber/ Rosenow-Williams (2022): Kinderschutz in Unterkünften für geflüchtete Menschen, in: J. O. Kleist et al. (Hrsg.), Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften: Theorie, Empirie und Praxis, Transcript, Bielefeld; Zimmermann/ Rosenow-Williams/ Behmer-Prinz/Bergedieck (2019): Refugee Protection Standards in Transition: Studying German NGOs and Public Administrations. In: Refugee Survey Quarterly; Rosenow-Williams/Zimmermann/Bergedieck (2019): Human Security Perspectives on Refugee Children in Germany, in: Children & Society 33 (3) (2019), S. 253–269.)) zeigen, „dass Schutzstandards in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland 2020 höher sind als in 2015“ (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 16). Die Forschung thematisiert die Unterbringungssituation von geflüchteten Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, unabhängig von ihrem rechtlichen Status oder ihrem Flucht- oder Migrationsgrund und anhand des Vorhandenseins von gesetzlichen Regelungen und/oder von organisations- oder behördeninternen Gewaltschutzkonzepten. Für einen Vergleich der Veränderungen von Schutzstandards wurde die Forschung in einem Untersuchungszeitraum von fünf Jahren (2015-2020) in zwei Kommunen in Nordrhein-Westfalen (NRW) durchgeführt  (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 17ff.). Die Forschung zeigte, dass der Phase des Krisenmanagements (2015-2016), eine Phase der Professionalisierung (2016-2018) folgte (siehe Abb. 1). Die von uns erwartete Phase der Verstetigung (ab 2019) ist jedoch durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine von einer erneuten Phase des Krisenmanagements überlagert worden. Die Phase des erneuten Krisenmanagements verhinderte sowohl eine Verstetigung der Professionalisierung als auch Reformen, wie sie in einer Studie von Schammann und Kühn (2016) gefordert werden. Sie argumentieren, dass „Schnittstellen der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen Reibungsverluste […] [ergeben], die durch Reformen behoben werden können” (ebd., S. 3.). Auch ist zu konstatieren, dass die Umsetzung in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich ausfällt, wie eine Studie von UNICEF und dem DIMR (2020) analysierte.  Die Gründe hierfür werden im fünften Kapitel genauer analysiert.

Abbildung 1: Charakteristika der drei Entwicklungsphasen im organisationalen Feld (2015–2020); Quelle: Behmer-Prinz et al. 2022, S. 31.

4. Handlungsspielräume der nachhaltigen lokalen Migrationsgovernance

Nun stellt sich vor dem Hintergrund der skizzierten aktuellen europäischen und nationalen migrationspolitischen Entwicklungen die Frage, welche Governance-Mechanismen es ermöglichen, die Situation in Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Ferner steht zur Disposition, wie die Umsetzung der bislang noch nicht flächendeckend verbindlich verankerten deutschen „Mindeststandards zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften” zu mehr Nachhaltigkeit im komplexen Mehrebenensystem der Migrationsgovernance beitragen können und welche Akteure und Entscheidungen es für die notwendige Verstetigung von Schutzstandards bedarf.

4.1. Governance als analytisches Konzept

Governance als analytisches Konzept der Politikwissenschaft wird definiert als eine Form der „Regelung“ (Mayntz 2009, S. 41) von kollektiven gesellschaftspolitischen Problemen. Die „Governance“-Perspektive nimmt dabei die „Regelung“ eines bestimmten Problemfeldes als Ganzes in den Blick (Mayntz 2009, S. 42ff.). Migrationsgovernance ist demnach ein spezielles Politikfeld mit einem “kombinierten Rahmen von Rechtsnormen, Gesetzen und Verordnungen, Politiken, Traditionen und Organisationsstrukturen”, die das Handeln von Staaten und anderen Akteuren in Bezug auf Migration beeinflussen (IOM 2019, S. 138, übersetzt durch die Autorinnen).

“The objectives of a sound migration governance should be to seek to “advance the socioeconomic well‐being of migrants and society; to provide an effective response to the mobility dimension of crises; and to ensure that migration takes place in a safe, orderly and dignified manner” (ibid.). States are the primary actors in migration, mobility and nationality issues and have the responsibility to govern migration at the national and international levels. However, other actors – citizens, migrants, international organizations, the private sector, unions, non‐governmental organizations, community organizations, religious organizations and academia – also contribute to migration governance” (ebd., S. 139).

Ziel der Governance-Forschung ist es u. a., die Strukturen der Entscheidungsfindung und -umsetzung offenzulegen sowie darzustellen, welche formellen und informellen Akteure an diesen Prozessen beteiligt sind (UNESCAP 2009, S. 1). Als wesentliches Merkmal gilt erstens, dass Entscheidungsprozesse im Gegensatz zum klassischen Steuerungsmodell weniger ausschließlich vom Staat und mehr unter Einbezug der Gesellschaft gefällt werden.

Von Governance im Mehrebenensystem (multi-level governance MLG) kann man nach Caponioa und Jones-Correa (2018) sprechen, wenn vertikale staatszentrierte Hierarchien unterwandert werden, weil sich Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen überlappen, grenzüberschreitende Verflechtungen und Abhängigkeiten bestehen, nicht-staatliche Akteure involviert sind und der Governance-Prozess daher eine Form der Aushandlung darstellt:

„[…] in order to consider a specific policy-making arrangement as an instance of MLG , i.e.: (1) it has to challenge vertical, state-centered formal hierarchies of distribution of power and responsibility, and, at least to some extent (even though as we will show this is still an open matter in the literature), state/society boundaries; (2) actors in MLG arrangements have to be interdependent in the sense that a certain policy cannot be carried out by just one level of government, but requires the involvement of other tiers and eventually of nonpublic actors; and (3) this interaction should imply some degree of bargaining and negotiation among all of the involved institutions and actors“ (ebd., S. 1996).

