„Die Spareinlagen sind sicher“ – Über den Einsatz von Heuristiken bei politischen Entscheidungen.

Der Torwart der deutschen Nationalmannschaft, Manuel Neuer, gilt derzeit als einer der besten Torhüter der Welt – nicht nur wegen seiner Reflexe auf der Torlinie, sondern auch aufgrund seiner Strafraumbeherrschung und der Fähigkeit, gegnerische Flanken sicher abzufangen. Dazu beigetragen haben wohl verschiedene Faktoren: sein Talent, das Training, die Spielpraxis. Zumindest in Bezug auf das Abfangen von Flanken würde der Psychologe Gerd Gigerenzermöglicherweise noch einen weiteren Punkt anführen: das sichere Beherrschen der sogenannten „gaze heuristic“. Diese Heuristik besteht, wenn ein Ball in der Luft ist, darin, „die Laufgeschwindigkeit so anzupassen, dass der Blickwinkel, der Winkel zwischen Auge und Ball, konstant bleibt“. Auf diese Weise gelinge es, an die Stelle zu laufen, an der der Ball erreichbar sein wird. Gigerenzer kann belegen, dass diese Heuristik von Sportlern angewandt wird, denen in Wettkampfsituationen nur kurze Zeitspannen zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung darüber zu treffen, wo man hinläuft, um den Ball zu fangen. Eine Berechnung der Flugbahn unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren ist in der gegebenen Zeit für gewöhnlich unmöglich und – um den Ball zu fangen – auch nicht nötig. (mehr …)

Die Abwahl von Oberbürgermeister Sauerland. Die Duisburger Antwort auf Stuttgart 21 und die Occupy-Bewegung!

Ganz Deutschland blickte am 12. Februar 2012 nach Duisburg: Rund anderthalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010, bei der 21 Besucher zu Tode kamen und mehrere hundert Menschen verletzt und traumatisiert wurden, wurde Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) von den Duisburger Bürgern abgewählt.

Wie kam es zu dieser in Nordrhein-Westfalen bislang einmaligen Abwahl? Welche gesamtgesellschaftlichen Trends für die politische Kultur in Deutschland lassen sich daraus ableiten?  (mehr …)

Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter

Die dritte industrielle RevolutionJeremy Rifkin, einer der profiliertesten Zukunftsforscher der Vereinigten Staaten, erkennt in den sozio-ökonomischen Entwicklungen der Gegenwart das Muster einer dritten Revolution. Vor dem Hintergrund des Endes des fossilen und atomaren Zeitalters zeichnet er eindrucksvoll das Bild einer global vernetzten, aber dezentral organiserten Wirtschaft, wobei er – ausgerechnet – Europa eine führende Rolle in der Governance zukünftiger wirtschaftlicher Strukturen unterstellt.

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Jeremy Rifkin: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter

Jenseits von Einzelmaßnahmen oder punktuellen Korrekturen am System fordert Rifkin ein neues Narrativ, eine gesellschaftliche Erzählung, die aufzeigen soll, wie Gesellschaften in Zukunft zu nachhaltigem Wachstum und sozialer Stabilität gelangen können. (mehr …)

Das Risiko Griechenland

Im April 2010 erreichte die Staatsschuldenkrise in Europa einen vorläufigen Höhepunkt als die Ratingagentur Standard&Poor’s griechische Staatsanleihen auf ‘Ramschniveau’ herabstufte und eine Insolvenz nur durch die koordinierte Hilfe von EU-Mitgliedstaaten, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) abgewendet werden konnte. Sowohl die Finanzmärkte als auch die Politik hatten für ihre Handlungen Gründe. Dabei wurde deutlich, dass die von der Staatsschuldenkrise Griechenlands ausgehenden Risiken in Wirtschaft und Politik unterschiedlich definiert werden, was die Risikosoziologie in der sozialen Konstruiertheit von Risiken begründet sieht. Die vorliegende Arbeit möchte dieser Differenz nachgehen. (mehr …)

Vorerst gescheitert – Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo

Vorerst gescheitertEines gleich vorweg: dieses Buch braucht niemand. Auch nicht lesen. Wer erfahren will, was „Vorerst gescheitert“ überhaupt substantiell liefert, der tut genüge daran, einen der begleitenden Beiträge im Spiegel, in der Süddeutschen Zeitung, der taz oder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Hand zu nehmen.

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Vorerst gescheitert – Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo

Dass die auf den ehemaligen Minister womöglich nicht gut zu sprechen sind, ist nicht weiter tragisch: Sie bringen zumindest auf den Punkt, was so schwer auf den Punkt zu bringen ist – wie soll man ein Buch besprechen, ein „Gespräch“ zumal, beim dem die dauernde Hinterfragung „Was soll das eigentlich?“ jeden Lesefluss hemmt? (mehr …)

Der japanische Super-GAU und die deutsche Energiewende

Ein höchst unwahrscheinliches Ereignis rund 9000 Kilometer von Deutschland entfernt hat innerhalb kürzester Zeit das deutsche Verhältnis zur Atomkraft verändert. Das Tohoku-Beben am 11. März 2011 mit dem anschließenden Tsunami und den verheerenden Verwüstungen im japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi bis hin zur Kernschmelze führte dazu, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft besiegelte. Die vorliegende Studie setzt hier unter Rückgriff auf einen Mehrarenenansatz des Koalitionsregierens an und analysiert das schwarz-gelbe Entscheidungsmanagement in der Atompolitik nach Fukushima. (mehr …)

Der Regierung folgen oder den Aufstand wagen? Das Dilemma der CDU/CSU-Fraktion im Entscheidungsprozess zur Neuorganisation von Hartz IV

Politische Entscheidungen vorbereiten, Geschlossenheit herstellen und stabile Mehrheiten sichern – kurzgefasst sind dies die vorrangigen Aufgaben des Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei im Bundestag.

