Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen wirft einen Blick in das neue Buch von Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft. Die Grundthese lautet, dass das Digitale bereits vorhandene, komplexe Strukturen abbildet und sich die Gesellschaft dadurch neu erfindet. Dabei argumentiert Nassehi – trotz einiger Widersprüche – stets klug, ideenreich, anwendungsbezogen.

 

Die Bewegungen auf den Wähler-, Parteien und Koalitionsmärkten sind gerahmt von tiefgreifenden Umwälzungen des politischen Systems. Wenn Risiko zum Regelfall der Politik mutiert, hat zukunftsfähige Politik auch Konsequenzen auf die Struktur der Entscheidungen. Netzwerke minimieren grundsätzlich Faktoren der Unsicherheit und des Nichtwissens. Sie reduzieren nicht die Quellen der Unsicherheit, wie zum Beispiel Komplexität, sondern sie mindern die Risikoeinschätzung der Konsequenzen. Die Mitglieder des Netzwerkes geben dem einzelnen Akteur Sicherheit und können die Einschätzung der Konsequenzen in positiver, aber auch in negativer Hinsicht beeinflussen.

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Call for Papers: 30 Jahre deutsche Einheit

Am 3. Oktober jährt sich die Wiedervereinigung zum dreißigsten Mal. 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Damit waren fast vierzig Jahre deutsche Teilung beendet. Auch dreißig Jahre nach diesem für Deutschland, Europa und die Welt prägenden Ereignis wirkt sich die Wiedervereinigung auf das politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland aus. Während manche in Ostalgie schwelgen und ehemalige DDR-Produkte wieder Absatz finden, fühlen sich viele Ostdeutsche immer noch als Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse und fühlen sich in vielerlei Hinsicht nicht ausreichend repräsentiert.

Vor diesem Hintergrund soll der Schwerpunkt „30 Jahre deutsche Einheit“ die politischen, gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre in den Blick nehmen und analysieren. Gesucht werden Kurzanalysen, Essays und Forschungspaper, die verschiedene Facetten dieses Themas abbilden. Der Schwerpunkt startet im Frühjahr 2020.

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Robuste Fakten? Verhältnis von Transparenz und Framing im Kontext komplexer Politik

PD Dr. Markus Reiners, der an der Leibniz Universität Hannover lehrt und forscht, analysiert das Verhältnis von Transparenz und Framing im Kontext komplexer Politik. Durch Framing können nämlich Aspekte einer wahrgenommenen Realität betont und bestimmte Assoziationen und Interpretationen hervorgerufen werden. Somit kann Framing also auch bewusst als „Waffe“ eingesetzt werden, um beispielsweise im Wahlkampf zu überzeugen. Dadurch lässt sich auch Transparenz in eine bestimmte Richtung lenken.

Die Ausgangsfrage nach „robusten Fakten“ in der Überschrift erscheint nicht sofort verständlich, denn bei Fakten handelt es sich nicht um Frames und bei Frames, als gedanklich und vorkonstruiertem Rahmen, handelt es sich nicht um Fakten. Die Frage verlangt vielmehr danach, genauer zu reflektieren. Festzustellen ist, dass Frames allenfalls Fakten enthalten. Sie be­ruhen und betonen bestimmte Fakten, rücken solche in den Vordergrund und negieren wiederum andere. Hinsichtlich der durch Frames betonten Fakten liegt unter Umständen eine gewisse Robustheit zu Grunde, ich komme ausgangs darauf zurück. Insbesondere birgt die Diskussion einen Widerstreit zwischen Realismus und Konstruktivismus.

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Interessenvermittlung in der Onlinewelt

Dr. Paula Nitschke vom Institut für Medien, Wissen und Kommunikation der Universität Augsburg wirft einen Blick auf die Nutzung von Onlinemedien zur Interessenvermittlung. Welche Onlinemedien nutzen organisierte Interessen und zu welchem Zweck? Der Medienwandel führt unter anderem zu strukturellen Veränderungen in Form von Verschiebungen in der Landschaft der Vermittlungsakteure, neuer Kommunikationsstrategien und Umgangsweisen mit alten und neuen Medien.

