„Hacking Karlsruhe“

Lea Wulf, die an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert, analysiert in ihrem Beitrag, wie Strategische Prozessführung als Instrument netzpolitischer Interessendurchsetzung genutzt wird. Am Beispiel einer Verfassungsbeschwerde gegen den Straftatbestand der Datenhehlerei zeigt sie, wie eine Initiative aus der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Netzpolitik.org und Reporter ohne Grenzen Deutschland mithilfe strategischer Prozessführung rechtlich gegen diesen vorgeht.

Die Digitalisierung durchdringt unsere Gesellschaft und verändert diese nachhaltig. Das Internet ermöglicht eine globale und vernetzte „Many-to-Many“-Kommunikation , bei der die Grenzen zwischen Sender und Empfänger von Informationen zunehmend aufweichen. Das Internet als Triebkraft der Digitalisierung ermöglicht aber auch neue Formen von Kriminalität. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde bereits 2010 die Vorratsdatenspeicherung zur Erleichterung der Strafverfolgung diskutiert. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das erste Gesetzesvorhaben unterband, wurde 2015 ein neuer Entwurf vorgelegt – das Gesetz zur „Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“.

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Hinter verschlossenen Türen

Dr. Florian Spohr von der Ruhr-Universität Bochum untersucht die im Jahr 2015 nach einer Klage von abgeordnetenwatch.de veröffentlichten Daten der Interessensvertreter mit Hausausweis für den Bundestag. Die Analyse zeigt erstens ein Übergewicht wirtschaftlicher Interessen. Zweitens zeigen sich parteipolitische Unterschiede in der Vergabe von Hausausweisen an organisierte Interessen. Und drittens zeigt der Beitrag die gestiegene Relevanz nicht-verbandlicher Akteure wie Firmen, Think Tanks und Public Affairs Agenturen im Lobbyismus auf.

Hausausweise, die jederzeit zum Eintritt in den Bundestag berechtigen, sind gefragt bei Lobbyisten. Interessengruppen, die sich in der Lobbyliste des Bundestagesregistrieren lassen, können diese für ihre Vertreter beantragen. Es ist dann eine Ermessensentscheidung der Bundestagsverwaltung, diese Anträge zu akzeptieren.Neben diesem offiziellen Weg gab es aber noch ein „dunkles Schlupfloch“ um an die begehrten Plastikkarten zu kommen: Die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen konnten ebenfalls Hausausweise ausstellen; die Bundestagsverwaltung prüfte dann lediglich noch Sicherheitsfragen. Diese Zugangsmöglichkeit rückte Ende des Jahres 2015 in die Öffentlichkeit.

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Die Landtagswahl in Sachsen

© TU Dresden, Foto: André Wirsig

Maik Herold von der TU Dresden blickt noch einmal auf die Landtagswahlen in Sachsen zurück. Dabei befasst er sich nicht nur mit der Verteilung der Mandate im sächsischen Landtag, sondern beantwortet auch Fragen nach der Rolle des CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer, der wahlentscheidenden Themen, der Kompetenzwerte der Parteien und der Verteilung der Wähler nach demographischen Merkmalen. Auch den Einfluss der innerdeutschen Spannungslinien wird abschließend analysiert.

Die sächsische Landtagswahl 2019 stand von Beginn an im besonderen Fokus der Medienberichterstattung, gilt doch Sachsen spätestens seit der Entstehung von PEGIDA im Herbst 2014 deutschlandweit als Hochburg rechtspopulistischer und rechtsextremer Strömungen. Bereits zwei Mal in Folge – zur Bundestagswahl 2017 und zur Wahl des Europäischen Parlaments im Mai 2019 – war es hier der AfD gelungen, mehr Wählerstimmen als die seit 1990 regierende CDU auf sich zu vereinen und stärkste politische Kraft zu werden. Umso mehr stand auch dieses Mal der mögliche Erfolg der Rechtspopulisten im Zentrum der Aufmerksamkeit.

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NGOs als besondere Akteure der Interessenvermittlung

Dr. Maximilian Schiffers, der an der NRW School of Governancezu NGO- und Lobbying-Themen forscht, analysiert die Handlungsrationalität von NGOs in Prozessen der politischen Interessenvermittlung. Die Ergebnisse der qualitativen Studie zeichnen ein differenziertes Bild der verschiedenen Profilausprägungen und der vielfältigen Strategie- und Handlungspraxis von NGOs. In Kürze erscheint eine frei zugängliche Open Access Publikation des ausführlichen Forschungsberichts.