„Lokale Governance“ bezieht sich speziell auf Governance-Beziehungen im lokalen Kontext und umfasst unterschiedliche Formen der Interaktion „zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren“ (Walter 2017, S. 18). Kommunen gelten einerseits als Paradebeispiel für bürgernahe Demokratie. Andererseits stehen die Kommunen unter der Aufsichtspflicht der Länder und sind an die Durchsetzung von Bundes- und Landesgesetzen gebunden, (ebd., S. 28). Weitere Handlungseinschränkungen ergeben sich durch begrenzte finanzielle Ressourcen bzw. finanzielle Abhängigkeiten von Bund, Ländern und der EU. Die Migrations- und Integrationsverwaltung in Deutschland gilt im föderalen System in Deutschland als Verwaltungsbereich mit sehr zersplitterten und undurchsichtigen Zuständigkeiten (Bogumil/ Hafner 2020, S. 127).

4.2. Street-Level-Bureaucracy

Durch das föderale System und die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen in Bezug auf die Flüchtlingshilfe ergibt sich ein großer Ermessensspielraum bei der Umsetzung von Standards und der Versorgung und Unterbringung geflüchteter Menschen (Schammann/Kühn 2016, S. 35). Schammann und Kühn (2016) argumentieren, dass „die Pflichtaufgaben […] von den Kommunen selbst als wenig gestaltbar wahrgenommen [wurden], doch die gelebte Umsetzungspraxis führte zu einer erheblichen Variationsbreite kommunaler Flüchtlingspolitik” (ebd.). Diesen bürokratischen Ermessensspielraum dokumentiert Lipsky in seiner Studie zu „Street-Level Bureaucracy“ (2010). So agieren „Street-Level Bureaucrats“ u. a. als Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes, die beispielsweise in der Verteilung von kommunalen Leistungen und Sanktionen wirken und die in der Flüchtlingshilfe eine wichtige Größe darstellen (Lispky 2010, S. xif.). Lipsky betont, dass „Street-Level Bureaucrats“ nur einer administrativen Selbstkontrolle unterliegen und unabhängig der direkten Kontrolle von Vorgesetzten bzw. der Öffentlichkeit agieren (Gilson 2015, S. 1; Lipsky 2010, S. 84f.). Die Personen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen (müssen), werden zu „bürokratischen Subjekten“ (Gilson 2015, S. 3; Lipsky 2010, S. xvi;), die den Routinen, den eventuellen Stereotypisierungen und Bevorzugungen der „Street Level Bureaucrats“ ausgeliefert sind. So wird das Handeln der „Street-Level Bureaucrats“ politisch:

„To put it another way, the routines, simplifications, and low-level decision-making environments of street-level bureaucracies are political. To say that their actions are political is to indicate that some people are aided, some are harmed, by the dominant patterns of decision making“ (Lipsky 2010, S. 84).

Lipsky zeigt mit seiner Forschung, wie der bürokratische Spielraum des föderalen Systems Entscheidungsträger:innen eine autonome Macht gibt, ohne diese unter Monitoring-Mechanismen zu stellen. Darüber hinaus fehlt es nicht nur an Monitoring Maßnahmen, sondern auch an Austauschformaten, wie Schammann und Kühn (2016) konstatieren:

„Gerade diejenigen Behörden, die im Rahmen der Pflichtaufgaben die wichtigsten Entscheidungskompetenzen haben (Ausländerbehörden, Ordnungs- und Sozialämter) tauschen sich deutlich seltener aus. Außerdem fehlt es an ressortübergreifenden Austauschgremien, bei denen eine ganzheitliche Sicht auf kommunale Flüchtlingspolitik eingenommen wird” (ebd., S. 36).

Die fehlende Einheitlichkeit im föderalen System und das Vertrauen auf Selbstkontrolle wichtiger Akteure, hat erhebliche Auswirkungen auf die nachhaltige Versorgung und Integration geflüchteter Menschen in Deutschland, wie in dem folgenden Kapitel diskutiert wird.

5. Mehrebenenanalyse der nachhaltigen Governance von Mindeststandards für geflüchtete Menschen in Deutschland

Aufbauend auf den theoretischen Konzepten im Mehrebenensystem der Migrationsgovernance werden im folgenden Kapitel zunächst die Bundesebene und ihre Gestaltungskompetenzen, dann die Ebene der Bundesländer und anschließend die Ebene der Kommunen analysiert. Zudem wird erörtert, welche Handlungsspielräume sich bei den individuellen Betreibern von Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen ergeben. Dabei wird den folgenden Fragen nachgegangen:

  1. Welche Anzeichen lassen sich auf den verschiedenen Verwaltungsebenen der Migrationsgovernance sowie bei den Betreiberorganisationen im Hinblick auf die nachhaltige Institutionalisierung und Umsetzung von Gewaltschutznormen identifizieren?
  2. Wie können die Mindeststandards zu mehr Nachhaltigkeit im komplexen Mehrebenensystem der Migrationsgovernance beitragen und welche Akteure und Entscheidungen bedarf es für die notwendige Verstetigung?

