Herbst im Frühling. Rheinland-Pfalz: Spekulationen über den Abschied von Ministerpräsident Kurt Beck

Er ist mit großem Abstand der momentan dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland: Kurt Beck ist bereits im achtzehnten Jahr rheinland-pfälzischer Regierungschef. Doch nun neigt sich die Ära Beck dem Ende zu, Gespräche mit Kronprinzen laufen. Die Personalie elektrisiert die Landespolitik: Wann geht Beck? Und wer wird sein Nachfolger? Der Ministerpräsident bemüht sich um eine Lösung im Konsens – aber drei Kandidaten werden gehandelt. Ein Blick in die Geschichte des Landes zeigt, dass verschiedene Szenarien denkbar sind.

Eigentlich bevorzugt Kurt Beck vollkommen geräuschlose und überraschende Personalwechsel. Im Laufe seiner langen Amtszeit als Ministerpräsident nahmen mehrere Kabinettsmitglieder ihren Hut. Das Prozedere lief immer auf die gleiche Weise ab. Überraschend verkündete Beck den Abschied eines Ressortchefs – und präsentierte in derselben Pressekonferenz gleich den Nachfolger. Selbst Spitzenkräfte waren nicht eingeweiht, Beck traf die Entscheidungen weitgehend alleine. Raum für Spekulationen blieb nicht, Machtvakanzen konnten so gar nicht erst entstehen. Darstellungspolitisch stand der Ministerpräsident stets als handlungsmächtiger Entscheider dar. Er konnte damit seinen Führungsanspruch verdeutlichen. Die erfolgreiche Personalpolitik war auch ein Faktor, der es Beck ermöglichte, Rheinland-Pfalz im Stil eines Bürgermeisters jahrelang erfolgreich und unumstritten zu regieren (Klein 2010a, Klein 2010b). (mehr …)

Der Zenit der Piraten

Der Ausgang der Wahl in Nordrhein-Westfalen blamiert in mehrfacher Hinsicht, was zum politischen common sense avancierte. Man nahm an, dass Minderheitsregierungen instabil und politisch handlungsunfähig sein müssten. Aber das Scheitern des Haushalts im März war ein Unfall, der nicht für den Alltag der Minderheitsregierung steht: Die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf hat mit der Linken die Studiengebühren abgeschafft, mit der CDU einen Schulfrieden ausgehandelt und mit den Stimmen der FDP einen Stärkungspakt Stadtfinanzen beschlossen. Die Bürger haben keineswegs zwei Jahre Regierungschaos erlebt   und Rot-Grün daher durch ihr Votum zu einer klaren Mehrheit verholfen. En passent ist dabei die Annahme widerlegt worden, in Parlamenten mit fünf Parteien wären Zweiparteienkoalitionen Vergangenheit.

 

Dieser Beitrag ist im Original in dem Meinungs- und Debattenmagazin “The European” am 15.05.2012 unter dem Titel “Am Ende des Meers – Die Piratenpartei nach NRW” erschienen. Dies ist eine leicht überarbeitete Fassung des ursprünglichen Artikels. Wir bedanken uns für die Zustimmung zur Zweitverwertung auf Regierungsforschung.de.

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Konturen des Neuen aus NRW – Konsequenzen für den Parteienwettbewerb

NRW Wahlen sind immer wirkungsmächtig. Es ist weniger die Dominanz der Wahlberechtigten als vielmehr die Qualität des Parteienwettbewerb, die weithin ausstrahlt. Denn neue Formationen und Konturen des Neuen zeigen sich zuerst in NRW. So auch diesmal. Mit fünf Parteien kann ganz offensichtlich eine solide Mehrheit mit einer Traditions-Koalition gebildet werden. Im Regelfall der zehn deutschen Parlamente mit jeweils fünf Parteien lähmen Große Koalitionen den Parteienwettbewerb.