Das Forschungsprojekt „NGOs und Politikmanagement“ thematisiert die Rolle von NGOs als besondere Akteure der Interessenvermittlung. Als Leitfrage untersucht es, wie verschiedene Typen von NGOs im Rahmen öffentlichkeitswirksamer politischer Prozesse agieren. Mit einer explorativen und qualitativen Forschungsstrategie vergleicht es fünf systematisch ausgewählte NGOs, die über verschiedene Strategie-Ausprägungen der Interessenvertretung (advocacy) sowie der Service- und Projektarbeit (non-advocacy) identifiziert wurden. Als theoretische Perspektive dient ein Dreieck der Handlungsrationalität – aus Unterstützungs-, Einfluss- und Reputationslogik – für NGO-Handeln im Kontext moderner Governance-Strukturen. Die Ergebnisse geben einen differenzierten Einblick in die Strategie- und Handlungspraxis von NGOs.

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Thüringen vor der Landtagswahl vom 27. Oktober 2019

Apl. Prof. Dr. Torsten Oppelland, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehrt und forscht, analysiert die Ausgangslage vor der heißen Phase des Wahlkampfes in Thüringen. DIE LINKE, die SPD und Grüne können vor dem Wahlkampf auf eine stabile rot-rot-grüne Koalition zurückblicken und dies für die Wählergewinnung nutzen. Das Abschneiden der FDP könnte den Ausschlag geben, ob diese Koalition – die alle Partner bereit sind, weiterzuführen – rechnerisch erneut möglich wird. Hierzu entwirft der Autor der Szenarien.

Bei der kommenden Landtagswahl wird sich entscheiden, ob das „Experiment einer rot-rot-grünen Koalition unter linker Führung“ in elektoraler Hinsicht erfolgreich sein wird. Zwar gibt es inzwischen auch in Bremen eine rot-rot-grüne Koalition (und manchmal hat man den Eindruck, dass dieses Koalitionsmodell erst seitdem „im Westen“ zur Kenntnis genommen wird), aber bislang ist Thüringen dahingehend einzigartig geblieben, dass nur hier ein von der Partei DIE LINKE gestellter Ministerpräsident, Bodo Ramelow, die Regierung führt. Insofern wird die Wahl nicht nur spannend, weil offen ist, ob die Koalition bestätigt werden wird, wie aktuelle Umfragen es nach mehreren Jahren, in denen dies ausgeschlossen schien, erstmals wieder in den Bereich des Möglichen rücken.

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Fortschritte bei der Europäisierung der Europa-Wahlkämpfe nationaler Parteien?

Apl. Prof. Dr. Torsten Oppelland und Felicitas Riedel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena blicken auf die Europa-Wahlkämpfe nationaler Parteien zurück. Wie stark war der Bezug nationaler Parteien zur europäischen Ebene während des Wahlkampfes? Die Autoren stellen unter anderem die Frage, inwiefern sich die nationalen Parteien an den von Kommission und EP formulierten Zielen orientiert und diese in ihren Wahlkampagnen berücksichtigt haben, zum Beispiel durch die Zugehörigkeit zu einer europäischen Partei kenntlich zu machen.

Die Wahlkämpfe für die Wahlen zum Europäischen Parlament fanden 2014 und 2019 unter recht ähnlichen Umständen statt. Beide Male stellten die europäischen Parteien – gemeint sind hier die Parteiverbünde auf europäischer Ebene, nicht die nationalen Parteien in Europa, die diesen Europäischen Parteien angehören wie die Landesverbände zu einer Bundespartei – Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten auf. Auch die Begründungen für dieses Vorgehen waren gleich.

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Landtagswahlen im Osten: Postmoderne Regierungsbildung – Minderheitskabinette

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, der Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen ist, analysiert anlässlich der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen die Potenziale einer Minderheitsregierung. Wenn Wählermärkte und Koalitionsmärkte nicht mehr zusammenpassen und eine Groko rechnerisch nicht mehr reicht, kann eine Minderheitsregierung konstruktiv weiterhelfen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Suche nach Mehrheiten, bei der verschiedene Modi denkbar sind.