Sowohl in der öffentlichen als auch in der wissenschaftlichen Debatte wird der gegenwärtige Medienwandel – und dabei insbesondere der Zusammenhang von Digitalisierung und Internetmedien – oft als historische Zäsur bewertet, die eine Restrukturierung aller gesellschaftlichen Teilbereiche bedeutet. Auch in der politischen Kommunikationsforschung wird der durch die Digitalisierung ausgelöste kommunikative Wandel als Zeitenwende bewertet, die „ver­gleichbar ist mit der Entstehung bürgerlicher Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit oder ihrer Transformation zur modernen Öffentlichkeit industrieller Massengesellschaften“ (Dohle et al. 2014, S. 435).

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CO2-Grenzwerte für Lkw – Eine Erfolgsgeschichte für die Fahrzeugindustrie?

Julia Sollik, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum tätig ist, untersucht am Fall der EU-Verordnung zur Reduzierung der CO2-Emissionen durch schwere Nutzfahrzeuge, inwieweit sich wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Akteure hinsichtlich ihrer Positionen, der vorgebrachten Argumente und ihres Erfolges voneinander unterscheiden. Mittels des Preference Attainment-Ansatzes berechnet sie den Erfolg der Akteure.

 

„I’m sure the fossil fuel lobbyists will sleep well tonight“ – so kommentierte ein Vertreter der internationalen Natur- und Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature den verabschiedeten Rahmen für die Klima- und Energiepolitik der EU bis 2030. Die Wirkung von Interessenvertretung auf politische Entscheidungen und die Macht, der Einfluss oder der Erfolg von privatwirtschaftlichen Interessen verglichen mit allgemeinwohlorientierten Interessen wird sowohl in der öffentlichen als auch akademischen Debatte seit langem diskutiert. Dies gilt insbesondere für regulative Politiken im Bereich der Umweltschutz- und Klimapolitik.

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Wie reagieren die Fraktionen im Bundestag auf die Fridays for Future Bewegung?

Pauline Büsken, die im Master „European Culture and Economy“ an der Ruhr-Universität Bochum studiert, analysiert die Reaktionen der Bundestagsfraktionen auf die Protestbewegung Fridays for Future. Wie reagiert die Politik auf die Medienaufmerksamkeit für diese Bewegung? Verglichen mit der Berichterstattung in der FAZ scheint der Bundestag auf die Bewegung zu reagieren. Hierbei zeigen sich jedoch Fraktionsunterschiede: Während Grüne und Linke das Thema positiv besetzen, reagieren die CDU/CSU, die FDP und die SPD eher zurückhaltend. Die AfD hingegen besetzt die Bewegung negativ.

Der Klimawandel als „eine der größten Herausforderungen des 21.Jahrhunderts“ (Ranke 2019: V) ist nicht zu leugnen. Aufgrund der unabsehbaren Konsequenzen, die ein Nichtaufhalten der globalen Erderwärmung zur Folge haben würde, hat sich eine Protestbewegung aus Schüler*innen formiert, die freitags dafür auf die Straße gehen, dass die globale Erderwärmung begrenzt wird. Die Fridays for Future Demonstrationen „finden großen Zulauf und ein großes Echo in [den] Medien“ (Reinhardt 2019: 1), aber wie hoch ist ihre politische Wirksamkeit?

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Wie können VAA-Daten zur Analyse von Parteipositionierung anhand von gesellschaftlichen Konfliktlinien genutzt werden?

Adrian Thömmes, Student der Politik und Wirtschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, analysiert in seinem Beitrag das österreichische Parteiensystem anhand von drei gesellschaftlichen Konfliktlinien. Neben der wirtschafts- sowie gesellschaftspolitischen Dimension wird auch eine Populismus-Dimension betrachtet, bei der untersucht wird, ob die Parteien eher Pro- oder Anti-Establishment-Positionen vertreten. Grundlage für die Analyse sind Daten, die bei der Erstellung von Online-Wahlhilfen, sogenannten Voting Advice Applications (VAAs), vor der österreichischen Nationalratswahl im September 2019 generiert wurden.