5.1. Die Bundesebene im Kontext der Governance von Mindeststandards

Im Zuge der starken Fluchtbewegung 2015/2016 nach Europa und Deutschland wurden Schutzlücken im Bereich der europäischen und der nationalen Flüchtlingshilfe, insbesondere im Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften, sichtbar (Rabe 2015, S. 3). Grundsätzlich ist eine menschenwürdige Unterbringung geflüchteter Menschen, insbesondere vulnerabler Gruppen durch internationale Abkommen (wie der UN-Kinderechtskonvention (UNICEF 2022), dem UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)16 , dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Europäischen Charta für Menschenrechte (Europäische Union 2000) und der Istanbul-Konvention17 vorgeschrieben (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 15; Bergedieck 2020, S. 94f.; BMFSFJ/UNICEF 2021, S. 9f.). Die EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (Europäische Union 2013b) formuliert für alle Mitgliedstaaten verpflichtende Standards für die Aufnahme von Asylsuchenden.

In Deutschland sind Bestimmungen zur Aufnahme vor allem im Grundgesetz (gemäß Artikel 16a i.V.m. Artikel 1 Grundgesetz (GG) und im Asylgesetz (AsylG) (§ 44 Abs. 2a AsylG)) geregelt. Als wichtigen gesetzlichen Meilenstein zur Umsetzung der Schutz-Verpflichtungen von Seiten der Bundesregierung ist das 2019 beschlossene „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausweispflicht“ (Bundesregierung 2019, o. S.) zu nennen, welches „erstmalig eine bundesweite Verbindlichkeit zum Gewaltschutz in Unterkünften für geflüchtete Menschen“ (ebd.) vorsieht.

Mit den Änderungen im Asylgesetz 2022 werden die Länder in § 44 Abs. 2a AsylG und die Kommunen in § 53 Abs. 3 AsylG ebenfalls in die Verantwortung genommen „geeignete Maßnahmen zu treffen, […] um den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten“ (BMJ 2022, o. S.). Die “geeigneten Maßnahmen” sind jedoch nicht spezifiziert und unterliegen dem Ermessensspielraum der Länder, Kommunen und schließlich der Betreiber der Geflüchtetenunterkünfte.

Beim Flüchtlingsgipfel am 06.11.2023 zwischen Bund und Ländern wurden weitere Änderungen beschlossen. So sollen geflüchtete Menschen aus Ländern, deren Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, innerhalb von drei Monaten einen Asylbescheid erhalten (Tagesschau 2023d, o. S.). Mit diesem Beschluss scheint sich die Bundesregierung an der EU-Asylverfahrensordnung mit verkürzten Rechtsmittelfristen zu orientieren. Der Bund hat somit insgesamt in den letzten Jahren auf legislativer Ebene verschiedene nachhaltige Veränderungen bewirkt.

Wie im vorherigen Kapitel schon angeführt, geraten (Mindest-)Standards für die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen in der derzeitigen politischen Debatte stark in den Hintergrund. Insbesondere die finanzielle Herausforderung der Länder, die für die Kosten der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen verantwortlich sind, stehen aktuell im Vordergrund. In diesem Rahmen hat der Bund im Mai 2023 zugesichert, die „Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen, damit die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren“ (Bundesregierung 2023, S. 3). Der Bund übernimmt ab 2024 eine Pro-Kopf-Pauschale (7.500€) für jede:n Asylbewerber:in, es werden Leistungskürzungen für Asylbewerber:innen stattfinden und es soll voraussichtlich eine Bezahlkarte statt Bargeld ausgegeben werden.

Zusätzlich wurde angekündigt, eine Kommission auf Bundesebene einzurichten, um Fragen „der Steuerung der Migration und der besseren Integration“ (ebd.) abzustimmen. Für diese Kommission sollen “gesellschaftliche Gruppen einbezogen werden – zum Beispiel Kirchen und Gewerkschaften, aber auch Wissenschaftler und Vertreter von Organisationen, die sich für die Belange von Asylbewerbern einsetzen“ (ebd.). Mit dem stärkeren Einbezug der Zivilgesellschaft wird auch ein Aspekt des UNICEF-Appells Folge geleistet werden, in dem UNICEF Deutschland zusammen mit 27 Organisationen, Stiftungen und Verbänden forderte, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in bundes- und länderpolitischen Beschlüssen mehr einbezogen werden müssten und an der Migrationsgovernance stärker zu beteiligen sind (UNICEF 2023a, S. 1).

Der von UNICEF und den Partner-Organisationen formulierte Appell ist ein Beispiel für die Advocacy Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Bundesebene. Weitere Beispiele sind die Kampagnenarbeit (u.a. von UNICEF (2023b), der Kindernothilfe (2023a) oder Plan International (2023a)), öffentliche Stellungnahmen (u.a. Kindernothilfe 2023b) und Netzwerke und Bündnisse (u.a. Plan International 2023b) u. a. auch die bereits seit der Initiative für die Mindeststandards etablierte langjährige Zusammenarbeit zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft und dem BMFSFJ.

5.2. Die Länderebene im Kontext der Governance von Mindeststandards

„Nach der Asylgesetzänderung von 2019 sind die Länder laut § 44 (2a) AsylG und die Kommunen laut § 53 AsylG verpflichtet worden, Schutzstandards einzuführen. Die Umsetzung in jeder einzelnen Unterkunft ist jedoch nicht ausreichend evaluiert und Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen werden bislang von Land zu Land unterschiedlich interpretiert“ (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 16; UNICEF/DIMR 2020, S.13 ff.).

