Wahlen und Wahlkampf in Zeiten der COVID-19-Krise

Prof. Dr. Lars Holtkamp, Benjamin Garske und Frederik Müller von der FernUniversität Hagen präsentieren erste Ergebnisse ihrer Befragung von Kandidierenden zur (Ober-)Bürgermeister_innenwahlen in NRW im vergangenen Herbst. Wie haben Kandidierende den Wahlkampf während der Corona-Pandemie wahrgenommen? Die Auswirkungen der Pandemie auf Wahl und Wahlkampf werden von einzelnen Kandidierendengruppen – trotz einiger Überschneidungen – recht unterschiedlich bewertet. Doch nicht nur zwischen Amtsinhaber_innen und Kandierenden ohne Amt zeigen sich Unterschiede; auch getrennt nach Einwohnerzahl fallen die Bewertungen unterschiedlich aus.

Während internationale Publikationen zu Wahlen in Zeiten der COVID-19-Krise in Zahl und Reichweite relativ früh zugenommen haben, sind die Auswirkungen auf Wahlen und Wahlkampf in Deutschland bis jetzt nur zögerlich untersucht worden. Das liegt sicherlich auch daran, dass bis dato nur zwei Kommunalwahlen in Deutschland abgehalten wurden – in Bayern und Nordrhein-Westfalen. In einer traditionell eher national ausgerichteten Wahl- und Parteienforschung stoßen diese allerdings auf tendenziell geringeres Interesse. Hier wird dann nicht nur die Chance verspielt, Wahlen unter besonderen Konstellationen auch vor dem Hintergrund möglicher Prognosen für das sogenannte Superwahljahr 2021 zu analysieren, sondern auch die Möglichkeit, Hypothesen auf breiter empirischer Basis statistisch testen zu können oder dies zumindest auf ein breiteres empirisches Fundament zu stellen.

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Schuldenbremse und öffentliche Investitionen: Streitpunkt und Richtungsentscheidung vor der Bundestagswahl 2021

Prof. Dr. Salvatore Barbaro von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz erläutert die Streitpunkte rund um die Schuldenbremse, die die Parteien in Lager teilt. Kritikerinnen und Kritiker sehen in ihr eine Investitionsbremse, Befürworterinnen und Befürworter ein Instrument zur Begrenzung der Ausgaben. Auch wenn bis September im Wahlkampf allenfalls ideologische Bekenntnisse für und gegen die Schuldenbremse zu hören sein werden, wird die Schuldenbremse in den nachfolgenden Koalitionsverhandlungen eine zentrale Rolle einnehmen müssen. Denn durch die Corona-Pandemie stehen zuvor bestandene Spielräume kaum mehr zu Verfügung und tangiert die Schuldenbegrenzung jedes Projekt der zukünftigen Regierung.

Spätestens seit der Kanzleramtsminister Anpassungen an der Schuldenbremse in einer Tageszeitung erwogen hat, ist die Diskussion um diese vollends entfacht. Auch wenn die Union den Beitrag des Kanzleramtsministers als Alleingang brandmarkt und jegliche Diskussion zur Reform der Schuldenbremse brüsk verwehrt: Es steht ein Elefant im Raum. Es geht um die Frage, wie sich politische Programmatik und Realitätssinn vor einer Wahl in Einklang bringen lassen.

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Nach Trump – was macht Fox News?

Prof. Dr. Klaus Kamps, der an der Hochschule der Medien in Stuttgart forscht, wirft einen Blick auf den TV-Sender Fox News. Durch die Anerkennung des demokratischen Wahlerfolgs zog sich der Sender nicht nur den Zorn Trumps auf sich, sondern auch den Ärger seiner Wählerschaft und hatte in der Folge mit sinkenden Zuschauerzahlen zu kämpfen – sogar bei den führenden Ideology Talks. Mit großer Spannung erwartete man also die Programmentscheidungen im Januar, die keine moderateren Wege erahnen lassen als bisher. Wie ging es nach der Abwahl Trumps mit “seinem” Sender weiter und in welche Richtung weisen diese Entwicklungen?

Eigentlich waren es gute Zahlen, die der US-Nachrichtensender Fox News Ende Januar präsentieren konnte: Das nunmehr neunzehnte Jahr in Folge stand man 2020 an der Spitze der Kabelnachrichten. Allerdings war die Stimmung etwas eingetrübt angesichts der abfallenden Quoten unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl im November. Wie schon bei den Erfolgen Barack Obamas hatte Fox mit dem Frust seines konservativen Stammpublikums zu kämpfen. Diesmal aber war der Einbruch deutlich auffälliger.