Voting Advice Applications wie der Wahl-O-Mat stellen seit mehreren Jahren eine der wichtigsten und zudem niedrigschwelligen Möglichkeit zur Senkung von Informationskosten für Wählerinnen und Wähler dar. Darüber hinaus eröffnen sie neue Möglichkeiten auf dem Gebiet der Wahl- und Parteienforschung. Der folgende Beitrag wird sich dementsprechend neben der Analyse des österreichischen Parteiensystems auch den methodischen Hintergründen der Parteipositionierung mithilfe von VAA-Daten widmen.

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Katholische Wohlfahrt: Politikimplementation im Spannungsfeld zwischen sozialer Arbeit und katholischem Auftrag

Olivia Mettang und Dr. Eva-Maria Euchner, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München forschen, erörtern, dass Kirchen in zahlreichen staatlichen Beratungs- und Entscheidungsgremien eingebunden sind und zusätzlich ihre privilegierte Stellung für sogenannte Kirchendiplomatie nutzen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass eine von der katholischen Kirche bereitgestellte Dienstleistung im Wohlfahrtssektor auch katholisch gefärbt ist. Inwiefern agieren Beraterinnen und Berater im Sinne der katholischen Kirche? Und wie beeinflusst dies den Einfluss der Kirche auf die Implementation von Gesetzen?

Die Frage, ob Kirchen als Interessengruppen zu klassifizieren sind, wurde lange kontrovers diskutiert, vor allem in der deutschsprachigen Literatur. Jüngere Beiträge aus dem Feld der Religionspolitikforschung und insbesondere der Moralpolitikforschung konzeptualisieren Kirchen zunehmend als politische Akteure, die eigenständige Interessen verfolgen. Äußert prominent ist dieser Zugang in der, aus den USA stammenden, Literatur zur Religionsökonomie. Diese konzeptualisiert Kirchen als rationale Akteure, denen es primär um den organisationalen Selbsterhalt geht. Daneben haben Kirchen Präferenzen bezüglich der Politikgestaltung.

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Interessenvermittlung und Recht in Deutschland

Dr. Katharina van Elten von der Ruhr-Universität Bochum beleuchtet mit dem Rechtsweg eine weitere Arena der Interessenvertretung, die neben Parlament und Ministerialverwaltungen bisher ein Schattendasein führte. Wie nutzen Interessenvertreter*innen Gerichte, um ihre Anliegen in den politischen Prozess einzubringen? Und welche Voraussetzungen und Grundlagen dafür bietet das System überhaupt?

Interessenvermittlung durch Recht hat bisher in Deutschland sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Forschung relativ wenig Aufmerksamkeit erfahren. Forschung zu „Interessenvermittlung“, dem neutraleren Begriff des etwas in Verruf geratenen „Lobbyings“, konzentrierte sich bisher weit überwiegend auf die Arenen des Parlaments, der Ministerialverwaltung oder der Medien. Zugang und Einfluss von Interessen wurde dabei meist in Zusammenhang mit Informationsaustausch oder der Erzeugung von Handlungsdruck durch mediale Kampagnen untersucht. Dass Interessengruppen auch den Rechtsweg nutzen, um Einfluss auf Politikgestaltung zu nehmen und ihre Anliegen in den politischen Prozess einzubringen, ist bisher weitgehend unbeleuchtet geblieben.

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Interessenvertretung in der Wissenschaft

Prof. Dr. Manfred Mai, der außerplanmäßiger Professor an der Universität Duisburg-Essen ist und verschiedene Referate in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen leitete, nimmt eine Art der Interessenvertretung in den Blick, die in der Öffentlichkeit kaum beachtet und eher weniger als Lobbying wahrgenommen wird: die Interessenvertretung der Wissenschaft gegenüber der Politik. Wie funktioniert diese stille Art der Interessenvertretung?

Wissenschaftler haben zwar ebenso wie Hausbesitzer, Dieselfahrer oder Selbstständige Interessen; sie haben aber auch besonderen Ansprüche an ihre Tätigkeit und sind intrinsisch hochmotiviert wie Künstler und andere Kreative. Das Idealbild eines Wissenschaftlers ist bestimmt durch eine selbstlose Hingabe an eine Aufgabe, sei es die Suche nach einem fehlenden Theoriebaustein oder der Beweis einer jahrhundertealten Vermutung. Die Reputation in der Scientific Community ist ihr eigentlicher Lohn ebenso wie die Häufigkeit, mit der man von anderen zitiert wird.

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