Die Handhabung der Aufnahme und Versorgung von geflüchteten Menschen liegt nach §44 Abs.1 AsylG in der Verantwortung der Länder (Engler/Sußner 2022, S. 140). Antragstellende auf Asyl haben nach §47 AsylG „eine gesetzliche Pflicht“ (ebd.) in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zu wohnen.18 In diesen Einrichtungen erfolgen „u. a. die Registrierung, die erkennungsdienstliche Erfassung, die medizinische Erstversorgung und insbesondere die Stellung des Asylantrags einschließlich Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)“ (UNICEF/DIMR 2020, S. 9). Gewaltschutzmaßnahmen variieren in Abhängigkeit vom Bundesland sehr stark (Engler/Sußner 2022, S. 145). So haben 11 Bundesländer zwischen 2016 und 2023 eigene Gewaltschutzkonzepte, meist mit Fokus auf die Landes-(Erst-)-Aufnahmeeinrichtungen, publiziert (Bundesiniative 2023b, o. S.). Die Umsetzung der Konzepte ist jedoch nicht immer verbindlich:

„Auf untergesetzlicher, jedoch trotzdem rechtlich verbindlicher Ebene, verfügt nahezu kein Bundesland über ein Gewaltschutzkonzept, welches landesweit für alle Unterkünfte für asylbegehrende Menschen gilt – und nicht nur für die Unterkünfte, die von den Ländern selbst betrieben werden“ (UNICEF/DIMR 2020, S. 29).

Bayern wird in der von UNICEF und dem Institut für Menschenrechte (DIMR) 2020 veröffentlichten Studie als Ausnahme aufgezählt, da sich dessen „Schutzkonzepte […] auf alle Formen der Unterbringung von Asylsuchenden bezieht – auch die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften“ (ebd.). Bezogen auf die Mindeststandards geben Engler und Sußner an, dass nur in Baden-Württemberg die Mindeststandards im Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und der Durchführungsverordnung (DVO FlüAG) aufgeführt sind (ebd. 2022, S. 145).

5.3. Die kommunale Ebene im Kontext der Governance von Mindeststandards

Nach dem Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung sollen geflüchtete Personen in kommunale Gemeinschaftsunterkünfte bzw. in eigenen kommunalen Wohnraum vermittelt werden. Auch die Kommunen agieren in der Ausgestaltung der Versorgung und Unterbringung von geflüchteten Menschen weitgehend autonom. Eigene Forschungen zeigten, dass es 2015/2016 zu einer Überforderung der verantwortlichen Organisationen kam, deren Fokus zunächst dem reinen Belegungsmanagement (hauptsächlich in provisorischen Unterbringungen) galt, um Obdachlosigkeit von geflüchteten Menschen zu verhindern (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 25; Bergedieck 2020, S. 111f.). Die Überforderung der Kommunen, aber auch der im organisatorischen Feld der kommunalen Flüchtlingshilfe agierenden Akteure (NGOs etc.), begründete sich auch im Fehlen standardisierter einheitlicher Verfahren für die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen (Bergedieck 2020, S.114; Rosenow-Williams et al. 2023a, S. 4).

Die Zuwanderung von ukrainischen Geflüchteten im Jahr 2022 zeigte jedoch deutlich die Lücke von verbindlichen Standards in der kommunalen Unterbringung. Insgesamt sind 2022 1.188.440 Schutzsuchende, davon 959.605 ukrainische Staatsbürger, nach Deutschland geflohen (Destatis 2023, o. S.). Die Erfahrungen aus den Jahren 2015/2016 halfen den Kommunen, professioneller mit der herausfordernden Situation umzugehen und somit eine Überforderung von verantwortlichen Organisationen zu verhindern (Rosenow-Williams 2023 et al., S. 4). Doch fehlende Standards führten dazu, dass erneut provisorische Notunterkünfte (u. a. Turnhallen, Container, Wohnzelte) errichtet wurden, da es an adäquaten Alternativen mangelte (AWO Bundesverband e.V. et al. 2023, S.4; Rosenow-Williams et al. 2023a, S. 4). Aktuelle Studien belegen, dass diese Art der Unterbringung die schlechteste Variante aller verfügbaren Möglichkeiten ist, geflüchtete Menschen zu beherbergen, insbesondere „wenn aus dem Not- ein Dauerzustand wird“ (Kühn/Schlicht 2023, S. 5; UNICEF 2023c). Die Erfahrungen der ehemalige Multiplikatorin für Gewaltschutz in Baden-Württemberg, Rahel Köpf, zeigen das Dilemma der fehlenden Standards in Bezug auf die Unterbringung von LSBTI*19 Geflüchteten: „Allerdings bleibt für viele aufgrund der fehlenden Schutzmöglichkeiten in Sammelunterkünften nur die Option, „unsichtbar“ zu bleiben“ (Köpf 2023, S. 18).

„Die Gründe dafür, dass sich die Situation für Geflüchtete mit besonderen Schutzbedarfen speziell in der kommunalen Unterbringung sehr uneinheitlich und vielerorts unzureichend darstellt, ist vielschichtig. Die Kommunen gestalten ihre Handlungsspielräume und Zuständigkeiten in Bezug auf die Unterbringung, den Schutz, die Versorgung- und Integrationsangebote für Geflüchtete ganz unterschiedlich aus” (Töpfer 2023, S. 6).

Auf kommunaler Ebene wird der Handlungsspielraum der Kommunen als street-level bureaucrats vor allem im Bereich der Vergabeverfahren von Not- und Gemeinschaftsunterkünften an freie Träger sichtbar. Das Vergabeverfahren und die damit verbundenen Auflagen für die freien Träger, basiert auf dem n Ermessensspielräume der Kommune. An dieser Stelle sind auch positive Beispiele zu nennen, wo die Länder und Kommunen das Instrument der Ausschreibung zunehmend bewusst nutzen, um bessere Qualität in der Leistungserbringung in Bezug auf Sammelunterkünfte zu erzielen“ (Sandhop 2023, S. 12).