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Der abgesagte „Civil War“

Dr. Philipp Adorf, der an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn lehrt und forscht, analysiert den Zustand der US-Republikaner nach dem Ausscheiden Donald Trumps aus dem Amt: Auch nach dem Ende der Trump-Präsidentschaft deuten die Ansichten der Republikanischen Wählerschaft darauf hin, dass Trump und seine Anhänger den Kurs der Partei weiter bestimmen. In der Partei stehen sich “Never-Trumper” und Trump-Befürworter gegenüber. Wo steht die Republikanische Partei also einen Monat nach dem Ende der Trump-Präsidentschaft?

Ein Blick auf die Schlagzeilen des letzten Jahrzehnts bezüglich des Zustands der Republikanischen Partei erweckt den Eindruck einer politischen Gruppierung, die nahezu fortwährend durch interne Streitigkeiten kurz vor dem Bruch steht. Zu Beginn der Obama-Ära schien die Tea Party-Bewegung die Partei vor die Zerreißprobe zu stellen; wenige Jahre später war es in den Vorwahlen Donald Trump, dessen Erfolg ebenso die Interpretation neu aufleben ließ, eine moderate Abspaltung der Republikaner könne das Licht der Welt erblicken.

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Listenkontinuität ohne zentrale Steuerung

Dr. Danny Schindler, der am Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) in Berlin forscht, beleuchtet den Prozess der Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten bei der Partei DIE LINKE in Nordrhein-Westfalen. Denn bald stehen die Kandidat*innennominierung für die kommende Wahl an. Doch wie lief es 2017 beim letzten Mal ab? DIE LINKE in NRW entschied sich für ein Verfahren ohne einen Listenvorschlag seitens des Vorstandes. Wie lässt sich dieses Verfahren bewerten und welche Bestandteile sind zukunftsfähig?

Es war ein Münzwurf, der den Einzug von Ingrid Remmers (DIE LINKE) in den 19. Deutschen Bundestag ermöglichte: Auf der Delegiertenversammlung zur Aufstellung der nordrhein-westfälischen Landesliste im März 2017 erhielten in der Stichwahl um Platz 11 sowohl Remmers als auch Ayten Kaplan genau 91 Stimmen, sodass der im Münzwurf versinnbildlichte Zufall entscheiden musste. Solche Losverfahren, die in den Demokratien des antiken Griechenlands eine große Rolle bei der Rekrutierung politischen Personals spielten, kommen in den Parteien allerdings nur als Notlösung für Pattsituationen zum Einsatz. Sie stehen am Ende eines langen und facettenreichen Auswahlprozesses für die Landeslisten, die die Bürger*innen mit ihrer Zweitstimme bei Bundestagswahlen wählen. (mehr …)

Vetofunktion des Bundesrates in Theorie und Praxis

PD Dr. phil. habil. Markus Reiners, der an der Leibniz Universität Hannover lehrt und forscht, geht der Position des Bundesrates als Vetospieler auf den Grund. Allgemein bekannt ist, dass der Bundesrat nur wenige Gesetzesvorlagen scheitern lässt. Aber unterscheidet sich das Verhalten des Bundesrates, wenn man die Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag einbezieht? Ja, in Nuancen lassen sich Unterschiede hinsichtlich der Kooperation und des Wettbewerbs feststellen.

Dem Bundesrat kommt bei divergierenden oder gleichgerichteten Mehrheiten zwischen beiden legislativen Kammern Bedeutung zu. Generell ist anzunehmen, dass parteipolitisch kompatible Konstellationen von Bundestag und Bundesrat (konstruktive Struktur) den Gesetzgebungsprozess vergleichsweise forcieren und parteipolitisch gegenläufige Mehrheitsverhältnisse (destruktive Struktur) einen solchen blockieren. Fraglich ist, ob und unter welchen Konstellationen Blockademöglichkeiten vom Bundesrat genutzt werden.

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Alles auf Anfang?

Christoph Bieber von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen und Klaus Kamps von der Hochschule der Medien in Stuttgart lassen die turbulente Übergangsphase von Donald Trump zu Joe Biden Revue passieren und skizzieren wichtig Formalien des Verfahrens. Dabei werfen sie auch einen Blick auf die Stichwahlen in Georgia, bei denen die Demokraten punkten konnten, und setzen sich mit der Gesetzesvorlage zur Neuregelung des Wahlsystems auseinander. Wäre damit ein Neustart der Demokratie in den USA möglich und könnte Joe Biden es schaffen, die polarisierten Staaten zu einen?