Dieser Beitrag ist im Original in dem Meinungs- und Debattenmagazin “The European” am 15.05.2012 unter dem Titel “Konturen des Neuen aus NRW” erschienen. Dies ist eine leicht überarbeitete Fassung des ursprünglichen Artikels. Wir bedanken uns für die Zustimmung zur Zweitverwertung auf Regierungsforschung.de (mehr …)

Der kooperative Interaktionsakteur. Die Rolle der Parlamentarischen Geschäftsführer in einer Minderheitsregierung am Beispiel von Nordrhein-Westfalen

Aufgrund seiner herausgehobenen Stellung innerhalb einer Fraktion ist der Parlamentarische Geschäftsführer ein zentraler Akteur in seiner Partei. Innerhalb der Fraktion unterliegt er dabei den fraktionsspezifischen Regeln, die z.B. durch die Fraktionsgeschäftsordnung aufgestellt werden. Zum anderen ist er auch außerhalb seiner Fraktion und innerhalb des Parlaments legitimiert, entscheidende Weichen für seine Partei zu stellen. Dies geschieht beispielsweise im Ältestenrat, der u.a. über die Tagesordnung einer jeden Plenarsitzung bestimmt. Nur wenigen Mitgliedern einer Fraktion kommen derart zentrale Aufgaben auf den unterschiedlichen politischen Ebenen zu teil. Welche Aufgaben und welche Erwartungen in den genannten Bereichen damit verbunden sind, wird im weiteren Verlauf näher beschrieben. Die Frage, „welche Rolle spielen Parlamentarische Geschäftsführer in Minderheitsregierungen?“ soll im diesem Essay beantwortet werden. (mehr …)

Der Duisburger NRW-Wahl-Index (DWI) 2012

Das vorläufige Ergebnis der Landtagswahl in NRW 2012 steht fest: Die Wählerinnen und Wähler haben der rot-grünen Regierung um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine – in diesem Ausmaß sicherlich auch unerwartet – klare Mehrheit für die kommenden fünf Jahre beschert. Sechs Parteien hatten laut Umfragen vor der Wahl eine realistische Chance in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen – mehr als jemals zuvor in Nordrhein-Westfalen. Früh stand am Wahlabend fest, dass „nur“ fünf Fraktionen in der 16. Wahlperiode im Düsseldorfer Landtag vertreten sein werden. Die Linke.NRW muss ihre elf Sitze im Plenum räumen, 20 Piraten ziehen stattdessen erstmals in das Landesparlament des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ein.

Die Ergebnisse vom 13. Mai 2012 deuten aufgrund ihrer Klarheit eigentlich auf einen stark polarisierend geführten Inhaltswahlkampf hin. In der Wahlberichterstattung wurde hingegen ein ganz anderes Bild des Wahlkampfes nachgezeichnet: Inhaltslos und personenzentriert, schlussendlich standen „Herz“ (Kraft) oder „Kopf“ (Röttgen) zur Wahl. Der überraschende Erfolg der FDP wurde auf den „Lindner-Effekt“ reduziert. Was sich durch den gesamten (kurzen) Wahlkampf gezogen hatte, blieb letztendlich auch am Wahlabend konturlos: die Frage, mit welcher konkreten Programmatik die Parteien eigentlich zur Wahl angetreten sind und wie sie sich inhaltlich voneinander unterscheiden. Antworten auf diese Fragen liefert der DWI. (mehr …)

(Neue) Mehrheiten brauchte das Land. Ein Nachruf zur nordrhein-westfälischen Minderheitsregierung

Häufig wurde den Landesparlamenten im bundesdeutschen Föderalismus die Rolle von Versuchsfeldern für neue Koalitionsoptionen zugesprochen. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, das „koalitionspolitische Laboratorium der Republik“ mit Vorreiterrolle einer sozialliberalen Koalition ab 1966 und eines rot-grünen Regierungsbündnisses ab 1995. Diesem Ruf wurde Nordrhein-Westfalen im Nachgang zur Landtagswahl im Mai 2010 mit der Bildung einer Minderheitsregierung erneut gerecht. Doch war das Regieren ohne eigene Mehrheiten tatsächlich – wie von vielen vermutet – zum Scheitern verurteilt? Oder lässt sich in der Rückschau feststellen, dass es eine erfolgreiche Legislaturperiode war? (mehr …)

Die NRWSPD: Regieren, Regieren und nochmal Regieren

Genau zwanzig Monate nach der Wahl Hannelore Krafts zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung hat sich der nordrhein-westfälische Landtag am 14. März 2012 aufgelöst. Zu tief waren die haushaltspolitischen Gräben zwischen rot-grün und den Oppositionsparteien CDU, FDP und Linke. „Alle drei Parteien waren mit Hannelore Krafts „Politik der Einladung“ offenbar überfordert,“ so der SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel.