Die Erfahrungen der (ehemaligen) Gewaltschutz Multiplikator:innen Köpf, Töpfer und Sandhop, verdeutlichen die Freiheiten der kommunalen Entscheidungen im Bereich der Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen. Ob und wenn ja, wie Kommunen höhere Standards implementieren, unterliegt ihrem Ermessensspielraum, obwohl festzuhalten ist, dass dies zu einer Verbesserung des Gewaltschutzes maßgeblich beitragen kann (ebd.).

5.4. Die Ebene der Unterkunft im Kontext der Governance von Mindeststandards

Unsere Forschung zeigte, dass Kommunen 2015/2016 aufgrund der hohen Zuzugszahlen von Geflüchteten und der damit einhergehenden Herausforderungen (beispielsweise ein Betreuungsschlüssel von Sozialarbeiter:in zu geflüchteter Person von 1:160 – 1:170), Verantwortlichkeiten an Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) übertrugen, vor allem im Bereich der Versorgung (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 25; Bergedieck 2020, S. 111f.). Mittels der übertragenen Verantwortlichkeiten wurden NROs als ausführende Akteure im Feld somit zu erweiterten „Street-Level Bureaucrats“ (Zimmermeier et al., S. 25).

Unsere Forschung zeigte ferner, dass nach der Phase der Überforderung, Phasen der Orientierung und auch der Professionalisierung einsetzten (Bergedieck 2020, S. 114). Diese Phasen vollzogen sich bei den untersuchten Kommunen vor allem auf bürokratischer Ebene (Entwicklung von Unterbringungs- und Betreuungskonzepten, Standardisierung von Unterkünften, Etablierung von Monitoring-Mechanismen wie Überprüfungsprotokolle der Unterkünfte).

Kommunen setzen mittels Ausschreibungen und genauen Leistungsbeschreibungen die Parameter der Arbeit der NROs, wohingegen den freien Trägern ein großer Ermessensspielraum in Bezug auf Personalentscheidungen in den Gemeinschaftsunterkünften zugesprochen wurde. Dabei identifizierte unsere Forschung als Gründe für eine Überforderungen innerhalb der NROs „ad hoc Entscheidungen […] wie die Einstellung von Berufseinsteigern, die keine oder kaum Erfahrung in der Versorge von geflüchteten Personen hatten und häufig auch mangelhaft eingearbeitet wurden“ (ebd., S. 113). Das Gefühl der Überforderung unter NRO-Mitarbeiter:innen war jedoch nicht auf den Zeitraum 2015/2016 begrenzt. So wurden im Jahr 2017 Themen wie die Betreuung von physisch und psychisch kranken geflüchteten Menschen von Mitarbeiter:innen als sehr herausfordernd beschrieben (Behmer-Prinz 2020, S. 29).

Zwei der insgesamt fünf untersuchten NROs, die zwischen 2017 und 2020 von uns qualitativ befragt wurden, professionalisierten 2016/2017 ihre Mitarbeiter:innen mithilfe zivilgesellschaftlicher Organisationen. So wurden Mitarbeiter:innen im Rahmen des UNICEF-Programms zu Gewaltschutzkoordinator:innen ausgebildet. Zum einen gaben diese ihr Wissen an die anderen NRO-Mitarbeiter:innen weiter. Zum anderen wurden die Unterkünfte der NRO hinsichtlich der UNICEF Mindeststandards standardisiert (u.a. mit kinderfreundlichen Räumen und Angeboten, Aushänge für ein Notfalltelefon und Beratungsstellen, abschließbare und getrenntgeschlechtliche Sanitäranlagen sowie genderspezifische Angebote, wie ein wöchentlicher Frauentreff) (ebd.). Darüber hinaus professionalisierte sich eine untersuchte NRO im Bereich der Beratungen (Asylverfahrensberatung, Ausreise- und Perspektivberatung) von geflüchteten Menschen, um sich im kommunalen organisationalen Feld der Flüchtlingshilfe zu spezialisieren (ebd., S. 30).

Zusätzlich gab es eine Professionalisierung innerhalb des gesamten organisationalen Feldes mittels Austauschtreffen (Kommune/NROs) und „Runden Tischen“, aber auch mit externen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Asylverfahren-Beratungsstellen, psychosozialen Flüchtlingshilfen, Migrant:innenorganisationen und die Etablierung von Arbeitskreisen zu bestimmten Themen, z. B. Gewalt gegen Frauen und Mädchen (ebd.).

Aufgrund der oft mangelnden Finanzierung zivilgesellschaftlicher Projekte zur Professionalisierung von Betreiberorganisationen im Kontext der Mindeststandards obliegt die Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter:innen zumeist dem Ermessensspielraum der freien Träger. Schulungen und Weiterbildungen können mittels öffentlich finanzierter Projekte auf Bundesebene gefördert werden, beispielsweise bietet das vom BMFSFJ geförderte Projekt DeBUG kostenlose Online-Seminare zu gewaltschutz-relevanten Themen sowie eine Online-Seminarreihe mit dem Titel „Gewaltschutz in Unterkünften für geflüchtete Menschen – Praktische Umsetzung von Mindeststandards“ an. Zweitens bieten zivilgesellschaftliche Organisationen Schulungen an, hierzu zählen z. B. Angebote von Save the Children (2023) sowie Trainings von UNICEF auf Landesebene.20  Drittens bieten auch  lokale Betreiberorganisationen Schulungen und Weiterbildungen an, die meist im Rahmen ihrer eigenen Angestellten (z.B. ASB21 , DRK22 ) oder themenspezifisch für alle Akteure im organisationalen Feld) durchgeführt werden. Das Engagement der Zivilgesellschaft und der Betreiberorganisationen bei der Umsetzung der Mindeststandards auf lokaler Ebene stellt dabei aufgrund der mangelnden Verbindlichkeit der Standards für Gemeinschaftsunterkünfte sowie des personellen und finanziellen Aufwands zur flächendeckenden Schulung von Personal eine große Herausforderung dar, ist aber gleichzeitig weiterhin ein wichtiger Baustein der lokalen Migrationsgovernance.

