„Es ist die Aufgabe des Bundestages, die Regierung zu kontrollieren und dafür ist das Fragerecht eines des wesentlichen Instrumente.“ – Kurzinterview mit Konstantin Kuhle

© Munir Werner

Konstantin Kuhle ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort seit 2021 stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion. Im März 2022 wurde er zum Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes gewählt. Außerdem ist er seit 2018 Generalsekretär der FDP Niedersachsen.


Arnim Grothe und Yannick Peters von der NRW School of Governance fragen Konstantin Kuhle unter anderem nach seinen Einschätzungen zur Innenpolitik und den Konsequenzen seiner erfolgreichen Verfassungsklage im Dezember letzten Jahres. Konstantin Kuhle stand den Masterstudierenden der Vorlesung „Medien und Politik“ (Master Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung an der NRW School of Governance) von Dr. Kristina Weissenbach in einem rund einstündigen Austausch – welcher in dem vorliegenden Kurzinterview mündete – Rede und Antwort, um insbesondere zum Thema Social Media, aber auch zu den im Kurzinterview dominierenden Aspekten, Einblicke in die Politikpraxis zu geben und zu diskutieren. 

 

„ Es ist die Aufgabe des Bundestages,
die Regierung zu kontrollieren und
dafür ist das Fragerecht eines der
wesentlichen Instrumente.“

Kurzinterview mit Konstantin Kuhle, Mitglied des Deutschen Bundestages für die FDP und stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Autoren

Arnim Grothe und Yannick Peters studieren das Masterprogramm „Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung“ an der NRW School of Governance am Institut für Politikwissenschaft der UDE. Das Kurzinterview ist im Rahmen der Veranstaltung „Medien und Politik“ unter der Leitung von Dr. Kristina Weissenbach entstanden.

 

Konstantin Kuhle war von 2014 bis 2018 Bundesvorsitzender der Jugendorganisation Junge Liberale und ist seit Mai 2015 Beisitzer im Bundesvorstand der FDP. Seit 2018 ist er Generalsekretär der FDP Niedersachsen und seit 2019 Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Göttingen-Osterode. Seit 2017 ist Konstantin Kuhle Mitglied des Deutschen Bundestages. In der 20. Wahlperiode ist er ordentliches Mitglied in der Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit sowie im Parlamentarischen Kontrollgremium.


Arnim Grothe und Yannick Peters fragen Konstantin Kuhle, Mitglied des Deutschen Bundestages für die FDP und stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei, unter anderem nach seinen Einschätzungen zur Innenpolitik und den Konsequenzen seiner erfolgreichen Verfassungsklage im Dezember letzten Jahres. Konstantin Kuhle stand den Studierenden der Vorlesung „Medien und Politik“ von Dr. Kristina Weissenbach in einem rund einstündigen Austausch – welcher in dem vorliegenden Kurzinterview mündete – Rede und Antwort, um insbesondere zum Thema Social Media, aber auch zu den im Kurzinterview dominierenden Themen, Einblicke in die Politikpraxis zu geben und zu diskutieren.

Grothe / Peters: Sehr geehrter Herr Kuhle, zu Beginn würde uns interessieren, was für Sie als Mitglied des Bundestages und stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss aktuell die größte innenpolitische Herausforderung in Deutschland ist?

Kuhle: Die größte innenpolitische Herausforderung ist aus meiner Sicht die Gestaltung der Migrationspolitik. Aus meiner Sicht braucht Deutschland mehr reguläre Migration und weniger irreguläre Migration, die Ampelkoalition hat ja in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass es ein Einwanderungsgesetz geben soll, mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, solch ein Einwanderungsgesetz hinzubekommen, es muss aber tatsächlich auch eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt auslösen, denn Deutschland braucht in der Pflege, in der Gastronomie oder im Verkehrsbereich tausende Fachkräfte jedes Jahr. Die große Herausforderung ist es, dieses Einwanderungsgesetz jetzt zügig zu beschließen und dann einen Kulturwandel in den Behörden herbeizuführen, der auch tatsächlich zu mehr qualifizierter Zuwanderung nach Deutschland führt. Im Bereich der irregulären Migration ist es so, dass wir einen hohen Zuzug von Menschen insbesondere aus Syrien, aus Afghanistan und aus dem Irak verzeichnen. Wir brauchen dringend in Zusammenarbeit mit den Transitländern eine bessere Steuerung von Flüchtlingsströmen nach Europa, auch damit Menschen sich nicht auf einen gefährlichen Weg machen müssen, auf dem sie möglicherweise ihr Leben lassen oder in einer anderen Weise bedroht sind. Hier müssen wir insgesamt besser werden – also ich würde sagen, Migration ist das größte Thema in der Innenpolitik.

Grothe / Peters: Wie in Ihrer politischen Arbeit besteht denn Kontakt zu den Parteikollegen im Europäischen Parlament und hat sich durch den Wechsel aus der Opposition in die Bundesregierung in diesem Austausch etwas verändert?