Am Abend des 16. März 2009 wusste Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass es an der Einigkeit innerhalb seiner Fraktion nicht mangelt, jedoch steht der fraktionsinterne Konsens für einen Dissens mit der eigenen Regierung. Am 17. März 2009 sollte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion über den von der Regierung favorisierten Gesetzesentwurf zur Neuorganisation von Hartz abstimmen. Normalerweise sollte die Zustimmung einer Fraktion, die die Regierung stellt, eine Selbstverständlichkeit sein. Doch nun könnte gerade bei dem sensiblen Thema Hartz IV der außerordentliche Fall eintreten, dass die Fraktion der “eigenen” Kanzlerin die Gefolgschaft verweigert. Eine delikate Situation für einen Fraktionsvorsitzenden.

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Dreizehn Tage Guttenberg. Oder: Die Schriften der Anderen. Ein Essay.

„,E pluribus unum’, ‚Aus vielem eines’“ – mit diesem Treppenwitz der Skandalgeschichte eröffnet Karl-Theodor zu Guttenberg seine Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“. Der stünde die Entlehnung des Staatsmottos der USA noch gut zu Gesicht, wäre sie nicht auch Sinnbild dessen, was sich sogleich auf rund 400 Seiten entfaltet: schon der erste Absatz – die Schrift einer Anderen, entnommen einem über zwölf Jahre alten FAZ-Artikel der Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig. Man möchte Freud bemühen.

Dabei hatte alles so gewöhnlich angefangen. Als die Süddeutsche Zeitung am 16. Februar 2011 meldet, der Bremer Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano habe in einer Rezension in der Arbeit zu Guttenbergs ganze Passagen gefunden, die der Freiherr offenbar nicht selbst verfasst habe, stellen sich die üblichen Reflexe ein: In einer schriftlichen Stellungnahme nennt der Minister die Vorwürfe „abstrus“; natürlich habe er den Text ohne fremde Hilfe angefertigt. Dreizehn Tage später, am 1. März, tritt zu Guttenberg nach „siebenjährige[r] Dauervergesslichkeit“ vor die Berliner Presse – „Grüß Gott“ – und erklärt seinen Rücktritt.

Was in diesen knapp zwei Wochen geschieht, hebt die Causa Guttenberg in eine neue Liga deutscher Skandalkultur, unerreicht von den Köhler- oder Koch-Demissionen, entrückt den mäßig attraktiven Flugmeilen- oder Spesen-„Affären“. Selbst Helmut Kohls Sündenfall in Form schwarzer Kassen sieht – gemessen an Vehemenz und Dichte des „Selbstgesprächs der Gesellschaft“ – aus wie ein lässlicher Betriebsunfall. Die letzten Jahre betrachtet, hält wohl nur Sarrazin mit. Das Internet brodelt über. Die Nachrichtenlage homogen wie selten; Schlagzeile, Kommentar und Talkshow sehen sich auf Dauer schlicht alternativlos.

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Wie die Parteibasis tickt, weiß niemand. Die falsche Frage für einen Mitgliederentscheid in der FDP?

Wie halten Sie es mit dem Euro-Rettungsschirm? Diese überaus komplexe europa- und finanzpolitische Frage wird derzeit in der FDP heftig diskutiert.

Frank Schäffler – jener FDP-Abgeordnete, der allen Hilfspaketen für Griechenland und anderen in Not geratenen Euro-Staaten seit Mai 2010 im deutschen Bundestag konsequent seine Zustimmung verweigert hat – sammelte rund 3400 Unterschriften für einen Antrag, der den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ablehnt. Damit initiierte der „Euro-Rebell“ den ersten Mitgliederentscheid der Liberalen seit über zehn Jahren.  (mehr …)

Zwischen allen Stühlen? Politikmanagement in Zeiten des Kilmawandels

Der Herbst 2008 war eine Zeit intensiver energie- und klimapolitischer Verhandlungen im „Mehrebenensystem der Europäischen Union“. Auch in der Politik Nordrhein-Westfalens fand das Thema mehr Aufmerksamkeit als sonst.

Es entwickelte sich im Land eine kontroverse Debatte zu der Frage, ob Ministerpräsident Rüttgers die Landesinteressen ausreichend verteidige. Eine Zuspitzung erfuhr diese Debatte, als am 3. Dezember 2008 im Landtag von Nordrhein-Westfalen die Klimapolitik auf der Tagesordnung stand. (mehr …)