6. Fazit

Bezogen auf die erste Fragestellung “Welche Anzeichen lassen sich auf den verschiedenen Verwaltungsebenen der Migrationsgovernance sowie bei den Betreiberorganisationen im Hinblick auf die nachhaltige Institutionalisierung und Umsetzung von Gewaltschutznormen identifizieren”, lassen sich verschiedene Tendenzen in den Bereichen Legislative, Finanzen und Expertenwissen erkennen. Insbesondere auf Bundesebene können die legislativen Veränderungen als nachhaltig bezeichnet werden. Es gibt darüber hinaus die Absicht der Einrichtung einer Kommission „der Steuerung der Migration und der besseren Integration“.Es wäre wünschenswert, dass eine derartige Kommunikationsstruktur eine dauerhafte Beteiligung einschlägiger Expert*innen ermöglicht und damit zur Umsetzung vorhandener Gewaltschutzkonzepte beitragen kann.  Im Hinblick auf Finanzierungszusagen ist keine nachhaltige Tendenz erkennbar. Auf Länderebene fehlt es weitgehend an langfristigen, d.h. gesetzlichen Umsetzungsmechanismen bzgl. Gewaltschutznormen, da nur wenige Bundesländer detaillierte Vorschriften erlassen haben. Auf kommunaler Ebene sind durch Ausschreibungskriterien semi-nachhaltige Verstetigungsprozesse im Hinblick auf die Governance von Schutznormen in Unterkünften für geflüchtete Menschen erkennbar. Die Analyse zeigt ein Forschungsdesiderat im Hinblick auf eine flächendeckende Analyse der Nachhaltigkeit von Verstetigungsprozessen, die alle Dimensionen von Nachhaltigkeit einbezieht und die theoretischen Diskurse zur Migrationsgovernance und Nachhaltigkeit verbindet.

Hinsichtlich der zweiten Frage „Wie die Mindeststandards zu mehr Nachhaltigkeit im komplexen Mehrebenensystem der Migrationsgovernance beitragen können und welche Akteure und Entscheidungen es für die notwendige Verstetigung bedarf“, muss konstatiert werden, dass das Faktum der Unverbindlichkeit der Standards problematisch bleibt. So werden die Mindeststandards als „ethische Grundsatzansprüche für Geflüchtetenunterkünfte“ (Kleist/Zajak 2022, S. 11) angesehen, deren Umsetzung in der Praxis doch meist nur ein „unerfüllter Anspruch“ (ebd.) bleibt.

Mit Ankunft der Ukrainer:innen in Deutschland zeigte sich, dass eine Manifestierung der Professionalisierung nicht auf allen Ebenen stattgefunden hat, speziell im Bereich der Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen. Die Nutzung der zwischen 2015 und 2017 geschaffenen Ressourcen, insbesondere auf personeller Ebene (u. a. Ausbildung von Gewaltschutzkoordinator:innen durch UNICEF und das BMFSFJ), konnte 2022 nicht abgerufen werden, sodass in vielen Not- und Gemeinschaftsunterkünften erneut Personal mit keiner bis wenig Erfahrung in der Flüchtlingshilfe eingestellt wurde (Rosenow-Williams et al. 2023b, o. S.). Das Auslaufen der projektbasierten Fördermittel für lokale Gewaltschutzkoordinator:innen und fehlende gesetzliche bzw. kommunale Vorgaben führten zu einer fehlenden Expertise und schließlich zu Versäumnissen der Professionalisierung, wie im Kontext des Krisenmanagements in 2022 sichtbar wurde. Dabei erschwert die Vergabe der Unterkunftsverwaltung vonseiten der Kommunen, auf Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung gem. Artikel 28 II GG an freie Träger und die damit einhergehende Verlagerung der Verantwortung für die Einhaltung von Schutzstandards in Gemeinschaftsunterkünften, eine flächendeckende Harmonisierung von Schutzstandards (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 16). Zusammenfassend lässt sich dabei festhalten, dass kommunale Akteure und Betreiberorganisationen häufig innerhalb eigener Ermessensspielräume agieren, ohne Monitoring-Mechanismen und Austauschgremien und in den Kommunen anhand von „Soll-Vorschriften” (Schammann/Kühn 2016, S. 35).

Die Lebensbedingungen für geflüchtete Menschen zu verbessern und den Schutz vulnerabler Gruppen zu sichern, sollte aus humanitärer und menschenrechtlicher Perspektive Aufgabe aller im organisationalen Feld der Flüchtlingshilfe beteiligten Akteur:innen sein. Die derzeitigen politischen Entwicklungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene fokussieren sich jedoch unabhängig vom Herkunftsland der geflüchteten Personen eher auf eine Verschärfung von Maßnahmen (wie z. B. haftähnliche Unterbringung), Restriktionen und Abschiebungen als auf eine flächendeckende Standardisierung.

Für die Umsetzung der im deutschen Asylgesetz geforderten „geeigneten Maßnahmen” (§44 AsylG), insbesondere zum Schutz besonders vulnerabler geflüchteter Menschen, „braucht es eine frühzeitige Identifizierung von besonderen Bedarfen“ (UNICEF 2023a., S. 4), doch auf keiner Governance-Ebene findet sich hierfür ein „einheitliches Verfahren zur Identifizierung und [deren] Berücksichtigung“ (ebd.). Das bedeutet, für eine Umsetzung der gesetzlich geforderten Maßnahmen braucht es eine Spezifizierung dieser, z. B. in Anlehnung an die bestehenden Mindeststandards, nachhaltige finanzielle Mittel sowie ein Monitoring der Fortschritte und Umsetzung.  