Überfordert hat alle Parteien wohl auch die Erstellung eines Wahlprogramms. Die nordrhein-westfälische Landesverfassung sieht Neuwahlen binnen 60 Tagen vor – wenig Zeit für die Parteien, um sich programmatisch zu positionieren und zentrale Themen auf die Wahlkampfagenda zu setzen. Die Abwägung zwischen Sachpolitik und der Fokussierung zentraler Akteure wirkt dabei sowohl wahlkampfprägend als auch weichenstellend. Die Programme präsentieren sich vor dem Hintergrund des engen zeitlichen Rahmens durchweg umfangarm. Dies gilt auch für das 22 Seiten fassende Programm der Sozialdemokraten. (mehr …)

DIE LINKE. NRW: Kurzanalyse des Landtagswahlprogramms

In der folgenden Kurzanalyse des Landtagswahlprogramms „Original sozial – konsequent solidarisch“ der Partei DIE LINKE. NRW werden zunächst die Genese und die grobe Struktur des Wahlprogramms nachgezeichnet. Es folgt die überblickartige Darstellung der im Wahlprogramm formulierten politikfeldspezifischen Forderungen und Zielsetzungen. Abschließend wird ein kurzes Fazit über die Verortung der Partei im politischen Wettbewerb gezogen. (mehr …)

„Wenig Röttgen, viel Abrechnung“ – Eine Analyse des Wahlaufrufs „Verantwortung. Kompetenz. Nachhaltigkeit.“ des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der CDU anlässlich der NRW-Landtagswahl 2012.

Anders als von den CDU-Wahlprogrammen der vergangenen Jahre gewohnt, wartet der aktuelle Wahlaufruf mit einem schlichten Erscheinungsbild auf. Ein Programm mit Fotos des Spitzenkandidaten, aufwendige Fließdiagramme oder ein auf die Kampagne abgestimmtes farbliches Design liegt nicht vor. Der Wahlaufruf wird in reiner Textform auf der Kampagnen-Homepage (wahl2012.cdu-nrw.de) zum Download angeboten. Lediglich das Logo des Landesverbandes “schmückt“ die erste Seite. Der Titel des Wahlaufrufs „Verantwortung. Kompetenz. Nachhaltigkeit.“ bildet den thematischen roten Faden für das Dokument und wird in den einzelnen Themenbereichen immer wieder aufgenommen. Als thematischer Einstieg wurde die Auflösung des Parlaments aufgrund des gescheiterten Landeshaushaltes gewählt. Das ist auch das zentrale Thema, welches die ersten drei Seiten des Wahlaufrufs bestimmt. Am besten vergleichbar ist dieser Teil wohl mit der sonst in Wahlprogrammen üblichen Präambel, in der die zentralen Anliegen einer Partei zusammengefasst werden. (mehr …)

Jan Philipp Burgard: Von Obama siegen lernen oder „Yes, We Gähn!“?

Von Obama Siegen lernen„Von Obama siegen lernen oder „Yes, We Gähn!“?“ – Yes, „I Gähn“, das muss ich, ganz ehrlich, bei meinem ersten Blick auf den Titel der Dissertationsschrift von Jan Phillip Burgard denken: Von Obama siegen lernen? Gab es da nicht (zumindest gefühlt) schon hunderte Schriften mit ähnlichem Titel?

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Jan Philipp Burgard: Von Obama siegen lernen oder „Yes, We Gähn!“?

Ok, ganz so viele sind es dann vielleicht doch nicht. Dennoch, aus der US-amerikanischen Academia stammen zahlreiche einschlägige Werke zu Obamas Wahlkampf und auch aus Perspektive der deutschen Politik- und Medienwissenschaft liegt die eine oder andere Studie mit vergleichbarem Inhalt und Titel vor.  Und trotzdem: In diesem Umfang und dieser (wissenschaftlichen) Detailschärfe ist „Von Obama siegen lernen“ einzigartig. (mehr …)