Der Übergang zwischen den Amtszeiten von Donald Trump zu Joe Biden war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es hätte nicht noch eines „Büffelmanns mit Hörnern“ (A. Laschet) bedurft – und erst recht nicht eines veritablen „Sturms auf das Kapitol“, um die Einzigartigkeit dieses Personalwechsels in der Pennsylvania Avenue zu unterstreichen. In einem knappen Rückblick rekapitulieren wir drei zentrale Punkte, die die Presidential Transition 2020/21 kennzeichnen. Im ersten Abschnitt blicken wir auf die historische Entwicklung und skizzieren wichtige Formalien des Verfahrens.

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Robert Habeck: Von hier an anders: Eine politische Skizze.

Für Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte von der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen ist das neue Buch von Robert Habeck “Von hier an anders: Eine politische Skizze.” ein sehr lesenswertes Buch, dessen letztes Drittel besonders interessant ist. Für alle, die am Politikmanagement und am Gestaltungswissen interessiert sind, bietet Habeck reichlich Stoff zur Diskussion und gibt entlang von Beispielen aus seiner Zeit als Minister in Kiel Einblicke in sein politisches Entscheiden.

Die Herstellung und Durchsetzung kollektiver Entscheidungen zur Problemlösung gelingt in einer Demokratie nur mit legitimierter Macht. Sie webt den Stoff des Politischen. Sie ist nicht einfach vorhanden, sondern entsteht – folgt man dem assoziativ-kommunikativen Ansatz von Hannah Arendt – erst im Miteinander, im Interagieren, konkret beim Handeln und Sprechen. Die Entscheidungsfähigkeit von Akteuren steht bei diesem Zugang im Zentrum, nicht so sehr die sanktionsgestützte Entscheidungskompetenz.

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Nationalismus – Implikationen zur Einordung von Genese und Entwicklungswegen

Philipp Legrand, der an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen und am Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung tätig ist, präsentiert ein Modell, das eine strukturierte Analyse nationalistischer Bewegungen ermöglichen soll, um mehr über die dynamischen Entwicklungswege solcher Bewegungen in Erfahrung zu bringen. Denn nationalistische Bewegungen gehören längst nicht der Vergangenheit an, wie die Beispiele Katalonien und Schottland in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen haben. Das genaue Verstehen dieser Bewegungen kommt letztlich auch Fragestellungen der Demokratie- und Regierungsforschung zugute. Denn einerseits können nationalistische Bewegungen demokratische Systeme prägen. Umgekehrt steckt das demokratische System einen Rahmen für politische Beteiligung ab.

Viele inner- und zwischenstaatliche Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert begründen sich vor dem Hintergrund ethnischer Konflikte. Konflikte dieser Art existieren schon lange, jedoch ist eine Zunahme seit Ende des Zweiten Weltkriegs erkennbar. Bereits früh zeigen sich derartige Konflikte zwischen Ethnien in Afrika und Asien im Kampf um Ressourcen und die Übernahme der Kontrolle staatlicher Institutionen. In den sechziger Jahren treten vermehrt ethnisch bedingte Spannungen in den USA und später in Westeuropa auf.

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Krisengetriebener Realismus Deutschlands und verstärktes Coreper

Stefan Haußner, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt und forscht, betrachtet die europäische Ebene während der Corona-Pandemie. Mit welchen Herausforderungen sahen sich die europäischen Institutionen, insbesondere der Rat der EU, konfrontiert? Auch wenn ein physisches Treffen der Ratskonstellationen kaum möglich war, gelang es über den Ausschuss der Ständigen Vertreter und die starke Nutzung informeller Videoformate arbeitsfähig zu bleiben. Dabei lagen große Erwartungen auf der deutschen Ratspräsidentschaft, die letztlich ihre Agenda überarbeiten musste.

Die Europäische Union Ende des Jahres 2019: Nach der Europawahl hat es lange gedauert, bis eine funktionsfähige Kommission die Arbeit aufnehmen konnte. Eine sich verändernde Weltordnung stellt die globale Rolle der EU zwischen Supermächten wie den USA und China in Frage, die Beziehungen zum Weißen Haus sind schwierig. Mit dem Brexit hat sich zum ersten Mal ein Mitgliedsstaat von der Union losgesagt. Expert*innen schien es beinahe unmöglich ein Handelsabkommen binnen Jahresfrist abzuschließen und dementsprechend schwierig gestalteten sich auch die Verhandlungen.

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