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Zeit online (2023c): EU-Staaten einigen sich auf Krisenmechanismus der Asylreform, 04.10.2023, online: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-10/migration-eu-asylreform-kompromiss-krisenverordnung-verschaerfte-massnahmen (abgerufen am 05.10.2023).

Zimmermann, Inga; Rosenow-Williams, Kerstin; Behmer-Prinz, Katharina; Bergedieck, Alina (2019): Refugee Protection Standards in Transition: Studying German NGOs and Public Administrations. In: Refugee Survey Quarterly, 39 (1), 2020, S. 76-99, online: https://doi.org/10.1093/rsq/hdz015.

Zitationshinweis:

Bergedieck, Alina, Kerstin Rosenow-Williams und Katharina Behmer-Prinz (2024): Nachhaltigkeit in der Migrationsgovernance, Die Rolle der„Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften”, Forschungspapier, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online verfügbar: https://regierungsforschung.de/nachhaltigkeit-in-der-migrationsgovernance/
This work by Alina Bergedieck, Kerstin Rosenow-Williams and Katharina Behmer-Prinz is licensed under a CC BY-NC-SA license.
  1. „Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, leben häufig über lange Zeiträume in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Sie sind gem. § 47 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) gesetzlich verpflichtet, bis zu 18 Monate lang in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Eine Ausnahme gilt lediglich für Familien mit minderjährigen Kindern; bei ihnen endet die Wohnpflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung nach sechs Monaten. Davon abweichend können die Länder gem. § 47 Abs. 1b AsylG eine Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von bis zu 24 Monaten bestimmen. Im Anschluss an die Unterbringung in der Erstaufnahme werden die Schutzsuchenden auf die Kommunen verteilt und meist einer Gemeinschaftsunterkunft (§ 53 AsylG) zugewiesen.“ (UNICEF/Deutsches Rotes Kreuz/Der Paritätische Gesamtverband 2023, S. 1). []
  2. Organisationale Felder sind […] durch vier Elemente gekennzeichnet: (1) Eine verstärkte Interaktion zwischen Organisationen; (2) klar definierte Hierarchie- und Koalitionsmuster; (3) die Zunahme relevanter Informationen für die betreffenden Akteure; (4) die Entwicklung eines gegenseitigen Bewusstseins der Teilnehmer für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten organisationalen Feld” (Behmer-Prinz et al. 2022, S. 18; DiMaggio/Powell 1983, S. 147-160). Die organisationalen Felder der Flüchtlingshilfe umfassen alle an der Flüchtlingshilfe beteiligten Organisationen, sei es auf lokaler, kommunaler, Landes- oder Bundesebene. []
  3. Unter Migrationsgovernance verstehen wir in Anlehnung an Bretts/Collier (2017) und aufbauen auf Mayntz (2009) eine Form der Regelung des kollektiven gesellschaftlichen Phänomens “Migration”. Auf globaler Ebene übernimmt die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 eine regulatorische Rolle,  zu deren Umsetzung sich 145 Unterzeichnerstaaten verpflichteten (Bretts/Collier 2017, S.17). []
  4. Insgesamt sind in der EU im Jahr 2022 rund 881.220 erstmalige Asylanträge gestellt worden – der höchste Wert seit dem Jahr 2016 (Statista 2023, o. S.). []
  5. Richtlinie zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, 2013/32/EU (Europäische Union 2013a). []
  6. Richtlinie zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, 2013/33/EU (Europäische Union 2013b). []
  7. Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, 2011/95/EU (Europäische Union 2011). []
  8. Das Dublin-Verfahren (EU-Verordnung Nr. 640/2013) ist ein zentraler Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). In dem Verfahren wird anhand von festgelegten Kriterien geprüft, welcher europäische Mitgliedstaat (sowie der Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island) für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist. Das Verfahren soll verhindern, dass eine Person mehrere Asylanträge in mehreren europäischen Ländern stellt (Europäische Union 2014; UNHCR 2023). []
  9. „Verordnung Nr. 603/2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten […] zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist” (Europäische Union 2013c). []
  10. „Pushbacks sind staatliche Maßnahmen, bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Pushbacks verstoßen u.a. gegen das Verbot der Kollektivausweisung, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist” (ECCHR 2023, o. S.). []
  11. 2023 wurden zwischen Januar und August 204.461 Asyl-Erstanträge gestellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Zunahme der Antragszahlen um 77,2 % (BAMF 2023, S. 3). []