Kuhle: Der Austausch zwischen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments ist wichtig für die Arbeit in Berlin und in Brüssel. Es ist so, dass ein wesentlicher Teil der Gesetzgebung in Berlin durch europäische Regelungen ausgelöst wird und es deswegen einen ganz regelmäßigen und strukturierten Austausch mit den Kollegen in Brüssel gibt. Das sind gegenseitige Besuche, das ist die Teilnahme an Arbeitskreissitzungen, an Fraktionssitzungen, das ist der Austausch auf Mitarbeiter- und Abgeordnetenebene – also da gibt es ganz Vieles, was man machen muss und auch macht. Die Veränderung durch den Eintritt meiner Partei in die Bundesregierung, aber auch der beiden anderen Parteien liegt vor allem darin, dass man neben der parlamentarischen Seite natürlich auch den Rat zu bespielen hat, denn der Ministerrat der Europäischen Union ist ja neben dem Parlament sozusagen der zweite Gesetzgeber. Hier ist die FDP jetzt auch vertreten und es ist natürlich eine große Herausforderung, dass ein Akteur, der im Ministerrat, im Europäischen Parlament, im Bundestag und in der Bundesregierung vertreten ist, an allen Stellen das Gleiche sagt und das Gleiche tut. Das bedarf einer Abstimmung, die anspruchsvoll ist und die es vorher so nicht gab, vorher musste man nur gucken, dass man im Bundestag und im Europäischen Parlament einigermaßen das Gleiche sagt. Das ist auch schon nicht einfach, aber jetzt sind es halt noch mehr Akteure und die Länder sind in Deutschland auch immer zu berücksichtigen. In Deutschland geht es nicht ohne die Länder.

Grothe / Peters: Während Corona hat sich auch die Arbeit in Parlamenten verändert. Welche Veränderungen im Deutschen Bundestag bestehen nachhaltig über Corona hinaus und wie bewerten Sie diese?

Kuhle: Also es gibt schon einen Digitalisierungsschub durch Corona – ob das die Besprechung im Büro ist, ob das die Teilnahme an externen Veranstaltungen ist oder auch das Durchführen von Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen. Da hat sich schon ein gewisser Digitalisierungsgrad eingestellt – mit, wie ich finde, einer guten Mischung an digitalen und analogen Formaten, die ich für sehr gewinnbringend halte. Ansonsten bin ich jetzt im fünften Jahr im Bundestag und kann nicht so gut sagen, wie sich das in den letzten 20 Jahren geändert hat. Aber Digitalisierung durch Corona ist so sicherlich eine Sache, die mir am meisten aufgefallen ist.

Grothe / Peters: Sie haben im Dezember vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage zu parlamentarischen Kontrollrechten gewonnen. Seinerzeit sind Ihnen Auskünfte über die Zahl der ins Ausland entsendeten Inlandsgeheimdienstmitarbeiter mit dem Hinweis auf das Staatswohl verweigert worden. Sehen Sie die Gefahr, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestags ihre Kontrollrechte missbrauchen und sensible Informationen an Dritte weitergeben oder öffentlich machen?

Kuhle: Das würde ich generell nicht sagen. Es ist die Aufgabe des Bundestages, die Regierung zu kontrollieren und dafür ist das Fragerecht eines der wesentlichen Instrumente. Im internationalen Vergleich ist das Fragerecht des Bundestages eher stark ausgeprägt, das stimmt. Also im Vergleich zu Frankreich zum Beispiel verfügen wir Mitglieder des Deutschen Bundestages schon über mehr Mitarbeiter, mehr Einblick in die Arbeit der Exekutive und mehr Frage- und Kontrollrechte. Man merkt es auch, wenn man mit Kollegen aus dem europäischen Ausland spricht. Wir sind in Deutschland schon ein eher starkes Parlament, sodass ich von daher schon sehr zufrieden bin. Wenn die Exekutive dann aber meint, der Bundestag sei kein starkes Parlament und ich muss die Frage eines Abgeordneten nicht beantworten, dann muss man sich im Streit der 1. und 2. Gewalt die Hilfe der 3. Gewalt holen und im Zweifel auch gegen eine Entscheidung der Exekutiven klagen. So habe ich das in dem Fall gemacht. Und zum Missbrauch: Ich würde sagen, Abgeordnete sind nicht per se schwatzhafter oder freigiebiger mit Informationen als Vertreter der Exekutive. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass sensible Informationen aus der Legislative eher abfließen als aus der Exekutive. Das ist ein von der Exekutive sehr gerne genutztes Argument, dass man sagt: Oh, das ist eine geheime Information. Die dürfen wir dem Parlament nicht geben, dann ist es ja in der Öffentlichkeit. Aber in der Exekutive arbeiten tausende von Leuten und wer sagt denn, dass es nicht ein Whistleblower oder ein geltungsbedürftiger Beamter aus irgendeinem Ministerium ist, der etwas durchsticht. Von daher würde ich sagen, es besteht kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Parlament. Wir sind ja auch im Gegensatz zur Regierung das einzige Verfassungsorgan, was direkt vom Volk gewählt ist. Insofern soll sich die Exekutive da mal ein bisschen zurückhalten mit solchen Vorwürfen.

Zitationshinweis

Grothe, Arnim / Peters, Yannick (2023): „Es ist die Aufgabe des Bundestages, die Regierung zu kontrollieren und dafür ist das Fragerecht eines der wesentlichen Instrumente.“ – Kurzinterview mit Konstantin Kuhle, Interview, Erschienen auf: regierungsforschung.de. Online verfügbar: https://regierungsforschung.de/es-ist-die-aufgabe-des-bundestages-die-regierung-zu-kontrollieren-und-dafuer-ist-das-fragerecht-eines-des-wesentlichen-instrumente-kurzinterview-mit-konstantin-kuhle/

This work by Arnim Grothe and Yannick Peters is licensed under a CC BY-NC-SA license.

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