Minderheiten kämpfen gegen Ressentiments. Das gilt auch für Minderheitsregierungen. Wähler verbinden damit Chaos und wechselnde Mehrheiten. Instabilität und Politikstau kennzeichnen vorurteilsgeladen Minderheitsregierungen in den Bundesländern. Wenn Wählermärkte und Koalitionsmärkte nicht mehr zusammenpassen und eine Groko rechnerisch nicht mehr reicht, kann eine Minderheitsregierung aber konstruktiv weiterhelfen. Postmoderne Regierungsbildung als Ausweg?

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Die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der V-Partei^3 und der ÖDP für die NRW-Landtagswahl 2017

Niklas Graf, der an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen studiert, analysiert die Wahlkampf- und Kommunikationsstrategie der beiden ökologischen Kleinstparteien V-Parteiund der Ökologisch-Demokratischen Partei. Dabei beobachtet er, dass es gerade bei Themen, welche ebenso andere Parteien in Nordrhein-Westfalen besetzen, eine schwer überwindbare Aufmerksamkeitshürde für weniger bekannte politische Akteure zu geben scheint.

In diesem Dossier werden der Wahlkampf sowie die Kommunikationsstrategien der V-Parteiund der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) analysiert, Rahmenbedingungen und Begleitumstände näher beleuchtet sowie Besonderheiten und Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien identifiziert. Analysekriterien sind die Inhalte und Themen der Parteien, deren Akteure und Ressourcen sowie Strategien, Wahlkampfinstrumente, Angebotsformate und ihre Medienpräsenzen. Was waren die zentralen Themen der einzelnen Kampagnen? Welche Wahlkampfformate, Medien und Stilmittel wurden eingesetzt? In welcher Art und Weise wurden die Wahlkämpfe organisiert? Was funktionierte bei der Kampagnenführung besonders gut, was eher nicht?

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Helmut Willke: Komplexe Freiheit – Konfigurationsprobleme eines Menschenrechts in der globalisierten Moderne

Laut Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, der an der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen forscht und lehrt, lohnt sich die Lektüre des Buches Komplexe Freiheit – Konfigurationsprobleme eines Menschenrechts in der globalisierten Moderne von Helmut Willke. Der Autor sieht unser Wissen – und damit auch die Freiheit –  digital bedroht. Komplexitätsmanagement wird so zu einem Dispositiv der Freiheit.

Für Lesefans des systemtheoretischen Demokratieanalytikers liefert das neue Buch viel Nachdenkenswertes. Vieles kennt man, wenn man Willke, den Bielefelder Soziologen, lesend verfolgt. Es fehlt diesmal die Kondensation, wie beispielsweise im Buch „Regieren“ (2014), in dem er seine steuerungstheoretischen Prämissen für moderne Regierungsforschung eingeordnet hatte. Schon damals mischte er seine Ideen mit epistemologischen Überlegungen. Diesmal sieht er unser Wissen digital bedroht und damit die Freiheit. Er entwickelt unter den Bedingungen einer komplexen Freiheit Spuren der Digitalmoderne.

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Call for Papers: Interessenvermittlung und Politikwandel

Die politikwissenschaftliche Forschungsagenda beschäftigt sich seit mehreren Jahren verstärkt mit der Diskrepanz zwischen politischem Agenda Setting und Erfolgsfaktoren in Politikwandelprozessen. Während die Themensetzungsprozesse kurzfristig ein hohes Maß an Bewegung und Variation aufweisen, lässt sich die politische Wirksamkeit für einen Politikwandel oftmals nur über jahrelange Zeiträume nachzeichnen.  Ein prominentes Beispiel für diesen Widerspruch ist die „Fridays For Future“-Bewegung. Seit Dezember 2018 erregt die Bewegung – mit dem Gesicht der Bewegung Greta Thunberg – durch ihre freitäglichen Klimastreiks immer wieder Aufmerksamkeit.

Vor diesem Hintergrund soll der Schwerpunkt „Interessenvermittlung und Politikwandel“ von Regierungsforschung.de beleuchten, welche Akteure und Strategien bei der Interessenvermittlung eine Rolle spielen und welchen Einfluss diese auf langfristigen Politikwandel ausüben. Gesucht werden Kurzanalysen, Essays und Forschungspaper, die verschiedene Facetten und Prozesse dieses Themas abbilden. Der Schwerpunkt startet im Herbst 2019.

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