  12. Das Gesetzespaket „Rückführungsverbesserungs-Gesetz“ von Innenministerin Nancy Faeser zielt auf Folgendes ab: „Durch den Gesetzentwurf sollen Rückführungen von Personen ohne Bleiberecht künftig effektiver durchgeführt werden. Hierfür sieht der Gesetzentwurf ein Bündel an Maßnahmen vor, die effektivere Verfahren und eine konsequentere Durchsetzung der Ausreisepflicht vorsehen. Vorgesehen sind unter anderem die Verlängerung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage, die Erleichterung der Ausweisung von Schleusern sowie von Angehörigen von Strukturen der Organisierten Kriminalität, erweiterte Möglichkeiten zum Betreten weiterer Räumlichkeiten in Gemeinschaftsunterkünften, die sofortige Vollziehbarkeit von Einreise- und Aufenthaltsverboten und Wohnsitzauflagen sowie räumlichen Beschränkungen, Maßnahmen zur erleichterten Identitätsfeststellung, der erleichterten Abschiebung von Straftätern und Gefährdern sowie weitere Regelungsvorschläge zur Beseitigung von Vollzugshindernissen. So soll eine Abschiebung bei Ausreisepflichtigen in Haft nicht mehr angekündigt werden müssen. Ebenso soll die einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen, denen eine mindestens einjährige Duldung vorausging, gestrichen werden. Ausnahmen gelten für Familien mit Kindern unter 12 Jahren“ (BMI 2022, o. S.). []
  13. Im ersten Entwurf der Mindeststandards wurde der Schutz der persönlichen Sicherheit von geflüchteten Menschen in Geflüchtetenunterkünften fokussiert, um diese als einen festen Bestandteil in der Flüchtlingshilfe zu realisieren. Die überarbeiteten Mindeststandards 2017 implizieren Empfehlungen für LSBTIQ*-Geflüchtete und geflüchtete Menschen mit Behinderung. Seit 2018 beinhalten die Mindeststandards einen dritten Annex, der die Umsetzung der Mindeststandards für geflüchtete Menschen mit Traumafolgestörungen thematisiert (BMFSFJ/UNICEF 2021, S.4ff.). Darüber hinaus wurden die Mindeststandards 2020 in einem mehrstufigen Prozess überarbeitet und 2021 an neue gesetzliche Regelungen angepasst (ebd., S. 6). []
  14. Das Verfahren nach dem Königsteiner Schlüssel wurde durch das Quotensystem „EASY“ abgelöst, das eine gerechte Verteilung von Asylsuchenden auf die Bundesländer gewährleisten soll (BAMF 2022, o. S.). []
  15. Im Artikel werden Ergebnisse des Forschungsprojekts „Organisational Perspectives on Human Security Standards for Refugees in Germany“ (gefördert durch die Gerda-Henkel-Stiftung) präsentiert. Mittels semi-strukturierten qualitativen Interviews wurden insgesamt 21 Personen befragt, darunter Mitarbeiter:innen von zwei Verwaltungen und von fünf freien Trägern (Nichtregierungsorganisationen (NROs []
  16. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979 ist in Deutschland seit dem 09. August 1985 in Kraft, BGBI 1985 II 647 (Rabe 2015, S. 7). []
  17. Die Istanbul-Konvention beinhaltet „das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Europarat 2011). „Sowohl die Istanbul-Konvention als auch CEDAW beziehen das sozial konstruierte Geschlecht und damit zum Beispiel zumindest Transfrauen in ihren Schutzbereich mit ein. Der Schutz von LSBTI vor geschlechtsspezifischer Gewalt ist wie für alle Menschen in den grundlegenden menschenrechtlichen Verträgen festgeschrieben“ (Rabe 2015, S. 7). Maßnahmen zur Umsetzung werden derzeit im Rahmen einer noch zu erstellenden Gewaltschutzstrategie auf der Ebene des Bundesfrauenministeriums diskutiert (BMFSFJ 2023, o. S.). []
  18. „Nach einer Gesetzesverschärfung 2019 können Einzelpersonen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, durch die Länder auf bis zu 18 Monate (statt bisher sechs Monate) zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung verpflichtet werden. Bei Familien mit Kindern ist der Aufenthalt auf sechs Monate beschränkt. Bereits seit 2017 gilt jedoch auch, dass die Länder eine Verweildauer von bis zu 24 Monaten in der Aufnahmeeinrichtung vorschreiben können. Überlegungen, von dieser Regelung Gebrauch zu machen, gibt es derzeit im Land Brandenburg“ (Kühn/Schlicht 2023, S. 4). []
  19. „LSBTI* Geflüchtete sind als vulnerable Personengruppe im Sinne der EU-Richtlinie 2013/33/EU anerkannt. LSBTI* Geflüchtete werden in der Begründung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht als besonders vulnerabel im Sinne des §44 Abs. 2a AsylG benannt“ (Köpf 2023, S. 18). []
  20. Zwischen 2016 und 2019 kooperierte UNICEF z. B. mit dem Universitätsklinikum Ulm zum Umgang mit traumatisierten Geflüchteten, zum Thema Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche und zum Thema Notfall bei selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen. Im Rahmen des Projekts SHELTER wurden drei online Schulungen kostenlos für Mitarbeitende in Unterkünften für geflüchtete Menschen angeboten. Zwei der Kurse wurden 2020 für ein Jahr verlängert, sind aber zurzeit nicht mehr abrufbar (https://www.gewaltschutz-gu.de/die-initiative/aktuelles/detail/unicef-unterstuetzt-shelter-projekt-fuer-ein-jahr). Dafür werden im Anschluss an die pandemiebedingte Pause wieder Schulungen von UNICEF auf Landesebene durchgeführt sowie mehrere halbtägige Onlineschulungen angeboten (https://www.gewaltschutz-gu.de/veranstaltungen/unicef-online-schulungen-2023). []
  21. Während ihrer Zeit als Stellvertretende Leitung einer Notunterkunft für geflüchtete Ukrainer:innen (2022-2023) hat Frau Dr. A. Bergedieck zusammen mit ihrem damaligen Arbeitgeber ASB Münsterland e.V. eine Schulung entwickelt, die sich auf den Gewaltschutz in Geflüchtetennterkünften fokussiert und angelehnt ist an die UNICEF/BMFSF Mindeststandards. Mit Hilfe dieser Schulung wurden zwei Teams in Notunterkünften geschult. []
  22. Frau Dr. K. Behmer-Prinz hat zum Beispiel während ihrer Arbeit beim DRK Kreisverband Hanau einen monatlichen Team-Supervisionstermin etabliert. []

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